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"Stille Wasser sind tief." Das klang ja nicht sehr vielversprechend. Warum hatte sie nur diesen abgegriffenen Wälzer aus der U-Bahn mitgenommen? Sie konnte sich noch an die Vorbesitzerin erinnern: Elegant, unauffälliger Mantel, High Heels, streng geflochtener Zopf. Scheinbar vergesslich.
"Und dreckig." Na Klasse, Klischees! Gelangweilt übersprang sie Zeile um Zeile, bis ihr Blick stockte.
"...rotverglühende Striemen zogen sich über den Arsch des Herrn Aufsichtsrat. Vor einigen Minuten hatte sie ihn der Qual der Stille überlassen. Die Augenbinde...", Karlottas Blick wanderte kurz zurück. Wann war aus der lahmen Einleitung das - DAS! - geworden?
Drei Stunden und zweihundert Seiten später hatte die Werdensgeschichte einer Domina die anfängliche Neugier in einen Flächenbrand ihrer Synapsen verwandelt. Ihr Mund war geschwollen. Jedes Ausholen, jeden Schlag - ob Hand, Gerte oder Peitsche - hatte sie mit einem Biss in ihre Unterlippe quittiert.
Ihr Blick fiel auf den abgestreiften Slip. 'Zahm', dachte sie, zu zahm.
Karlotta liest
Eilig glitt ihr Finger von Satz zu Satz. Lippen hauchten erregt den Klang der Buchstaben. Im Halbdunkel des Schlafzimmers verwandelten sich die Zeilen in Bilder, die Karlotta die Schamesröte ins Gesicht trieben. (Buntstift auf 21x14 cm Skizzenpapier)
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