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Dunkler Abgrund Ch. 03

Geschichte Info
Grace und Alec kommen sich näher.
8.4k Wörter
4.58
42.2k
3
Geschichte hat keine Tags

Teil 3 der 19 teiligen Serie

Aktualisiert 08/30/2022
Erstellt 05/28/2010
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Warnung der Autorin: Diese Geschichte enthält viel Handlung, NonConsent-Elemente, BDSM, Homosexualität (ff, mm), psychische und physische Folterbeschreibungen und eine Liebesgeschichte. Sie ist lang und entwickelt mit der Zeit einen verhältnismäßig komplexen Handlungsablauf.

Wer auf der Suche nach einem Quickie ist - und das sind wir alle mal - sollte sich vielleicht noch einmal umschauen. Alle Figuren und Ereignisse in dieser Geschichte - auch die, die sich auf real lebende Personen beziehen - sind gänzlich frei erfunden. Die Autorin hat keinerlei journalistische Ausbildung und nicht über alles, was sie schreibt, hat sie vorher auch wirklich nachgedacht. Zudem enthält die folgende Geschichte viele schlimme Wörter und aufgrund ihres Inhalts sollte sie von niemandem gelesen werden.

Kapitel 3

Grace Newlands atmete scharf ein und sah in der Dunkelheit in die ungefähre Richtung, aus der die Frage gekommen war. Sie hatte schon gehofft, er würde nicht fragen, schließlich hatte er sich einige Zeit gelassen.

Ihre Finger lagen immer noch an der juckenden Stelle an ihrer Kopfhaut. Diese Stelle war wie ein immerwährendes Warnsymbol ihres Lebens. Es schmerzte, wenn sie sich aus einem sehr warmen Raum in einen sehr kalten Raum begab und erinnerte sie fortwährend daran, dass es manchmal besser war, Geheimnisse zu haben. Weshalb sollte sie deshalb einem völlig Fremden, einem namenlosen Vampir ihre Geschichte erzählen? Sie hatte ihre Lektion damals gelernt.

Die Metallplatte in ihrem Schädel, die zwei Knochen stabilisierte, war nur ein deutlich fühlbares Symbol der ganzen Angelegenheit.

Unwillkürlich runzelte sie die Stirn. Für gewöhnlich schmerzte die Stelle. Sie... juckte nicht. Doch gerade, vor ein paar Sekunden, hätte sie schwören können, dass die Stelle juckte. Ihr Blick war immer noch in die Dunkelheit gerichtet, während sie sich einzureden versuchte, dass der Vampir nichts mit dem Jucken zu tun hatte.

Sie wandte sich ab. Sie würde nicht noch einmal so dumm sein und die Geschichte erzählen. Sie hätte auch damals die Klappe halten sollen, doch sie war noch sehr jung gewesen. Unglaublich jung mit fünf Jahren.

In der Schwärze breitete sie die Hände aus und tastete nach der feuchtkalten Wand. Überall trat Wasser aus den Ritzen zwischen den Wänden und benetzte ihre Finger. Vorhin hatte sie ein paar Metallringe entdeckt, die in der Wand eingelassen waren. Massive Ringe, die dazu da waren, Fesseln daran anzubringen. Sie konnte immer noch nicht fassen, dass der Vampir von diesen dicken, tief verankerten Ringen sprach, als seien sie so wirkungsvoll ihn aufzuhalten wie Zahnseide. Er hatte auch behauptet, dies sei eine Folterkammer.

Sie erschauderte automatisch und unterdrückte den Wunsch zu schreien. Oder sich zu erinnern, wie sie hier reingeraten war. Erinnerungen waren nie gut. Sie führten nur zu Angst und wenn sie in einer Situation stark, kontrolliert und ruhig sein musste, dann war es diese. Sie musste rational sein; einen Ausweg suchen und flüchten. Offensichtlich konnte der Vampir nichts tun, deshalb lag alle Verantwortung auf ihr. Sie musste einen Weg hier raus finden. Es gab immer einen Ausweg. Ihre Geschichte würde nicht in einem beschissenen Dreckloch von Bunker enden, weil eine kranke, tote Frau meinte, sie könne über ihr Schicksal bestimmen.

Sie entschied selbst über ihr Schicksal. So wie jeder Mensch.

Wie albern das plötzlich klang, wenn man sich in einem Gefängnis ohne Nahrung und warmer Kleidung befand. Früher hatte sie sich diese Tatsache immer nur klar gemacht, wenn sie entschied, welche Kleidung sie tragen wollte oder welches Studienfach sie belegen durfte. Damals hatte die Entscheidung über das eigene Schicksal mit Sicherheit mehr Gewicht gehabt.

„Mädchen", sprach der Vampir sie plötzlich an. Seine dunkle, verführerische Stimme fand ein verwirrendes Echo tief in ihr. „Du musst mich operieren. Es spielt keine Rolle, ob ich sterbe. Ich sterbe hier drinnen sonst einen anderen Tod."

Sie schüttelte stumm den Kopf und stieß dabei mit der Hüfte gegen ein Ding, das mitten im Raum stand. Ihre Finger glitten langsam über die kaltfeuchten Konturen, um zu entscheiden, was das war, während sie antwortete: „Ich will nicht für noch einen Tod verantwortlich sein."

Sie wiederholte es mit einem endgültigen Tonfall. Sie würde nicht in vollkommener Dunkelheit eine Rückenmarksoperation mit... ihren Fingernägeln und Zähnen durchführen. Himmel, sie hatten nicht einmal ein einfaches Messer! Der Typ hatte offensichtlich eine kranke Todessehnsucht. Sie operierte für gewöhnlich Brüste. Sie war gut darin. Dass ihre Kundinnen täglich über die Laufstege und roten Teppiche der High Society liefen, war ihr dabei vollkommen egal. Denn... Welcher armselige Mensch schmückte sich selbst nur mit dem, was ihre Kunden leisteten? Ihre Kollegen hatten alle Bilder in ihren Büros von den Leuten, die sie schon verschönert hatten. Grace hatte Landschaftsbilder an den Wänden.

Wahrscheinlich war sie deshalb so beliebt bei den Schönen und Reichen. Sie war diskret. Und ihre Arbeiten waren makellos. Eigentlich war es absurd, dass sie von den Menschen, die am wenigsten wollten, dass ihre geheimen Schönheitskorrekturen bekannt wurden, am lautesten empfohlen wurde. Natürlich nur in privaten und diskreten Unterhaltungen zwischen zwei befreundeten Superstars.

Ihre Finger glitten immer wieder über die Ränder des Geräts, das neben ihr stand, doch sie hatte immer noch keine Ahnung, was es sein könnte. Es war eine Art Tisch mit zu vielen Beinen und einer Rolle am Kopfende. Und Schnüren überall. Und Löchern in der Tischplatte.

„Für welchen Tod bist du noch verantwortlich?", fragte der Vampir wieder.

Diesmal hatte sie sich besser unter Kontrolle. Sie zuckte mit den Schultern und umrundete langsam den Tisch. „Weshalb ist das so wichtig?"

Der Vampir schwieg eine Weile, während sie die Wand erreichte und gleich darauf auf das nächste Gerät stieß. Sie erkannte einen senkrecht stehenden Sarg und warf einen Blick auf den Vampir. Doch der schien dieses Ding nicht zum Schlafen benutzen zu können. Sie stockte, als ihr klar wurde, dass es eine eiserne Jungfrau war. Nicht darüber nachdenken, sagte sie sich und tapste vorsichtig weiter.

„Es ist nicht wichtig", murmelte der Vampir plötzlich. „Es sollte mich gar nicht interessieren." Seine dunkle Stimme zeigte seine Verwirrung. Er zögerte eine Weile und schien darüber nachzudenken, weshalb er es unbedingt wissen wollte. „Aber es hält dich davon ab mich zu operieren. Also sollte ich zumindest den Grund wissen dürfen, weshalb ich deiner Meinung nach hier lieber elendig verrecken sollte, als zumindest schnell und schmerzlos zu sterben."

Sie schluckte. Er hatte recht, aber er verstand nicht, dass alles noch schlimmer werden würde, wenn sie darüber redete. Erinnerungen schwappten in ihr hoch wie die Flashbacks von Kriegsveteranen. Sie konzentrierte sich auf die feuchte Wand an ihren Fingern, um nicht wieder in das Loch aus Erinnerungen zu tappen. Es war wie eine Falle, aus der man nicht wieder herauskam. Sie durfte also nicht fallen.

Doch seine Aussage über den gewissen Tod zerrte an ihr. Die Hoffnung auf einen Ausweg schwand langsam, wenn selbst der Vampir nicht an eine Flucht glaubte. Die Luke über ihren Köpfen war fest verschlossen; Grace hatte gehört, wie ihre Entführerin Morgana sogar ein Sicherheitssystem ausschalten musste, um die Tür zu öffnen.

Sie machte sich keine Illusionen über ihren Verbleib in diesem Loch, aber sie hatte noch Hoffnung. Es gab schließlich immer einen Ausweg, richtig? Die Luft hier unten war kalt und besonders feucht. Schon jetzt kratzte ihr Hals beim Atmen und das würde noch schlimmer werden. Ihr Immunsystem war stark angegriffen und die schlechte, abgestandene Luft verbesserte die Lage nicht unbedingt. Außerdem waren ihre eiskalten Füße vollkommen nackt auf dem harten Betonboden. Doch selbst, wenn sie nicht an einer beginnenden Lungenentzündung starb... Hier gab es nichts zu essen und dreckiges, bakterienverseuchtes Wasser konnte sie nur aus den Rissen in den Wänden schöpfen. Keine gute Überlebenschance, wenn sie auf Rettung warten wollte.

Sie fühlte, wie ihre Schultern nach unten sackten. „Es tut mir leid, aber ich kann nicht", murmelte sie schwach. Sie legte ihre Arme um den Körper, um sich ein bisschen zu wärmen. Er hatte recht, sie hatten hier keine Chance zu überleben. Er vielleicht schon, aber sie definitiv nicht.

Vielleicht wäre es fair, wenn sie ihm sagen würde, warum sie ihn nicht mit Sicherheit umbringen konnte. Ganz abgesehen davon, dass sie ihn auf keinen Fall umbringen wollte, konnte sie sich nicht vorstellen, dass sie vor Gott einen guten Prozess abliefern würde, wenn sie zwei seiner Geschöpfe über den Jordan geschickt hatte.

Schon ihre Psychiater hatten ein zerschmetterndes Urteil über sie gebildet und sie in eine Anstalt eingewiesen. Es dauerte ein Jahr, bis sie alle von ihren Lügen überzeugt hatte. Ein ganzes Jahr. Manchmal war es besser von vorn herein die Wahrheit zu verschweigen. Sie hatte eine harte Lektion darüber erhalten, was es hieß, einfach zu schweigen.

Trotzdem... Vielleicht war dies ihre letzte Möglichkeit einer Absolution vor dem Tod. Ein Vampir würde vielleicht verstehen, wie es war... anders zu sein. Außerdem schuldete sie es ihm irgendwie. Sie hatte ihn bei ihrem Fall in den Bunker schließlich ziemlich zerschmettert und sie konnte ihn nicht retten.

Vorsichtig entfernte sie sich von der Wand und ging auf den Vampir zu. Sie wollte zumindest in seiner Nähe sein, wenn sie es erzählte. Mit dem Knöchel traf sie auf seinen warmen Körper und setzte sich vorsichtig neben ihn. „Ich träume manchmal."

Er schwieg und schien instinktiv zu verstehen, dass sie nicht einfach bei einer Operation Mist gebaut hatte und so schuld an einem Tod war.

Sie holte tief Luft und griff unbewusst in ihr Haar, das die Metallplatte in ihrem Schädel bedeckte. „Ich... Manchmal träume ich ganz normale Dinge, aber meistens... Das war schon immer so. Ich träume ziemlich abgefahrene und grauenhafte Sachen. Wirklich kranke Dinge."

Er sagte nicht, dass das normal sei. Wie jeder andere Mensch, mit dem sie gesprochen hatte. Er schwieg einfach.

„Manchmal ist es so, als sei ich jemand anders in meinen Träumen", tastete sie weiter vor. „Manchmal bin ich ich selbst und tue seltsame Dinge." Sie atmete tief ein, als sie sein schweigendes Verstehen wahrnahm. „Diese Dinge... Sie passieren oft in der Zukunft."

„Visionen?", fragte er.

Sie schüttelte stumm den Kopf, dann nickte sie. „Manchmal. Selten." Sie seufzte. „Visionen stelle ich mir anders vor. So als... Blick in die Zukunft. Als Option. Du weißt schon, wie in den Büchern, wenn die Figuren in die Zukunft sehen und wissen was passiert. Und deshalb passiert es am Ende nicht, weil alle wussten, was man anders machen musste, um die Katastrophe zu verhindern. Ich kann aber nichts verändern."

„Weil dir niemand glaubt?"

Sie schüttelte den Kopf. „Nein, es spielt keine Rolle, dass mich alle für verrückt halten und mir nicht zuhören. Wenn ich die Zukunft sehe, ist es eher ein... Ich erlebe die Zukunft doppelt."

„Doppelt?", wiederholte er.

Sie machte eine schnelle Handbewegung. „Ich träume es und dann passiert es. Ich kann nichts ändern. Ich mache alles genau so wie im Traum. Ich stecke in einer Art blinder Trance fest und mache alles genau so. Dabei weiß ich ganz genau, dass ich es nicht tun sollte oder nicht tun möchte, aber wie in einer Trance bin ich gezwungen es zu tun." Sie starrte in die Dunkelheit zu der Stelle, an der sie sein Gesicht vermutete. „Manchmal sind es ganz alberne Sachen. Ich trinke schlechte Milch. Und am nächsten Morgen gehe ich trotzdem zum Kühlschrank und trinke sie aus der Flasche. Obwohl ich weiß, dass sie schlecht ist. Manchmal träume ich auch, wie ich einfach eine Zeitung aufschlage und mich über eine Telefonanzeige amüsiere. Ein paar Tage später tue ich es dann wieder. Es passiert mir doppelt."

„Warum wolltest du nicht darüber reden?", fragte er verwirrt. „Das ist doch kein Grund mich nicht zu operieren."

Ihr Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als sie vorsichtig die Erinnerungen zuließ. Es waren viele Erinnerungen. Viele Visionen. Von Männern, die in Clubs Frauen mit Drogen vollpumpten und sie später vergewaltigten. Von Frauen, die ihre Kinder in der Badewanne ertränkten. Von Kindern, die mit Feuerzeugen spielten und neben ihrer betrunkenen Mutter verbrannten. Grauenvolle Erinnerungen waren das. Nie hatte sie etwas unternehmen können. Doch die schlimmste waren die Erinnerungen an ihre Eltern. „Ich habe meiner Mutter davon erzählt", sagte sie zögernd. „Ich war drei bei meinem ersten Traum, an den ich mich erinnere. Für mich waren damals die Träume natürlich voller Monster, statt voller kranker Menschen, die gern töteten und mich ihre Euphorie fühlen ließen, wenn sie ihre Opfer zerstückelten." Sie biss sich auf die Unterlippe. „Ich bin damals viel in den... Köpfen der Täter gewesen, nicht der Opfer", fügte sie hinzu. „Meine Mutter hat mich immer beruhigt und mir gesagt, dass ich das Daddy nicht erzählen darf." Sie lächelte bei der Erinnerung an ihre Mutter, die sie immer mit Küsschen überschüttete und ihr ein Lied vorsang, bis sie an etwas anderes dachte. „Mein Vater war ziemlich überbesorgt wegen allem. Meine Eltern waren schon über vierzig, als ich gekommen war; das Geschenk ihres Lebens." Oder eher ihr Fluch, fügte sie in Gedanken hinzu. „Ich war Daddys kleiner Augapfel, sein Liebling. Meine Mom wollte nicht, dass ich ihn beunruhige. Das ging eine Weile gut. Doch dann hab ich immer wieder von meiner Mutter geträumt und wie ich sie umbringe." Sie stockte und erschauderte. „Es war seltsam, dass ich es mehr als einmal diesen Traum hatte. Ich... In dem Traum ist meine Mutter gerade dabei die Kartoffeln für das Mittagessen zu schälen. Sie sitzt am Küchentisch und steht auf, um eine Schüssel für die Abfälle zu holen. Ich sitze neben ihr am Tisch und habe mein eigenes Messer in der Hand. Ich hab ihr unglaublich gerne geholfen, auch wenn es meiner Mutter wichtig war, dass ich kein scharfes Messer habe. Es war nicht einmal richtig... spitz."

Ihre Stimme brach und ihre Augen füllten sich unaufhaltsam mit Tränen. „Wir haben in einer Art religiösen Gemeinschaft gelebt, die alles selbst machte. Deshalb war der Griff von meinem Kinderspielzeugmesser auch aus demselben Holz eines bestimmten Baumes wie der Küchenstuhl meiner Mutter. Ich bemerkte dies, weil das Muster vollkommen gleich war und stand deshalb auf. Dabei fiel mir in der Rückenlehne des Stuhles eine Lücke ist. Ein Astloch. Für mich war es lustig, dass das Messer genau in das Astloch passte. Wie bei einem... einem.... Puzzle."

Sie wischte sich über das Gesicht und trocknete ihre tränennassen Wangen. „Ich wollte gerade meiner Mommy von der Entdeckung erzählen, als mir einfiel, dass ich das selbstgemachte Puzzle von meinem Daddy lange nicht mehr benutzt habe. Ich gehe zum Küchenschrank, um danach zu suchen, als ich meine Mutter aufschreien hören." Sie erschauderte am ganzen Körper, als sie sich an diesen Schrei erinnerte. „Meine Mutter hatte sich genau in das Messer gesetzt. Es steckte tief in ihrem Rücken und wurde von der plötzlichen Wucht tiefer in die Lehne getrieben. Das Holz splitterte, genau wie Mommys Knochen und plötzlich war überall Blut."

Sie versuchte sich zu beruhigen, doch ihr Atem kam abgehackt in rauen Stößen. Die Worte kamen nur noch unbewusst aus ihrem Mund; viel zu gefangen war sie von den schrecklichen Erinnerungen. „Ich rannte sofort zum Stuhl und rutschte in ihrem Blut aus. Meine Hände waren ganz klebrig und glitschig, während ich an dem Messer reiße, um es aus Mommys Körper zu bekommen. Sie hatte aufgehört zu schreien und versuchte mich zu beruhigen, während ich weinend versuchte meine Mutter zu retten. Sie war schon ziemlich schwach und hatte viel Blut verloren. Trotzdem versuchte sie immer noch... immer noch..." Sie schnappte nach Luft und schlang die Arme um ihren Körper, um den Schmerz in ihrem Inneren zu bezwingen. „...Immer noch mich zu beruhigen. Sie sagt, dass es ein Unfall ist und nimmt mich auf ihren Schoß. Vorsichtig küsst sie mich; immer noch in der Position eingefroren. Sie stirb, während sie mir sagt, dass Gott es so gewollt hat und dass alles gut wird. Und dass ich auf Daddy aufpassen muss, denn er wird jetzt ganz traurig sein. Weil sie jetzt ganz lange schlafen muss."

Sie sah ihn an. „Kannst du dir das vorstellen? Sie stirbt und macht sich trotzdem mehr Sorgen um das Trauma ihres Kindes als um sich selbst." Sie schluchzte leise und umarmte sich selbst fester. Ihr Atem beruhigte sich, als sie sich von diesen Erinnerungen entfernte. „Mein Vater kam kurze Zeit später nach Hause und wusste sofort, dass ich Mommy umgebracht habe. Deshalb dreht er durch und... Ich hab keine genauen Erinnerungen daran. Aber ich bin im Krankenhaus aufgewacht mit jeder Menge gebrochenen Knochen und einer Metallplatte im Kopf. Das Ordnungsamt hat mich einer Pflegefamilie unterstellt und dafür gesorgt, dass ich zu Psychiatern ging. Ich hab denen versucht zu erklären, dass Gott mir diese Träume geschenkt hat und dass ich Mommy umbringen musste, weil Gott das so gewollt hat und sie jetzt bei den Engeln ist." Sie schüttelte den Kopf. „Der Psychiater hat mich in eine Anstalt geschickt. Irgendwann hab ich die Psychologen allerdings davon überzeugen können, dass es die Träume gar nicht gab und alles nur ein Unfall war. Ich wurde zur nächsten Pflegefamilie geschickt. Und dann zur nächsten. Alle fanden, dass ich seltsam war und in meiner Akte stand ja die ganze Geschichte... Ich war nie länger als drei, vier Monate an einem Ort."

Der Vampir war eine Weile stumm. „Es tut mir leid", sagte er schließlich und klang selbst überrascht von dieser Erkenntnis. „Es tut mir wirklich leid. Aber das alles ist nur ein Unfall gewesen."

Sie schüttelte den Kopf, auch wenn sie es mit einem seltsam warmen Gefühl erfüllte, dass er nicht mit dem Finger auf sie zeigte und Monster oder Verrückte brüllte. „Ich hätte etwas dagegen unternehmen sollen. Ich wusste schließlich, was passiert."

„Nein", widersprach er lauter und energischer. „Du hast mir selbst erzählt, dass du wie in einer Trance bist, wenn es dann tatsächlich passiert. Es spielt keine Rolle, dass du es vorher wusstest."

Wieder schüttelte sie langsam den Kopf. Er hatte irgendwie recht, aber er hatte auch nicht gehört, wie ihr Vater sie als Monster und als etwas Böses bezeichnete. Es war leicht zu sagen, dass sie nicht schuld war, wenn man dieses Gefühl nicht los wurde, dass ihr Vater recht hatte. Vielleicht war sie wirklich ein Monster. „Ich bin verantwortlich für ihren Tod. Und ich werde mir nicht noch einen Tod aufbürden."

Er seufzte leise, ließ das Thema allerdings fallen. „Ich würde dich ja jetzt in den Arm nehmen, um dich zu trösten, aber das ist verdammt schwer, wenn man sich nicht bewegen kann."

Er klang zerknirscht und trotzdem brachte er sie damit plötzlich zum Lachen. Sein Angebot war zu... seltsam. An sich schien er einfach nicht der Samaritertyp zu sein und trotzdem war er so... nett. Der Schmerz wich langsam aus ihren Gliedern und sie stand wieder auf, um sich vom kalten Boden zu entfernen. Das war nett von ihm, dass er versuchte sie aufzumuntern. Oder dass er überhaupt darüber nachgedacht hatte, ob er sie trösten konnte. Mit dieser Reaktion hatte sie am wenigsten bei einem Dämon gerechnet. Sie hatte diese Reaktion schließlich nicht einmal bei ausgebildeten Therapeuten und Pädagogen erlebt. Dabei war er auch noch ein völlig Fremder und trotzdem versuchte er sie zu trösten und ihr ein bisschen die Schuldgefühle zu nehmen. Unglauben und Wärme erfüllte sie bei der Erkenntnis.

Unwillkürlich wich sie etwas von ihm zurück. Sie wollte sich nicht von ihm entfernen, weil ihr das Verständnis und sein Trost zuwider waren. Eigentlich brauchte sie nur etwas Abstand, um sich darüber klar zu werden, ob das etwas änderte. Es war schön zu wissen, dass sie zumindest nicht in der Anwesenheit von Bösen starb. Sondern in Anwesenheit eines netten Dämons. Verrückt!