Neuorganisation Kap. 01

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Einleitung.
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0. Einleitung

Es war Sonntagabend und er war früh genug heimgekehrt, um noch ausschlafen zu können. Herbert Meyer öffnete die Tür zu seinem respektablen Apartment und entledigte sich vergnügt pfeifend seiner Jacke. Er betrachtete sich zufrieden im Spiegel. Er sah zwar die ersten deutlichen Anzeigen von ergrauenden Schläfen in seinen dunkelbraunen Haaren und den leichten Ansatz eines Bauches, aber da er mit seinem Leben rundum glücklich war, sah er dieses nicht mit dem Missvergnügen, das er wenige Jahre zuvor sicherlich bei diesem Anblick empfunden hätte. Sein Leben verlief genau in der Bahn wie er sich das so vorgestellt hatte -- sein Job als Verwaltungsbeamter war sicher und nicht zu fordernd, deshalb konnte er seinem Hobby in ausreichendem Maß nachgehen.

Vor gut drei Jahren war er ein an sich selbst zweifelnder später Mittdreißiger gewesen, der sich gefragt hatte, ob er seine wechselnden Beziehungen nicht doch lieber auf die von ihm ungeliebte Basis einer Ehe stellen sollte -- und dann war Susanne gekommen. Sie war genau die richtige Freundin für ihn. Seine vorherigen Partnerinnen hatten ihm ausnahmslos nach spätestens zwei Jahren früher oder später die große Frage nach einer gemeinsamen Zukunft gestellt, was ihn postwendend unter Druck gesetzt hatte und bis dato unweigerlich zu einem Zerwürfnis geführt hatte. Egal, wie attraktiv ihm die Frau erschien, diese Frage löste reflexartig eine Panik in ihm aus -- die Panik sich festlegen zu müssen, sich zu binden oder gar eine Familie zu gründen, was er einfach nicht konnte und auch nicht wollte. Aber nach drei auf diese Art gescheiterten Beziehungen hatte er sich doch die Frage stellen müssen, ob er noch Frauen ohne ein Zukunftsversprechen an sich binden könne, weil die Beziehungsdauern nach seinem 35. Geburtstag kürzer und kürzer geworden waren. Aber dann kam Susanne, die sich damals wegen ihres noch nicht beendeten Studiums auch nicht binden wollte und ihm dies auch so signalisiert hatte. Es war die absolut ideale Beziehung -- sie sahen sich nur an den Wochenenden, aber ansonsten genoss er alle die für ihn relevanten Vorzüge einer Ehe ohne die nachteiligen Folgen einer solchen ertragen zu müssen.

Susanne war zwar mitunter schlecht gelaunt, weil sie nach seiner Meinung zu hart an ihrer finanziellen Selbständigkeit arbeitete, aber sie war deswegen auch nicht so anspruchsvoll wie einige seiner vorherigen Freundinnen. Jedenfalls war ihr schönster Vorzug zweifellos, dass sie ihn noch nie auf eine Heirat oder gar Kinder angesprochen hatte und auch nicht auf eine gemeinsame Wohnung gedrängt hatte, selbst nicht nach ihrer jüngst erfolgten Beförderung zur Stellvertreterin des Niederlassungsleiters. Sie trafen sich regelmäßig jedes Wochenende am Freitag oder Samstag zum Ausgehen, und fuhren dann in ihre Wohnung. Es war die bestmögliche Beziehung für ihn!

Herbert freute sich jeweils auf die Wochenenden mit Susanne, genoss aber seine Freiheit während der Woche. Alleine zu sein war keine Last für ihn, sondern eher ein Genuss, solange er im Freundeskreis und auf der Arbeit nicht als Single erschien. Die zwei Jahre vor Susanne, als er alleine gewesen war, ohne eine ständige Freundin zu haben, hatten ihm doch irgendwie zugesetzt. Die mitleidigen Blicke seiner verheirateten Freunde und Kollegen, wenn er ohne Begleitung auf Feiern erschien, hatten ihn belastet. Aber jetzt war ja alles in Ordnung. Er machte sich keinen Kopf über die Zukunft -- die Gegenwart war einfach zu gut, um sich darüber graue Haare wachsen zu lassen.

Er hatte sie in einer Apotheke kennen gelernt, als sie gerade Arzneimittel für ihren kranken Vater abgeholt hatte. Er war überrascht gewesen, als sie seine spontane Einladung zu einer Feier annahm und sich dann auch noch tatsächlich mit ihm erneut danach traf. Sie erschien ihm nach diesen drei Jahren immer noch so attraktiv weiblich wie sie ihm damals in der Bar als Neunundzwanzigjährige erschienen war. Zunächst hatte er sie dort nur von hinten betrachten können. Ihre aus dieser Perspektive ausgesprochen weibliche Silhouette hatte ihn damals schon angesprochen, als sie beim Tanzen ihre so schön ausladenden Hüften und den ausgeprägt kurvigen birnenförmigen Po so unbewusst suggestiv in ihrer engen Jeans bewegt hatte. Gut, als sie sich umdrehte war es klar, dass sie keine dieser eleganten langbeinigen Schönheiten mit großem Busen und makellosen Gesichtszügen war, wie sie auf den Titelseiten seiner bevorzugten Herrenmagazine zu sehen waren, aber dafür hatte sie eine schmale Taille und ein herzförmiges Gesicht mit entzückenden Sommersprossen, das ihre eher kurze Gestalt und die nicht so üppigen Brüste vergessen ließen.

Auch am nächsten Morgen war seine Laune immer noch blendend, obwohl der Sonntagmorgen in Düsseldorf nicht sehr vielversprechend vom Wetter her aussah. Das heftige Gewitter in der Nacht hatte eine empfindliche Abkühlung bewirkt und ein leiser Nieselregen machte die Wetteraussichten nicht besser.

Ungefähr 1000 km weiter östlich war Maria Galinski's Laune zum selben Zeitpunkt alles andere als blendend. Sie entsprach beinahe dem Ideal aus Herbert Meyer's Vorstellungen. Sie war ebenso wie Susanne bei der gleichen Firma beschäftigt. Sie war ebenso wie er eigentlich nur indirekt mit der Firma verbunden, aber ihr beider Leben würde durch die Firma stark beeinflusst werden. All das würden beide erst viel später erfahren.

Es war schwer auszuhalten für Maria. Sie lebte wieder im Hause ihrer Eltern, nachdem sie ein Studiensemester in Russland verbracht hatte. Ihre Mutter und ihre ältere quasi geschiedene Schwester Teresa zankten sich untereinander - und mit ihr. Seit zwei Wochen gab es jeden Morgen dasselbe Theater. Seit sie unvorsichtigerweise zugegeben hatte, dass auch ihr ‚Chef' Igor Kalinin bei der Konzern AG ihr einen Antrag gemacht hatte, ging das so. Denn daneben gab es noch den Antrag, den ihr Cousin Piotr Galinski bei ihrem Vater gemacht hatte. Natürlich waren beide der älteren Frauen Feuer und Flamme, denn in ihren Augen war Maria mit ihren bald 25 Jahren ein ‚spätes' Mädchen. Ihre Mutter seufzte: „Maria, ich weiß nicht was ich noch sagen soll. Praktisch alle Deine Klassenkameradinnen aus der Schule sind bereits verheiratet!" Maria rollte die Augen ob des bekannten Themas. In ihrer Kleinstadt war die Struktur noch eher dörflich und agrarbetont. Die meisten Mädchen heirateten im Durchschnitt mit knapp 22 Jahren, aber die meisten von ihnen hatten auch nicht wie sie eine Hochschulausbildung.

Beide waren auch der Meinung, dass solche Männer ein Hauptgewinn waren. Piotr war der Favorit ihrer Mutter -- er war reich und er war streng katholisch und er hatte zuerst ihren Mann angesprochen, bevor er überhaupt mit ihrer Tochter Maria über Heirat gesprochen hatte. Igor war der Favorit von Teresa -- er verdiente als Geschäftsführer sehr viel und war mit Maria's Job einverstanden. Zudem war er gut aussehend und hatte Maria schon öfter gut ausgeführt, und an einigen Tagen auch Teresa mitgenommen zu Kulturaufführungen. Einig waren sich die beiden älteren Frauen darin, dass sie beide nicht verstehen konnten, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, warum sie sich noch nicht binden wollte.

Maria fand Piotr durchaus nett als Cousin, aber auch nicht mehr. Sie schätzte seine Würdigung der katholischen Traditionen, denn sie selbst war in dieser Hinsicht auch konservativ. Andererseits wollte sie erst ihr Forschungsprojekt beenden, womit er nicht einverstanden wäre, denn er wollte sie sobald wie möglich heiraten, wie er ihrem Vater nachdrücklich gesagt hatte, denn Piotr verlangte von Maria die Aufgabe jedweder Berufstätigkeit zugunsten der Mutterschaft.

Ihre Weigerung ihr Projekt abzubrechen, war für ihre Eltern irrsinnig, denn eine Heirat war in ihren Augen viel wichtiger als die Studienarbeit. Außerdem würde Maria nach deren Ansicht sowieso gleich nach der Heirat schwanger werden und damit war ihr Beruf nebensächlich. Das und die Tatsache einfach zu ignorieren, dass sie mit Piotr noch nicht einmal alleine ausgegangen war, ärgerte Maria jedes Mal bei der Diskussion mit ihren Eltern. Das Argument, das die Liebe schon nach der Heirat kommen würde, konnte sie schon nicht mehr hören.

Maria fand Igor attraktiv. Er war nicht nur mit ihrer Studienarbeit einverstanden, er hatte ihr auch das Stipendium verschafft, als ihr Professor Firmen angeschrieben hatte. Weiterhin verlangte er als ihr Chef sogar die Vollendung dieser Arbeit bis spätestens zum nächsten Jahr, was ihr nur recht war. Er war zwar de jure nicht ihr Chef, da sie als studentische Praktikantin in der Firma arbeitete und nicht angestellt war, aber de facto arbeitete sie nach seinen Anweisungen. Sie hatte ihn bis dato gerne als ihren festen Freund gehabt.

Aber vor zwei Wochen wollte er auf einmal so schnell wie möglich mit ihr zusammenziehen, denn seine Geduld mit Pettingspielen war schon seit einiger Zeit erschöpft. Er fühle sich zu alt, um noch bald ein Jahr auf richtigen Sex zu warten. Nach seinen Worten war es ihm egal, ob dies nun mit offizieller Verlobung oder Heirat geschah, solange er sie ‚richtig' in sein Bett bekam. Es kam zum ersten heftigen Streit zwischen ihnen, als er Klartext mit ihr redete. Gleichzeitig wollte er auf keinen Fall einen Abbruch des für die Arbeit wichtigen Projektes durch Schwangerschaft und bestand auf optimaler Empfängnisverhütung. Auf ihren fragenden Blick machte er auch das deutlich klar, als er aus dem Schreibtisch im Büro ein verpacktes Kondom und eine Packung Antibabypillen hervorholte.

Ein anständiges katholisches Mädchen braucht ‚so etwas' genauso wenig wie eine anständige Ehefrau, das hatte sie immer wieder von ihrer Mutter und ihrer weiblichen Verwandtschaft gehört - und der in Polen beliebte Papst Johannes Paul II behauptete es ebenso. So hatte sie Igor diplomatisch bedeutet, dass sie Zeit für eine Entscheidung brauchen würde, was er nicht so positiv aufgenommen hatte. Sie fand ihn zu liberal in seinen Auffassungen, um ihn als geeigneten Ehemann betrachten zu können, aber mochte ihm das nicht sofort sagen. So einigten sie sich auf eine Auszeit zur Entscheidungsfindung.

Für Teresa war die Maria's Abschlußstudienarbeit gleich wichtig wie das Zusammenziehen. Die Erlangung einer staatlichen Stelle würde Maria's Unabhängigkeit sichern, während das Zusammenleben als verlobtes oder verheiratetes Paar sein Interesse an ihr während dieser Zeit sichern würde. Teresa hatte nie ihr Trauma überwunden, dass ihr Ehemann sie verlassen hatte, weil er während seines Auslandsaufenthaltes eine andere gefunden hatte, während sie alleine in Polen zurückgeblieben war. Das Trauma war umso stärker ausgeprägt, weil er sie während ihrer Verlobung doch um mehr als nur keusche Küsse gebeten hatte. Der Sex am Abend ihrer Hochzeit mit ihrem komplett besoffenen Ehemann war alles andere als Sex. Am nächsten Morgen hatte er seinen Job in Sibirien angetreten und dort diese russische Schlampe kennengelernt. Teresa bedauerte nun zutiefst, dass sie den Ratschlägen ihrer Mutter gefolgt war und ihm jedwede weitergehende Intimität in der Verlobungszeit abgelehnt hatte -- sie war überzeugt, dass er immun gegen diese sibirische Hure gewesen wäre, wenn sie ihm mehr vor der Hochzeitsnacht erlaubt hätte. Es war demütigend gewesen, als die schriftliche Scheidung eintraf. Sie hatte nichtsahnend brav auf seine Rückkehr gewartet, ohne weitere Schritte für ihre Ausbildung zu unternehmen, abgesehen von der Haushaltschule. Jetzt war sie auf ihre Eltern angewiesen, denn ihre niedrige Qualifikation ermöglichte ihr keinen Job, der einen eigenen Haushalt bezahlte. Andererseits war ihr Status als ältere Frau mit geschiedener Ehe für die meisten polnischen Familien mit heiratsfähigen Söhnen in ihrer Kleinstadt schlicht inakzeptabel und sie würde vermutlich als Single enden. Daher war nun ihr Ratschlag nicht auf das Ideal der Enthaltsamkeit vor der Ehe zu setzen.

Das wiederum führte regelmäßig zum Aufschrei ihrer streng katholischen Mutter, weil dies mit ihren strengen katholischen Vorstellungen zur Ehe nicht vereinbar war. Man durfte als katholisches verlobtes Paar keine weitergehenden Intimitäten pflegen, sonst war die Hochzeit als Jungfrau nicht schicklich. Sie wolle nicht, dass ihre Töchter sich wie Huren benehmen würden! Teresa und ihre Mutter standen sich wie Kampfhennen gegenüber.

Maria war in den Wochen vorher immer geduldig gewesen und hatte höflich zugehört. Heute platzte ihr diesmal richtig der Kragen, denn sie war diese sich ewig wiederholende Diskussion leid: „Meine Güte! Wie oft muss ich Euch beiden noch sagen, dass ich erst dann heiraten möchte, wenn ich meine Studienarbeit beendet habe - und wenn ich heirate, dann in Weiß mit allem was dazu gehört. Es gibt noch mehr Männer als nur Piotr und Igor, und ich habe keinen Mangel an Verehrern."

Sie blickte ihre Schwester an. „Teresa, schimpf' mich altmodisch, aber ich glaube daran, dass eine Katholikin als Jungfrau in die Ehe gehen sollte und Mama hat recht, wenn sie sagt, dass Empfängnisverhütung nur nach katholischen Regeln zulässig ist."

Sie holte noch einmal Luft und wand sich ihrer Mutter frontal zu, deren prüde Sprachweise sie im Zeitraum vorher immer akzeptiert hatte. „Mama, Du bist einfach zu altmodisch. In der heutigen Zeit braucht eine Frau eine Ausbildung und man kann nicht wie Du mit sechzehn heiraten. Ich werde wegen Dir nicht meine Ausbildung abbrechen, nur um ja schnell genug meine Beine für Piotr Kalinski breit machen zu können und mir ein Kind machen zu lassen! Aber genauso wenig werde ich mir sagen lassen, dass ich mir von Igor nicht zwischen den Beinen streicheln lassen durfte, wenn ich mehr als nur keusche Wangenküsse wollte!"

Für einen Moment war es mucksmäuschenstill im Raum nach ihrem lautstarken Ausbruch, während ihre Mutter geschockt und missbilligend den Kopf schüttelte. Dann kicherte Teresa nervös und beide fassten sie jeweils eine Hand von ihr und sagten unisono, wie schon an den Tagen vorher: „Wir wollen doch nur das Beste für Dich, Maria!"

Ihre Mutter bestand noch auf einem Gespräch, dass sie später am Abend zu führen hätten. Maria konnte sich schon vorstellen, um was es da gehen sollte. Und richtig, am Abend fragte ihre Mutter sie etwas verklausuliert, aber doch beharrlich, wie sie das denn gemeint hätte mit ihrer Bemerkung zu Igor.

Maria seufzte und machte sich dann doch ans Antworten: „Mama, Du brauchst Dir keine Sorgen zu machen. Ich habe Dir und Teresa heute Morgen erklärt, dass ich beabsichtige als Jungfrau zu heiraten -- und ich werde mich daran halten. Mehr brauchst Du nicht zu wissen!"

Ihre Mutter gab sich damit nicht so recht zufrieden, aber Maria blieb hier hart. Sie hätte ihr erklären können, dass sie als Grundregel ihre Schlüpfer noch bei keinem Mann ausgezogen hatte, aber das hätte nur wieder zu weiteren Diskussionen geführt, was sie denn nun ausgezogen oder sonst wie gemacht hatte -- und das wollte sie nicht. Die Diskussion darüber mit Igor war schon in der anderen Richtung unerfreulich genug gewesen. Er hatte ihr schon wiederholt vorgeworfen, sie sei ein Luder, das ihn nur heiß machen wolle. Bis auf das letzte Mal hatte sie ihn immer wieder auf die eine oder andere Art beschwichtigen können, aber es war immer schwieriger geworden.

1. Der Abend des ersten Arbeitstreffen

Herbert Meyer war trotz der Vorankündigung unangenehm berührt, als Susanne ihm am Freitagmorgen per Telefon bestätigte, dass sie sich dieses Wochenende leider nicht mit ihm treffen könne. Am Montagabend hatte er sich gefragt, ob dies vielleicht eine Krise in ihrer Beziehung war, als sie ihm dies als Möglichkeit angekündigt hatte, aber er hatte sich schnell wieder beruhigt, als er von der Lage in ihrer Firma hörte. Er hatte sich nur an die gemeinsamen Wochenenden so gewöhnt, dass ihn diese Abweichung von der Routine irritierte.

Susanne Berg war von seiner mangelnden Anteilnahme weder am Montag noch an diesem Morgen wirklich überrascht, denn sie wusste für ihn waren derartige Vorgänge nur schwer verständlich. Sein sicherer Arbeitsplatz machte es ihm nicht leicht, andere unsicherere Arbeitssituationen nachzuempfinden. Andererseits schmeichelte es ihr, dass er so deutlich enttäuscht gewesen war, sich nicht mit ihr treffen zu können. Sie überlegte sorgfältig, was sie in ihren Koffer packen sollte für diese Woche. Angesichts des aktuell eher trüben Wetters packte sie trotz der vorgesehenen warmen Wettervorhersage wärmere Sachen mit ein. Seit dem Gewitter am Wochenende war das Thermometer am Rhein nicht über 17° C hinaus geklettert.

Sie machte sich am frühen Vormittag per Bahn auf den Weg zu dem Hotel, das ihr als Tagungsort genannt worden war. Dort eingetroffen, informierte sie eine Nachricht darüber, dass die Buchhalterin aus England und der Logistikleiter aus Frankreich bereits angekommen waren. Sie hatte ihren Koffer noch nicht ganz ausgepackt, als ein Telefonanruf sie darin störte. Herr Burg lud alle anwesenden Mitarbeiter in zwei Stunden zum Abendessen in das Restaurant ein. Er wisse aber noch nicht ob die in der Email angekündigten Mitarbeiter aus Österreich, Polen und Spanien schon eingetroffen waren.

Nach dem Auspacken entschloss sie sich für einen kurzen Rundgang um das Hotel. Sie verließ das Hotel rechts über den Eingang, den sie bei der Ankunft benutzt hatte, als sie per Taxi durch den Mischwald vom Bahnhof gekommen war. Das Hotel lag vor den Toren der Kleinstadt an einem hübschen See. Als sie an dem zweistöckigen Gebäude die rasenbekleidete Böschung auf dem kleinen Sandweg herunterstieg, erkannte sie die elegante Ausnutzung der Hanglage. Der Keller war in Wahrheit das zum Strand hin offene Untergeschoss. Sie identifizierte das Restaurant, das sich damit quasi im ersten Stock des Hotels befand. Es ermöglichte damit einen schönen Ausblick zum See auf der Balkonterrasse, während dessen Eingang zur Straßenseite einen ebenerdigen Zugang ermöglichte. Gleichzeitig bot das Untergeschoss direkt unter dem Restaurant eine gemütlich aussehende Bar mit direktem Strandzugang für die wärmeren Monate. Links daneben befand sich ein kleines Hallenbad für die kälteren Monate. Es befand sich auf der bewaldeten Seite des Seeufers. Überwiegend Kiefern, aber auch einige Birken bevölkerten diese Seite des Hotels, durch den ein kleiner Waldpfad wieder zur Rezeption der Gaststätte führte.

Wieder zurück auf ihrem Zimmer überlegte sie kurz, ob sie sich schon umziehen sollte oder lieber noch ein kleines Nickerchen nach der anstrengenden Bahnfahrt halten sollte. Sie entschloss sich für den angenehmeren Part. Als ihr Handy den Termin per Klingelton ankündigte, wachte sie erschrocken auf. Sie hatte beinahe das Abendessen verschlafen. Es blieb ihr nicht mehr viel Zeit. In zehn Minuten konnte sie sich entweder schnell umziehen oder noch einmal im Bad frisch machen und die Zähne putzen. Nach dem Schlummer fröstelte sie leicht, also beschloss sie, sich weder von dem warmen Pulli zu trennen noch den bequemen hellblauen Jeansrock durch etwas Eleganteres zu ersetzten. Es war schließlich nur der Abend der Anreise und ein voraussichtlich kurzes Abendbrot, während der fiese Geschmack in ihrem Mund eine höhere Priorität für Aktion hatte.

1.1 Das Abendessen

1.1.1 Die Teilnehmer

Am Eingang zum Restaurant sprach sie ein Herr an, der sich als Johannes Burg vorstellte. Er war in einer dunkelblauen Hose und weiß-blau gestreiftem Hemd ohne Krawatte sowie einem sportlichen grauen Jackett gekleidet. Er lächelte sie freundlich gewinnend an und machte ihr Komplimente über ihr pünktliches Erscheinen. Es zahlte sich immer aus, bei einem ersten Kontakt eine positive Note zu finden. Neugierig war er vor allen Dingen in Bezug auf ihre Einstellung zum Konzern und musterte sie automatisch etwas intensiver als die Höflichkeit erlaubte, milderte dies aber geschickt durch Fragen nach ihrer Anreise. Gut, sie war alles andere als eine umwerfende Schönheit, er konnte sie aber trotz ihrer sehr simpel gehaltenen Kleidung auch nicht als komplett unattraktiv bezeichnen. In Übereinstimmung mit ihrem Erscheinungsbild schien sie auch keine große Erfahrung im Konzernkontext zu haben, denn sie stellte keine der Fragen, die ihm eine taktische Erfahrung signalisiert hätten. Er stufte sie vorläufig als harmlos und belanglos ein. Er hatte eine würdigere Gegnerin vom deutschen Standort erwartet.

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