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Walpurgisnacht 01

Geschichte Info
Der erste Kontakt zur Bevölkerung.
6.7k Wörter
4.19
45.5k
1
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Teil 1 der 3 teiligen Serie

Aktualisiert 03/16/2022
Erstellt 01/05/2009
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Sonntag, 28. April 1599

Dunkle Wolken hatten sich über dem Land zusammengezogen. Schwarz und schwer bedeckten sie den Morgenhimmel über dem Harz. Der Wind frischte auf, drückte die Kronen der mächtigen Eichen, der hellgrün belaubten Kastanien, der dunklen Tannen nieder, dann prasselten die ersten Körner herab, wehten in Schwaden über den Wald. Leichter Donner rollte, ein Blitz zuckte über den schwarzen Himmel. In Sekunden waren Felder und Wiesen mit einer weißen Schicht überzogen. Eisige Wasserfälle flossen an den Bäumen herab, Hagel peitschte vom Wind getrieben über Wege und Seen, Dächer und Felder. Tiere suchten Zuflucht unter Bäumen, Bauern ließen ihre Pflüge stehen und hasteten zum Waldrand, Reiter zogen ihre Mäntel weit über den Kopf und stießen den Pferden die Hacken in die Flanken.

Der Hagelschauer fegte von Ost nach West über den Harz hinweg, und als auf dem Brocken die ersten Hagelkörner fielen, riss über Aschersleben die Wolkendecke bereits wieder auf. Die Sonne kam hervor, der Hagel strahlte grell, taute zu blassen Pfützen und versickerte zwischen Krokussen, Hyazinthen und dem ersten blauen Lattich.

An jenem Tag, während er von Quedlinburg kommend in die Ausläufer des Harzes vordrang, schlief Professor Ludwig Bechstein unruhig und träumte hektische, kurze Träume, die aufflammten und erloschen wie Lichtreflexe auf einem Wasserfall. Sein Kopf mit dem pelzbesetzten Barett war leicht zur Seite gekippt, wippte auf und ab, rollte in einem Halbkreis nach vorne, bis der Professor mit einem leisen Grunzen die Nase in den Fahrtwind hob und mit faltigen Lippen schmatzte. Anschließend kippte der hagere Kopf wieder nach rechts auf die Schulter, und das Spiel begann von neuem.

Schwankend träumte er von seinem Ziel, das zwei Jahre zuvor zu seiner heiligen Mission geworden war, eine Mission, die den Horizont des Menschen erweitern sollte, die schließlich einen weiteren Beitrag zur enzyklopädischen Bildung des Menschen im Sinne Erasmus von Rotterdams darstellen würde. Im Traum tanzten schon vor Langem beiseite gelegte Bücher um ein Feuer herum, fraßen Singvögel Heilkräuter, kochte die Natur selbst in Gestalt einer großen Eiche Suppe in einem großen Kessel. Bechstein oblag es, jedem Vogel und jedem Kraut einen Namen zu geben. Bevor er es schaffte, stand er wieder in Greifswald an der Universität und erhielt erneut eine Ehrung für seine Veröffentlichungen.

Mein bescheidener Ruf, träumte der Professor, jetzt sollte, Gutenberg sei gedankt, eine Buchreihe über den Menschen folgen und den Ruf vergrößern. Rückkehr zu den Quellen, war es vom Professor Bechstein Haribalds Vater gegenüber genannt worden, Grundlagenforschung.

Bechstein hatte von einem alten Freund in Stettin den Auftrag bekommen, dessen Sohn Haribald gegen großzügige finanzielle Unterstützung auf seine Forschungsreise mitzunehmen. Als Gegenleistung sollte dem Jungen eine umfassende Erziehung zuteil werden, die ihm bislang versagt geblieben war. Bechstein hatte versprochen, den Jungen seinen Standort in der Welt finden zu lassen. Erst ein paar Wochen später, als er bereits mit Haribald unterwegs war, fiel ihm ein, wie wenig der alte Freund von den Zielen der Reise hatte wissen wollen. Ein Freund, der ihm im Traum die Hände schüttelte, sich auf einen Besen setzte und davonflog, während die umstehenden Menschen sich bekreuzigten und mit Hufeisen jonglierten, als wären sie Gaukler auf einer Maifeier.

Dann träumte Professor Bechstein, wie die Erde in Stettin angefangen hatte zu beben und schreckte aus seinem Schlaf hoch. Die schmale Brille war auf seine Nasenspitze gerutscht, das Barett hing ihm in die Augen. Die Kutsche rumpelte über einen Stein. Vorbei an dichtbelaubten Bäumen huschte das Gefährt, ab und an schlug ein Ast gegen das Verdeck, drang ein Lichtstrahl durch die Kronen und glitzerte auf den Pfützen, die der letzte Aprilschauer hinterlassen hatte.

Professor Bechstein rückte die Brille zurück auf seine Nase und rieb sich die Augen.

„Haribald, mein Junge, wo sind wir?“

Haribald drehte seinen Kopf. Die Feder auf seinem Hut wippte im Takt der Schritte.

„Zwei Stunden nach Treenberg“, keuchte er pathetisch und stolperte fast über einen Stein. Bechstein wusste noch immer nicht, was er von dem Jungen halten sollte. Sie waren erst seit gut zwei Monaten unterwegs, hatten auf dem Weg nach Süden Rostock und Schwerin gestreift, und in der Zeit hatte Bechstein versucht, ihm eine Vorstellung davon zu vermitteln, wie sehr die Dinge des Lebens miteinander verwoben waren. Es gab nicht nur Bier und Mädchen. Wer die Welt als Ganzes verstehen wollte, musste sich mit der Naturwissenschaft beschäftigen, mit der Philosophie und Theologie, vor allem aber mit dem Menschen und seiner Natur. Gleichwohl spürte der Gelehrte an manchen Tagen einen Widerwillen in dem Jungen, der sich nur schwerlich überwinden ließ.

Wenigstens heute war Haribald folgsam und tat, worum man ihn bat. Ohne Pause lief er jetzt seit fast zwei Stunden, das machte sein letztes Versehen zumindest im Geiste wieder wett.

„Dann kannst du jetzt ein wenig langsamer laufen, denn wir liegen gut in der Zeit.“, sagte der Professor und zog seinen ergrauten Schädel wieder ins gekrauste Hemd zurück. Haribald lächelte erleichtert. Der Alte hatte also von der kleinen Pause unter den Bäumen, um das Ende des Hagelschauers abzuwarten und sich genüsslich mit der rechten Hand Befriedigung zu verschaffen, nichts mitbekommen.

Für alle Himmelskörper oder Sphären gibt es nicht nur einen Mittelpunkt, pflegte Bechstein zu sagen, wenn Haribald wieder einmal nicht verstand, in welchem Zusammenhang die Schädelknochen des Menschen mit der Kunst des Fechtens standen. Man müsse versuchen, über den Tellerrand hinaus zu blicken, es ginge nicht um den Sinn der Naturerscheinungen, sondern um deren Ursachen. Der kräftige blonde Junge zog dann immer die schmalen Augenbrauen hoch, zuckte mit den breiten Schultern oder entgegnete leise „Hefe und Malz, Gott erhalt's.“. Kopernikus konnte ihm gestohlen bleiben, das aber sagte er nie. Es war nicht seine Entscheidung gewesen, dem Professor als Assistenten zu dienen, sein Vater hatte für ihn entschieden. Nie wäre Haribald auf die Idee gekommen, sein geliebtes Stettin, seine Freunde und die vielen Mädchen, die nur allzu bereitwillig die Beine für ihr spreizten, einzutauschen gegen ein unstetes Leben auf Reise, bergauf und talab dem Professor seine Taschen hinterhertragend, immer auf der Suche nach Beweisen und Belegen, um die sich die Mission des Alten drehte.

In Stettin waren seine Freunde, bei denen er sonntags in der Spinnstube saß und sich mit dem billigen Bier des Oderwirtes am Heumarkt den Nachmittag schön trank. Stettin, das waren die heimlichen Treffen in Scheunen, auf Dachböden und in Bierkellern mit Margareth, Kathrin, Agnes und all den anderen prallen Körpern, die sich nach seinem langen Degen sehnten und der Hoffnung, ein reicher Kaufmannssohn würde mehr von einer Magd wollen als pralle Brüste und feste Schenkel, als eine feuchte Möse und ein enges Hinterloch, in das Haribald besonders gerne mit Hilfe von feinstem Olivenöl eindrang. Stettin, die engen Gassen und das Haff, war seine Heimat, und alles, was Haribald gewollt hatte, war eine Ausbildung als Bierbrauer. Vier Mal bereits hatte Haribald das Werk des Doktor Knaust ‚Die Fünf Bücher von der göttlichen und edlen Gabe, der philosophisch hochwertigen und wunderbaren Kunst, Bier zu brauen' gelesen und verinnerlicht. Das Reinheitsgebot war sein Gesetzbuch; die Bahn der Gestirne interessierte ihn ebensowenig wie der andere Unsinn, mit dem ihn Professor Bechstein jeden Abend mästete.

„Hättest du besser auf das Pferd achtgegeben, könntest du jetzt neben mir sitzen.“

„Ja, Professor.“

„Na, eine Lehre für das nächste Mal.“

„Man vertraut eben keinem Mann mit eingeschlitztem Ohr sein Pferd an...“, murmelte Haribald leise.

„Man vertraut eben keinem Mann mit eingeschlitztem Ohr sein Pferd an...“, sagte Professor Bechstein und hob dabei den Zeigefinger. Ein Schmetterling fing seinen Blick, wurde jedoch abrupt abgelenkt durch ein langgestrecktes Heulen. Bechstein runzelte die Stirn, Haribald verlangsamte seinen Schritt und brachte die Kutsche rumpelnd zum Stehen.

„Hört Ihr, Professor? Ein Wolf!“

„Das ist unmöglich, weil viel zu früh, denn die Tiere sind, was sind sie, Haribald, was sind sie? Dämmerungsaktiv“, winkte der Professor ab und suchte nach dem verschwundenen Schmetterling. „Und jetzt weiter, Haribald, wir wollen am Nachmittag in Thale sein.“

Haribald nahm die Griffe ein wenig fester in die Hand, trat an und zog die einachsige Kutsche weiter über den schlammigen Weg durch den Wald. Das Grün der Bäume empfand der Junge als erdrückend, das Zwitschern der Vögel als bedrohlich. Marktschreier und enge Gassen waren ihm tausendmal lieber als Wolfsgeheul und Hohlwege. Ab und zu wich Haribald einem wassergefüllten Schlagloch aus, denn er kannte diese Löcher, in denen sich die Lichtstrahlen brachen, als heimtückisch knietief. Schatten am Wegesrand, Bruchholz und dahinter erwartete Haribald ganz sicher einen Räuber oder zwei, mit geschärften Schwertern, schweren Keulen und hässlichen, vernarbten Gesichtern.

Er starrte zu angestrengt auf den Weg zu seinen Füßen, um die zwei Männer hinter der nächsten Kurve rechtzeitig zu bemerken. Sie trugen braune Hemden und Hosen, die ihnen in Fetzen um den Körper hingen. Die Haare der Männer waren lang und zottig, die schweren Knüppel in ihren Händen sorgten für Eindruck.

„Brrr!“, machte Haribald unwillkürlich, rutschte über den Boden, blieb an einer Wurzel hängen und brachte stolpernd die Kutsche zum Stehen.

Die Männer schlugen mit den Knüppeln in ihre offenen Handflächen, der eine kaute auf etwas und spuckte einen braunen Strahl vor Haribald auf den Boden. Haribald wagte nicht einmal zu keuchen, nur die Vögel zwitscherten hämisch, als hätten sie es gewusst.

„Her“, sagte der erste Mann nur. Er war größer als der andere, dünner, und als er sprach öffnete sich hinter seinen Lippen eine dunkle Kalksteinhöhle, in die gelbbraune Stalagtiten und Stalagmiten ragten. Der andere Mann, um einiges dicker, genauso unrasiert und dreckig, kaute seelenruhig weiter.

„Was ist, Haribald, warum bleibst du stehen?“, fragte Bechstein, als würde er die Wegelagerer überhaupt nicht sehen. Haribald drehte sich mit weit aufgerissenen Augen um, wollte dem Alten sagen, ihr letztes Stündlein habe gerade geschlagen und anfangen, panisch zu schreien, als Bechstein zu lächeln begann.

„Ach, Ihr seid es“, sagte er. „Wie laufen die Geschäfte?“

„Geld, Fmuck und die Klamotten, aber fackig, ne“, sagte der Lange ungerührt.

„Euer letzter Überfall hat sich weit herumgesprochen, ich hatte schon Angst um Euch. Wie ist es Euch denn so ergangen?“, fragte Bechstein wieder mit fester Stimme. Haribald war kurz davor, schreiend die Flucht in den Wald zu ergreifen.

Der Dicke sah seinen Kompagnon von unten an.

„Du kennst den, Gebhard?“

Der Lange sah zum Dicken hinunter, doch bevor er etwas sagen konnte, klatschte Bechstein in die Hände. „Ich habe Euch ja bereits letzte Woche etwas für die freie Fahrt gezahlt, Gebhard, und hoffe, Ihr zwei habt das Geld gut verwendet.“

Jetzt runzelte der Lange die Stirn. Ein Stück Dreck fiel auf seine Nase.

„Welches Geld?“, fragte der Dicke.

„Na, das Geleitgeld für die Passage durch Euren Wald“, sagte Bechstein verwirrt. „Ihr habt es ihm doch gesagt, Gebhard, oder nicht?“

Der Lange räusperte sich und schien zu überlegen. In Haribalds Blick flackerte weiterhin Panik, der Professor hob die Hände, um seiner Ratlosigkeit Ausdruck zu verleihen. Ein Gedanke riss den langen Räuber aus der Überlegung.

„Und wenn ef fo if', ne, dann fahlft du halt nochmal, ne“, blaffte er. Der Dicke hob den Blick voller Misstrauen.

„Hast du mir schon wieder was unterschlagen?“

Der Lange legte den Kopf schief, biss die letzten zwei Zähne zusammen und starrte den Dicken verkniffen an. Seine Keule hing locker an seiner Seite.

„Hör fu, Ferdinand, du haft wieder diefen Ton, den ich nicht mag. Natürlich hab' ich dir nichtf vom Geld gegeben, weil ef gar kein... “

„Ich glaube es nicht. Natürlich, sagt er, natürlich habe ich dir nichts vom Geld gegeben. Hast du das gehört?“, sagte Ferdinand zu Haribald, der sich vergeblich an einem Lächeln versuchte. Der Lange packte den Dicken am Kragen und zog ihn zu sich heran. „Wirft du mich wohl aufreden...“

„Du kotzt mich an mit deinen Ausreden. Seit drei Monaten höre ich mir das jetzt an. Du hast den Braten essen müssen, weil er sonst schlecht geworden wäre, du hast den letzten Schluck Wein nur getrunken, weil man Kopfschmerzen davon kriegt, und die wärmere Decke ist angeblich viel zu kratzig!“, fauchte Ferdinand. „Und jetzt unterschlägst du mir auch noch Geld, du elender Lump.“

„Ich hab' daf Geld nicht unterflagen...“, fauchte Gebhard zurück und hob die Keule. Mit katzengleicher Wendigkeit, die sowohl Haribald als auch den Langen überraschte, drehte sich der Dicke um die eigene Achse und hieb dabei dem Langen die Faust in den Bauch. Als der zusammenklappte und sich sein Gesicht auf gleicher Höhe wie das des Dicken befand, holte dieser aus, um ihm ordentlich aufs Maul zu hauen, seine Faust landete jedoch in der reaktionsschnell erhobenen Hand seines Gefährten. Zwei Schläge: Faust traf Kinn, Keule traf Fuß, zwei Schreie, wütendes Fluchen. Anschließend ging die Klopperei los. Der Lange und der Dicke hieben mit Füßen, Fäusten und den Knüppeln aufeinander ein. Dazwischen beschimpften sie sich als Lügner, Betrüger, Räuber, Kameradenschwein und Abschaum.

„Haribald, trab an“, sagte Bechstein. Darauf hatte sein Assistent nur gewartet. Sie ließen das Räuberduo links liegen. Als sie um die nächste Biegung rollten, beruhigte sich endlich Haribalds Herzschlag.

„Wieviel habt Ihr ihm denn gezahlt, Herr Professor?“

„Nichts, mein Junge, natürlich nichts.“

„Ihr sagtet...“

„Schlagen sie nicht gleich zu, hat der Reisende eine Chance. Denn rhetorisch, mein Junge, sind diese Halunken uns immer unterlegen. Der Mensch ist einfach schrecklich naiv.“

Bechstein rieb zufrieden sein glattrasiertes Kinn, rückte die Brille zurecht und lehnte sich zurück. „Das Wort, mein lieber Haribald, ist stets mächtiger als das Schwert.“

Die nächsten Stunden begleitete sie das Zwitschern der Vögel und fleckiges Sonnenlicht, der Weg unterbrochen von einigen Lichtungen, manchmal lief ein Reh oder ein Wildschwein von Waldsaum zu Waldsaum. Schließlich wichen die Bäume zurück, und hinter einer Gruppe alter Eichen führte der Weg aus dem Wald. Links und rechts lagen im Sonnenlicht Felder, auf denen die Saat bereits eine Handbreit aufgegangen war. Der Weg führte leicht bergauf. Haribald geriet rasch ins Schwitzen, dann kamen Häuser in Sicht.

Ein kleiner, schmutziger Junge am Wegesrand sah die beiden, hüpfte vergnügt und lief nebenher.

„Warum ziehst du denn die Kutsche?“, wollte das Kind wissen. Haribald hatte keine Kraft mehr für ein Lächeln. Nach dem ersten Gehöft ließ er die Kutsche ausrollen, machte letzte Schritte und stand still.

„Ist das hier Thale?“, fragte Professor Bechstein. Der Junge mit dem schmutzigen Gesicht schien zu überlegen. Haribald fragte sich, ob das Dorf hier überhaupt einen Namen hatte.

„Mama!“, rief das Kind, machte auf der Stelle kehrt und rannte über die schlammige Straße in das nächste Haus. Ein paar Hühner flatterten umher, hinter einem Zaun stierte eine Kuh herüber. Drei oder vier Gehöfte lagen am Weg, dahinter klapperte eine Mühle an einem Bach, und erst dort, wo der Wald wieder dichter wurde, konnte Bechstein den Turm einer Kirche erkennen. Zwei weitere ärmliche Häuser scharten sich um den Platz davor.

Aus dem Haus, in dem der Junge verschwunden war, kam eine noch recht junge aber erschöpft aussehende Bauersfrau. Ihr zerrissenes Hemd stand halb offen und ließ die Ansätze runder, schwerer Brüste blitzen. „Was wollt Ihr denn?“, fragte sie. Haribald ertappte sich bei der Vorstellung, wie sie wohl ganz ohne Rock und Schürze aussah. Bechstein stieg ächzend von der Kutsche, Haribald streifte das Geschirr ab und ließ den Kutschkasten nach vorne kippen, streckte sich.

„Ist das hier Thale?“

„Bestimmt“, sagte die Frau. Sie schien Haribalds Blicke zu bemerken, doch statt das ehemals weiße Kattunhemd vor der Brust zusammen zu raffen, reckte sie ihren Oberkörper und vergrößerte so den Spalt. „Aber wollt bestimmt nicht hierher.“

Bechstein trat vor die Frau in der Tür. Der Junge versteckte sich hinter ihr und sah neugierig zum Professor hinauf.

„Habt Ihr vielleicht einen Schluck Bier hier für mein Pferd, pardon, meinen Assistenten und Schüler?“, fragte Bechstein, nachdem er sich umständlich und ausgiebig geräuspert hatte.

Die Bäuerin hob die Augenbrauen, schickte ihr Kind ins Haus und nickte in Haribalds Richtung. Dabei öffnete sich ihr Kleid noch weiter. Ihre Brüste waren mit dunklen Warzen besetzt. Haribald wurde der Mund trocken.

Über ihrem Kopf hing an der Tür ein Hufeisen, daneben waren mit Kreide drei Kreuze gemalt. Bechstein drehte sich zu Haribald um, auf seinem Gesicht lag ein breites Grinsen. Er winkt den Jungen mit dem Kopf heran.

„Hufeisen, mein Junge, ein Hufeisen.“

Haribald hob die Schultern, murmelte „Na und?“, und griff nach dem Bier, das ihm vom Kind in einem Tonbecher angeboten wurde. Die dralle Bäuerin stemmte die Hände in die Hüften.

„Nur Bier? Oder wolltet ihr mit Pferd vielleicht etwas Anderes über euren Schüler andeuten?“

Bechstein spürte, wie ihn die schlichte Direktheit, die primitive Sexualität der Bäurin in Verlegenheit brachte. Zudem roch sie geradezu nach der Mal Franzos, der gallischen Krankheit, die Menschen auffraß wie ein Lindwurm, der von innen kam.

„Ich bin sicher, dass mein Schüler über viele Qualitäten verfügt.“

Die Bäurin ließ eine Zungenspitze zwischen den blassroten Lippen blicken, musterte Haribald von oben bis unten und trat von einem Bein auf das andere.

„Die ihr mir sicher nicht so einfach überlasst, was? Was wollt ihr?“

Informationen. In einer solchen Gegend war Wissen schwer zu bekommen. Zum Glück waren sie vorbereitet. Es würde nicht das erste Mal sein, dass sie sich die Arbeit aufteilten. Ein Kopf und ein Körper. Haribald musste nur lernen, irgendwann einmal, wenn Bechstein zu alt für die Forschung war, selbst die Kopfarbeit zu übernehmen und einem anderen den Körpereinsatz zu überlassen.

„Ich höre?“, sagte die Frau. Unter ihrem Kleid schwangen die Brüste schwer hin und her.

„Wir möchten uns nur mit ihnen unterhalten.“

„Gut, das können wir dann ja hinterher machen.“

Die Frau packte Haribald am Ärmel und zog ihn ins Haus. Professor Bechstein blieb mit dem Kind an der Tür stehen und hoffte inständig, dass Haribald an den Tabaksbeutel dachte.

Die Stube war dunkel, verraucht, dreckig und schnell durchquert. Sie warf Haribald auf eine quietschende Bettstatt im hinteren Teil des Raumes. Ihre Brüste sprangen aus dem geöffneten Hemd. Ihre Finger öffneten zielstrebig seinem Hosenstall und packten seinen harten Schwanz.

„Pferd? Dein Professor hat nicht übertrieben, Jungchen.“

Ihr Mund stülpte sich über sein Gemächt. Gurgelnd und röchelnd stieß sie sich die Elle in den Hals, als wolle sie ihn verschlingen. Haribald ahnte, dass alles an dieser Frau groß und weit und tief sein würde. Ihr Schnaufen wurde atemloser, doch ehe Haribald die Besinnung verlieren konnte, wurde die Luft an seinem Schwanz kühl. Im Halbdunkel kroch sie an ihm hinauf, drückte ihn tief in die Bettstatt und raffte den Rock. Bevor sie sich mit seiner harten Elle pfählen konnte, drehte sich Haribald zur Seite. Seine Hand steckte längst in dem kleinen Tabaksbeutel, der ihm in den vergangenen Wochen ein treuer Begleiter geworden war und stets an einer Lederkordel an seiner Hose hing.

„Augenblick“, sagte er, holte aus dem Beutel etwas hervor, das eine wie mit Wachs bestrichene Hostie in der Größe eines Silbertalers aussah.