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Dunkler Abgrund Ch. 14

Geschichte Info
Ein Anfang und ein Ende.
8.1k Wörter
4.61
26.5k
3
Geschichte hat keine Tags

Teil 14 der 19 teiligen Serie

Aktualisiert 08/30/2022
Erstellt 05/28/2010
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Notiz der Autorin: Diese Geschichte enthält viel Handlung, NonConsent-Elemente, BDSM (mit und ohne Zustimmung), Homosexualität (ff, mm), psychische und physische Folterbeschreibungen und eine Liebesgeschichte. Sie ist lang und entwickelt mit der Zeit einen verhältnismäßig komplexen Handlungsablauf. Wer auf der Suche nach einem Quickie ist - und das sind wir alle mal - sollte sich vielleicht noch einmal umschauen.

Kapitel 14

Das Haus brannte. Genau wie es Alec vorausgesehen hatte. Flammen leckten im ersten Stock aus den Fenstern und ließen Funken hinunterregnen, die auf der Veranda die Brände anstachelten. Sein blutiges Schwert reflektierte das orangene Licht des Feuers, als er es mit grausamer Präzision von unten nach oben gleiten ließ und einen Vampir der Länge nach spaltete. Während sich der Feind noch auflöste, trennte Alec einem weiteren Vampir den Kopf ab. Die Bewegungen waren fließend. Nur ein Gleiten von Metall durch buttriges Fleisch. Selbst die Knochen waren kein scharfer Widerstand, sondern zerglitten unter seiner Macht.

Immer wieder fanden auch Menschen, unschuldige Kinder, Frauen und Männer, den Weg durch die Traube zu ihm und fielen wie auch einige Vampire einen Moment später wieder zurück, als Alec ihren Verstand erreichte. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass einige seiner Waffe zum Opfer fielen. Dies war sein Element. Der Kampf stachelte ihn an und ließ Adrenalin durch seine Venen rauschen, als sei er ein lebendiges Wesen. Er fühlte sich auch lebendig. Auf seinem verformten Gesicht zeigte sich das wahnsinnige Lächeln eines Kriegers, der kopflos zustach und schnitt. Gliedmaßen fielen zu Boden, Schreie erfüllten sein Sein und berauschten ihn wie eine wundervolle Droge. Er schwebte über dem Chaos und war gleichzeitig Teil davon. Blut spritzte warm und kühl in sein Gesicht und tränkte seine Kleidung. Er ging so sehr in diesen Kampfhandlungen auf, dass er kaum merkte, wie einige Angreifer erfolgreich waren und seine Schutzweste mit Einschusslöchern dekorierten. Jemand schlitzte ihm in die Kopfhaut, doch er merkte es erst, als Blut in seine Augen floss und für einen Moment die Sicht nahm, bevor er blinzelte und weiterschlachtete. Er kämpfte sich eine Schneise durch die Vampire und Menschen; drehte am Ende des Grundstücks um und kämpfte sich zurück.

Seine Füße tanzten auf dem Boden und wäre das Blut und die spritzenden Gedärme nicht gewesen, wäre es tatsächlich ein schöner Anblick. Muskeln wölbten sich unter den Ärmeln seines Hemdes, während seine Beine geschmeidig über den Boden glitten. Er beugte sich vor, als würde er einen Tanz beenden und sich von seiner Tanzpartnerin entschuldigen und entging so einer sausenden Klinge. Ein Lachen steckte in seiner Kehle, doch er gab nur knurrende Laute von sich. Seine Augen glänzten halb wahnsinnig und doch mit einer schneidenden Konzentration. Vampire rannten davon und auch Menschen wurden von ihrem Bann gelöst, als er die Blockaden von Morgana knackte. Trotzdem lichteten sich die Reihen der Angreifer nicht. Es war wie in einem Traum für Alec. Die Angreifer behinderten sich gegenseitig, bei dem Versuch an ihn heran zukommen. Sie bildeten einen Kreis um ihn, den er mit einigen Ausfallschritten sprengte. Waffen wurden gezückt und blind in die Menge abgefeuert. Sie trafen ihn, zerfetzten sein Ohr, doch dann glitt er zur Seite und schnitt Arme ab. Die Gewehrsalven verstummten und eine dröhnende Stille in Alecs Ohren machten ihm einen Moment zu schaffen, bevor er ein Schnippen vernahm und geistesgegenwärtig zu Boden glitt, sich abrollte und zusah, wie ein Flammenwerfer seine Angreifer traf.

Ihre Kleidung ging in Flammen auf, während sich das Feuer durch ihre Haare ausbreitete und ihre Gesichter schmolz. Er fühlte sich unbesiegbar und das war er auch. Jeden Angriff durchschaute er sofort und wehrte sie mühelos ab. Sein Schwert glänzte vor Blut, als er einen weiteren Oberkörper zerteilte und ihn mit dem Fuß gegen den Unterleib trat. Er fiel zu Boden und Alec erhaschte für einen Moment einen weiteren Blick auf das Haus. Die Sprinkleranlagen waren angegangen und löschten zischend das Feuer. Doch das spielte keine Rolle; das Haus würde abgerissen werden, wenn alles vorbei war. Vampire und Menschen rannten kopflos ins Innere und kamen Sekunden später rückwärts taumelnd wieder heraus. Miranda hatte es geschafft und das fließende Wasser in fleischfressende Säure verwandelt. Picasso hätte dieses surreale Schmelzen ihrer Kopfhaut und ihrer Augenhöhlen nicht kunstvoller gestalten können. Es war wunderschön.

Effizient führte Alec sein Schwert, als ihm der Blick versperrt wurde und betrachtete das Chaos erneut. Die Hexen hatten sich in kleineren Gruppen vor dem Haus versammelt; Rücken an Rücken. Ihre Gesichter leuchteten vor Macht, während sie ihre Kräfte losließen und die Armeen zurückdrängten. Feuer und Wasser verschlang ganze Reihen, während andere einfach umkippten und von der Erde verschlungen wurden. Ganze Gruppen flogen durch die Luft und schmetterten zurück auf den Boden. Die Sonne würde in einigen Stunden den Rest besorgen. Einige Menschen und Vampire wechselten zeitweilig die Seiten, als die Opacus, die Schattendämonen ihre Körper besetzten. Mütter gegen Kinder; Vampire gegen Vampire. Ein Chaos. Wundervoll.

Alecs Kräfte ließen nicht nach, sondern wurden mit jedem Hieb kraftvoller. Die Klinge huschte durch die Luft, traf auf Leiber und tauchte blutspritzend aus ihnen wieder auf. Er sah kaum hin, sondern ließ sich von seinem Instinkt treiben, schlitzte hinter sich den Unterbauch eines weiteren Mannes auf und sah zu, wie seine Gedärme hervorquollen. Er würde die ganze Nacht weitermachen. Er hatte schon wochenlang gekämpft. Müdigkeit kannte er in diesen Momenten nicht, nur fließende Kraft, die durch seine Gliedmaßen strömte und ihn in präzisen Stahl verwandelte. Der Morgen war noch weit entfernt, doch dann würden die Werwölfe kommen. Vibrierend schoss Aufregung und Vorfreude durch seinen Körper und ließ ihn vor Glück fast taumeln, so gut fühlte er sich. Massakrierend flossen seine Schritte über den Boden, der matschig vom strömenden Blut war. Trotzdem wurden seine Füße nicht behindert; der Boden schien ihm sogar die nötige Sprungkraft zu geben, als er sich erhob, seinen Dolch warf und nur einen Moment später neben der Leiche stand und das Metall aus seinem Körper riss. Fleischfetzen legten sich auf seine Finger und mischten sich mit seinem Blut. Hunderte kleine und größere Wunden zierten seinen Körper, doch der Schmerz drang nicht bis zu ihm vor, als er zwei Flüchtende verfolgte und sie von hinten erstach. Als er herumfuhr, drang eine Klinge knapp neben seinem Beckenknochen in sein Fleisch und riss es auf, doch die Wunde behinderte nicht, sondern beflügelte. Er streckte die Hand aus und spießte einen Schädel auf den Stahl, bevor er sie zurückriss und hochsprang. Im Sprung köpfte er, segelte über die Massen hinweg und landete leichtfüßig auf dem Boden.

Doch die Bewegung fand nicht die nötige Anerkennung. Im Augenwinkel sah er nur Lukan, der zwar mit geübten Bewegungen kämpfte, doch noch lange nicht die Perfektion von Alec erreichte. Er ließ seinen Angreifern zu viel Platz und zu viel Zeit zum Denken. Doch er schlug sich hervorragend und würde überleben, dessen war sich Alec erstmals sicher. Für einen Moment dachte er an Jean Antoine, der nach der Feuerexplosion im Salon einige Augenblicke an seiner Seite gekämpft hatte, bevor er plötzlich in den Massen unterging und verschwand. Doch dann ergriff sein uraltes, grausames Wesen wieder Besitz von seinem Verstand und löschte alles aus, bis auf den Wunsch nach mehr Brutalität. Gesichter fuhren herum, kamen blitzartig näher und veränderten sich nur einen Augenblick später, bevor sie im Matsch landeten. Er könnte sagen, dass er Schuld empfand, doch dies hier war kein Augenblick, über den man nachdachte und selektierte, wen man umbrachte. Man tötete, um nicht selbst getötet zu werden. Und Alec hatte zu viel Kriegerblut in sich, um das Massaker mit seinem instinktgeprägten, uralten Wesen nicht zu genießen.

Hier war er König über Leben und Tod. Grausam und Ohne Reue. Sein Kopf füllte sich mit Hirnströmen, die er anzapfte und zerschnitt. Sie wichen zurück, nur um von einer weiteren Reihe Menschen und Dämonen ersetzt zu werden. Hoffnungslosigkeit, Angst und Abscheu zeichnete sich in ihren Augen ab, doch ihre Hände führten trotzdem die Waffen. Deshalb tötete Alec. Der Blutrausch ließ seine schwarze Seele singen und nach mehr Blut und Tod gieren. Dies war ebenso Teil von ihm, wie die Sorge um Grace, die unter den brennenden Ruinen in Sicherheit war.

*

Fassungslos stand Damon am Ende der Straße und kämpfte gegen die Panik an. Ohne es verhindern zu können, rannten ganze Massen an Vampiren und Menschen dicht an ihm vorbei und verschwanden in der Dunkelheit. Vor ihm breitete sich das Bild eines Albtraums aus.

Wie viele Menschen hatte er auf diesen Platz geschickt? Fünfhundert? Tausend? Es schien keine Rolle zu spielen, wie viele Menschen er schickte und wie oft Morgana die Flüchtenden zurück auf das Schlachtfeld führte. Ihr dunkles Haar peitschte durch die Luft, während sie versuchte den Strom an Flüchtenden zu unterbrechen. Sie berührte sie, doch irgendetwas schien ihre Fähigkeiten zu blockieren. Die Menschen rannten einfach weiter. Und selbst die, die Morgana erfolgreich beeinflusste, landeten nur Augenblicke auf den wachsenden Haufen Kadavern.

Alec war allein. Nur ein weiterer Vampir und eine große Gruppe an Hexen war an seiner Seite. Das war keine Gegenmacht; das war ein Witz. Trotzdem lichteten sich die Reihen seiner Gefolgsleute sichtbar. Damons Magen zog sich angstvoll zusammen. Diese Armee hatte zumindest einen Angriff von hundert Arkaios aufhalten sollen. Wie hatte er die Macht seiner Gegner nur so unterschätzen können? Ja, der Angriff war schnell und gezielt gewesen und im ganzen Land befanden sich noch hunderte Anhänger von Damon, aber dies... war unmöglich. Unmöglich zu gewinnen!

Er brauchte Zeit zur Flucht. Sehr viel Zeit zur Flucht, sonst würde Alec ihn sofort aufspüren und umbringen. Wie hatte er das nicht in seine Pläne einbeziehen können? Zwischen seinen Fingern zerrann die Zeit, während er machtlos mit ansehen musste, wie sein Gegenschlag mit grausamer Präzision ad absurdum geführt wurde. War das alles? Sein großer Plan von der Eroberung? Dies? Er konnte nicht fassen, wie machtvoll und stark Alec war. Er hatte es für eine lange Reihe geschickter Schachzüge gehalten, dass selbst die Wahren Familien Alec so sehr fürchteten.

Er hatte geglaubt, dass er vielleicht einmal ein großer Krieger und Kämpfer gewesen war, doch dass seine Fähigkeiten mit der Zeit gelitten hatten. Deshalb hatte er sich aus dem Geschehen der Welt zurückgezogen. Doch jetzt begriff er das Ausmaß seiner Dummheit. Als er Alec überwältigt und sichergestellt hatte, dass er nicht entkam, hatte er sich unbesiegbar gefühlt. Dass Alec entkommen war, hatte ihn nicht mit Angst erfüllt. Es war nur eine kleine Planänderung nötig gewesen. Wie lächerlich er sich jetzt vorkam.

Seine eigene Macht; sein großer Wunsch, die Herrschaft zu erlangen. All dies kam ihm nun wie der Traum eines sterbenskranken Kindes vor, das zum Mond reisen wollte. Hatte er sich wirklich so überschätzt?

Hinter ihm scharrten die Werwölfe unruhig. Es hatte diesen Tieren nicht gefallen, dass Damon nach der ersten Angriffswelle ihren Alphawolf geschickt hatte, um Grace zu holen. Schon da hatte Damon erstmals die Ahnung bekommen, dass diese Schlacht nicht so ausgehen würde, wie er es gewollt hatte. Das Haus brannte und nirgendwo war das blonde Mädchen mit diesen erstaunlichen Augen zu sehen. Deshalb hatte Damon Sam geschickt, um sie aus der brennenden Ruine zu holen.

Alec schien es nicht zu kümmern, dass seine Geliebte in Gefahr war. Ein Grund mehr, dass Grace bei ihm besser aufgehoben war. In vielerlei Hinsicht. Sie gehörte in seine Arme. Sie sollte sich an ihn schmiegen und leise seinen Namen seufzen. Und das würde sie erkennen, sobald Sam sie aus den Klauen von diesem Wahnsinnigen befreite, der innerhalb von Sekunden seine Armeen dezimierte. Doch Sam ließ sich Zeit. Schon seit einer Stunde war er irgendwo zwischen diesen Massen verschwunden. Vielleicht war er wie so viele andere einfach von Alecs Schwert zerteilt worden. Mittlerweile wollte Damon nicht einmal mehr das ausschließen. Er konnte auch gar nichts mehr ausschließen. Unruhe mischte sich mit Angst. Er könnte jetzt fliehen, doch nicht ohne dieses Mädchen. Sie gehörte an seine Seite und er würde nicht zulassen, dass Alecs Hände sie weiterhin beschmutzten. Nein, sie war sein Eigentum, sie gehörte allein zu ihm.

Mit neuer Entschlossenheit wandte er sich an die verbleibenden Vampire und Werwölfe. Wenn sie gemeinsam angriffen, würde das für genug Ablenkung sorgen, dass Damon Sam folgen konnte, um Grace aufzuspüren, sie dort herauszuholen und dann zu flüchten. Es war ein gefährliches Unterfangen, doch mittlerweile war Damon bereit einfach jedes Risiko einzugehen. Wer garantierte ihm schon, dass er überleben würde, wenn er jetzt ohne Grace einfach verschwand?

„Wir greifen an." Seine Stimme klang erstaunlich fest, auch wenn sich innerlich alles in ihm zusammenzog. Wo war nur sein Selbstvertrauen? Er war verwöhnt vom Erfolg gewesen. Die Menschen waren keine starken Widersacher gewesen und die Vampire unterwarfen sich aus Angst, weil er älter als sie war. Doch nun hatte er sich einen Feind gesucht, der ihm nicht nur ebenbürtig, sondern fast einer anderen Rasse angehörte.

Dieser Schlag kollidierte mit seinem Stolz und riss ihn in Stücke. Er war sich so sicher gewesen. So überzeugt. Er hatte sich nicht einmal eine Nacht gelassen, um seine Truppen aufzustocken. Blind vor Arroganz war er von seinem Sieg ausgegangen. Doch diesen Fehler würde er nicht mit dem Tod bezahlen. Dazu war er nicht bereit. Er hatte es jahrhunderte lang geschafft unter dem Radar der Wahren Familien zu leben und sein Imperium aufzubauen. Das würde ihm auch ein weiteres Mal gelingen.

Mit mehr Zuversicht, dass alles gut werden würde, drehte er sich zum Haus um und machte seinen ersten Schritt. Hinein in das Chaos, während ihm die Vampire und Werwölfe folgten. Er warf nur einen kurzen Blick zurück. Ein unsicheres Zeichen, wie ihm im selben Moment auffiel. Doch er konnte sich einfach nicht mehr sicher sein, dass sie ihm auch folgten. Halb erwartete er, dass sich die Vampire tatsächlich umwandten und flüchteten. Doch als sie geschlossen vormarschierten, löste sich eine innerliche Verkrampfung. Nur Hyrie zögerte einige Momente, bevor auch sie die Schultern straffte und vortrat.

Ein Lächeln legte sich plötzlich auf Damons Lippen. Vielleicht zählte schlussendlich doch einfach nur Glück bei diesem Kampf. Denn seine besten Karten hatte Damon noch nicht ausgespielt.

*

Sam verzog gepeinigt das Gesicht. Er hatte gespürt, dass die Haut von Grace mit einem Schutzzauber versehen war, doch sie war so weggetreten gewesen, dass Sam gehofft hatte, er käme ungeschoren davon. Doch dem war nicht so. Der Zauber vernebelte seinen Verstand und zeigte darin seine Kraft. Einen normalen Menschen hätte die Wucht sofort zerplatzen lassen und einen Vampir hätte es zumindest durch den Raum geschleudert.

Ein Werwolf trug allerdings so viel Magie in sich, dass er die meisten Zauber einfach absorbierte. Diese Art von Bann setzte sich aber bei ihm fest und manifestierte sich in seiner Hand, die ihm beim Zuschauen abfaulte. Unter grausamen Schmerzen sah Sam mit tränendem, verschleiertem Blick zu, wie sich die ersten Finger vom Gelenk lösten und abfielen. Gott, das würde verdammt beschissen schmerzen, wenn sie nachwuchsen. Sein Kiefer knackte, als er die Zähne zusammenbiss und näher an das erneut ohnmächtige Mädchen rückte. Er hatte sie kaum getroffen. Ein Teil ihrer Bauchdecke hatte sich zwar gelöst und hing an ihrer Seite, doch ihr Blutverlust war nicht groß. Sie würde wieder zusammengeflickt werden können, wie Damon von ihm verlangt hatte. Doch das bedeutete nicht, dass Sam nicht mit dem Gedanken spielte, ihr Leiden einfach jetzt zu beenden. Wenn sie Damon in die Finger fiel, würde sie früher oder später auf eine viel grauenvollere Weise sterben, als wenn sie jetzt, während sie nichts mitbekam, einfach verstarb. Er wäre fast human, wenn er sie umbrachte. Sie würde nicht weiterleiden. Doch irgendetwas hielt ihn davon ab, den letzten Schritt zu tun. Sein Kopf dröhnte und Blut rauschte in seinen Ohren, während sich das Fleisch an seinem Unterarm in Rekordgeschwindigkeit zersetzte. Er konnte nur hoffen, dass sein magisches Inneres den Prozess aufhielt, bevor es zu spät war.

Seine Gedanken zerstoben plötzlich und sammelten sich wieder, als die ersten Rückkopplungen der Magie in seinem Inneren gegeneinander kämpften. Sein Verstand versuchte klare Gedanken zu fassen, doch irgendwie verflüchtigte er sich wieder. Was hatte er gerade noch vorgehabt? Sie verschonen oder umzubringen? Blut floss unaufhaltsam aus der offenen Wunde an ihrem Bauch und färbte die bläulichen Gedärme. Aus einem Impuls heraus ließ Sam die Bauchdecke zuklappen und betrachtete sie. Er hatte sie umbringen wollen. Aber... Aus Wut? Nein. Er kannte sie kaum. Damon hatte Interesse an ihr. Oder nicht?

Er fühlte etwas Warmes aus seinen Ohren fließen und fasste mit seiner gesunden Hand danach. Unter seinen Fingern klebte augenblicklich etwas Blut. Sein Hirn litt unter dem Bann und zersetzte sich langsam. Er musste schnell seine Entscheidung treffen. Aber worüber? Welche Entscheidung wollte er noch einmal treffen?

Plötzlich ließ das Rauschen nach und ein Ziehen in seiner Schulter sagte Sam, dass sich sein Körper reparierte. Sofort fühlte er auch, wie sich der Schleier über seinem Verstand löste, als der Bann geknackt wurde. Stöhnend biss er sich auf die Lippen. Das verfaulende Fleisch wurde von seinem Armstumpf abgestoßen und landete platschend neben dem blonden Mädchen auf dem Boden. Blinzelnd sah er sie an. Ihre Hände lagen nicht mehr auf ihrem Bauch, sondern waren kraftlos zur Seite geglitten.

Die Haut, die ihre inneren Organe geschützt hatte, hing schief auf der Wunde und verbarg das Ausmaß der Verletzung. Vorsichtig zog Sam mit den Fingerspitzen die Hautfalte ganz auf die Öffnung und wartete darauf, dass sie begann zu heilen. So, wie er es von seinem Vater, den anderen Werwölfen und den Vampiren kannte. Im selben Moment wurde ihm kalt. Scheiße. Sie war ein Mensch! Sie würde nicht heilen! Er atmete tief durch und versuchte sich zu beruhigen. Okay, damit wäre wohl die Frage erledigt, ob er sie umbringen sollte. Das hatte er längst. Ein seltsam hohles Gefühl setzte sich in seiner Magengrube fest, als habe er etwas schrecklich Falsches getan. Etwas Unverzeihliches. Und dieses Gefühl wollte nicht weichen, auch als er sich vor Augen führte, dass sie nur ein weiterer Mensch in einer langen Reihe war, die Sam getötet hatte. Lag es an seinem Versprechen an Damon, dass er ihm das Mädchen besorgen würde? War das eine Art schlechtes Gewissen, weil er ihn hintergangen hatte?

Irgendwo in der Tiefe seines Verstandes nagte aber etwas ganz anderes und wartete darauf, dass er sich vorwagte. Es war der Teil seiner Erinnerungen, die Sam nicht mehr anrührte, seit sein Vater ihm die Liebe seines Lebens genommen hatte. Dort konnte er nicht mehr hin. Zu diesen Erinnerungen. Sie waren so rein und voller Liebe. Sie fraßen ihn auf und gleichzeitig gaben sie ihm das Gefühl, dass er alles beschmutzte, was er mit seinem Geliebten erlebt hatte. Diese Erinnerungen hütete er nicht nur vor anderen, sondern vor allem vor sich selbst. Doch jetzt arbeiteten diese Erinnerungen gegen ihre Mauern an und verlangten erhört zu werden. Als ob sie jemand gerufen hätte. Als ob jemand...

„Sam", hatte sie stockend gesagt. „Yáhuántano... er... lebt.

Sam erstarrte, als diesmal diese Worte in seinem unvernebelten Verstand eindrangen. Nein, nein. Das war unmöglich. Er hatte gesehen, gesehen wie sein Vater den Griff um seine Kehle verstärkte und so lange zudrückte, bis sein Körper erschaffte und seine Schließmuskeln die Funktion einstellten. Er hatte gesehen, wie das Licht in den wunderschönen, rötlichen Augen seines Geliebten verlöschte, während er Sam ansah. Sein Vater hatte seine Leiche versteckt und niemand aus dem Rudel hatte jemals wieder ein Wort über dessen Verbleiben verloren. Sam hatte angenommen, dass sie seinen Leichnam geschändet und danach verbrannt hatten, während er ziellos den Kontinent durchstreifte und sich schließlich in den Wäldern Nordamerikas vergrub, um seine Seele mit einem Grund zum Leben zu füllen: Hass. Und der Wunsch nach Rache.