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Dunkler Abgrund Ch. 12

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Brennend floss die Hitze durch seine Adern, während er krampfhaft versuchte seinen Höhepunkt zu erreichen, bevor sie wach war. Die Reibung nahm zu; er fickte sie fester, drückte sie tief ins Laken und biss ihr in die Kehle, als der Orgasmus durch seine Sinne rauschte. Ihm wurde einen Moment schwarz vor Augen, während sein Samen in sie hineinpumpte. Letzte Zuckungen ließen ihn erschaudern, bevor er plötzlich fühlte, wie sich ihre Arme um seinen Rücken schlossen. Zitternd verschloss er die Wunden an ihrem Hals und leckte sich das köstliche Blut von den Lippen. Sie war wach.

Er hob den Kopf, betrachtete das irisierende, wache Blau ihrer erstaunlichen Augen und küsste halb entschuldigend, halb dankbar ihren Mundwinkel. Dann ließ er sich zur Seite fallen und zog sie mit sich. Sie schmiegte sich an ihn, drückte ihre Nase gegen seine Brust und atmete tief durch. „Du hast mich geweckt."

Das hatte er wohl. Allerdings hatte das irgendwann keine Rolle mehr gespielt. Er hätte auch weitergemacht, wenn sie nicht darauf reagiert hätte. Er griff nach ihrer Hand auf seiner Brust und zog sie zu seinem Mund, um sie zu küssen.

„Danke", murmelte sie leise und biss in seine Haut. „Auch wenn ich die Art des Aufwachens ein wenig früher bevorzugen würde."

Er grunzte leise bei dem angenehmen Schmerz ihres Bissens und zog sie enger in seine Umarmung. Langsam beruhigte sich sein Körper vom Ansturm der Lust und ließ ihn klarer denken. „Was war gerade los?", fragte er, statt etwas zu entgegnen.

Sie räusperte sich leise. „Eine intensive Version." Sie klammerte sich an ihn. „Eine sehr intensive Version. Ich war in vielen Köpfen. So etwas braucht viel Energie und ich falle danach manchmal in eine Art Starre." Sie seufzte leise und strich sich eine Strähne aus dem Gesicht. „Verdammt nervig, wenn man am Morgen einen Termin hat."

„Erzähl mir von der Version", unterbrach er sie, bevor sie noch weiter vom Thema ablenkte. Offensichtlich wollte sie nicht darüber reden.

Sie erschauderte und riss sich offensichtlich mühsam zusammen. „Sie kommen hierher. Heute noch."

Er fragte nicht, wen sie meinte. Damon und seine Vertrauten machten also Jagd auf ihn. So hatte er sich die Sache zwar nicht vorgestellt, doch dieses Anwesen war leicht zu verteidigen. Vielleicht hatten sie so einen entscheidenden Vorteil gegenüber Damon, denn ein Angriff auf dessen Haus wäre schwerer gewesen. Und Damon hatte nicht viel Zeit gehabt, um den Angriff zu planen. Er würde mit riesigen Massen an Angreifern gewinnen wollen. Doch darauf war die Verteidigung dieses Hauses eingerichtet.

„Menschen", murmelte Grace leise. „Viele, viele Menschen. Unschuldige, nette Menschen, die sie auf dem Weg hierher einfach aufgabeln und..." Sie schluckte. „Morgana..."

Er drückte sie und zog mit der anderen Hand das Laken auf ihren Körper, um sie zu wärmen. Fast konnte selbst er die innere Kälte fühlen, die plötzlich ihre Organe vereiste. „Sch...", machte er beruhigend und küsste ihr Haar. „Ich verstehe schon. Keine Sorge, ich werde sie von Morganas mentalem Einfluss befreien und sie dann vom Schlachtfeld schicken."

Er spürte an seiner Brust, wie sie den Kopf schüttelte. „Er spritzt ihnen ein Gift, damit ihr Vampire nicht von ihnen trinken könnt. Es tötet sie."

Bedauern schnürte seine Kehle zusammen, doch er streichelte sie weiter, als sei alles in Ordnung. „Es gibt ein Gegenmittel", log er, um sie zu beruhigen. Er hatte keine Ahnung, was für ein Gift das war, doch er würde Lukan und Jean Antoine sagen müssen, dass sie die Menschen nicht als Nahrungsquelle benutzen durften. Denn Damon würde die Menschen nicht vergiften, wenn es auf Vampire keinen Einfluss hatte. Gift war schließlich teuer.

Grace beruhigte sich langsam. „Die Vampire haben Angst vor dir. Die meisten zumindest." Ein leises Lächeln schlich sich in ihre Stimme. „Viele von ihnen haben sogar vor nach der ersten Angriffswelle zu flüchten. Sie sind alle noch sehr jung. Die ältesten unter Damons Gefolge sind gerade mal einhundert Jahre ein Vampir. Sie haben zwar Angst vor Damon, aber noch mehr Angst haben sie vor dir."

Loyalität war eben nicht mit der Angst vor einem tyrannischen Vater vergleichbar. „Was ist mit den Werwölfen?"

Das Lächeln verebbte. „Sam ist loyal und sein Rudel wird bis zum letzten Atemzug kämpfen." Sie atmete tief durch. „Er hat gute Gründe auf Damons Seite zu stehen. Damon hat ihm seine Rache an seinem Vater ermöglicht und..." Grace verstummte und schüttelte langsam den Kopf. „Bilder, aber nichts ist eindeutig. Ich hasse Werwolfsgedanken."

Er drängte sie nicht, denn die Motivation der Einzelnen spielte für ihn keine Rolle. Wieder küsste er ihre Hand, damit sie wusste, dass sie nicht mehr weitersprechen musste.

Grace entspannte sich leicht. „Sie sind schwer bewaffnet. Einige von ihnen haben Flammenwerfer. Sie glauben, dass sie uns nach draußen und in den Kampf zwingen können, wenn sie das Haus abfackeln." Das leichte Fragezeichen war nur aus ihrer Stimme entnehmbar.

„So laufen Angriffe immer ab, Grace." Er strich durch ihr Haar und kämmte einige Strähnen auf ihren nackten Rücken. „Zuerst versuchen Angreifer immer die Burg einzunehmen und wenn es nicht klappt, zerstören sie sie. Seit dem Mittelalter hat sich nicht viel verändert. Wenn wir nicht rauskommen, werden sie uns zwingen. Allerdings habe ich für diesen Fall Schutzräume unter dem Haus. Du bist dort in Sicherheit."

„Gut", erklärte Grace bestimmt. Sie schwieg einen Moment, bevor sie sich aufrichtete und ihn ansah. „Hyrie hat sich ihnen angeschlossen."

Alec versteifte sich einen Moment und sah ihr aufmerksam in die Augen. Offensichtlich wusste sie nicht viel, doch genug, um ihn genau so aufmerksam anzusehen. „Meine Schwester", sagte er leise.

Grace hob eine Augenbraue. „Ich weiß. Weshalb tut sie das?"

Alec verzog leicht das Gesicht und wandte den Blick ab. „Eine... komplizierte Geschichte."

„Ich würde sie gern hören."

„Sie hasst mich."

„Warum?"

Alec seufzte leise. Natürlich biss sie sich jetzt an der Geschichte fest und sie würde nicht locker lassen, bis sie die Wahrheit erfuhr. „Ich habe dir von meiner Schwester erzählt. Und dass... unser altes Blut wie Gift wirkt."

Grace sah ihn abwartend an. „Sie wollte ihren Geliebten verwandeln und hat ihn damit umgebracht."

Ja, das war seine Version der Geschichte. „Hyrie... Ich lernte sie kennen, als ich in Persien war. Sie war eine exotische Geliebte aus einem Harem. Der Sultan liebte sie abgöttisch, allerdings hatte auch sein Vater sie geliebt und davor sein Vater und... Sie war schon lange Teil dieses Harems. Wie lange, kann ich dir nicht sagen. Ich habe sie befreit und das... schweißte uns zusammen. Damals gab es noch nicht viele Vampire und ich habe sie sehr schnell als Teil meiner Familie angesehen. Jemanden, dem ich trauen konnte und der wusste, wie es war, wie wir zu sein. Kein Sonnenschein, keine Kinder..." Er verstummte, um ihre Gedanken nicht in die falsche Richtung zu lenken. „Sie hatte auch die Idee mit den Bluteiden und der neuen Organisation der Vampire. Wir haben viel zusammen verändert. Als sie sich in einen Menschen verliebte, war ich... Eifersüchtig ist das falsche Wort, aber ich missbilligte die Verbindung, denn durch ihn... habe ich sie irgendwie verloren. Sie gehörte plötzlich nicht mehr zu meiner Familie, sondern bildete eine eigene. Ich habe das damals nicht verstanden. Als sie mich bat, dass ich ihm den Bluteid abnehmen sollte, habe ich verneint. Es ist schwer zu beschreiben, warum ich es getan habe, aber ich wollte einfach nicht, dass sie zusammen mit dem Mann verschwindet. Als dann die Verwandlung schief ging, hat sie mich dafür verantwortlich gemacht. Sie sah nicht ein, dass es einfach an unserem alten Blut lag, sondern glaubte, dass ein Bluteid auf mich der Schlüssel zu einer funktionierenden Verwandlung ist. Bis heute glaubt sie das, obwohl sie mitbekommen hat, wie hunderte einen Bluteid auf andere ablegen, statt auf mich. Vielleicht fällt es ihr leichter, so zu leben. Wenn sie mir die Schuld gibt, braucht sie sich nicht selbst die Schuld zu geben. Deshalb hasst sie mich." Er schloss einen Moment die Augen. „Ich hätte damit rechnen müssen, aber scheinbar habe ich irgendwie gehofft, dass sie mir niemals den Tod will. Dass sie auf Damons Seite ist..."

Diesmal war sie es, die ihn tröstend in die Arme nahm. Er genoss die warme Berührung ihrer nackten Haut und drückte sich an sie. Es dauerte nicht lange, bis sie wieder den Kopf hob. „Es sind viele unterwegs. Nicht nur Damons Leute, sondern auch die Wahren Familien."

Alec nickte langsam, abgelenkt von ihrem Bein, das sich an seine wachsende Erektion schmiegte.

„Eine große Gruppe wird zum Tagesanbruch hin in Lakefront Airport laden und von da aus mit dem Hubschrauber hierher fliegen. Fathsil, Manlock, Nothoro, Melania sind zusammen mit ihren Geschaffenen im ersten Flugzeug und schlafen in unbequemen Eichenfässern, um von der Sonne geschützt zu sein." Grace grinste. „Kommt daher das Klischee mit den Särgen?"

Alex zuckte mit den Schultern. „Früher hat man bei Zollübergängen nur Särge nicht geöffnet und auf den Inhalt überprüft. Heute müssen wir bei den Kontrollen ziemlich viele Schmiergelder herumschieben. Wahrscheinlich verlassen wir deshalb so wenig unsere Länder."

„Faszinierende Theorie." Sie rollte sich herum und bettete ihren Hinterkopf auf seiner Brust, während sie nach seiner Hand griff und mit seinen Fingern spielte. „Im zweiten Flugzeug sind noch mehr Vampire, aber auch ein paar Berserker und... so andere Viecher, die nicht geschlafen haben. Sie wollen dich alle unterstützen."

„Wann genau kommt Damon?", fragte Alec automatisch.

„Er glaubt, dass er es bis Mitternacht schafft, aber Sam rechnet nicht damit. Trotzdem... Wir werden wohl die Nacht durchhalten müssen, bevor die Wahren Familien hier ankommen."

Alec warf einen Blick auf die Uhr über dem Kamin. Es war kurz vor neun. „Wir sollten aufstehen und den anderen Bescheid sagen."

„Mach du nur. Ich habe die Informationen geliefert, jetzt seid ihr an der Reihe." Grace ließ seine Hand los und tätschelte ihren Bauch. „Außerdem habe ich Hunger. Klingt Kaffee in deinen Ohren nicht auch absolut fantastisch?" Sie rollte sich auf den Bauch. „Apropos. Sollte ich Essen mit nach unten in die Schutzräume nehmen?"

Alec runzelte die Stirn und nickte dann langsam. „Selbst mit der Unterstützung wird die Schlacht wohl ein paar Tage dauern."

„Dann sollte ich auch noch einen Fernseher runterschleppen." Sie blinzelte ihn an. „Hilfst du mir?"

„Hast du gar keine Angst?", fragte er amüsiert.

„Panische", gab sie leichthin zurück und küsste ihn. „Aber wenn du stirbst, kann ich dann noch genügend sauer auf dich sein."

„Wie... beruhigend."

*

„In diesem Tempo werden wir es ganz sicher nicht bis Mitternacht schaffen."

Damon drehte sich langsam um und warf Hyrie einen gereizten Blick zu. Ihr Augapfel war während des Tages wieder nachgewachsen, doch sie konnte das Lid noch nicht richtig schließen. Immer linste ein kleiner Teil ihrer Pupille hervor und gab ihr ein makabres Aussehen, wenn sie blinzelte. Schade, dass sie Verletzung nicht dauerhafter war. Es gab ihrer ätherischen Schönheit den nötigen grauenhaften Schliff.

„Wir haben keinen Termin, Hyrie", gab er leise zurück und wandte sich wieder um. Vor ihm auf dem Rastplatz der Autobahn lungerten hunderte Vampire in den schwarzen Vans herum und warteten auf die Weiterfahrt. Sie hielten allerdings nicht an, um allen eine Pinkelpause zu gönnen, sondern um menschliches Kanonenfutter aufzuladen. Ein Auto fuhr im selben Moment auf die Parkfläche und eine Gruppe Teenager sprang aus dem Wagen. Es dauerte nur einen Wimpernschlag, bis seine Vampire reagierten und sie umzingelten. Der Angriff war rasch und gezielt. Sie drückten die Menschen auf den Boden oder gegen das Auto, während Morgana durch ihre Reihen huschte und die Menschen berührte. Kurz danach standen sie Menschen wieder auf und bildeten eine ordentliche Reihe vor Sam, der ihnen nacheinander eine Spritze mit dem Gift verabreichte. Dann gingen die Teenager zurück zu ihrem Wagen und setzten sich. Sie würden der Karawane bis zu Alecs Haus folgen und kurz nach der Ankunft die erste Angriffswelle bilden. Kopflose Zombies, die Türen und Tore aufreißen würden, bevor sie abgeschlachtet wurden. Wenn Damon Glück hatte, würden ein paar als Nahrungsquelle benutzt werden und die Vampire vergiften. Immer noch gab es keine richtigen Angaben darüber, wie viele Vampire und Volksmänner in Alecs Anwesen waren. Sie mussten also mit einer großen Anzahl rechnen, um für alles gewappnet zu sein. Vielleicht hatte Alec die Nächte schließlich nicht nur in Grace' Armen verbracht, sondern genau wie Damon in den letzten Jahrzehnten, seine Zeit mit Wandlungen genutzt. Wer wusste schon, wie stark neue Vampire von Anfang an waren, wenn sie von einem uralten Arkaios geschaffen wurden? Es war besser auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein.

Zwei weitere Autos bogen um die Ecke und fuhren auf den Parkplatz. Wieder war der Angriff gezielt. Zwei kleine Kinder wurden von der Rückbank gezogen und von Morgana berührt. Doch für den Augenblick war es genug. „Wir fahren gleich weiter."

Die angreifenden Vampire gaben ihm ein Zeichen, dass sie ihn gehört hatten, während sich Hyrie ungeduldig in ihren Wagen setzte. Ihr Fahrer, ein alter Vampir aus ihrer Gefolgschaft, wechselte einige Worte mit ihr, bevor er Damon einen abschätzenden Blick zuwarf. Ohja, Damon hatte nicht vor Hyrie zu unterschätzen. Doch er wusste ebenso, dass er ihr nicht trauen konnte, auch, dass sie zu ihrem Wort stehen würde und ihn zu einem Arkaios machen würde. Sie würde ihren Bluteid leisten. Ob Alec durch ihre Hand starb, würde sich allerdings noch zeigen. Es spielte auch keine Rolle, solange Alec schlussendlich verreckte.

Damon ging langsam zu seinem Wagen und setzte sich auf die Rückbank. Unwillkürlich wanderten seine Gedanken in die Zukunft. Sein Königreich erstreckte sich in schillernden, düsteren Farben vor ihm. Es dauerte nicht mehr lange, bis er die Rasse der Vampire an die Öffentlichkeit treten ließ und die Menschheit versklaven würde. Was ihm bisher noch gefehlt hatte, war eine Königin an seiner Seite, doch auch diese Frage hatte sich nun beantwortet. Blaue, wunderschöne Augen erschienen vor seinem geistigen Auge. Wärme in ihrem Blick. Eine einladende Hand. Sie würde Ja zu ihm sagen. Immer wieder. Egal, was er mit ihr anstellte. Egal, wie sehr er sie quälte. Am Ende würde sie sich wieder an ihn schmiegen und ihm leise, liebevolle Worte ins Ohr raunen. So, wie sie es bei Alec getan hatte.

Seine Hand in seinem Schoß ballte sich zu einer Faust. Nein, bei ihm würde es besser sein als bei Alec. Denn sie gehörte zu ihm. Grace und Damon. Sie gehörten zusammen und sie würde es in dem Moment erkennen, wenn sie sich das erste Mal sahen.

*

Jean Antoine hob langsam eine Augenbraue. „Woher weißt du das?"

Alec reagierte nicht, als Grace in den Raum kam. Sie balancierte einen Teller mit einigen Sandwichs in der einen Hand und einen dampfenden Becher in der anderen. Einige Hexen, die sich in einem Halbkreis auf dem Boden niedergelassen hatten, sprangen fast auf, um ihr Platz zu machen. Jean Antoine bemerkte dieses seltsame Verhalten, allerdings könnten die Frauen auch einfach höflich sein, deshalb achtete er nicht weiter darauf. Auch Grace schien dieses Verhalten nicht seltsam zu finden, denn sie glitt tiefer in den Raum und setzte sich auf die Kante von Alecs Sessel. Vorsichtig platzierte sie ihren Teller auf ihren Knien, griff nach einem Sandwich und hob erst dann den Blick, als fiele ihr die Stille in diesem Moment auf. „Uh, Sorry", nuschelte sie und wischte sich mit einem Finger die Mayonnaise aus dem Mundwinkel. „Ich habe fürchterlichen Hunger."

Alecs Gesicht veränderte sich so schnell, dass selbst Jean Antoine für einen Moment das Gefühl hatte, es habe gar kein Vorher-Gesicht gegeben. Alecs rechter Mundwinkel hob sich und seine vorher kühlen, berechnenden Augen wurden warm. Er schlang einen Arm um ihre Hüfte auf der Lehne des Sessels und schien vollkommen vertieft in das Angebot aus Sandwichs zu sein, um den Rest des Raumes zu bemerken.

Jean Antoine warf einen Blick in die Runde. Auch die restlichen Frauen starrten fassungslos den eiskalten Vampir an, der gerade noch von Flammenwerfern, Menschen mit giftigem Blut, Präventivschläge, Rückzugsformationen und Überraschungsangriffe gesprochen hatte. Und jetzt diese kleine, dünne Blondine anlächelte, als sei alles in aller bester Ordnung, solange nur sie da war. Alec stahl ein Sandwich von ihrem Teller und erntete einen amüsierten Blick von Grace.

Unwillkürlich wanderte Jean Antoines Blick zu Lukan, der auf einer Fensterbank saß. Doch Lukan erwiderte seinen Blick nicht, als dachte er nicht darüber nach, welche schönen Zeiten auch sie schon zusammen verbracht hatten. Als sei die Zeit zwischen ihnen nicht vergleichbar mit der von Grace und Alec. Nein, Lukans Blick lag auf der Hexe Holly, die seinen Blick erwiderte und langsam errötete. Der Blick dauerte an, tauschte Geheimnisse und Versprechen aus, während Jean Antoine reglos dasaß und Hass in sich hervorquellen fühlte, wie Eiter aus einer entzündeten Wunde, die man mit den Fingern aufdrückte. Er beleckte die Zähne. Oh ja, diese dicke Fotze würde nicht überleben. Sie würde ihm nicht die zweite Chance auf ein Leben in Glück und Zweisamkeit nehmen. Jean Antoine war schwach gewesen, als ihm seine erste Liebe entrissen wurde. Doch nun war er stark. Er würde sich zu wehren wissen; er würde Holly keine Chance lassen. Und schlussendlich würde Lukan einsehen, dass nur sie beide zusammengehörten. Für immer.

*

Crazy Chase schlang seinen Mantel enger um sich und seufzte, als der schale Geruch von Bier aus sein Stoff in seine Nase drang. Er würde wieder ein paar Dollar sparen müssen, um das Ding in einem Waschsalon waschen zu lassen. Es war wichtig, dass er nicht nach Alkohol roch, denn der Dunst fraß einen auf. Zuerst außen, dann innen.

„N Dollar, 'n Dollar, 'n Dollar", murmelte er vor sich hin, um die vorbeiziehenden Leute auf sich aufmerksam zu machen. Dabei brauchte er eigentlich gar kein Geld im Moment. Diese Frau hatte ihm eine Menge Geld gegeben. Fast, fast, fast vierhundert Dollar. Eine gute Frau. Jaja, eine gute Frau. So etwas traf man nicht oft. Er hoffte für sie, dass sie eine gute Wahl mit dem mürrischen Mann getroffen hatte. So einen Mann wie ihn kannte Crazy Chase. Männer voller dunkler Ahnungen und Gedanken. Männer, die eine Schlacht zu viel gekämpft hatten. Jaja, er kannte sie. Kannte sie gut. Er selbst war auch so einer. Hoffentlich wusste der Mann so eine Frau wie diese Blonde mit den blauen Augen zu schätzen. Er selbst hatte sein Glück nicht zu schätze gewusst. Hatte seine Frau geschlagen. Wegen nichts und wieder nichts. Weil sie einmal die Butter beim Einkaufen vergessen hatte.

Wut in den Händen und dann waren es plötzlich Fäuste und ihr Gesicht, ihr süßes Gesicht war plötzlich anders. Und dann war da der Schlag.

Neu verheiratet. Hatte sie verdient. War eine gute Frau. Jaja, gute, gute Frau.

„N Dollar, 'n Dollar, 'n Dollar." Hoffentlich war der neue Mann auch so gut. Er hatte die beiden ab und an gesehen. Hatte sich natürlich versteckt, denn er war nicht mehr ein guter Mann. Wollte ihnen nicht das Glück versauen.

Seine Augen glitten zwischen den vielen Beinen der Passanten hindurch, die auf der Suche nach der nächsten Jazz-Kneipe waren oder den Abend in einem Restaurant ausklingen lassen wollten. Deshalb bemerkte er wohl als einziger, wie eine riesige Kolonne an schwarzen, gleichen Autos durch die Straße fuhr. Mit derselben Zielstrebigkeit und Geschwindigkeit folgten danach eine Reihe weiterer, allerdings unterschiedlicher Wagen. Es war nicht wirklich ersichtlich, doch irgendwie bekam Chase ein seltsames Gefühl im Magen und das Geld, das in seinen Schuhen wog plötzlich Tonnen. Die Blonde und der Mann. Das war nicht gut. Nicht gut, nicht gut. Neinnein, nicht gut.