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Assassins' Sins Ch. 02

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Jedes Lebewesen, ob Mensch oder Tier, sieht die Welt stets von seinem Standpunkt aus, was richtig und was falsch ist, steht uns nicht zu, zu beurteilen. Denkt daran, dass euer Gegner in den meisten Fällen ebenfalls nach dem Grundsatz handelt, den ich euch eben erklärt habe. Sein Tod ist nur entschuldbar, wenn ihr euch absolut sicher seid, das richtige zu tun und anderes Leben zu schützen. Zweifelt ihr, so habt ihr bereits verloren.

Merkt euch meine Worte gut, es wird die Zeit kommen, wenn ihr sie benötigt."

Er hatte eine bedächtige Pause gelassen, in der er Zeit hatte, seinen Ausdruck der Siegesfreude zu bereuen. Nun hatte er verstanden, nicht nur die Fähigkeit des Kämpfens galt es zu lernen. Es galt auch zu lernen, ihn zu verstehen, nicht zu einem brutalen Monster zu werden, welches ohne jegliche Vorstellung von Moral wahllos Leute tötete.

Schließlich hatte Alwen zwei Käfige aus seinem Haus geholt, jeder hatte eine etwa quadratische Grundfläche, eine Seite war etwa ein Schritt lang. Die Höhe betrug etwa eine Armlänge, er war rundherum mit Draht verkleidet, die Oberseite konnte man jedoch öffnen. In beiden befand sich jeweils ein Hase, von der Sorte in der sie vor der Stadt auf den Feldern die Ernten ruinierten.

Cora und er hatten jeweils einen von den Käfigen bekommen, mit den Worten: „Ihr werdet die nächsten 3 Tage alleine zurechtkommen müssen, die Übungsstunden mit den Stöcken fallen erst einmal aus, ich möchte dass ihr über das nachdenkt, was ich euch gesagt habe. Außerdem möchte ich, dass ihr euch euer Essen selbst zubereitet, aus diesen Hasen. Ihr könnt meinetwegen zusammen spielen, diese Aufgabe muss jedoch jeder für sich alleine erledigen! Ich vertraue auf euch. „ Dann hatte er sich einfach umgedreht und war gegangen.

Sie hatten beide noch einen Moment dagestanden und sich ratlos angesehen, sie wussten nicht, wie sie damit umgehen sollten. Nach einer Weile hatten sie die Hasen zu ihnen in das Zimmer getragen und sie in einer Ecke nebeneinander abgestellt. Ohne viel über das ebene geschehene nachzudenken legte er sich ins Bett und schließ relativ schnell ein, der Tag war anstrengend gewesen.

Der nächste Tag begann beinahe wie alle anderen, Cora war wie meistens schon vor ihm wach gewesen und hatte Wasser geholt. Normalerweise ließ ihnen Alwen ein wenig Brot da, diesmal sollten sie jedoch die Hasen essen.

„Guten Morgen" begrüßte ihn Cora, als er noch ein wenig schläfrig aufstand. Dabei streifte sein Blick die Käfige, die Hasen liefen, soweit es ihnen möglich war, in ihrem Käfig umher. Zwei völlig unschuldige Lebewesen, die nicht wussten, wie bald ihr Leben enden würde.

Cora bückte sich und holte unter dem Bett ihren Dolch hervor. Zu dieser Zeit war er für sie beide noch so etwas wie eine heilige Waffe, Alwen hatte sie ihnen zum zwölften Geburtstag geschenkt, sie jedoch angewiesen, sie vorerst nicht außerhalb ihres Zimmers zu tragen. Es würde unnötige Aufmerksamkeit erregen und außerdem würden sie sie im Moment noch nicht benötigen.

Das metallische Schaben, als sie ihn aus der Scheide zog, ließ ihm einen Schauer über den Rücken laufen. „Was hast du vor?", fragte er, immer noch beeindruckt von der außerordentlichen Kunstfertigkeit der Waffe. „Ich sorge dafür, dass ich etwas zu Essen habe." antwortete sie, jedoch deutlich gefasster als er. Mit diesen Worten ging sie auf einen der Käfige zu und öffnete dessen oberer Seite.

Er schrie auf, als ihm bewusst wurde, was sie vor hatte. „Du kannst sie doch nicht so einfach töten! Sie haben dir nichts getan!" „Sie sorgen aber dafür, dass ich die nächsten Tage nicht verhungere.", antwortete sie und bekam den Hasen im Nacken zu fassen, so dass er sich nicht mehr bewegte. „Nein! Weißt du denn nicht mehr, was Meister Alwen gesagt hat? Das Leben ist das höchste Gut und wir müssen es schützen!" Dabei sprang er auf sie zu, um ihr den Dolch aus der Hand zu schlagen. Um ihn abzuwehren ließ sie den Hasen los, der sich daraufhin ängstlich in der gegenüberliegenden Ecke des Käfigs verstecken zu versuchte. Ihre nun freie Hand stieß ihn an der Brust zurück und er taumelte ein paar Schritte rückwärts.

„Das ist es, was Alwen gemeint hat. Manchmal sind Opfer notwendig, und du hast doch auch schon vorher Fleisch gegessen, oder? Jedes Stück Fleisch stammt von einem Tier, das sein Leben dafür gelassen hat, dich zu sättigen.

Was glaubst du denn, warum uns Alwen nicht einfach wie immer ein wenig Brot gegeben hat, sondern diese beiden Hasen? Er wollte, dass wir lernen, für uns zu sorgen und falsche Hemmungen verlieren. Er hat darauf bestanden, dass jeder sein eigenes Essen zubereitet, damit wir beide gezwungen sind zu töten, um etwas zu Essen zu bekommen.

Nun musst du abwägen: Leben ist wichtig, aber ist das Leben dieser Hasen oder dein eigenes wichtiger? Es gehört sozusagen zur Lektion, dazu. Ein Leben kann unter bestimmten Umständen mehr Wert sein als ein anderes. Dies ist einer dieser Umstände und es wird gleichzeitig das erste Mal sein, dass wir ein Leben völlig aus eigenem Antrieb heraus auslöschen.

Es gibt höhere Ziele, für die es sich zu töten lohnt, und sei es nur das Leben eines Hasen. Wenn du das Leben des Hasen höherwertiger als dein eigenes ansiehst, so wird dich niemand dafür bestrafen. Sei dir nur vollkommen sicher, wenn du dich für eine Seite entscheidest, denn diese Entscheidung wird dein Leben beeinflussen. „

Während ihres Vortrages war ihre Stimme sanft geworden, versuchte ihn zu beruhig, auch wenn der Grund ihrer Rede so gar nicht dazu passen wollte. Sie rechtfertigte ihr Handeln vor ihm, denn ihr war wichtig, dass er es akzeptierte oder wenigstens nachvollziehen konnte. Schon damals war es ihr wichtig gewesen, dass es ihm gut ging, warum hatte er diese Zeichen nie verstanden?

Er hatte ihrer Erklärung damals ohne langes Zögern zugestimmt und seinen Hasen genauso wie sie schließlich für ein gutes Essen getötete. Dies hatte er jedoch eher getan, weil er vor ihr nicht als schwach dastehen wollte, als dass er die Tragweite ihrer Worte verstanden hatte. Erst sehr viel später war ihm bewusst geworden, wie bedeutungsschwer sie wirklich gewesen waren.

KAPITEL 2: Träume

Er lag in seinem Bett, noch mit den Gedanken halb in der Vergangenheit. Nun war er wieder einsam, obwohl er die rettende Schulter gerade in diesem Moment gebraucht hätte. Noch einmal ging ihm das Bild von Theobalds Zimmer durch den Kopf, der Schmerz darüber schien nicht enden zu wollen. Der Auftrag war ausgeführt worden, den Lohn dafür würden sie sich morgen abholen können. Den Preis, den er dafür gezahlt hatte war jedoch viel zu hoch gewesen. Quälende Fragen der Schuld begannen sich auszubreiten, immer noch wusste er nicht, ob er das richtige getan hatte.

Seine Gedanken wanderten zu Cora, wo war sie im Moment? Dachte sie, ebenso wie er an sie, an ihn, stellte sie sich dieselben Fragen nach dem Richtig oder falsch? Quälte sie die Erinnerung an diesen Auftrag ebenso so sehr wie ihn? Nein, sie war stark, deutlich stärker als er. Sie ließ sich nicht so einfach aus der Ruhe bringen.

Dennoch der Gedanke, dass sie genau wie er leiden könnte, quälte seine ohnehin schon aufgewühlten Gedanken noch mehr. Er fühlte sich innerlich nackt, als könnte jedermann lesen was in ihm vorging. Er brauchte jemanden, der ihn beschützte. Jetzt, in diesem Moment.

Warum nur hatte er sie gehen lassen, als sie sich nach Beendigung des Auftrages am Gildenhaus getrennt hatten? Warum hatte er ihr nicht nachrufen können, dass er sie brauchte, dass er sie in den Armen halten wollte, um Halt zu finden? Eigentlich wusste er, warum er es nicht getan hatte. Ihre Liebe musste verborgen bleiben, dabei gab es keine Alternativen. Er hatte immer gewusst wie schwer es werden würde, dafür hatte er einen der schönsten Momente in überhaupt mit ihr erleben dürfen.

Seine Augenlider wurden schwer und kleine Tränen traten hervor. Die Augen geschlossen weinte er sich in den Schlaf, etwas was er seit seiner frühen Kindheit nicht mehr getan hatte. Doch in diesem Moment gab es keinen anderen Ausweg, es war die einzige Möglichkeit, nicht auf der Stelle zu zerbrechen.

Durch ein kräftiges Klopfen an der Tür wurde er geweckt. Wer wollte denn um diese Uhrzeit etwas von ihm? Ein Blick aus dem Fenster verriet jedoch, dass die Sonne bereits dabei war unter zu gehen, er hatte demnach beinahe den ganzen Tag geschlafen. Irgendwie fühlte er sich aber nicht wirklich erholt, die quälenden Gedanken an Theobalds Zimmer und Cora hatten ihm einen unruhigen Schlaf beschert.

Mit einem scheinbar unmenschlichen Kraftakt schaffte er es, seine Beine über die Bettkannte zu schieben und schließlich auf den Füßen zum stehen zu kommen. Noch etwas benommen ging er auf wackligen Beinen zur Tür und öffnete sie langsam.

„Kann ich rein kommen?" Coras Gesichtsausdruck schien unwirklich, auf diese Weise hatte er sie noch nie gesehen. Es schien, als könnte sie sich nur schwer dazu durchringen, Atemzüge zu machen oder zu reden. Er öffnete die Tür gerade soweit, dass sie eintreten konnte, sie stolperte mehr herein, als dass sie kontrollierte Schritte machen konnte.

Mittels eines Fußtritts ließ er die Tür wieder zufallen und setzte sich neben ihr auf sein Bett. Wie auch bei ihr bestand sein Zimmer nicht aus viel mehr außer seinem Bett und einem kleinen Schrank, er hielt sich hier normalerweise sowieso nur zum Schlafen auf, die restliche Zeit verbrachte er entweder im Gildenhaus oder in den Straßen der Stadt.

Ohne ein Wort zu sagen legte er einen Arm um sie und zog sie an sich, sie ließ es ohne Widerstand zu. Er wusste, dass jedes Wort in diesem Moment zu viel gewesen wäre, auch wenn er den Grund ihres Zustandes noch nicht genau kannte. Es schien nichts Wichtigeres auf der Welt zu geben, sie einfach bei sich zu wissen, sie spüren zu können; zu wissen, dass er ihr Halt gab.

Minutenlang hielt er sie einfach nur fest, sie lag still und ohne eine Regung in seinen Armen. Beinahe hätte er gedacht, sie hatten die selben Sehsüchte geplagt wie ihn, dass auch sie ihn einfach nur wieder spüren wollte, erfüllt von der Macht der Liebe. Beinahe hätte er angefangen sie zu liebkosen, sie einzufangen mit der Magie der Gefühle. Beinahe.

Doch er spürte, dass etwas anders war, dass die Zeit dafür noch nicht gekommen war. Er wollte sie nicht verletzen, ihr unter keinen Umständen wehtun, doch er spürte tief in ihr etwas, was ihn fast zusammenbrechen ließ. Es war mit nichts erklärbar, oder rational erklärbar, er spürte es einfach.

Seine Arme drückten ihren Körper fest an sich, so dass sie beinahe drohte zu ersticken. Die Wärme, das Feuer dass sie entzündet hatte, als sie sich das letzte Mal gesehen hatten, schien nichts weiter als eine Erinnerung zu sein. Verweht und für immer verloren im Wind der Zeit, von den Dämonen der Dunkelheit beinahe restlos aus den Erinnerungen gelöscht, als wären Jahrhunderte vergangen.

War es sein inneres, in das er hineinhorchte, oder gehörte es ihr? Oder waren sie gemeinsam gefangen, das Ende bereits in greifbarer Nähe? Es fühlte beinahe sich an, als würden höllische Stürme toben, der Teufel persönlich ihn mit seiner feurigen Peitsche immer und immer wieder treffen, bis das Feuer in ihm zu Asche geworden war. Doch die Hölle war eine endlose Feuerhölle, in ihr müsste er verbrennen, sein Schreie ausgelöst durch die sengende Hitze der Unterwelt.

Es verbrannte jedoch nicht, es gab kein Feuer, das drohte ihn zu verbrennen. Es gab nur eine endlose Eiswüste, Eiszapfen schien sich immer weiter in ihn zu bohren, ihm die Gnade des Todes jedoch verwehren. Sie bohrten sich immer weiter in ihn, warteten ab, wie er langsam begann von innen zu erfrieren. Gefühle und Empfindungen waren dieser Welt fremd, alles was zählte war eine alles umfassende Kälte, die jedes Lebewesen erstarren ließ.

Träumte er? War er gefangen in einem Fiebertraum? Nein, er hatte von den Dämonen der unschuldigen Seelen geträumt, der Traum nach dem Traum war die Wirklichkeit. In jener Welt war keine physische Anwesenheit von Bedeutung, das Eis interessierte sich nur für die Seele. Er begann langsam zu erfrieren, ohne Möglichkeit sich befreien zu können.

Cora löste sich aus seiner Umklammerung, mit einem Mal war das Bild der Eiswüste vor seinen Augen verschwunden, die Erinnerung jedoch blieb zurück. Er spürte, dass sein Atem schwer und schnell geworden war, seine Kehle brannte wie nach einem Dauerlauf.

„Es tut mir leid..." Coras Stimme klang wie durch eine Wand, als wäre sie da und doch unerreichbar. Erst jetzt bemerkte er den Dolch in ihrer rechten Hand, sie hielt ihn fest umklammert, sodass ihre Knöchel weiß hervorstachen. „ Du wusstest, dass sich die Gilde für einen von uns entscheiden musste, ich habe den Auftrag bekommen..." Die letzten Worte waren kaum mehr als ein leises Flüstern gewesen, sie wurden zu ihm getragen als schwebten sie auf Wolken.

Ein kalter Schmerz ging auf einmal von seiner Brust aus, als er an sich heruntersah, erblickte er wie das Heft des Dolches aus seiner Brust ragte. Ein überraschter Ausdruck entstand in seinem Gesicht, dann spürte er wie ihn die Kraft des Lebens verließ. Das letzte an das er denken konnte, waren Meister Alwens eindringliche Worte: „ Egal wie gut ihr den anderen zu können glaubt, die Liebe wurde bereits Unzähligen zum Verhängnis, glaubt nicht, ihr wärt davon ausgenommen."

Eine einzelne Träne tropfte auf sein Gesicht, sie war noch warm und trug ihre wahren Gefühle mit sich, die nun hinfort gespült wurden. „Bitte verzeih mir..."

Schwer atmend öffnete er die Augen, tastete mit seinen Händen nach seinem Körper, als wollte er sich vergewissern, dass er nicht tot war. Er hatte schon oft Alpträume gehabt, hatte nicht enden wollende Nächte immer wieder IHR Bild vor Augen gehabt, so nah und doch unerreichbar. Dieser Traum war anders gewesen, zum ersten Mal hatte es sich echt angefühlt, als sie ihn berührte. Es war dadurch jedoch noch schmerzhafter gewesen, als sie ihn erstochen hatte. Es hatte sich so real angefühlt...

Suchend blickte er sich nach Cora um, bis ihm wieder einfiel, dass sie wahrscheinlich ebenso wie er in ihrem Bett lag und sich ausruhte. Vor seinen Augen sah er ihren perfekten Körper, der zu dieser Jahreszeit völlig nackt nur unter einer dünnen Decke verborgen im Bett ruhte. Der Gedanke an ihre perfekten Brüste, wie sie sie an seinem Körper entlangfahren ließ jagten ihm einen wohligen Schauer über den Rücken. Obwohl er nun um ihre Liebe wusste, schien sie immer noch so unwirklich, so unerreichbar...

Mit einem Kopfschütteln vertrieb er seine Gedanken, er durfte sich nicht zu sehr ablenken lassen, musste zu jedem Zeitpunkt in der Lage sein, klar zu denken. Das war nicht möglich, wenn er an sie dachte, immer wieder glitten seine Gedanken dann ab und er schien seine Umgebung nicht mehr wahrzunehmen.

Doch es war wichtig, dass er einen klaren Kopf behielt, man brachte nicht einfach einen Adligen und einen Großteil seiner Wachen um und erwartete, völlig normal weiterleben zu können. In den nächsten Wochen rechnete er damit, dass es mehr als einen Versuch geben würde, ihn und Cora demselben Schicksal zuzuführen.

Mit neuer Entschlossenheit machte er sich zum Gildenhaus auf, in der Hoffnung Cora dort anzutreffen. Ihm war eine Idee gekommen, wie sie es schaffen konnten, wenigstens die nächste Woche möglichst viel Zeit zusammen zu verbringen und dabei gleichzeitig der Gilde fernzubleiben, jedenfalls bis sich Lycrans Spekulationen über ihre Beziehung wieder gelegt hatten. Falls er zu viel mitbekam, wurde er zur Gefahr für sie beide, es war also besser, wenn sie ihm in der nächsten Zeit nicht allzu häufig begegneten.

Wie gewohnt lief er mit leisen Schritten durch die Gassen, sich immer wieder umsehend, um auf Verfolger aufmerksam zu werden. Seine Schritte waren beinahe lautlos, für ihn fühlte sich jedoch jeder wie ein Paukenschlag an, der seinen Aufenthaltsort verriet. Wie am Vortag machte er einen Umweg über den Marktplatz, um ein Brot zu erstehen, wie am Vortag bezahlte er den Händler stumm, machte sich diesmal beim Essen jedoch auf den Weg in Richtung des Gildenhauses. Die Sonne warf bereits lange Schatten, wie ein flüchtiger Sträfling sah er in jeder dunklen Ecke nach, ob sich dort eventuell jemand versteckte, fand dabei jedoch nur zweimal einen Bettler, die sich ihr Nachtlager dort eingerichtete hatten.

Von links schnellte auf einmal ein Arm aus einer Seitenstraße hervor, bei der er sich eigentlich eben vergewissert hatte, dass diese menschenleer war. In einem beinahe unmenschlichen Reflex zog er seinen Dolch und wollte ihn in die Richtung werfen, aus der der Arm kam, er war dennoch zu langsam. Sein Wurfarm wurde so festgehalten, dass er sich den Dolch allenfalls hätte in den Fuß werfen können, dann wurde er daran mit einem kräftigen Griff, der das Blut in seinem Oberarm spürbar staute in Richtung der Seitenstraße gezogen.

Reflexartig wollte er den Angreifer mit einem gezielten Tritt in den Solarplexus abwehren, stoppte jedoch gerade noch rechtzeitig, als er in das feixende Gesicht von Cora blickte.

Irgendwann würde ihre Angewohnheit, ihn überfallartig zu begrüßen schief gehen, doch dies dachte er nun bereits seit über 5 Jahren, nachdem sie ihn das erste Mal auf diese Art und Weise in eine Ecke gezogen und ihm ihre Hand wie einen Dolch an die Kehle gehalten hatte. Immer wieder machte sie sich darüber lustig, wie leicht es wäre, ihn ohne großes Aufsehen umzubringen, wenn ihn jemand mal wirklich ernsthaft loswerden wollte.

Auch diesmal schüttelte sie lächelnd leicht den Kopf, als wollte sie ihm zeigen, dass sie ihm deutlich überlegen war. Bevor er sich jedoch beschweren konnte, zog sie ihn am Oberarm zu sich und drückte ihm einen Kuss auf die Lippen. Wie das erste Mal als sie sich geküsst hatten, schoss ihm ihre Berührung wie ein elektrischer Schlag durch sämtliche Glieder, in ihm wurde ein mächtiges Feuer entzündet.

Er ließ den Dolch, den er immer noch in der Hand hatte wieder in der Scheide verschwinden und zog sie ungeachtet der Möglichkeit entdeckt zu werden zu sich. Sein Kuss war überschwänglich, aber voller Leidenschaft. Es tat ihm unendlich gut, sie endlich wirklich bei sich zu wissen, spüren zu können, dass sie ihn liebte.

Sie ließ es einen Moment lang zu, löste sich dann jedoch wieder von ihm. „Nicht hier und nicht jetzt... Du weißt wie gefährlich es ist. Ich weiß wie schwierig es ist, aber so ist es nun Mal. Die Gilde ist unser Leben, hat seit unserer Kindheit uns beschützt und gelehrt. Wir dürfen ihre Regeln nicht so einfach missachten..." Ihre Stimme war sanft, mitfühlend. Sie hatte jedoch wieder ihr leicht ironisches Lächeln aufgelegt, in dem dazu passenden Tonfall beendete sie ihren letzten Satz: „...jedenfalls nicht, wenn wir dabei erwischt werden könnten. Komm, wir sollten mal in der Gilde nachfragen, ob wir unseren Lohn bekommen, ich bin im Moment etwas knapp bei Kasse."

Ganz entgegen dem, wie sie es gelernt hatten, machte sie sich schlendernd auf den Weg zum Gildenhaus und strahlte eine Fröhlichkeit, die ihm angesichts dessen, wie viele Menschen in den letzten Stunden durch ihre Hand gestorben waren seltsam schien. Es passte nicht zu ihr, die Toten derart zu verhöhnen, obwohl sie grundsätzlich fast alles mit einer gut gelaunten Grundstimmung anging.

„Was soll das? Du weißt was passiert ist... Es ist respektlos!" In seiner Stimme schwang ein wenig Ärger mit. Auch wenn Gefühle bei Aufträgen grundsätzlich ausgeblendet wurden, war eine solche Verhaltensweise nicht üblich und auch normalerweise nicht geduldet.

Bevor sie antwortete blieb sie stehen, ihr Gesichtsausdruck wurde ernst. Sie klang niedergeschlagen. Allein aus diesem Grund ärgerte er sich bereits schon über sich selbst. Er sollte froh sein, wenn sie die Ereignisse immerhin vergessen konnte, seine Art daran beinahe zu verzweifeln war schließlich auch keine Alternative. „Du hast recht, aber ich habe mir vorgenommen, das wenigstens bis Morgen früh auszublenden. Dann können wir gerne darüber reden, wenn ich im Moment jedoch allzu sehr darüber nachdenken würde, würde ich zusammenbrechen. Den Toten ist nicht geholfen, wenn wir unser Werk nicht weiterführen können, dann wären sie wirklich umsonst gestorben..."