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Dunkler Abgrund Ch. 08

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Sein Blut in ihren Organismus fand einen Nachhall bei jeder Berührung. Als seien die elektrische Pole, die sich anzogen. Er wusste nicht, ob das normal war, denn er hatte nie sein Blut geteilt. Doch es fühlte sich normal an. Wunderbar, perfekt und grandios. Aber normal. Als sollte es genau so sein und nicht anders.

Mein summte sein ganzer Körper, während er sie betrachtete. Sie trug immer noch diese viel zu knappe, rote Hotpants und das seltsame Oberteil, das mehr aus Schnüren, als aus Stoff zu bestehen schien. Hinter ihr in dem Fußraum der Rücksitze lagen zwei dunkelgrüne Gummistiefel, die sie einem Angler aus dem Motel abgekauft hatte, als dieser gerade seine Sachen vom Ausflug zusammenpackte. Auch das war vor Alecs Aufwachen passiert, deshalb hatte sie siebzig Dollar für die lächerlich riesigen, stinkenden Dinger bezahlt. Besser als nichts, war ihre knappe Antwort gewesen, bevor sie nach diesem nervtötenden Notizbuch griff. Er hatte immer noch nicht herausgefunden, was das war. Doch er ließ ihr das Geheimnis. Noch.

Ihre tagblauen Augen richteten sich auf ihn, als er kurz zum Handschuhfach linste. Dort drin lag dieses elende Notizbuch, in das sie immer mal wieder Sachen schrieb. Vielleicht eine Art Tagebuch? Er sah sie schnell an, denn er sollte nicht das Bedürfnis haben, sie auszuspionieren. Sie verbarg schließlich sonst nichts vor ihm. Es wäre nicht richtig, sich in ihre Angelegenheiten zu mischen. Aber es würde Spaß machen...

Grace fuhr langsamer. „Die Straße ist gleich zu Ende und es gibt keinen Wendeplatz vor dem Anwesen da hinten. Wo muss ich hin?", fragte sie schließlich. Sie war in der letzten Stunde erstaunlich ruhig geworden, wie ihm plötzlich auffiel. Vorher war ihm das nicht bewusst gewesen, denn er war zu abgelenkt von dem Gefühl ihre Haut zu berühren.

Alec sah nach vorn und betrachtete sein Haus am Ende der Straße. „Zum Anwesen", sagte er leise.

„Du meinst... Das da?" Grace starrte nach vorn. „Oh." Sie legte den Kopf schief und beschleunigte leicht bis sie bei Schrittgeschwindigkeit angelangt waren. „Das ist dein Stützpunkt?"

Alec sah ebenfalls nach vorn. Das zweistöckige Südstaatenanwesen war kurz vor der Revolution gebaut worden. Die riesige Front wirkte wie aus einem Film über die prächtigen und reichen Herrenhäuser der Plantagenbesitzer. Eine Allee aus Bäumen malte einen Halbbogen über der langen Einfahrt, die er früher noch mit einem Pferd entlang geritten war. Dahinter erstreckte sich ein ausufernder Garten, den er allerdings in der Dunkelheit nur mit seinen geschärften Augen wahrnehmen konnte. Ein Heckenlabyrinth begann hinter dem Haus und führte über die ganze rechte Seite des Anwesens. Es war beeindruckend, das wusste Alec. Besonders durch die weiße Säulenfassade, die die Veranda umgab, die rund um das Haus führte. Drei Generationen hätten zusammen mit einer riesigen Sippe an Sklaven darin genug Platz, um sich nicht einmal am Tag zu begegnen. Allerdings war es niemals für Menschen und Sklaven gebaut worden.

Statt gemütlichen Schlafzimmern gab es Waffenkammern; statt opulenten Wohnzimmern gab es Trainings- und Beratungsräume, statt heimeligen Küchen gab es Sicherheitsanlagen; statt hübschen Natursteinmauern gab es Fallen, statt sauberen Badezimmern gab es Folterkammern. Nur der vordere Teil war für Gäste zu einem richtigen Haus ausstaffiert. Niemand würde sich auf diesem Anwesen gefahrlos bewegen können. Und vor allem nicht unbeobachtet.

Im Vorbeifahren gab er den Bäumen Zeichen und hinter der dunklen Fassade blitzen plötzlich Lichter in den Fenstern auf, während sich Schatten aus den Büschen lösten und zum Eingang hechteten. Gut, zumindest die Schattendämonen waren ihm gegenüber treu geblieben und hatten sich nach seinem Verschwinden nicht einfach abgesetzt. Im Gegensatz zu den Wahren Familien und dem Rest der Vampirwelt. Doch sie würden für dieses Verhalten einen Preis bezahlen...

„Bist du dir sicher, dass dieses Haus das richtige ist?", flüsterte Grace plötzlich und ging wieder vom Gas, bis sie sich kaum noch bewegten. „Da brennt plötzlich Licht."

„Wir werden ja auch erwartet", beruhigte Alec sie. „Da drin sind meine... Leute." Obwohl Leute wirklich großzügig als Bezeichnung war, berichtigte Alec sich nicht. „Mach dir keine Sorgen", fügte er hinzu und streichelte leicht ihre Hand auf dem Lenkrad. Wieder erfüllte ihn dieses Prickeln.

Sie nickte. Allerdings war ihr Gesichtsausdruck mehr als angespannt.

*

Die Menge johlte, als das Mädchen für eine dumme Plastikkette ihr Top hochriss und ihre nackten Brüste zeigte. Zwei Typen griffen halb nach ihr, doch ein dritter zog sie beiseite, bevor sie überhaupt ihren Lohn, nämlich die Kette, zu fassen bekam.

Mardi Gras wie es leibte und lebte, dachte Christopher Young und hielt unauffällig seine Kamera auf die Titten, während er gleichzeitig schon nach der nächsten Braut suchte, die dumm und betrunken genug war, dies ebenfalls zu tun.

Jedes Jahr lud Young eigene Filme ins Netz, die irgendwelche betrunkenen Schlampen zeigten, die ihre Titten präsentierten. Damit verdiente er sich ein bisschen was für sein Studium dazu. Nicht viel, natürlich. Denn das Internet war voller solcher Bilder und Filme.

Doch Young hatte Schulden, deshalb brauchte er dieses Jahr den richtigen Kick. Etwas, das alle sehen wollten. Vielleicht fand er ja irgendwo ein Pärchen, das unauffällig in einer Ecke fickte. So etwas ging richtig gut. Ficken an sich lief immer gut, aber wenn die Fotze auch noch ausgeknockt und weggetreten war, gingen die Downloadzahlen durch die Decke.

Vielleicht fand er ja selbst irgendeine Frau, der Drogen untergeschüttet worden waren. Young selbst hatte nicht genug Geld für eine dreihundert-Dollar-Ampulle Rohypnol, aber es gab eine Menge Kerle, die ihre Opfer aus dem Blick verloren, nachdem sie etwas in ihren Drink gekippt hatten.

Letztes Jahr hatte er bei so einer betäubten Hure einen Krankenwagen gerufen, doch dieses Jahr wäre Young nicht noch einmal so nett. Er würde sie mitnehmen und filmen, während er sich an ihr verging. Das würde nicht nur Spaß machen, sondern auch Kohle bringen.

Im Augenwinkel sah er eine Gruppe von verkleideten Frauen, die lachend und tanzend eine noch größere Gruppe von grölenden Männern einheizten. Eines der Mädchen war betrunken genug, um nicht sofort zu merken, als einer der Männer einfach nach ihren Top griff und es bis zu ihrem Hals zerrte. Die Frauengruppe kreischte lachend, während das Mädchen ihr Top wieder runterriss.

Schnell hielt Young drauf, doch das Bild verwackelte, als irgendein Arschloch einem Festwagen auswich und ihn anstieß. „Hei Wichser!", protestierte Young und sah nach seiner Kamera.

Der Mann blieb kurz vor ihm stehen und entschuldigte sich nuschelnd.

Alter Sack, dachte Young und wischte über seine Linse. Sein Blick folgte dem ungewaschenen, dreckigen Penner, der sich seinen Weg durch die Menge bahnte und nach Kleingeld bat. Wie die Touristen strömten auch die Bettler in die Stadt, doch dieser hier wohnte das ganze Jahr über hier. Young kannte den Obdachlosen; oft stand Crazy Chase an der Straßenecke zur Bibliothek und bettelte mit einem lächerlichen Pappschild um Essen. Nur um sich von dem Geld am Ende Schnaps zu kaufen.

Ein Mädchen lief an ihm vorbei und brüllte „Cindy!", während sie weiterlief. Ein anderes Mädchen folgte ihr und drückte ihm im Vorbeigehen einen roten, vollen Plastikbecher in die Hand.

Young betrachtete den Plastikbecher, dann drehte er sich um und warf ihn nach Crazy Chase. Das Plastik klatschte gegen seinen alten Army-Mantel und lief über den verwaschenen dreckigen Stoff seines Rückens. Der Bettler drehte sich wankend um, doch Young duckte sich rasch in der Menge und ging weiter. Da hatte er seinen Alkohol, dachte Young abschätzig und hob die Kamera. Die Ladys warteten schließlich nicht auf ihn.

*

Graces Gummistiefel quietschten, als sie vorsichtig den riesigen Empfangssaal durch die Haustür betrat. Sie war wirklich ungewöhnlich ruhig geworden, stellte Alec diesmal mit mehr Sicherheit fest. Normalerweise würde sie in so einer Situation die Inneneinrichtung kritisieren und behaupten, dass man auch mit dem IKEA-Angebot gut leben konnte. Und sie würde hinzufügen, dass man all das überflüssige Geld, das nun in diesen Hochglanzmöbeln steckte ein ganzes Entwicklungsland ernähren könnte. Doch sie schwieg und sah sich vor dem symmetrischen Treppenaufgang um.

Niemand befand sich im Raum. Die Schattendämonen warteten im Hintergrund auf seine Befehle, da sie durch die Anwesenheit des Menschen, Grace, verunsichert waren. Die Schattendämonen, Opacus, waren schon seit jahrtausenden in seinem Dienst. Weshalb sie sich ihm angeschlossen hatten, war Alec schleierhaft. Sie redeten kaum und wenn, dann nur in einem seltsamen Sanskrit, das selbst Alec kaum entschlüsseln konnte. Doch sie machten, was er ihnen sagte, kümmerten sich um das Haus, die Gärten und die Modernisierung der technischen Ausstattung und nahmen dafür kaum mehr als eine Handvoll Insekten zu sich. Auch wenn es ihnen schwer fiel für längere Zeit ihre Substanz zu behalten, statt einfach in einen schwarzen Rauch zu verfallen, konnten sie mühelos in die Körper von Menschen eindringen und sie dazu bringen, für sie etwas zu tun. Wie den Klempner zu rufen, oder die Reinigungsfirma zu benachrichtigen. Im Notfall waren sie auch in der Lage, wichtige Knöpfe zu drücken und die Anlage zu sichern. Doch sie konnten nicht kämpfen oder für längere Zeit einen fühlbaren Körper behalten. Wahrscheinlich fühlten sie sich deshalb so wohl mit der technologischen Errungenschaft des Computers. Einzelne Körperteile wie Finger oder Hände konnten sie über Tage hinweg fleischlich gestalten und Computerspiele spielen. Doch nicht ihre pflegeleichte Art machte sie zu den perfekten Beschützern dieses Heims. Allein ihre gespenstige Aura hielt sie meisten Menschen und dämonischen Wesen ab.

Vielleicht fühlte Grace ja auch ihre Aura und war deshalb so still.

„Gefällt es dir?", fragte er schließlich.

Grace warf ihm einen kurzen Blick aus diesen unglaublich hellblauen Augen zu und nickte. Ihre Stiefel, die bis zur Mitte ihrer Oberschenkel gingen, quietschten, als sie langsam zum nächsten Raum watschelte. Dort zögerte sie, bis er ihr folgte.

Verunsichert bezwang er den Drang, sie wieder zu berühren, sie in den Arm zu nehmen, sie zu streicheln oder zu küssen, sondern stellte sich gerade nah genug hinter sie, dass sie seine Körperwärme fühlen konnte. Sie lehnte sich nicht an ihn, sondern blieb steif stehen. „Alec?", fragte sie schließlich. „Ich möchte neue Schuhe."

Er lächelte kurz und legte einen Arm um ihre Schultern. Sanft küsste er ihr Haar und atmete den Duft von billigem Motel-Shampoo ein. Wahrscheinlich war es besser für Grace, wenn sie nicht sofort ins Bett hüpften, sondern sie sich erst einmal umsehen konnte. Nicht nur im Haus, sondern in der ganzen Stadt.

Sie drehte sich in seinen Armen und umschlang seine Taille. „Ich will einfach weg", flüsterte sie leise. „Lass uns einfach für ein paar Stunden aus dem Chaos verschwinden. Ich bin kaum in Sicherheit und fühle mich schon eingesperrt. Nur heute Nacht. Nur ein paar Stunden. Ich will nur neue Schuhe, dann kommen wir zurück und ich bleibe brav in irgendeinem Sicherheitsbunker, okay?"

Einen Moment hielt er sie fest, drückte sie an sich und bettete sein Kinn auf ihrem Scheitel. „Natürlich."

*

Er sah sie. Er sah sie. Er-sah-sie. Ersahsie. Ersasi. Ersasi. Trippeltrippel. Schrittschritt. Sie ging. Schnell ging sie. Immer schneller. Doch er sah sie. Sahsie. Sasi.

Crazy Chase lief dem Mädchen hinterher, das wankend die kleine Gasse durchquerte. Sein Schritte waren uneben, doch schnell. Sie lief gute fünfzehn Meter vor ihm. Er musste sie erreichen. Trippeltrippel. Mardi Gras hatte ihre Spuren an dem Mädchen hinterlassen. Sie trug nicht umsonst den ganzen Hals voller Ketten. Sasi.

Das Mädchen warf einen Blick über die Schulter und bemerkte ihn. Sah ihn. Sain. „Ich hab kein Geld, Penner!", rief sie laut und wandte sich ab.

Er folgte ihr. Schrittschritt. Huschhusch.

„Geh weg, oder ich ruf die Bullen."

Chase Mund verzog sich angewidert. Bullen. Er selbst war auch einmal einer von ihnen gewesen. Irgendwie. Vietnamveteran war irgendwie alles. Irgendwie. Die Bullen glaubten ihm nicht. Deshalb brauchte er das Mädchen.

Huschhusch, trippeltrippel. Schritt, Schritt. Ersasi.

In seinem Mund schmeckte er noch den Rest des Hotdogs, den er im Mülleimer gefunden hatte. Doch bald würde ein anderer Geschmack seinen Mund füllen. Er betrachtete sie. Hübsches Mädchen.

Sie beschleunigte ihre Schritte und sah ihn wieder an. „Ich weiß, wer du bist."

Das wusste er auch. Manchmal. Aber manchmal vergaß er es auch. Ersasi. Trippeltrippel auf den hohen Hacken. Er kam näher, weil sie stehen blieb und in ihrer Handtasche kramte. Als er sie erreicht hatte, hob sie die Hand und plötzlich schmerzten Chase Augen ganz grässlich. Er schrie auf und schlug die Hände vors Gesicht, als das Pfefferspray in seine Nase quoll. Er hörte ihre Tippeltrippelschritte schnell über den Asphalt preschen, als sie schreiend losrannte und sich in Sicherheit brachte.

Dabei hatte er ihr nur erzählen wollen, dass ihre Freundin bei Young war. Und in großen, großen Schwierigkeiten. Doch nie hörte jemand auf ihm. Weil sie glaubten, dass er verrückt war und trank. Oh, er war tatsächlich verrückt. Zu viel Müll in der Birne. Aber er war ein guter Kerl.

Keuchend setzte er sich auf und griff in seine Jackentasche. Ein silberner Flachmann wurde sichtbar und Crazy Chase trank einen Schluck isotonisches Mineralwasser. Endlich verflog der Geschmack von altem Hotdog und Pfeffer. Kein günstiges Wasser aus dem Discountmarkt war das, sondern richtig teures Wasser für neunneunzig die Flasche. Doch er achtete auf sich. Wenn er schon auf niemanden anders achten konnte.

*

Grace hob einen großen, bunten Strohhut von der Ablage und lachte, als sie das Ding auf Alecs Kopf setzte. Die Farben zeigten einen seltsamen Kontrast zu seinem angespannten, harten Gesicht. Als male man einen Regenbogen über einen tollwütigen Kampfhund, der seine Zähne fletschte. Sie lachte laut auf und packte seinen Arm, um ihn zur Kasse zu zerren.

Alecs Gesicht entspannte sich leicht, als er ihr lachen hörte und anstandslos zahlte er das grässlich bunte Ding. Nur um sie glücklich zu machen.

Grace küsste ihn kurz und drängte sich an ihn. Um ihn herum teilte sich die Menge, als sie ihn zum nächsten Shop zerrte, der in dieser Nacht immer noch seine Touristenwaren anbot. Festwagen wurden immer noch durch die überfüllten Straßen gefahren und Betrunkene tanzten auf den Bürgersteigen. Aus jeder Ecke drang Jazz-Musik und heizte der angeheiterten Menge ein. Leute zogen sich auf. Mädchen kicherten. Es war eine Orgie und trotzdem nicht unangenehm. Geschäftsleute und Ladenbesitzer lächelten. Polizisten erklärten geduldig die Wege. Trompeten, Saxophone und Bässe fanden ihre Wege aus den Clubs auf die Straße. Bunte Kostüme und nackte Haut überall. Und so viel Lachen.

Sie wusste, dass Alec gerade durchdrehte, weil dies ein gefährlicher Ort war und er hier nicht kontrollieren konnte, ob ihr jemand zu nahe kam. Doch sie brauchte diese Menschenmenge, in der sie abtauchen konnte. Deshalb hatte sie seinen Vorschlag in das Einkaufszentrum einzubrechen auch abgelehnt. Sie wollte dies hier, dieses Chaos. Nur hier konnte sie eintauchen und verschwinden. Einer von ihnen sein. Normal und ausgelassen.

Das Angebot eines Straßenhändlers faszinierte sie. Sie blieb abrupt stehen und Alec lief gegen ihren warmen, halbnackten Rücken. Die Berührung schickte einen prickelnden Schauer durch ihren Körper und Alec blieb stehen, statt zurückzuweichen. Auch er fühlte diese elektrisierende Verbindung.

„Schuhe", hauchte sie begeistert und griff nach der Auslage. Gut dreißig Paar Schuhe; Flipflops, Ballerinas und Sandalen lagen verstreut in einem Metallgitterkasten. Sie nahm einen roten, flachen Ballerinaschuh und packte Alecs nackten Arm, um sich aus ihrem fast hüfthohen Gummistiefel zu quälen. Der Stiefel kippte zur Seite, als sie in den Schuh stieg und dann mit dem Fuß wedelte. „Er passt!" Sie drehte sich sofort um, um den zweiten Schuh zu finden, doch schließlich steckte sie einen anderen Schuh an ihren Fuß. „Der auch!"

Alec blieb regungslos stehen, als sei diese fantastische Endeckung nicht weiter interessant. Sein Blick glitt durch die Menge, als warte er auf einen Angriff.

Ihr gutes Gefühl verflog. Während sie für ein paar Minuten vergessen hatte, dass sie in tödlicher Gefahr schwebten, prüfte Alec immer noch ununterbrochen die Umgebung, als könne sich Damon einfach aus der Menge lösen und auf sie zusteuern. Sie warf die übrigen Paar Schuhe zurück in den Metallkasten und drückte das rote Ballerinapaar an ihre Brust. Nun, ihr Auftrag war erfüllt. Grace hatte ihre Schuhe. Vielleicht konnten sie auf dem Weg zurück zum Auto ihr vielleicht Unterwäsche irgendwo besorgen oder Wechselkleidung. Die letzten beiden Nächte hatte sie zwar damit leben können, die Sachen morgens zu waschen und mit dem Fön zu trocknen, doch auf Dauer ging das nicht. Und Damon würde nicht, wie Alec offensichtlich glaubte, noch heute vor ihrer Haustür stehen. Zumindest war sie sich dessen ziemlich sicher. Hätte sie etwas anderes geglaubt, wäre sie niemals so dreist gewesen Alec aus der Sicherheit des Hauses zu schleppen.

Seufzend schob sie ihren nackten Fuß in den Gummistiefel und wackelte damit, bis sie wieder drin stand. „Fertig", murmelte sie leise und wusste, dass Alec sie trotz Musik, Lärm und Geschrei ohne Probleme hören konnte. Auch der letzte Rest ihrer Aufregung war verpufft. Mit hängendem Kopf reichte sie Alec die neuen Schuhe und bemerkte dabei nur am Rande die Musikergruppe, die vor der nächsten Haustür eine Jazzimprovisation anstimmte.

Alec senkte kurz den Blick auf die Schuhe und sah ihr dann ins Gesicht. „Was ist?"

Sie spielte mit dem Gedanken einfach ‚Nichts' zu sagen, doch entschied sich dann um. Sie hatte noch nie viel von solchen Spielchen gehalten. „Ich weiß, dass es unvorsichtig ist: Aber... können wir nicht einfach das hier genießen?" Sie zeigte auf das Chaos um sich herum und bemerkte dabei wieder einmal, dass die Menge instinktiv einen gewissen Abstand zu Alec hielt, während Grace selbst ohne Rücksicht von einer Schulter zur anderen gestoßen wurde.

Alec hob unter dem grässlich bunten Hut eine Augenbraue.

Sie zuckte mit den Schultern. Seine Blicke konnte sie mittlerweile einschätzen und er hielt dieses Chaos für eine Gefahr, nicht für einen Anlass Spaß zu haben. „Okay." Sie seufzte leise und nickte dann auf die Schuhe. „Zahlst du schon mal? Ich würde schon mal vorgehen und im nächsten Laden ein paar Sachen anprobieren."

Alecs Blick blieb eine Weile an ihrem Gesicht hängen. „Das ist eine gute Idee. Wir wissen schließlich noch nicht, wie lange die Belagerung von Damon andauern wird. Werwölfe haben eine unglaubliche Ausdauer. Such dir so viele Kleider aus, wie du willst."

Spitze, dachte Grace, wandte sich leicht ab und drängte sich durch die Menge zum nächsten Klamottengeschäft. Jetzt musste sie sich auch noch Gedanken darum machen, ob ihre Kleidung auch für eine Belagerung passend sein könnte. Vielleicht gab es hier in der Nähe ja einen Armyshop. Obwohl Camouflage wohl kaum zu roten Ballerinas passte.

*

Morgana blieb wie angewurzelt stehen, als sie die Nähe des Bunkers erreichte. Schon von weitem sah sie, dass das Dach des Bunkers eingestürzt war. Hatte Alec schlussendlich doch die Geduld verloren und versucht sich umzubringen? Mehrere Tonnen Geröll waren heruntergeprasselt und mit etwas Glück für ihn hatte ihn tatsächlich ein Betonstück richtig erwischt und ihn umgebracht. Mit etwas Glück für Morgana hatte er überlebt und das Geröll ihn vor den Sonnenstrahlen geschützt. Sie hatte sich um ihn kümmern sollen, hatte Damon ihr immer wieder eingeschärft. Er würde sehr, sehr wütend werden, wenn er erfuhr, was passiert war.