Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Die Erbschaft

Geschichte Info
Eine etwas andere Geschichte.
24.5k Wörter
4.69
38.7k
9
Geschichte hat keine Tags
Teile diese Geschichte

Schriftgröße

Standardschriftgröße

Schriftabstand

Standard-Schriftabstand

Schriftart Gesicht

Standardschriftfläche

Thema lesen

Standardthema (Weiß)
Du brauchst Login oder Anmelden um Ihre Anpassung in Ihrem Literotica-Profil zu speichern.
ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Die Erbschaft

Eine etwas andere Geschichte

Diese Erzählung beruht weitestgehend auf tatsächlichen Begebenheiten. Natürlich wurden einige Dinge verändert, ohne dass sich am Sachverhalt grundsätzlich etwas ändert. Etwas später wird es auch zum Sex kommen, wobei dieser nicht das Grundthema dieser Geschichte ist. Trotzdem viel Spaß beim Lesen.

Mit dem Brief, den Sandra in ihrem Briefkasten fand, konnte sie nichts anfangen. Der Absender war eine Anwaltskanzlei, von der sie noch nie etwas gehört hat. Der Inhalt war kurz und bündig. Man bat sie, sich wegen einer Erbschaftsangelegenheit mit der Kanzlei kurzfristig in Verbindung zu setzen. Sandra konnte sich nicht erklären, was sie mit einer Erbschaft zu tun haben könnte. Außer ihren Eltern hatte sie keinerlei Verwandte. Und zu diesen Eltern hatte sie seit 13 Jahren keinen Kontakt mehr. Sie wusste nicht, wo sie wohnen, wusste nicht, ob sie überhaupt noch leben. Im Alter von 14 Jahren hatte sie Hals über Kopf den gesamten Kontakt zu ihnen abgebrochen und war von zu Hause ausgerissen. Nie hat sie ihren Eltern mitgeteilt, wie und wo sie lebt. Sollten sie etwa gestorben sein? Darüber wäre sie nicht traurig gewesen. Diesem Mistkerl von Vater und dieser herrschsüchtigen Frau, die einmal ihre Mutter gewesen war, würde sie keine Träne nachweinen. Außerdem konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass sie überhaupt etwas zu vererben gehabt haben. Und wenn, dann würden sie es zu verhindern gewusst haben, dass sie die Erbin ist.

Bei dem telefonischen Anruf in der Anwaltskanzlei bekam sie auch keine näheren Auskünfte. So blieb ihr nichts anderes übrig, als in dieser Kanzlei persönlich vorzusprechen. Der Anwalt legte ihr verschiedene Unterlagen vor, aus denen hervorging, dass es sich tatsächlich um ihre Eltern handelte und dass diese vor einem halben Jahr bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen waren. Da es kein Testament gab und zunächst auch keinerlei Verwandtschaft aufzutreiben waren, ist die Anwaltskanzlei vom zuständigen Gericht beauftragt worden, etwaige Verwandte ausfindig zu machen. Der Anwalt betonte, dass es sehr schwierig gewesen war, sie zu finden, da es keinerlei Anhaltspunkte gegeben hat, dass es sie überhaupt gibt. Eine Recherche in der Nachbarschaft ihrer Eltern ergab, dass in dem Haus bis vor etwa fünfzehn Jahren tatsächlich ein Mädchen, wahrscheinlich die Tochter, gelebt hat. Dieses Mädchen war von einem auf den anderen Tag verschwunden, ohne dass jemand wusste, wo sie abgeblieben war. In dem Gymnasium, in dem sie gewesen ist, war sie von ihren Eltern ordnungsgemäß abgemeldet worden.

Diesen Anhaltspunkten ist die Kanzlei nachgegangen. In Meldeämter, bei Recherchen in Sozialstationen, sogar in Obdachlosenquartieren und auch in Bordellen fand sich bundesweit keine Spur von Sandra. Letztlich war es das ehemalige Gymnasium, das dem Anwalt den entscheidenden Hinweis lieferte. Ungefähr zwei Jahre nach ihrem Verschwinden wurden ihre bisherigen Zeugnisse von einem anderen Gymnasium in einer weit entfernten Großstadt angefordert. Das war seit Jahren das erste Lebenszeichen von Sandra.

Mit diesen Informationen konnte Sandras derzeitiger Aufenthalt ermitteln werden. Sie war eine erfolgreiche Designerin geworden und hatte ein eigenes Studio.

Kopfschüttelnd studierte Sandra die Unterlagen. Es stimmte alles. Die Namen, die Adresse und natürlich auch das Geburtsdatum. Nie hätte sie gedacht, noch einmal etwas von ihren Eltern zu hören. Und schon gar nicht auf diese Art und Weise. Sie wollte es auch gar nicht. Nachdem sie alles gelesen und auch erfahren hat, was sie erben sollte, schob sie die Unterlagen wieder dem Anwalt zu.

„Vielen Dank, dass sie mich informiert haben. Aber ich will das nicht. Ich schlage das Erbe aus. Ich will es nicht haben. Verkaufen Sie den ganzen Krempel und stiften Sie es irgendeinem Verein."

„Haben Sie denn gelesen, was Sie erben werden?"

„Natürlich. Das Haus und das Grundstück. Das interessiert mich nicht. Ich brauche das nicht."

„Über welche Bargeldvermögen Ihre Eltern verfügt haben, wissen wir noch nicht. Auf die entsprechenden Bankunterlagen haben Sie erst Zugriff, wenn das Erbe bestätigt ist. Sie müssen sich auch nicht heute entscheiden. Sie können das Erbe natürlich ausschlagen. Das ist ganz alleine Ihre Entscheidung und dafür ist auch noch genug Zeit. Ich würde aber trotzdem vorschlagen, dass Sie sich in Ihrem Elternhaus ein bisschen umsehen. Mit Sicherheit sind dort noch einige sehr private Dinge, die mit der eigentlichen Erbschaft nichts zu tun haben und die Sie vielleicht interessieren könnten."

„Ich hab geschworen, dieses Haus im meinem Leben nie wieder zu betreten."

„Natürlich kenne ich Ihre Gründe nicht. Sie interessieren mich auch nicht. Aber wenn es mit Ihren Eltern zu tun hat...Schließlich sind sie beide tot."

„Ja. Und das ist gut so. Darüber bin ich auch sehr froh. Das weiß ich jetzt. Mich interessiert das alles nicht."

„Nehmen Sie sich Zeit und überlegen Sie es sich. Sie können jederzeit bei mir vorsprechen, wenn Sie noch irgendwelche Fragen haben. Ich gebe Ihnen die gesamten Unterlagen mit. Und auch die Schlüssel zu dem Haus, falls Sie es sich doch noch anders überlegen sollten."

Als Sandra wieder in ihrem Auto saß, wusste sie nicht, was sie machen soll. Diese ganze Geschichte hat sie wie ein Blitz getroffen. Jahre hat sie nicht mehr an ihre Eltern gedacht und auch nicht an ihre Eltern denken wollen. Jetzt sind sie wie aus dem Nichts wieder aufgetaucht und sie soll auch noch davon profitieren, dass sie die Tochter dieser ihr so verhassten Eltern gewesen ist. Das Erbe abzulehnen war ein Impuls, dem sie nicht hatte widerstehen können. Sie hatte sich geschworen, nie wieder etwas mit ihnen zu tun zu haben. Doch sie hoffte, dass in diesem Haus noch einige ganz private Dinge von ihr sein könnten, die sie bei ihrer Flucht aus dem Elternhaus nicht hatte mitnehmen können. Es waren zwar alles Dinge, die aus ihrer Kindheit und aus ihrer Teenagerzeit stammten, aber an einigen Dingen hat sie doch sehr gehangen. Und auf die wollte sie dann doch nicht verzichten.

Kurz entschlossen nahm sich Sandra ein Hotelzimmer. Sie musste sich bei niemandem entschuldigen, musste sich bei niemandem abmelden. Sie lebte allein und ein Anruf bei ihrer Freundin und Kollegin in ihrem Studio reichte, um für ein paar Tage wegzubleiben. Am nächsten Tag würde sie dem Haus ihrer Eltern einen kurzen Besuch abstatten, sehen, ob sie noch irgendetwas Privates findet und dann so schnell wie möglich wieder verschwinden.

Nach einer unruhigen Nacht, in der ihr nach so vielen Jahren wieder alle die Dinge durch den Kopf gingen, weshalb sie damals Hals über Kopf und ohne zu wissen, wo sie überhaupt hin soll, das Haus ihrer Eltern verlassen hat, fuhr sie klopfenden Herzens dorthin. Als sie vor dem Haus vorfuhr, kam ihr alles wieder schrecklich bekannt vor und doch war es ihr fremd. Hier also hatte sie ihre Kindheit verbracht, hier hatte sie rumgetollt und mit ihren Freundinnen gespielt. Und vor diesem Gartentor hat sie den ersten heimlichen Kuss bekommen.

In dem Haus roch es muffig und abgestanden. Der Garten war verwildert. Monatelang war hier niemand drin gewesen und es ist nicht gelüftet worden. Alles war ihr fremd, obwohl sie alles wieder erkannte. Die Möbel sahen heruntergekommen aus, die Teppiche waren verschlissen. Die Bilder an den Wänden waren auch noch die gleichen. Trotzdem erinnerte nichts, aber auch gar nichts daran, dass sie hier einmal gelebt haben soll. Als erstes riss sie die Fenster auf und ließ frische Luft rein. Sonst wäre sie erstickt. Noch immer wusste sie nicht, was sie hier soll und noch weniger konnte sie sich an den Gedanken gewöhnen, dass ihr das jetzt alles gehören soll. Das, was sie hier an Möbeln und Einrichtungsgegenständen sah, hatte nichts mit ihr zu tun. Aber sie sollte diesen ganzen Krempel und diesen Schrott erben. Es sah alles so billig und schäbig aus. Das wunderte sie aber überhaupt nicht. Ihre Eltern waren ihr immer primitiv und armselig vorgekommen. Die künstlerischen Ambitionen, die sie schon als junges Mädchen hatte, waren ihnen suspekt. Niemand konnte sich auch nur ansatzweise erklären, wo sie das her hat. In diesem Haus gab es außer ein paar Kochbüchern und einigen billigen Schmökern kein Buch, keine Schallplatten oder CDs. Auch die Bilder an der Wand zeugten von keinem guten, eigentlich von gar keinem Geschmack. Alles war so widerlich. Am liebsten wäre Sandra sofort wieder gegangen. Doch sie wollte wenigstens noch ihr ehemaliges Zimmer sehen. Vielleicht war dort noch etwas, was sie an ihre Kindheit erinnerte und etwas, woran sie gerne dachte. Ausgerechnet dieses Zimmer hatte sie nie vergessen können.

Auch hier wurde sie bitter enttäuscht. Nichts, aber auch gar nichts erinnerte noch daran, dass hier mal ein junges Mädchen gelebt hat, dass sie hier an einem kleinen Schreibtisch ihre Hausaufgaben gemacht hat, dass sie Musik gehört und es sich mit ihren Kuscheltieren auf ihrem Bett gemütlich gemacht hat. Hierhin hatte sie sich immer zurückgezogen, wenn sie ihre Eltern nicht mehr ertragen hat. Nichts außer ihrem Bett war noch da. Ausgerechnet auf dieses Bett, in dem alles passiert war, setzte sie sich jetzt, schlug die Hände vor ihr Gesicht und schloss die Augen. Sofort war wieder alles da, was vor dreizehn Jahren hier passiert ist. Wie lange hat sie gebraucht, um das zu verdrängen und wie oft hat sie trotzdem noch daran denken müssen. Sie war noch ein Kind, ein unschuldiges kleines Mädchen gewesen, als sie die schrecklichste Nacht ihres Lebens erleben musste.

Jetzt sind ihre Eltern endlich tot. Es hat sie erwischt und Sandra kann sich einer gewissen Befriedigung nicht erwehren. Am liebsten hätte sie das ganze Haus mit Benzin übergossen und angezündet.

Als sie sich wieder einigermaßen gefasst hat, begann sie, das Haus systematisch zu durchsuchen. Bei der ersten Übersicht fand sie nichts, was sie interessierte oder was für sie irgendwie hätte interessant sein können. Nichts deutete darauf hin, dass hier auch einmal ein Mädchen gewohnt hat. Aber das glaubte Sandra nicht. Es musste etwas geben, was an diese Zeit erinnerte. Während sie bisher völlig ziellos durch das Haus gegangen war, mal hier ein Schreibtischschubfach, mal da eine Schranktür aufgemacht hat, beschloss sie, ganz systematisch vorzugehen. Zimmer für Zimmer, Schrank für Schrank, Schubfach für Schubfach.

Beginnend mit dem Schlafzimmer räumte sie alles aus. Mit der Zeit verschwand auch das Gefühl, in fremden Sachen zu wühlen, obwohl alles fremd und anonym war. Es war ihr egal. Es waren nicht ihre Sachen. Sie hatte keinerlei Beziehung zu ihnen und sie konnte völlig emotionslos sein. Den Inhalt der Schränke warf sie achtlos auf einen großen Haufen auf den Fußboden. Mögen sich andere darum kümmern, was daraus wird. Außer einigen abgetragenen Sachen fand sie nichts. Kaum waren Kleider oder Anzüge dabei, die etwas neuer aussahen. Auch hier hatte sie das Gefühl, dass alles achtlos und schmuddelig ist. Nichts deutet auch nur im Mindesten auf guten Geschmack hin. Sandra fühlte sich angewidert, in diesen Sachen wühlen zu müssen. Doch sie hatte sich dazu entschlossen und musste es jetzt durchziehen.

Im Wohnzimmer sah es nicht besser aus. Alte, verbrauchte und billige Möbel, eine verschlissene Couchgarnitur. Alles Jahre und Jahrzehnte alt und aus einer längst vergangenen Zeit. Nie war ihr das als Mädchen aufgefallen. Alles war verstaubt und abgewohnt. Auch hier räumte sie systematisch Schrank für Schrank aus. Bald türmten sich Geschirr, Gläser, Besteck und sonstiger uninteressanter Krimskrams auf dem Fußboden. Auch hier fand sie nichts Persönliches, was sie interessieren könnte. Nicht einmal ein Fotoalbum entdeckte sie. Es war, als hätte hier eine völlig anonyme Familie ohne jede Vergangenheit gewohnt. Und genau das war es, was sie letztlich reizte. Irgendetwas musste zu finden sein. Irgendetwas musste es geben, das Auskunft über diese beiden Leute gab, die hier so viele Jahre gelebt haben.

Als nächstes nahm sich Sandra das Arbeitszimmer vor. Sie konnte sich nach allem, was sie schon gesehen hat, nicht vorstellen, wozu der Mann, den sie früher immer als ihren Vater bezeichnet hat, ein Arbeitszimmer gebraucht hat. Aber vielleicht würde sie dort etwas finden. Aber auch hier fand sie kein Regal voller Bücher. Nur einige Aktenordner standen in dem Regal. Diese Ordner wollte sie sich später ebenso vornehmen wie den Computer. Zunächst räumte sie den gesamten Schreibtisch aus. Das, was sie fand, war wieder nicht sehr ergiebig. Ein paar Werbeprospekte, ein paar Prospekte über Reisen, ein paar nichts sagende Rechnungen und Quittungen. Das war alles genauso anonym wie alles andere. Auch hier deutete nichts darauf hin, wer hier eigentlich gewohnt hat.

Auch die beiden Ordner, die sie durchblätterte, geben nicht viel her. In dem einen waren lediglich Versicherungspolicen für das Haus und das Auto, das sie aber in Klumpen gefahren hatten und eine Rechtsschutzversicherung. Doch bei der letzten Abteilung des ersten Ordners stutzte sie. Es waren zwei Lebensversicherungen. Eine zu Gunsten der Frau und eine zugunsten des Mannes. Und bei beide werden im Todesfall 250 000 € fällig. Sandra stieß einen leisen Pfiff aus und überlegte das erste Mal, ob sie das Erbe wirklich ausschlagen soll. Der zweite Ordner war wieder unergiebig. Er enthielt lediglich Rechnungen über die Hauskosten. Über Jahre fand sie Strom-, Gas- und Wasserrechnungen, die sie alle nicht interessierten. Ebenso wenig interessierten sie Jahre alte Handwerkerrechnungen.

Nachdem sie auch die letzte Ecke des Arbeitszimmers gesichtet hatte, beschloss sie erst einmal Schluss zu machen. Sie musste mit dem, was sie gefunden, bzw. nicht gefunden hat, erst einmal klar kommen. Ihr war völlig unverständlich, wie jemand in einem so unpersönlichen Haushalt leben konnte. Sie müssen sich vor allem und jedem total abgeschirmt haben. Sie fuhr in ihr Hotel zurück und verlängert ihren Aufenthalt um einen Tag. Am nächsten Tag wollte sie sich noch den Boden und den Keller vornehmen.

Im Hotel angekommen, legte sie sich fast eine Stunde in die warme Wanne. Sie war total verschmutzt. Es war aber nicht nur der Schmutz von Staub und Dreck. Es war der Ekel dieses ganzen Hauses, diese ganze Atmosphäre, die sie angewidert hat und die sie sich erst einmal von ihrem Körper waschen musste. Nach diesem Bad fühlte sie sich etwas wohler, ging im Hotelrestaurant essen, telefonierte mit dem Anwaltsbüro wegen eines abschließenden Termins am nächsten Tag und verzog sich mit einer Flasche Wein in ihr Zimmer. Hier studierte sie noch einmal ausgiebig die Versicherungspolicen der Lebensversicherungen. Vielleicht gab es im Kleingedruckten noch etwas, was zu beachten war. Zu ihrer grenzenlosen Überraschung stellte sie fest, dass diese 250 000 € nur dann fällig werden, wenn ein natürlicher Todesfall eingetreten ist. Im Falle eines Unfalltodes verdoppelt sich dieser Betrag. Als Sandra bewusst wurde, was das bedeutet, ging sie mit wackligen Beinen zur Minibar. Zum Glück war sie frisch gefüllt und enthielt mehrere kleine Flaschen Whisky und Kognak. Das war genau das, was sie jetzt brauchte. Und im gleichen Moment wusste sie, dass sie total verrückt sein musste, wenn sie das Erbe ausschlug. Das Geld aus der Lebensversicherung plus Haus und Grundstück...Das konnte nicht einmal sie ausschlagen und sie rechnete sich schon aus, was sie davon alles in ihr kleines Studio investieren konnte. Da hatten dieser Mistkerl von Mann und diese Schlampe von Frau, die sie jahrelang als ihre Eltern bezeichnet hat, doch noch etwas für sie getan. Sicher war das von ihnen so nicht gewollt.

Am nächsten Tag machte sie sich beizeiten wieder auf den Weg in das Haus. Wieder empfand sie Ekel und Abscheu, als sie es betrat. Aber es handelte sich ja jetzt nur noch um den Keller und den Dachboden. Das würde schnell gehen und sie konnte sich, nachdem sie den Termin beim Anwalt wahrgenommen hat, beizeiten wieder auf den Weg nach Hause machen.

Der kleine Keller stellte sich als genauso unergiebig heraus wie das ganze restliche Haus. In einem Raum war die Heizungsanlage, in einem anderen ein Haufen Gartengeräte und einen dritten erkannte sie als die Waschküche. Hier ließ sie alles, wie es war und stieg auf den Boden. Dort herrschte ein einziges Chaos, als würden alle Dinge, die nicht mehr gebraucht worden sind und bei denen sich niemand entschlossen hat, sie wegzuwerfen, hier auf ihre endgültige Beseitigung warten. Sie wollte schon fluchtartig den Boden verlassen und die Beseitigung dieser gesamten Dinge einer Entsorgungsfirma überlassen, als sie in der hintersten Ecke des Bodens ungewöhnlich sorgfältig gestapelte Umzugskisten entdeckte. Sie passten überhaupt nicht in dieses Chaos. Sandra wühlte sich bis zu diesen Kisten durch. Sofort hatte sie das untrügliche Gefühl, dass sie endlich auf etwas gestoßen war, das vielleicht doch interessant sein könnte und etwas über das Leben dieser Menschen Auskunft gab.

Nach und nach öffnete sie einen Karton nach dem anderen, um zunächst nur einen kurzen Blick hineinzuwerfen. Was sie sah, waren Papiere noch und noch. Manche waren lose hineingeworfen, andere sorgfältig abgeheftet oder zusammengebunden. Alles sah alt und vergilbt aus. Und alles schien aus einer ganz anderen Zeit zu stammen. Ihr war sofort klar, dass sie doch fündig geworden war. Doch hier konnte sie sich den Inhalt der Kisten nicht ansehen. Mühsam schleppte sie die schweren und total verstaubten Kisten vom Boden in das Wohnzimmer. Überraschenderweise waren die beiden letzten Kisten, die sie noch in der hintersten Ecke des Bodens gefunden hatte, deutlich leichter als die bisherigen. Hier waren sicher keine Papiere und keine Akten drin. Als sie die Kisten aufmachte, dachte sie, der Schlag würde sie treffen. In dieser Kiste waren alle die Dinge, an die sie sich so gerne erinnerte und die sie so schmerzhaft vermisst hatte. Es waren ihre Kuscheltiere, ihre Bücher, die CDs, die Kopfhörer, ihre letzten Schulbücher und Schulhefte und die Plakate, die sie an den Wänden gehabt hat. Es waren alles die Dinge, die sie in ihrem Zimmer zurückgelassen hat, als sie in dieser schrecklichen Nacht so fluchtartig das Haus verlassen hat. Als sie eines der Kuscheltiere an ihr Gesicht presste, konnte sie ihre Tränen nicht zurückhalten.

Sandra hatte Mühe, sich wieder zu fassen. Auch diese beiden Kisten schleppte sie in das Wohnzimmer. Wann sollte sie das bloß alles sichten? Es würde Stunden, wenn nicht sogar Tage dauern. Das konnte und wollte sie nicht in diesem verhassten und muffigen Haus tun. Dafür musste sie sich Zeit nehmen und diese hat sie nur zu Hause. Kiste für Kiste trug sie in ihr Auto. Obwohl es ein sehr geräumiger Kombi war, hatte sie alle Mühe, alle Kisten zu verstauen. Als Letztes packte sie den Computer in ihr Auto. Noch einmal fuhr sie in ihr Hotel, stellt sich unter die Dusche, um sich den Staub und den Dreck abzuwaschen und zog sich frische Sachen an.

Zum Glück war der Anwalt jetzt schon für sie zu sprechen, obwohl sie erst für den Nachmittag einen Termin vereinbart hatten.

„Waren Sie erfolgreich? Haben Sie sich das Haus angesehen?"

„Ja. Ich war dort. Es war schrecklich. Ich hätte wissen müssen, dass ich das Haus nicht noch einmal betreten soll."

„Und wie steht es mit der Erbschaft? Haben Sie sich noch einmal darüber Gedanken gemacht?"

„Ich werde wohl das Erbe annehmen. Trotz allem."

„Das ist schön, dass Sie es sich noch einmal überlegt haben. Darf ich fragen, was dazu geführt hat, dass Sie Ihre Meinung geändert haben?"

„Ich habe mich etwas in dem Haus umgesehen und tatsächlich etwas gefunden, was mich dazu veranlasst hat und würde Sie bitten, das zu überprüfen, bevor ich mich endgültig entscheide."

„Haben Sie die Unterlagen bei sich?"

Sandra überreichte ihm die Versicherungspolicen der Lebensversicherungen, die der Anwalt sich sorgfältig durchlas. Sandra hörte einen leisen Pfiff und einen erstaunten Ausruf.

123456...8