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Neglect Ch. 02

Geschichte Info
Gefühle wachsen mit der Distanz...
15.2k Wörter
53.1k
8

Teil 2 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 09/10/2022
Erstellt 04/26/2011
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WELCOME TO MALIBU, BIATCH!

okay, houston und malibu mag es zwar tatsächlich geben, aber die meisten orte (wohnungen, bars, discotheken, restaurants, etc.) in dieser geschichte entspringen meinen fantasiewelten. es gibt diverse rückblenden, die hoffentlich nicht allzu arg verwirrend sind. &bitte entschuldigt diese ewiglange wartezeit x_X

ich wünsch euch viel spaß beim lesen!

AMEN, SHE PRAYED.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

NEGLECT part 2.

Always toward absent lovers love's tide stronger flows

- Sextus Propertius, lateinischer Dichter der Augusteischen Liebeselegie

* * *

Das Leben hatte manchmal eine etwas seltsame Art von Humor.

Seufzend lehnte Zane die Stirn in seine Handflächen.

Der texanische Spätsommer hatte augenscheinlich beschlossen, einer der Heißesten der amerikanischen Geschichte zu werden. Aber damit konnte Zane leben. Irgendwie. Die Hitze, die sich tagsüber in den Straßen staute und nicht einmal nachts merklich herunterkühlte, bewegte sich gerade noch so im Rahmen des Erträglichen.

Aber das war fast nebensächlich: Irgendwer -- und Zane verfluchte den Verantwortlichen dafür bis aufs Äußerste -- schien es lustig gefunden zu haben, ihn einer unscheinbaren, wenn auch nicht ganz irrelevanten Fehlannahme erliegen zu lassen.

Und zwar eine, die seinen neuen Mitbewohner in seiner kleinen Wohnung im verschlafenen Bezirk Afton Oaks betraf, einem hübschen, wenn auch etwas verschlafenen Vorort von Houston.

Afton Oaks galt als die Wohngegend für Erwachsene, die nie aufgehört hatten, Studenten zu sein. Für Zanes Geschmack war die Gegend nach wie vor viel zu vornehm, aber immerhin weniger prunkvoll als sein ehemaliges Zuhause in Malibu, Los Angeles County, Kalifornien.

Der düstere Charme der endlosen Bars und Restaurants in den Straßen der kleinen Stadt gefiel Zane, und die lockere Einstellung der Menschen, die hier lebten, verwunderte und faszinierte ihn gleichermaßen.

Er selbst nannte ein helles, wenn auch wenig geräumiges Zimmer in einer kleinen Zwei-Personen-Wohngemeinschaft sein neues Zuhause: Zwei vollgestopfte Räume, eine etwas gammelige Küche im Siebzigerjahre-Chic und ein fensterloses Badezimmer mit Dusch-Badewanne teilten Zane und Jules sich seit nunmehr knapp einer Woche. Ihre gemütliche Unterkunft befand sich am Rand der Stadt etwas abseits von öffentlichen Straßenverkehrsmitteln gelegen, im fünften Stock eines leicht heruntergekommenen Mehrfamilienhauses.

Es war genau das, was Zane gewollt hatte: Schlicht, ein bisschen schäbig, aber erträglich. Sehr erträglich, wie er zufrieden festgestellt hatte, kaum dass er sein Zimmer zum ersten Mal näher in Augenschein genommen hatte. Es war ein kompletter Kontrast zum prunkvollen Caploe-Anwesen am Rande Malibus in Strandnähe, umgeben von weitläufiger Landschaft, gesäumt mit den paradisischsten Gärten von ganz Los Angeles County und einer Auffahrt samt schmiedeeisernem Tor, wie sie ein Märchenschloss nicht zauberhafter besitzen könnte.

Das Caploe-Anwesen war ein goldener Käfig. Nein, Korrektur: Es war sein goldener Käfig gewesen. Das hatte er hinter sich gelassen.

Er hatte es kaum erwarten können, endlich fortzugehen. Und nun lebte er 1.563 Meilen von Malibu entfernt, und er hatte an sich auch jeden erdenklichen Grund, hier glücklich zu sein.

Seine Eltern würden hier ganz bestimmt nicht aufkreuzen. Nicht, dass sie sich jemals groß dafür interessiert hätten, was ihr aus der Art geschlagener Sohn so alles tat und ließ... Sie waren ohnehin viel zu sehr damit beschäftigt, ihre Ehe zu ruinieren. Seine Mutter mit ihrer Karriere, sein Vater mit seinen Affären. Ava und James Caploe hatten sich nie an seinem Leben beteiligt, und vielleicht war das auch ganz gut so.

Aber was noch viel wichtiger war: Auch seine wenige Minuten jüngere Zwillingsschwester Alexa würde nicht wagen, ihn hier heimzusuchen.

Alexa Caploe war sein Gegenpol. Ein extremer Kontrast zu allem, was ihren Bruder Zane Caploe ausmachte. Sie verkörperte alle Charakterzüge der typische Malibu-Barbie: Shoppingsüchtig, materialistisch und gesegnet/verflucht mit einer Schwäche für Mommys Kreditkarten und Daddys schicken Sportflitzer. Eigentlich hinreichend Gründe für Zane, seine Schwester zu meiden.

Doch jedes Mal, wenn ihre Welten kollidierten, dann erschütterte ein tiefes, gut geschürtes Verlangen ihn bis in seine Seele. Es hatte ihn Überwindung gekostet, sich einzugestehen, was es damit auf sich hatte: Er begehrte sie, seine eigene Zwillingsschwester.

Zane wusste, dass es das Vernünftigste war, seine Schwester zu meiden. Die Gefühle, die sie in ihm wachrief, waren nicht normal. Aber seine Begierde nach ihr war stärker als er, und eines sommerlichen Frühmorgens im Juni hatte er die Kontrolle über sich verloren und seine Schwester verführt.

Es war ein Fehler gewesen, das wusste Zane. Ein unverzeihlicher Fehler. Er hatte eine Grenze überschritten, die er niemals auch nur hätte berühren dürfen. Also hatte er die logischen Konsequenzen gezogen und war fortgegangen. Nicht, dass er das nicht ohnehin geplant hatte...

Und dennoch konnte Zane nicht aufhören, permanent an seine Schwester zu denken... Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann fehlte sie ihm. Sie fehlte ihm schrecklich.

Es hatte ihm damals nächtelang den Schlaf geraubt, dass sie nur eine Wand weiter auf ihrer weichen Federkernmatratze in ihre hauchdünnen Decken gekuschelt lag, halbnackt, dieser verzückt-zufriedene Ausdruck in ihrem engelsgleichen Gesicht mit der etwas zu stupsig geratenen Nase und den lustigen Sommersprossen.

Er begehrte sie. Er wollte sie. So sehr, dass es anfing, ihn psychisch zu quälen.

Wie oft hatte er von ihr fantasiert, es sich in seinen verwegensten Träumen erlaubt, sie auf ihrem Bett niederzulegen und ihr ganz langsam jedes Stück an Kleidung auszuziehen, das sich an ihren Leib schmiegte?

Wie oft hatte er Alexas Freund zum Mond gewünscht, weil dieser tumbe Hohlkopf von Mann sich einfach nehmen durfte, was Zane so sehr wollte?

Wie oft hatte ihn der Gedanke gequält, dass sie mit einem Anderen schlief, während er sie so sehr nach ihr verzehrte? Wie oft hatte er deswegen schlaflos auf seinem Bett gelegen und die Wand angestarrt, während sich Alexa eine Wand weiter in die Arme eines Anderen schmiegte?

Ihretwegen hatte Zane den Sommer fernab von Malibu bei seiner Tante Maddison in La Grange in Fayette County verbracht, knapp hundert Meilen von seinem neuen Zuhause in Houston entfernt. Er hatte Abstand von Alexa gebraucht. So viel wie irgend möglich. So schnell wie nur möglich.

Also hatte er nicht lange über das Angebot nachgedacht, als Maddison ihn irgendwann Ende Juni fast beiläufig am Telefon gefragt hatte, ob er vielleicht Lust hätte, ihr den Sommer über Gesellschaft zu leisten.

Maddison Strokesberry, die jüngere Schwester von Zanes und Alexas Mutter, lebte allein auf einer kleinen, gemütlichen Farm etwas außerhalb der knapp fünftausend Einwohner zählenden Stadt La Grange, backte den besten Apfelkuchen ganz Amerikas und hatte ihren Neffen gelehrt, wie man Schafe scherte, Hühner fütterte und auf Pferderücken ritt.

Das Leben auf ihrer Farm war anstrengend gewesen, aber gleichzeitig hatte Zane sich so frei wie selten zuvor gefühlt. Die harte Arbeit machte ihm nichts aus, und während er den Pferdestall ausmistete, Sättel fettete, abgenutzte Zaumzeuge ausbesserte und Koppelzäune reparierte, hatte er selten Gelegenheit, an seine Zwillingsschwester zu denken. Und an das, was sie getan hatten.

Zwei wunderbar nach Abenteuer schmeckende Monate hatte Zane bei Maddison verlebt.

Er hatte gelernt, mit dem Sonnenaufgang aufzustehen, war abends mit bleischweren Gliedern todmüde ins Bett gefallen und hatte nie groß darüber nachgedacht, mit welch schläfriger Zufriedenheit es ihn erfüllte, nach getaner Arbeit jeden einzelnen Muskel im Körper spüren zu können.

Zane Caploe hatte in diesen zwei Sommermonaten in La Grange gelernt, das einfache Farmleben zu lieben und jeden Tag so zu nehmen, wie er kam.

Maddison war es auch, der er seine Studentenunterkunft verdankte. Sie hatte ihm großzügig angeboten, ihm bei seiner Suche nach einer kleinen Wohnung samt Mitbewohner etwas außerhalb Houstons zu helfen, und an einem sonnigen Morgen auf ihrer Farm hatte sie Zane die Morning Post in die Hand gedrückt und mit einem Lächeln auf eine rot umkreiste Anzeige gedeutet: Mitbewohner gesucht für eine Zwei-Personen-WG in freundlicher Lage in Universitätsnähe am Rande von Afton Oaks, Houston, TX 77027.

Zanes Mitbewohner Julian „Jules" Silverman stammte aus Lake Village, Arkansas, und war Biologiestudent im ersten Semester. Zane hatte per Mail mit ihm Kontakt aufgenommen, sie hatten Messenger-Nummern ausgetauscht und innerhalb weniger Tage ein freundschaftliches Verhältnis zueinander aufgebaut. Es war schnell klar gewesen, dass Zane das Zimmer in Jules' Wohngemeinschaft sicher hatte.

Und dann hatte Zane seinem Mitbewohner schließlich gegenübergestanden, an einem heißen Tag Mitte August. Verschwitzt von der langen Fahrt von Malibu nach Houston, wo er das Wochenende damit verbracht hatte, den Rest seiner Sachen zu packen. Etwas gestresst vom Umzugsservice, den Maddison organisiert hatte. Und bepackt mit seinem Rucksack und einer Kiste voller Bücher, die er zehn Treppen mit viel zu vielen Stufen hochgeschleppt hatte.

Zane wusste, dass er alles andere als den perfekten ersten Eindruck geboten hatte, aber das war im Moment ihrer ersten Begegnung fast nebensächlich.

Julian hatte mit locker verschränkten Armen im Türrahmen gelehnt und ihn scheinbar schon erwartet. Er war süße zwanzig Jahre jung und gesegnet mit einem sonnigen Temperament, das ganz perfekt passte zu sonnengebräunter Haut, knappen Klamotten... und langen, blonden Haaren.

Julian war nämlich eine Julie-Ann.

Und zu Zanes Leidwesen war Julie-Ann auch noch verdammt sexy.

Sie hatte ihn mit belustigtem Lächeln im Gesicht angesehen und ihn gefragt, ob sie ihm irgendetwas abnehmen könne. Grün funkelnde Augen hatten ihn dabei knapp von oben bis unten gemustert. An seinem sonnengebräunten Nacken hatte Julie-Anns Blick sich für wenige Sekunden verfangen, dann hatte sie sich jedoch wieder gefangen und ihm ins Gesicht gelächelt.

Überrumpelt von ihrem Erscheinungsbild und unfähig zu irgendeinem Wort, hatte Zane nur stumm genickt und ihr seinen Rucksack überlassen, ehe er fluchtartig wieder nach unten gestürmt war, um beim Entladen des Umzugswagens zu helfen. Und um Jules nicht noch eine Sekunde länger anzustarren und dabei an all die Dinge zu denken, die er ihr in nächtelangen Gesprächen via Messenger anvertraut hatte... in der felsenfesten Überzeugung, sie wäre ein Mann...

Das hatte er sich anders vorgestellt. Ganz anders.

Er hatte eine Männer-WG gewollt, und eventuell, gestand er sich widerwillig ein, hatte er sogar gehofft, in seinem Mitbewohner einen guten Freund zu finden. Einen Kumpel. Einen Mitverschwörer für abenteuerliche Wochenendpläne, spontane Ausflüge in die Natur oder nächtelanges, einvernehmliches Schweigen vorm Fernseher, wenn irgendwelche guten Filme liefen.

Er war erschüttert gewesen. In gutem Maße eventuell sogar entsetzt darüber, dass Jules sich als junge Frau entpuppt hatte. Aber vor allem hatte es ihn aufgewühlt, mit welch selbstverständlicher Hingabe er ihr verfallen war. Ein Blick in ihre amüsiert funkelnden Augen hatte vollkommen ausgereicht, um sich ihn zu eigen zu machen. Und das Erschreckendste war, dass Jules sich vermutlich nicht einmal bewusst war, welch vernichtende Wirkung sie auf Zane ausübte.

Zane liebte ihren hinreißenden Südstaaten-Akzent. Und die kleinen Fältchen unter ihren Augen und um ihre Lippen, wenn sie lachte. Ihre Art, sich mit den gespreizten Fingern ihrer linken Hand durch ihre weichen, hellen Haare zu fahren, wenn sie vor der Kaffeemaschine in der Küche stand und gedankenverloren in ihre Tasse starrte. Oder ihre ungespielte Begeisterung für alles, was Zanes doch noch recht stümperhaften Kochversuche hervorbrachten.

„Ich mag experimentelle Küche", hatte sie gleich am ersten Abend angemerkt, als Zane sich erboten hatte, das Abendessen zu übernehmen.

Dann wirst du vermutlich noch eine Menge Freude an mir und meinen nicht vorhandenen Kochkünsten haben, hatte Zane gedacht und war ihrem Blick eilig ausgewichen.

Das erste gemeinsame Wochenende in ihrer kleinen WG lag nun beinahe hinter ihnen.

An diesem verschlafenen Sonntagmorgen Ende August hockte Zane am Küchentisch, rührte gedankenverloren in seinem Kaffee herum und versuchte vergeblich, nicht an den nächsten Tag zu denken. Er gab es nur ungern zu, aber ihm graute vor seinem ersten Tag an der Rice University.

„Und? Schon aufgeregt?" Jules hockte sich ihm gegenüber, winkelte ihre Knie an und schlang die Arme um ihre nackten Beine.

Ihre blonden Haare waren noch vom Schlafen verwuselt, ihr langes Oversized-Shirt hing ihr von einer Schulter herunter und gewährte Zane einen dezenten, netten Einblick auf das, was sich unter dem dünnen Stoff verbarg.

Eilig wandte Zane den Blick ab. Er stand umständlich auf, fuhr sich mit der rechten Hand durch die dunkelblonden Haare und richtete den Blick auf etwas weniger Verfängliches als Jules' sanften Rundungen, die sich nur allzu deutlich gegen ihr Schlafshirt abzeichneten.

Trotz der allmählich erwachenden Sommerhitze, die sich schon in wenigen Stunden wieder zwischen den Häuserblocks stauen würde, war es noch angenehm kühl in der kleinen Küche. Das war einer der Gründe, weswegen es Zane hierher gezogen hatte. Die Küche war einer seiner Lieblingsplätze. Er hatte ohnehin nicht mehr schlafen können -- und er hatte es nicht über sich gebracht, um halb sieben an einem Sonntagmorgen unter die Dusche zu springen und Jules damit aus dem Schlaf zu reißen, nur weil es ihn nach Abkühlung verlangt hatte.

„Heute Abend spielt die Hobbyband von einem meiner Cousins in so einem neueröffneten Club ein paar Straßen weiter", merkte Jules an, während ihre Finger unsichtbare Kreis auf die glatte Oberfläche vom Tisch malten. „Hättest du eventuell Lust, ähm", sie stockte kurz, gab sich dann einen Ruck und lächelte zu Zane herauf, „mich zu begleiten?"

In ihrem Blick lag etwas Bittendes, das es Zane wirklich schwer machte, einfach „nein" zu sagen.

„Weißt du", fing er unbehaglich an, „eigentlich stehe ich nicht so auf Parties..."

Jules nahm die Unterlippe zwischen die Zähne und warf ihm dabei einen treuherzigen Blick zu. „Ach, bitte, Zane. Ich hab fest zugesagt, aber meine beste Freundin hat heute Abend spontan doch was anderes vor" - für einen Moment flackerte Jules' Blick, doch dann hatte sie sich wieder gefangen - „und ich würde ungern allein hingehen. Ich kenn mich schließlich kein Stück in der Gegend aus, und wenn ich verloren gehe..."

Zane schnaubte. „Das ist miese Erpressung, weißt du das?"

„Nein", blinzelte Jules ihm unschuldig zu, „das ist reine Taktik, um dich aus deinem Schneckenhaus zu locken. Nun sag endlich ja!"

Zane wich ihrem Blick unbehaglich aus. Ohne festen Entschluss schob er seinen Stuhl zurück und erhob sich, die Kaffeetasse fest in beiden Händen.

Jules' Blick folgte jeder seiner Bewegungen. Sie erwartete eine Antwort von ihm. Zane spürte, wie seine Kehle eng wurde. Es gab kaum etwas, das ihm mehr widerstrebte als große Menschenmassen eingepfercht auf engem Raum mit wenigen Quadratmetern. Er hatte nie verstanden, was seine Mitmenschen so berauschend an abgestandener, klebriger Luft, nassgeschwitzten Körpern und dröhnender Musik mit zu viel Bass und zu wenig harmonischen Melodien fanden -- aber auf der anderen Seite war es vielleicht eine Gelegenheit, die sich ihm nicht so schnell wieder bieten würde, um seine Mitbewohnerin mal von einer anderen Seiten zu erleben.

Eine Weile lang focht er den inneren Zwiespalt mit sich selbst aus, dann überwog der Part von ihm, der Jules unbedient näher kennen lernen wollte.

Also gab Zane sich mit tiefem Seufzen geschlagen. „Okay, meinetwegen."

Jules stieß ein schlecht unterdrücktes Jauchzen aus, sprang von ihrem Stuhl auf und drückte Zane einmal kurz an sich. Für wenige Herzschläge spürte Zane den Druck ihrer festen Brüste an seinem Oberkörper, und er schnappte unwillkürlich nach Luft. Im selben Moment löste Jules sich bereits wieder von ihm, lächelte ihn strahlend an und fragte im Geschäftston: „Magst du als Gegenzug dann eventuell Pancakes mit Syrup zum Frühstück?"

Über Zanes Lippen stahl sich ein ertapptes Grinsen.

Dazu konnte er einfach nicht „nein" sagen.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Gedankenversunken lehnte Zane am geöffneten Fenster und starrte nach draußen in die hereinbrechende Nacht.

Der junge Abend hatte Regen mit sich gebracht, und der Regen die langersehnte Abkühlung. Zane hatte sein Gesicht dem grauen Himmel entgegengestreckt und die lauen Tropfen seine Haut benetzen lassen. Es hatte sich gut angefühlt.

Vor ein paar Stunden war der Regen weitergezogen, aber er hatte die drückende Luft in den Straßen angenehm heruntergekühlt und Zane genoss nun die laue Nachtluft, während er sich in seinen Erinnerungen verlor. Erinnerungen, die er sich selten gestattete, seit er aus Malibu fortgegangen war. Erinnerungen an Alexa... und an das, was sie getan hatten.

Es war falsch, das wusste er. Nie hätte er zu träumen gewagt, dass es jemals wirklich geschehen würde, obwohl ihn dieser verfluchte Wunsch über so viele Monate hinweg gequält hatte. Und dann war es doch passiert -- so plötzlich, so spontan, so unkontrollierbar.

Zane hatte nicht erwartet, dass das schlechte Gewissen ihn so fertigmachen würde. Tief in sich spürte er eine glimmende Wut auf sich selbst und darauf, dass die Selbstbeherrschung ihn im entscheidenden Moment einfach verlassen hatte.

Der selbstvergessene Moment auf der Terrasse spukte durch seine Träume, suchte ihn nachts heim, ließ ihn sich in seinem Bett herumwälzen und im Schlaf gequält stöhnen.

Stets sah er seine Zwillingsschwester vor sich: Alexa im Schneidersitz auf einem der Hocker, mit nichts außer dunklen Jeansshorts und einem dünnen Oversizedshirt am Leib, vertieft in ihr Biologiebuch, vor sich eine Schale mit frischen Melonenstücken. Der süße Saft rann ihr über die Lippen und benetzte ihre Zungenspitze, wenn Alexa gedankenverloren die feinen Tröpfchen von ihrer Haut leckte. Alexa, die ihm im Küchendurchgang nach draußen ungeschickt in die Arme stolperte, umhüllt vom sanften Duft ihres Lieblingsdeos und auf den Lippen noch immer der süße Saft der Melone. Alexa, auf ihren Knien vor ihm, mit vor Lust dunklen Augen und einem fast diabolischen Lächeln, das ihr im sommersprossigen Gesicht hockte.

Zane biss sich auf die Lippen. Es war ein einziges verdammtes Mal gewesen. Ein einziges verdammtes Mal hatte er seinem Verlangen nachgegeben. Und sein Gewissen schien beschlossen zu haben, ihm das für den Rest seines Lebens zum Vorwurf zu machen. Seine Reue quälte ihn. Sie hätten nie tun dürfen, was auf der Terrasse geschehen war.

Sie hatten etwas Schreckliches getan. Etwas Abartiges. Etwas Unverzeihliches...

Vergeblich kämpfte er gegen die erdrückenden Schuldgefühle an, die seitdem schwer auf seinen Schultern lasteten.

Abwesend strich Zane über die Zigarettenschachtel in seiner linken Hand, öffnete sie und schob sich eine der langen, weißen Stangen zwischen die Lippen.

„Ich wusste gar nicht, dass du rauchst."

Aus seinen Gedanken gerissen, sah Zane überrascht auf.

Jules lehnte sich an den Fensterrahmen, um ihn ansehen zu können. Ertappt wich Zane ihrem neugierigen Blick aus. Jules kommentierte es mit verhaltenem Kichern.

„Das ist schon okay. Ehrlich!", fügte sie hinzu und biss sich auf die Unterlippe. Im selben Moment wurde sich Zane der kleinen Schachtel in ihren zierlichen Händen gewahr. Jules registrierte seine sich aufhellende Miene mit belustigtem Funkeln in ihren koboldgrünen Augen. „Hast du was dagegen, wenn ich dir Gesellschaft leiste?"