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Schlimm's Maerchen: Rapunzel Gens

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Andererseits sah er ein, dass er sie nicht auf ewig beschützen konnte. Zumindest nicht, ohne ihre Freiheit einzuschränken. Selbst ein solch abgeschiedener und geschützter Ort wie dieser Turm bot keine absolute Sicherheit für eine junge Frau, wie ihre Mutter und ihr Vater bewiesen hatten.

Aber konnte er es wirklich verantworten, sie unvorbereitet in eine Ehe mit einem unbekannten Mann gehen zu lassen? Er war sich sicher, dass sie als Prinzessin nicht die Gelegenheit bekommen hatte, sich, so wie er es getan hatte, die sprichwörtlichen Hörner abzustoßen. Ob sie sich mit Mutter, ihrer alten Amme oder anderen Frauen über die sogenannten ehelichen Pflichten hatte austauschen können? Er bezweifelte es.

Bei aller Wildheit und Unternehmungslust, die seine Schwester an den Tag legte, war sie in seinen Augen doch noch ein unschuldiges Mädchen, das nicht wusste, was auf sie zukam. Seine Unruhe wuchs. Wie könnte er ihr helfen, sich auf die Ehe vorzubereiten? Und wann? Urtica hatte es ausgesprochen: jetzt oder nie. Diese Nacht war die letzte Gelegenheit, in der sie noch nicht den Fesseln, die ihre Zukunft für sie bereithielt, unterlagen.

Plätschern zeigte an, dass Urtica mittlerweile in die Wanne gestiegen war. Nastur ließ sich in den weichen Sessel sinken und begann zu grübeln. Unbedarft und wehrlos verließ sie sich darauf, dass er hier wachte, um alle drohenden Gefahren abzuwehren. Wie könnte er sie nur jemals allein lassen?

Das Feuer, das sie im Herd entfacht hatte, um das Wasser zu heizen, verbreitete eine angenehme Wärme in dem kleinen Bad. Urtica saß in der dampfenden Wanne und entspannte sich. Ihren Zopf hatte sie gelöst und die langen Haare umschwammen sie wie ein Teppich aus goldenem Seegras. Seufzend ließ sie die Anstrengung des langen Tagesmarsches hinter sich und erlaubte ihren Gedanken zu wandern.

Ihr kleiner Bruder -- immerhin war sie die Erstgeborene -- war so ungeschickt und meistens geradezu ängstlich, dass sie sich kaum vorstellen konnte, wie er es ohne ihre Führung und Unterstützung schaffen sollte, König zu sein. Zwar war ihr bewusst, dass sie weder ein Recht auf die Thronfolge, noch eine Verpflichtung dem Land gegenüber hatte, doch ihr war keineswegs gleichgültig, was aus dem Königreich würde. Die Tradition sagte, dass sie einen König oder Fürsten heiraten und diesem viele Kinder gebären würde. Und traditionsgemäß würde sie jungfräulich in diese Ehe gehen.

Andererseits hatte sie schon mehr als eine Tradition gebrochen. Ihr Vater hatte es ihr nie abschlagen können, wenn sie verlangte, wie ihr Bruder reiten und kämpfen zu lernen. Und weil sie es nicht akzeptieren wollte, dass er für seine Leistungen in diesen Fertigkeiten gelobt wurde, während man ihr dabei immer nur Kopfschütteln entgegenbrachte, trainierte sie verbissener und härter als er, und war ihm bald in jeder Hinsicht überlegen. Sie trug, wenn es praktische Gründe dafür gab, Männerkleidung, egal wie sehr man hinter ihrem Rücken darüber tuschelte. Und nie hatte sie sich damit abgefunden, dass eine Frau Männern gegenüber zurückhaltend und unterwürfig auftreten sollte.

Sie ging mit Gewissheit davon aus, dass ihre Eltern sie nicht in eine ungewollte Ehe zwingen würden. Dafür waren sie viel zu aufgeschlossen und liberal. So hatte sie zumindest Hoffnung, einen Gatten zu finden, der ihre Freiheiten und Wünsche akzeptierte. Aber dann? Sie würde ihren Bruder zurücklassen müssen. Oder gab es eine Alternative?

Es gab in der Geschichte schon einige Beispiele, dass unverheiratete weibliche Verwandte bei Hofe lebten und andere Aufgaben übernahmen, als Heiratsbündnisse zu besiegeln und den Fortbestand von Dynastien zu sichern. Allerdings würde ein solcher Weg sie zu einem Leben als alte Jungfer verdammen. Diese Option wollte ihr nicht besonders erstrebenswert erscheinen. Es würde bedeuten, dass sie darauf verzichten würde, einen Mann zu nehmen. Zwar hatte sie keine eigene Erfahrung in solchen Dingen, aber die Tatsache, dass die allermeisten Frauen danach strebten, und die Beobachtung, dass die meisten verheirateten Frauen durchaus zufrieden und eher glücklich wirkten, sagten ihr, dass sie nicht leichtfertig auf diese Chance, ihr Glück zu finden, verzichten sollte.

Noch enthielt ihre Vorstellung einer Hochzeitsnacht einige Fragezeichen, auch wenn sie in ihrem Leben schon ausreichend Hengste, Bullen und Rüden bei Erfüllung ihrer Aufgabe beobachtet hatte. Jedoch folgerte sie aus dem Getuschel der Hofdamen und Zofen, wenn wieder einmal eine von ihnen geheiratet hatte, dass in einem Ehebett noch mehr passierte, als sie sich bisher ausmalen konnte. Alleine ihre angeborene Neugier wäre Motivation genug, dieses Geheimnis zu ergründen. Zudem tat sie sich schwer damit, hinter ihrem Bruder zurückzustehen, oder auf etwas zu verzichten, was ihm erlaubt wurde.

Dieser Gedankengang führte sie zu einem neuen Problem. Auch wenn sie auf Dauer bei ihrem Bruder blieb, würde der sich irgendwann eine Königin suchen, um einen Thronfolger zu zeugen. Und dann müsste sie sich die Kontrolle über ihn mit seiner Frau teilen - wenn diese eine solche Übereinkunft überhaupt zulassen würde. Nun, Urtica selbst würde nie gestatten, dass eine dritte Person maßgeblichen Einfluss auf ihren Mann hätte, wenn sie die Königin wäre.

Wie konnte sie das Dilemma lösen, bei ihrem Bruder zu bleiben, um ihn zu unterstützen und anzuleiten, ihn nicht an eine andere Frau zu verlieren und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Familienlinie nicht ausstürbe? Eine naheliegende Lösung, die ihr in den Sinn kam, verwarf sie sofort wieder, das wäre einfach unmöglich.

Ihre Überlegungen hatten sie derart aufgeregt, dass sie es nicht mehr aushielt, ruhig sitzen zu bleiben. Also stieg sie aus der Wanne, wusch im heißen Wasser noch ihr verschwitztes Höschen, das sie nach dem Ausziehen achtlos auf den Boden geworfen hatte, und hing es an eine Leine, die quer durch den Raum gespannt war. Dann wickelte sie sich in das große Leinentuch, mit dem sie sich abgetrocknet hatte, und tapste ins Wohnzimmer.

Eine einzige Kerze auf dem Tisch mühte sich vergeblich, den Raum zu erhellen. Urtica erschrak, als sie ihren Bruder nirgends sehen konnte. Dann entdeckte sie seinen Schatten im Sessel und trat neben ihn. Schwaches Licht spiegelte sich in seinen Augen, als er zu ihr aufsah.

„Na, so tief in Gedanken?", Urtica strich ihm über die gerunzelte Stirn und die tief darin eingegrabenen Falten verschwanden, „Was hast du?"

„Nichts."

Sie konnte spüren, dass er log, nahm aber auch wahr, dass er im Augenblick nicht bereit war, mehr zu sagen. Also ließ sie es dabei.

„Es ist noch heißes Wasser in der Wanne. Ein Bad würde dir sicher auch gut tun, nachdem wir den ganzen Tag durch den Wald gelaufen sind. Außerdem", sie grinste, "habe ich keine Lust, mit dir ein Bett zu teilen, wenn du stinkst."

„Du hast Recht", er stemmte sich hoch, „ich wasche mich und dann schlafen wir. Der Tag war anstrengend und morgen müssen wir früh los, damit wir zuhause sind, ehe Vater die halbe Armee losschickt, um uns zu suchen."

Er legte eine Hand auf ihren Unterarm, eine einfache Geste, die Nähe und Verbundenheit ausdrückte. Aber unter der Oberfläche war da mehr, eine Art magnetische Anziehung. Es fiel ihm überraschend schwer, den Hautkontakt zu lösen. Auf direktem Weg ging er ins Bad, ohne sich noch einmal umzudrehen. Er musste sich bemühen nicht zu rennen, damit es nicht wie eine Flucht wirkte. Erst nachdem er die Tür fest hinter sich geschlossen hatte, atmete er tief ein und aus, um sich zu beruhigen, dann begann er, sich auszuziehen. Auf der Suche nach einem Platz, wo er seine Sachen ablegen konnte, entdeckte er das Höschen an der Leine und ihm wurde bewusst, dass Urtica unter dem weiten weißen Tuch nichts weiter an gehabt hatte, als sie neben ihm stand. Schnell verdrängte er diesen Gedanken und beeilte sich, ins Wasser zu kommen.

Wie erhofft half ihm das warme Bad, sich zu entspannen. Die dunklen Gedanken und die Anstrengung des Tages fielen von ihm ab und machten einer tiefen Ruhe Platz. Ehe ihm die Augen zufallen konnten, wusch er sich den Schmutz des Tages vom Körper, stieg aus der Wanne und trocknete sich ab. Mit um die Hüften geschlungenem Handtuch ging er ins Schlafzimmer.

„Mach die Kerze aus und leg dich hin", murmelte Urtica im Halbschlaf aus dem Bett.

Nastur sah sich kurz um. Das Leinentuch, in das sich seine Schwester gewickelt hatte, lag in einem unordentlichen Häuflein auf dem Teppich. Typisch für sie. Ob sie sich etwas anderes für die Nacht angezogen hatte? Er bezweifelte es. Die Rucksäcke, in denen ihre Ersatzkleidung verpackt war, standen unberührt unter dem Tisch, wo er sie verstaut hatte. Sollte er sich wirklich so mit ihr in ein Bett legen?

Aber wenn er nicht auf dem blanken Boden schlafen wollte, hatte er kaum eine Wahl. Nastur war müde genug, um im Stehen einzunicken. Er wollte nur noch ins Bett.

„Ach, was soll's", sagte er sich, „schließlich sind wir Geschwister und erwachsen genug, um zu wissen, was wir tun."

Er löschte das Licht und schlurfte im Dunkeln in Richtung der leisen Atemgeräusche seiner Schwester, bis er den Teppich unter den Füßen spürte. Dann ließ er sein Handtuch fallen, tastete nach der Bettdecke und schob sich darunter, vorsichtig darauf bedacht, die Schlafende nicht zu berühren.

Kaum lag er still, rutschte Urtica in seine Richtung und drängte ihre Kehrseite gegen ihn. Wenn er verhindern wollte, dass sie ihn aus dem Bett warf, musste er sich wohl oder übel dagegen drücken. Dann endlich gab sie nach und Bruder und Schwester lagen aneinander geschmiegt wie zwei Löffelchen auf der schmalen Matratze. Um es bequemer zu haben, legte Nastur seinen Arm über sie.

Verärgert stellte er fest, dass seine Ruhe verflogen war. Er atmete den Duft des frisch gewaschenen Frauenhaars unmittelbar vor seiner Nase ein, er spürte die Wärme des Körpers, der mit ihm unter der Decke lag. Wo sie sich berührten, prickelte seine Haut. Besonders unheilvoll war das Kribbeln in seiner Lendengegend, wo sich Urticas Po gegen sein Becken drückte. Er konnte spüren, wie das Blut begann, in seinem Glied zu pulsieren. Verzweifelt versuchte er, diese peinliche Reaktion auf die Nähe seiner Schwester zu unterdrücken. Aber je mehr er sich darauf konzentrierte, umso schlimmer wurde es.

Urtica konnte sehr wohl spüren, dass sich etwas Hartes gegen ihren unteren Rücken presste. Sie fragte sich, was ihr Bruder mit ins Bett genommen haben könnte, obwohl er sich, soweit sie es durch den Hautkontakt beurteilen konnte, so wie sie selbst ganz ausgezogen hatte, bevor er sich hinlegte. Sie hatte aber den Verdacht, dass dies etwas mit der Hochzeitsnachtgeschichte zu tun haben musste. Den Impuls, aus Neugier mit der Hand zu ertasten, was Nastur da versteckte, unterdrückte sie. Doch an der Grenze zwischen Schlafen und Wachen fing ihr benebelter Verstand an, ihre realen Erfahrungen mit Vorstellungen aus ihrer Phantasie zu kombinieren.

Die Bilder, die aus der Traumwelt zu ihr trieben, wurden zunehmend beunruhigend. Urtica befand sich in einem tranceähnlichen Dämmerzustand, in dem die Realität verschwamm. All jene Gedanken und Fragen, die sie noch nicht verarbeitet hatte, wirbelten durcheinander und verwischten jegliche Sicherheit, wer und wo sie war. Sie begann sich zu vorzustellen, was eine Stute, Färse oder Hündin empfinden musste, wenn sie ihrer Bestimmung gemäß Mutter werden sollte. Wortfetzen und Satzfragmente, die sie aus Frauengesprächen aufgeschnappt und nie verstanden hatte, kombinierten sich zu Annahmen und Aussagen, die verstörend und zugleich extrem aufregend waren. Sie empfand Furcht vor den neuen und unbekannten Konsequenzen, die sie erwarteten, wenn sie diese Gedanken bis zum Ende verfolgte, gleichzeitig aber auch eine unbändige Neugier auf die Wahrheiten, die ihr die Antworten auf all diese Fragen, die sie bewegten, enthüllen würden.

Nastur war verunsichert. Urtica wurde immer unruhiger und fing an, ihren Körper an seinem zu reiben. Ihr vormals gleichmäßiger Atem war lauter und hastiger geworden. Schlaf war das Letzte, woran er jetzt denken konnte. Sein Ständer war längst steinhart. Die Peinlichkeit, die ihn erfüllte, weil es die Reaktion auf seine eigene Schwester war, wurde nur noch von dem Stolz auf seine Männlichkeit und der Erregung übertroffen, die ihn ergriffen hatte.

Die Sorgen, die er sich über Urticas Unbefangenheit und Unschuld gemacht hatte, holten ihn wieder ein. Sie würde vermutlich einen Mann bekommen, der nach seinen Titeln, Besitztümern oder politischen Notwendigkeiten ausgewählt worden war. Wer würde darauf achten, dass der Bräutigam seine Schwester liebte und achtete? Möglicherweise würde sie einen alten Knacker abbekommen, der den Zenit seiner Ausdauer und Standfestigkeit längst überschritten hatte, oder schlimmer noch einen machtgierigen, brutalen Aufsteiger, der sie nur als Mittel zum Zweck sah und als Gebärmaschine missbrauchte. Vermutlich würde der Frischangetraute auch noch, betrunken vom Festwein, wankend ins Brautbett fallen, sich seiner ehelichen Pflicht entledigen und Urtica frustriert und desillusioniert zurücklassen.

Wäre es bei solchen Aussichten nicht eine mitfühlende, gute Tat, wenn jemand, der ihr nahe stand, sie schätzte und ihre Bedürfnisse kannte, sie verständnis- und rücksichtsvoll in die Freuden der körperlichen Liebe einführte? Er hob seine Hand, um über ihr Haar streicheln zu können.

Unbemerkt von den Geschwistern hatte sich ein großer Uhu mit nachtschwarzem Gefieder lautlos auf dem Fensterbrett niedergelassen. Seine kreisrunden Augen durchdrangen die bleierne Dunkelheit, als sei es helllichter Tag. Seine auffallenden Federohren nahmen das Rascheln des kleinsten Mäuschens unter dem Laub des Waldbodens wahr.

Sobald das letzte Licht im Turmgemach erloschen war, hatte er sich von seinem Versteck und Aussichtspunkt auf dem hohen Baum am Waldrand erhoben und wenige Flügelschläge brachten ihn an sein Ziel. Sofort hatte er die beiden Gestalten unter der Bettdecke erkannt und ihre Unruhe bemerkt. Aufmerksam beobachtete der Vogel das Geschehen und zog die richtigen Schlussfolgerungen. Die beiden jungen Leute benahmen sich ganz und gar nicht so, wie es für Bruder und Schwester angemessen wäre.

Der Beobachter beschloss, seinen ursprünglichen Plan noch ein wenig aufzuschieben und die Situation zu genießen. Er kannte die menschliche Physis gut genug, um die Anzeichen sexueller Erregung als solche interpretieren zu können. Der schnelle Atem, die geröteten Gesichter, die Muskelspannung, der kräftige Puls. Er war mehr als gespannt darauf, was sich daraus entwickeln würde. Sobald die zwei die Bettdecke abstreifen würden, hätte er den perfekten Blick auf ihre Zweisamkeit.

„Urtica, schläfst du?"

Die Stimme ihres Bruders rief Urtica von der Schwelle zum Schlaf zurück.

„Hm?", maunzte sie, „was ist los?"

Sie drehte sich um und fand sich nur eine Handbreit von ihm entfernt im selben Bett wieder. Nur langsam dämmerte ihr, wo sie sich befand und wie sie in diese Situation gekommen war. Sie erinnerte sich vage an merkwürdige Traumbilder und fühlte sich ausgesprochen wohl. Seine Hand strich über ihren Kopf und sie schnurrte leise.

Seine Armbewegung ließ die Decke von ihren Oberkörpern rutschen und enthüllte Urticas wunderschön geformte Brüste, deren Spitzen hart und groß hervorstanden. Seine tastenden Finger fuhren über ihre Wangen, an der Seite ihres Halses herunter, die Schulter entlang und kamen erst knapp vor dem Busen, der sich im Rhythmus ihres raschen Atems hob und senkte, zum Halt.

Ein kühler Luftzug ließ die junge Frau erschauern und sie sah geistesabwesend zum offenen Fenster.

„Was?!", schreckte sie auf.

Als der Beobachter sich entdeckt sah, reagierte er sofort, stieß sich vom Fensterbrett ab und glitt in einer fließenden Bewegung in das Zimmer. Urticas Kampfreflexe übernahmen die Kontrolle. Ein Schwall Adrenalin ließ alle Müdigkeit verfliegen und spülte die zärtlichen Gefühle fort, die sie eben noch erfüllt hatten. Sie schnellte aus dem Bett und hechtete zur Stelle, wo sie ihr Schwert abgelegt hatte. Nastur wurde von ihr ein Stück weit mitgerissen, fiel aus dem Bett und landete ungeschickt auf dem Boden. Der Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. Entsetzt starrte er die größer werdende Gestalt an, die in den Turm eingedrungen war.

Noch ehe der Uhu den Boden erreichte, dehnte er sich in Länge und Breite aus. Dann setzte er als Mensch seine Füße auf den Dielenboden und richtete sich auf. Wallende Gewänder verhüllten seine Figur und gaben ihm eine wahrhaft bedrohliche Erscheinung.

Wertvolle Sekunden verstrichen, in denen Urtica im Dunkeln nach ihrem Schwert tastete. Dann ging ihr auf, dass sie am falschen Platz suchte. Ihr Bruder hatte die verstreuten Kleider aufgeräumt und die Waffe mit ihnen auf den Stuhl gelegt. Aus der Hocke setzte sie zum Sprung an, aber es war zu spät. Die geheimnisvolle Person vollführte eine komplizierte Geste und sprach mit dunkler Stimme unverständliche Worte. Magische Fesseln aus verfestigter Luft legten sich wie stählerne Bänder um Urticas Hand- und Fußgelenke und stoppten sie unsanft mitten im Flug.

„Wer sind sie? Was wollen Sie von uns?"

Nastur war wieder zu Atem gekommen, aber selbst in seinen eigenen Ohren klangen seine Worte schrill und verängstigt. Die Antwort kam in einem vollen, tief vibrierenden Ton, der eindeutig zu einer Frau gehörte.

„Was ich will? Vergeltung, Genugtuung! Und wer ich bin? Noch kennt ihr mich nicht, aber ich kenne euch. Und vor allem kenne ich eure treulose Mutter."

Während ihrer Rede hatte sich eine bleiche Hand aus den Falten des Gewandes gelöst und schwach zu leuchten begonnen. Im gleichen Maß, wie das Licht heller wurde, wuchs es zu einer Kugel und schwebte nach oben zur Zimmerdecke, bis es den ganzen Raum hell erleuchtete. Der grelle Schein blendete die Geschwister und warf harte Schatten. Urtica zischte wütend und kniff ihre Augen zu, während Nastur die seinen mit einer Hand abschattete. Blinzelnd versuchte er zu erkennen, wer die Fremde war. Aber eine weite Kapuze hüllte ihr Gesicht in Dunkelheit. Nur eine einzelne schwarze Haarsträhne hatte sich ins Licht verirrt.

„Lange Jahre habe ich sie und euch beobachtet und auf meine Gelegenheit gewartet, mich für die Schmach zu rächen, die mir Rapunzel zugefügt hat. Sie war mein mit Haut und Haar! Und dennoch hinterging sie mich auf hinterhältigste Weise mit diesem hergelaufenen Königssohn. Doch nun ist meine Zeit gekommen, es ihr heimzuzahlen und sie zu lehren, wie sehr es schmerzt, wenn man seine Tochter verliert."

Nastur verstand plötzlich.

„Gothel! Sie sind Frau Gothel. Die Zauberin, die unsere Mutter hier einsperrte."

„Ja! Ich bin Gothel, die Herrin dieses Turms und eures Schicksals!"

Bedrohlich wie eine Rachegöttin ragte die Hexe über den am Boden kauernden Nastur auf. Urtica ließ sich von der zur Schau gestellten Macht der Frau aber nicht einschüchtern.

„Lassen Sie uns sofort frei, sonst ..."

Ein fast beiläufiger Wink erzeugte einen weiteren Strang aus zäher Luft, der sich wie ein Knebel über Urticas Mund legte und sie mitten im Satz verstummen ließ. Die junge Kämpferin zerrte mit aller Kraft an ihren Fesseln, doch diese waren unzerreißbar. Das Einzige, was sie mit ihrem Widerstand erreichte, war, dass die stahlharten Bänder im Gegenzug ihre Gliedmaßen streckten, bis Urtica wie ein großes X in der Luft hing.

„Ah! So wild und hochmütig. Ich sehe schon, es wird mir viel Vergnügen bereiten, dich bei mir zu behalten und dir deine Unbotmäßigkeit auszutreiben."

Nastur brach der kalte Schweiß aus. Er musste seiner Schwester unbedingt beistehen und eine Möglichkeit finden, sie zu retten. Doch waren Gewalt und Drohungen offensichtlich der falsche Weg. Gegen die mächtige Magie, über die Gothel gebot, konnten sie nicht ankämpfen. Er rappelte sich auf und trat der Zauberin entgegen.

„Halten Sie ein! Wir sind keine Bedrohung für Sie. Sagen Sie uns nur, was Sie wollen."

Die Frau lachte hell und fast hysterisch auf, „Hast du mir nicht zugehört? Genugtuung will ich. Und Rache!"