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Verhexte Nacht

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Miriam ist allein im Dunkeln, oder etwa nicht?
5.7k Wörter
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Donnergrollen ließ die alten Fenster des ehrwürdigen Landhauses erzittern. Draußen prasselte der Regen auf den geschotterten Weg, der immer wieder von dem gleißenden Licht der Blitze in blaugelbes Licht getaucht wurde. Das immer wieder aufflackernde Licht des Himmels wandelte die beschnittenen Sträucher des englischen Gartens einen Herzschlag lang in schaurige Monster, bevor die Dunkelheit wieder über das abgelegene Anwesen hereinbrach.

Das Haus selbst lag fast vollständig im Dunklen. Nur aus einem Zimmer schimmerte Licht. Es war die Küche und in ihr befand sich ein Mädchen. Sie hatte schulterlanges rotes Haaren und eine ansonsten recht zarte Figur. Fast ein wenig verloren stand sie am Kühlschrank und suchte darin nach einem Mitternachtssnack. Miriam fluchte leise. Leider war der Kühlschrank weit weniger gut bestückt, als der, den sie von Zuhause gewohnt war. Zwar hatte sich ihre Tante Anne redliche Mühe gegeben, doch für einen achtzehnjährigen Teenager, der die Sommerferien bei Onkel und Tante auf dem Land verbringen musste, waren die Einkäufe auf dem Wochenmarkt alles andere als ein Hochgenuss.

In Abwesenheit von Cola nahm Miriam die Milchkanne und groß sich ein Glas ein. Etwas Kakao und reichlich Zucker würden für den richtigen Geschmack sorgen. Besser als Gurken und Pastinakensuppe war es allemal. Das Mädchen gönnte sich einen kräftigen Schluck und stellte die silberne Kanne zurück in den Kühlschrank, der im Gegensatz zu dem Haus hochmodern war. Vermutlich gehörte er zusammen mit dem Flachbildfernseher zu den einzigen Gegenständen im Haushalt, die aus dem 21. Jahrhundert stammten.

Mit einem Seufzen sah die Rothaarige noch einmal auf ihr Handy. Kein Signal. War der Empfang hier im Internierungslager für ungeliebte Töchter schon an sonnigen Tagen eine Katastrophe, so war er jetzt, bei diesem Weltengewitter vollkommen zusammengebrochen. Ihr Finger huschte über das Display und rief die letzten empfangenen Nachrichten wie die Relikte aus einer besseren Zeit auf. Nachrichten von ihrer Freundin, die gerade auf Ibiza war.

Sie suchte weiter, bis sie ihr bei einer Nachricht das Herz stockte. HDGDL, stand da. "Hab dich ganz doll lieb", sollte das heißen. Sie war von Michael. Ein kräftiger Donnerschlag ließ das ganze Haus erzittern. Ihre Muskeln verkrampften sich und ihr Herz schlug schneller. Es war die letzte Nachricht, die er ihr geschickt hatte. Die letzte Nachricht, bevor er mit ihr schlussgemacht hatte. Nein, eigentlich hatte er nie mit ihr Schlussgemacht. Eigentlich hatte Bettina nur ein Foto bei Facebook veröffentlicht, in welchem sie Michael ihre Zunge in den Hals rammte. Ein Foto, welches auf einer Party gemacht wurde, auf die Miriam eigentlich zusammen mit Michael gehen wollte. Doch während Miriam mit einer Sommergrippe im Bett lag, war ihr Freund mit dieser Schlange im Bett, oder wo auch immer sie es sonst getrieben hatten.

Hass und Schmerz verschmolzen bei dem Gedanken an den Jungen, dem sie einst ihr junges Herz geschenkt hatte. Sie hasste ihn, sie hasste Bettina und sie hasste das Schicksal, dass sie immer wieder um ihr Glück betrogen hatten. Sie wollte sogar ihre Tante Anne und deren Mann hassen, doch eigentlich waren die Beiden zu nett. Ihre Eltern hätten sie bestimmt gezwungen zu dieser langweiligen Veranstaltung im Ort mitzugehen, um sich bis nach Mitternacht die Reden von irgendwelchen Weltkriegsüberlebenden anzuhören, die ihr einreden wollten, um, wieviel besser es doch früher einmal war. Nur um jedoch im nächsten Satz darüber zu lästern, wie leicht es die Jugend von heute hat und was für harte Zeiten sie früher durchmachen mussten. Nein, die Schwester ihrer Mutter hatte ihr angeboten, einfach das Fernsehprogramm zu durchforsten, ohne ihr irgendeinen gut gemeinten, aber vollkommen sinnfreien Rat zu geben, was sie mit ihrer Lebenszeit an diesem Samstagabend anfangen sollte.

Das laute Klingeln des Telefons riss Miriam aus ihren Gedanken. Sie blickte ungläubig auf ihr Handy. Ihr erster Gedanke war bei Michael. Ja, tief in ihrem Inneren vermisste sie ihn gerade jetzt. Aber kein Name erschien im Display. Es klingelte erneut und das Mädchen begriff, dass das Läuten von dem alten Analogtelefon an der Wand kam. Immerhin hat es keine Kurbel mehr für den Strom, lästerte sie in Gedanken, als sie zu dem Hörer ging. Wer rief so spät noch an? Ihre Eltern sicher nicht. Die waren irgendwo in Asien unterwegs und feierten ihre silberne Hochzeit.

Das Mädchen griff nach dem Hörer und sprach: "Hallo? Wer ist da?"

"Miriam, Schätzchen, bist du das?", klang die Stimme ihrer Tante durch den Hörer.

"Ja, Tante Anne."

"Das Unwetter hat den Bach über die Ufer treten lassen. Und Georg meint, wir sollten lieber bei den Willfrieds übernachten. Ist es schlimm für dich, wenn wir heute Nacht nicht nach Hause kommen?" Das Donnergrollen eines entfernten Blitzes rollte ein leichtes Erdbeben über das Haus und ließ die Fenster erneut erzittern.

"Nein, Tante Anne. Ich komme schon klar." Sie war achtzehn Jahre alt, seufzte Miriam innerlich. Warum glaubte jeder, sie noch beschützen zu müssen. Wenn es nach ihr gegangen wäre, hätte sie auch alleine im Haus ihrer Eltern in Frankfurt bleiben können, während diese ihre zweiten Flitterwochen auslebten.

"Gut, mein Schätzchen. Wir kommen dann morgen früh. Wenn etwas ist, die Nummer der Willfrieds steht in dem kleinen Büchlein neben dem Telefon."

"Keine Sorge. Hier ist alles gut."

"Gute Nacht, Schätzchen."

"Gute Nacht, Tante."

Miriam hängte den Hörer ein und holte sich ihren Kakao. Die Werbepause in ihrem Film musste inzwischen zu Ende sein. War kaum eigentlich auf die Idee, nichtssagende Werbespots für Handwerkermärkte in einem Horrorfilm zu schalten? Wenn der Typ wenigstens eine Kettensäge anbieten würde, aber nein, er versuchte sich als Gott. Vielleicht war dies einfach ein weit verbreiteter Komplex bei Männern, dass sie dies für ihr Ego brauchten.

Das Mädchen ließ sich in das Ledersofa fallen und wartete darauf, dass ihr Film weiter ging. Endlich verschwand die letzte Werbeeinblendung für einen Blockbuster und Miriam kuschelte sich erwartungsvoll in das bequeme Sitzmöbel. Horrorfilme waren das einzig Spannende, was das frei empfangbare Fernsehprogramm um diese Uhrzeit lieferte. Sicher, für Jungs gab es "Stirb Langsam" und für alte Leute Volksmusik. Dazu kamen noch ein paar Krimis, auf die sie jedoch keine Lust hatte. In den Nachrichten kamen nur das übliche Weltgeschehen und ein Bericht über einen Gefängnisausbruch mit der Warnung, keine Anhalter mitzunehmen. Miriam hatte nicht einmal ein Auto, so fiel es ihr nicht schwer, diesen Hinweis zu befolgen.

So blieb sie bei ihrem Horrorfilm, dessen Titel sie nicht mitbekommen hatte. Der Film an sich war nichts Besonderes. Die üblichen von Musik untermalten Elemente, die es in fast jedem Film dieses Genre gab. Wenn sie ihn mit ihrem Exfreund zusammen gesehen hätte, wäre sie vermutlich in seinen Arm gekrochen und er hätte über den vorhersehbaren Inhalt gelästert.

Heute Nacht war es jedoch anders. Die abwechselnd langsamen und schnellen Bilder, die Musik und nicht zuletzt die kreischender Schreie trieben ihren Puls in die Höhe. Das Gewitter und das Gefühl, wirklich alleine zu sein machten sie besonders empfänglich für das gezeigte Psychospiel. Immer wieder zuckte sie zusammen. Das Gewitter im Film und das Unwetter in der Wirklichkeit verschmolzen zu einer einzigen Kulisse. Was, wenn wirklich so ein Verrückter heute Nacht hierher kommen würde?

Immer wieder ertappte sich Miriam dabei, wie sie sich über ihren Rücken hinweg umsah. Sie blickte aus dem großen Fenster des Wohnzimmers hinaus in den Garten. Dunkelheit. Dann plötzlich ein Blitz und eine unbekannte Silhouette, während es aus dem Fernseher einen lauten Frauenschrei gab. Dem Mädchen stockte der Atem. Wie von der Tarantel gestochen lief sie zum Lichtschalter. Sie schaltete alle Lichter im Raum an. Nur für den Fall der Fälle, sprach sie beruhigend zu sich selbst, ohne genau darüber nachzudenken, was der Fall der Fälle in ihrem Fall überhaupt bedeuten würde.

Die Frau im Film lief um ihr Leben. Die Musik glich dem gesteigerten Pulsschlag, der sich durch das Fernsehen auch auf das Mädchen auf dem Sofa übertrug. Ein Fenster zerbrach und ein gleißender Blitz erhellte das Gesicht des Mannes mit der Maske. Sie schrie. Im selben Augenblick knallte es auch direkt über Miriams Kopf und das rothaarige Mädchen zuckte kreischend zusammen. Mit einem Mal war es dunkel.

***

Totale Finsternis hüllte das eben noch helle Wohnzimmer des Landhauses ein. Nur das Prasseln des Regens gegen die Fensterschreiben und das aufgeregte Keuchen des Mädchens. Sekunden verstrichen wie eine Ewigkeit, dann zuckte ein weiterer Blitz über den nächtlichen Himmel. Möbel und Wände wurden in bläuliches Licht getaucht. Auch das Antlitz des Mädchens offenbarte sich für einen Moment. Angst und Unsicherheit waren deutlich in das junge Gesicht geschrieben.

Erneute fiel das Wohnzimmer in Dunkelheit, doch diesmal wurde der Atem des Mädchens langsamer. Ihr Verstand begann zu arbeiten. "Ganz ruhig", sagte sie zu sich selbst. "Es ist nur ein Stromausfall. Ganz normal bei einem Gewitter. Ganz ruhig. Tief durchatmen."

Zuhause in der großen Stadt waren solche Stromausfälle ein seltenes Ereignis und dauerten zum Glück meist nur kurze Zeit. So hoffe Miriam, dass auch hier die Zeit für sie arbeiten würde. Doch die Finsternis blieb, auch wenn sich ihre Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten. Die Schatten zu erkennen, die immer wieder im Blitzlicht für einen Herzschlag aus dem Dunkel traten, war für sie jedoch kein Vorteil. Im Gegenteil, alles um sie herum schien plötzlich zum Leben zu erwachen. Ihre lebhafte Fantasie spielte ihr Streiche.

Sie drehte den Kopf, blickte in den Garten. Miriam zuckte zusammen, als sie glaubte, einen Mann im Garten zu erkennen. Erinnerungen an den gerade gesehenen Film vermischten sich mit dem Bericht in den Nachrichten. Wo war noch mal der Gefängnisausbruch? Was, wenn der Mann zu Fuß flüchtete und sich hier irgendwo am Land in einem verlassen Haus verstecken wollte?

Wieder flackerte das Licht des Himmels für einen Liedschlag und der Mann war verschwunden. Doch stattdessen hörte sie nur hinter sich ein Klopfen. Erneut drehte sich Miriam in ihrem Sofa. Da war nichts. Nichts, was sie erkennen konnte. Die Hände des Mädchens tasteten nach ihrem Handy. Sie deaktiviert mit geübter Bewegung die Tastensperre und nutzte es nun als schwache Taschenlampe, um sich im Dunkel des alten Hauses etwas zurechtzufinden.

"Wenn ich hier bleibe, drehe ich noch durch", sagte sie laut zu sich selbst und fügte dann in Gedanken hinzu, "oder der verrückte Mann findet mich. Bestimmt lauerte er dort draußen schon mit einem Messer oder einer Axt. Verrückte haben immer so etwas bei sich."

"Keine Angst. Niemand wird dir etwas tun", versuchte eine andere Stimme in ihrem Kopf sie zu beruhigen. Es half nichts. Die Fantasie in ihrem Kopf war weit stärker als jede Vernunft.

Immer wieder panisch den Kopf drehend, tastete sich Miriam durch das Haus ihrer Tante. Sie erreichte die Treppe, die hinauf zu den Schlafräumen führte. Sie wollte in ihr Zimmer, wollte sich einsperren hinter der massiven Eichentür. Immer wieder ging der Lichtschein ihres Handys aus und ließ sie für einen Moment in der Dunkelheit zurück. Unter ihr knarrte die Jahrhunderte alte Treppe aus geöltem Holz. "Alles wird gut", flüsterte sie, während aus der Ferne leises Donnergrummeln zu hören war, welches sie in diesem Moment an ein urzeitliches Monster erinnerte. "Das ist ganz normal. Es ist nur das Holz unter dir und das Gewitter über dir. Du hast es schon 100 Mal gehört."

Die Versuche sich selbst zu beruhigen halfen ihr in dieser verhexten Nacht nur wenig. Warum hatte sie nur einen Horrorfilm ansehen müssen, wenn sie alleine in einem fremden Haus war? Sie war selbst schuld, sagte ihr Verstand, als sie den Gang im Dachgeschoss erreichte. Es gab keine Monster, keine verrückten Mörder oder Gespenster, die irgendwo auf sie warteten. Niemand lauerte in der Dunkelheit, nur ihre Fantasie, die sich verselbstständigt hatte.

Eine Kaskade aus Licht zuckte über den Himmel. Durch das schmale Fenster am Ende des Gangs fiel ein bläulicher Schimmer in die Finsternis und plötzlich starrte Miriam in das Gesicht eines alten Mannes. Sie ließ ihr Handy fallen und taumelte zurück. Die Wand stoppte ihre Bewegung. Panisch presste sich das Mädchen an die rauen Fasern einer alten Tapete. Erneut zuckte ein Blitz über den Himmel. Während der Donner die alten, einglasigen Fenster erzittern ließ, sah sie erneut das Bildnis eines Mannes aus vergangenen Zeiten. Es war das Gemälde eines alten Adligen, dem das Landhaus vor vielen Jahren gehört hatte. Sein strenger Blick traf sie für einen Herzschlag, bevor er wieder in der Dunkelheit verschwand.

Hastig tasteten sich die Hände des Mädchens an der Wand entlang. Endlich fand sie die Tür zu ihren Zimmer. Ihre Finger packten den Griff, öffneten die Tür und binnen eines Augenblicks war sie auch schon in gefühlte Sicherheit ihres kleinen Gästezimmers entschwunden. Der Schlüssel steckte und sie drehte ihn augenblicklich.

Ein lautes Seufzen kam ihr über die Lippen. Sie hatte es geschafft. Erleichterung machte sich breit. Die massive Tür, die sie gerade hinter sich zugeschlagen hatte, bot so viel Sicherheit, wie es in diesem Haus nur geben konnte. "Du bist hier in Sicherheit", sagte die Stimme in ihrem Kopf. War sie denn überhaupt in Gefahr gewesen? Nein, oder? Die zahlreichen Porträtbilder im Haus und die bloße Dunkelheit stellten keine reale Gefahr dar. Und den Mörder aus dem Film gab es auch nicht. Zumindest behauptete ihr Verstand dies.

Miriam wollte auf Nummer sicher gehen und ging zu der Komode, deren Umrisse sie nur erahnen konnte, bevor das Licht eines Blitzes durch das Dachfenster eindrang, und den Raum für einen Moment erhellte. Ihre Finger zitterten, als sie über das geölte Holz des alten Möbelstücks tastete. Schließlich fand sie, wonach sie die ganze Zeit gesucht hatte. Eine Schachtel mit alten Streichhölzern, die sie schon am ersten Tag hier im Zimmer bemerkt hatte.

Sie nahm eines der Hölzer und rieb über die Reibfläche. Mit einem Zischen entzündete sich die Flamme. Warmes Licht ging von dem Streichholz aus, während sie es anhob und damit die erste Kerze im Leuchter anzündete. Es war ein altes Stück, doch die Kerzen in ihm wirkten neumodisch und ungenutzt. Ihre Tante und ihr Onkel hatten bestimmt nichts dagegen, wenn sie diese ansteckte, beruhigte sie ihre immer noch flackernden Gedanken.

Erst als alle fünf Kerzen an dem antiken Kerzenleuchter brannten, ließ die Anspannung nach. Die freundliche Helligkeit der Flammen schien ihr eine Last von tausend Tonnen abzunehmen. Das Spiel von Schatten und Licht flog über ihre Miene, die nun so etwas wie ein Lächeln formte. Nun da die Angst nachließ, machte sich Müdigkeit in ihr breit. Erschöpft ließ sich die Rothaarige in das Himmelbett fallen, welches gegenüber der Komode stand. Da sie sowieso nur einen Slip und ihr langes Shirt trug, welches sie auch als Nachthemd nutzte, musste sie sich nicht einmal groß umziehen, sondern begnügte sich damit, die Decke über ihren jugendlichen Körper zu ziehen.

Während sie sich in das weiche Federkissen ihres Bettes kuschelte, betrachtete sie den Kerzenleuchter. Draußen tobte immer noch das Gewitter, doch das Licht der Kerzen verzauberte sie. Es war fast so, als wenn es sie in eine andere Welt führte. Eine Welt, in der es keine Angst, keine Gefahr, sondern nur Geborgenheit gab. Selbst das alte Bild an der Wand schien nun auf einmal freundlich. Es zeigte keinen finsteren Mann, der aus einem düsteren Märchen kam, sondern einen gut gebauten Soldaten in schwarzer Uniform. Sein Hand lag auf dem Griff eines Säbels, während seine Augen direkt auf sie gerichtet waren.

Hatte ihre Tante nicht einmal sogar etwas über das Bild erzählt. Es war, so glaubte Miriam sich schwach zu erinnern, ein Schwarzer Jäger. Ein Vorfahre ihres Onkels, der vor 200 Jahren gelebt hatte. Die Schwarzen Jäger kämpften als so genantes Freikorps gegen die Franzosen in den Befreiungskriegen gegen Napoleon. Der Legende nach leitete sich von ihren Uniformen die heutige Flagge von Deutschland ab: Schwarzer Stoff, roter Kragen, goldene Knöpfe.

Das Mädchen hatte dem Bild bis dahin wenig Beachtung geschenkt. Es war einfach dagewesen, hier in ihrem Exil auf dem Land. Nein, es war ihr nicht einmal aufgefallen, genauso gut hätte hier ein Landschaftsbild hängen können. Es gehörte zu dem Haus, das der Familie ihres Onkels schon seit Jahrhunderten bewohnte. Als normaler Teenager hatte Miriam nicht viel übrig für die Relikte der Vergangenheit. Und doch war an ihm etwas anders. In dieser Nacht gefiel dem Mädchen der entschlossen, feurige Blick des Recken, der von seinem Platz aus über sie wachte. Sie lächelte sogar verschmitzt und auch er schien im Licht der Kerzen zu lächeln, welches der Leinwand scheinbar Leben einhauchte. Manchmal war es schön, einen tapferen Ritter an der Seite zu haben. Wie war wohl sein Name? "Richard", sagte die innere Stimme. Hatte ihn ihre Tante Anne genannt, als sie ihr eine Führung durch das Haus gegeben hatte?

Das Gewitter schien immer noch heftig zu wüten, doch Blitz und Donner zogen weiter. Immer wieder sah Miriam über das weiße Bettzeug, was wohl ebenfalls schon viele Generationen alt wirkte, zu dem Gemälde. Das Licht der Kerzen schien dem Abbild des Mannes Leben einzuhauchen, doch das Mädchen hatte keine Angst vor ihm. Er gefiel ihr sogar. Sie fragte sich sogar, was für ein Mensch Richard wohl gewesen war. Friedliche Gedanken, während sie immer mehr ins Traumreich hinüberglitt.

"Also gut, Richard. Dann verbringen wir beide also die Nacht miteinander", murmelte Miriam leise und neckte dabei sich selbst. Was war sie nur für ein Feigling gewesen. Nur wegen eines Stromausfalls und eines Gewitters so in Panik zu geraten. Jetzt, da die Angst verfolgen war, konnte sie darüber Lachen. Sie kuschelte sich in die Decke, so wie sie sich von vor wenigen Wochen an ihren Exfreund geschmiegt hatte. Ihre nackten, zarten Schenkel rieben sich an dem Stoff und eine Woge des Wohlgefühls stieg in ihrem Unterleib auf. "Gute Nacht", haucht ihr die Stimme in ihrem Kopf zu, bevor sie schließlich wegschlummerte.

***

Das Licht der Kerzen erhellte das Gästezimmer des alten Landhauses. Die Decke war zur Seite gerutscht und offenbarte die nackten Schenkel des Mädchens. Mit leisem Seufzen schien sie sich an dieser zu reiben, so als würde sie träumen. Unruhig gruben sich ihre Hände in das Laken, während sie im Schlaf keine Ruhe fand.

Wild wandte sie ihren Kopf hin und her. Ihr rotes Haar glich im Zwielicht der Mähne eines wilden Tieres. Sie war jung, hübsch und offenbarte nun im Schlaf ihre Reize ganz freigiebig, den neugierigen Blicken eines jeden, der ihr ansichtig wurde.

In dieser Nacht gab es jedoch nur einen Mann, der sie beobachtete. Großgewachsen und mit dunklem Haar stand er am Fußende ihres, von einem Baldachin überdachten Bettes. Er trug die schwarze Uniform, wie man sie vor 200 Jahren getragen hatte. Zeitloses Schwarz, welches nun seine imposante Erscheinung widerspiegelte. Einst war er ein Idealist in der Zeit des Sturm und Drangs gewesen. Eine Zeit, in der die Welt von neuen Ideen geschwängert wurde, bis man sie aus den Angeln hob. Eine Zeit, in der ein Feuersturm durch das Dickicht alter Ordnung fraß, der Generationen auf blutigen Schlachtfeldern verzehrte.

Doch nicht die Schatten der Vergangenheit trieben ihn nun an. Nein, die jugendliche Schönheit war es, die sein Handeln bestimmte. Mit einer geschmeidigen Bewegung ließ er sich am Rand des Bettes nieder. Sein Blick haftete immer noch an den Schenkeln des Mädchens, welche sich vor ihm im Traumland rekelte.

"Ich will dich pflücken, meine Blume", hauchte er leise und kniete sich auf die Matratze. Seine, mit schwarzen Lederhandschuhen, verhüllten Hände griffen nach ihren schlanken Waden und streichelten über diese. Bereitwillig öffnete das junge Weib ihren Körper für das Bild von einem Mann, welches mitten in der Nacht zu ihr gekommen war.

KrystanX
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