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Das Erbe meiner Mutter Teil 03

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Auf meine Bitte hin, das Private und Persönliche erst einmal hinten an zu stellen und mit mir Möglichkeiten der Optimierung des Laborbereichs durchzugehen meinte sie versonnen lächelnd: „Das ein oder andere würde mir schon einfallen, aber ich glaube nicht, dass diese Änderung im Betrieb gut ankäme."

„Wie meinst du das? Um was ginge es denn?", fragte ich erstaunt.

„Nun, du kennst doch unsere Barkasse? Oder warst du noch nicht in der Cafeteria um dir die dort erforderlichen Essens- und Getränkemarken an der Barkasse zu kaufen?"

„Doch, ich war schon in der Cafeteria. Aber immer mit Svenja oder mit Dr. Mars. Darum habe ich mich nie kümmern müssen. Erzähle, um was genau geht es?" Inzwischen war ich richtig neugierig geworden.

„Nun gut", begann Tante Lissy. „Vor ungefähr zwölf Jahren hatte ein damals achtzehnjähriger Junge, Michael Fuirer, einen schrecklichen Unfall. Der ‚Feuer Michl' - wie wir ihn hier alle nannten und auch noch nennen - war, wie sein Spitzname sagt, immer Feuer und Flamme für die Feuerwehr. Mit fünfzehn Jahren ging er zur örtlichen Feuerwehr und wurde dort auch aufgenommen und ausgebildet. Mit Achtzehn nahm er dann an einem Einsatz auf der Autobahn teil. Ein LKW mit Gefahrgut war umgekippt und er wurde mit der Absicherung der Fahrspur beauftragt. Trotz Warnweste und allen anderen Sicherungsmaßnahmen wurde er von einem viel zu schnell auf die Unfallstelle zufahrenden Auto erfasst. Er lag insgesamt über ein Jahr in verschiedenen Spezialkliniken und man musste ihm beide Unterschenkel amputieren. Er hat überlebt, aber seit dem läuft er auf Prothesen."

„Der Ärmste!", unterbrach ich Tante Lissy voller Empathie. „Und das in seinem Alter! Das ist ja wirklich schrecklich."

„Nun ja", fuhr sie fort. „Deine Mutter war gleicher Meinung und richtete die Barkasse im Vliesstoffwerk ein. Und der ‚Feuer Michl' erhielt auf diese Art und Weise eine Arbeitsstelle, die passgenau auf ihn zugeschnitten wurde. Dann gab deine Mutter noch die betriebsinterne Mitteilung heraus, dass alle Rechnungen für die dies möglich war, an eben jener Kasse bar bezahlt bzw. ausbezahlt werden sollten."

„Und das funktioniert nach wie vor?" fragte ich neugierig nach.

„Zum Großteil ja", antwortete Tante Lissy. „Von den Gebäudereinigern bis zum Schornsteinfeger, von den Metzgern bis zu den Bäckern welche für die Cafeteria anliefern, sie alle legen dem ‚Feuer Michl' ihre Rechnungen vor und erhalten diese beglichen."

„Aber das ist doch ein Anachronismus in unseren Zeiten der digitalen Bezahlung", wagte ich zu widersprechen.

„Mag' ja sein", erwiderte Tante Lissy. „Aber der Michl hat dadurch einen Arbeitsplatz. Und selbst ich gehe zu ihm. Chemikalien und Reagenzien, die ich in unserer Apotheke und in unserer Drogerie bestellen und kaufen kann, bezahle ich dort und lasse mir die Kosten gegen Vorlage der Kassenbelege vom ‚Michl' erstatten. Und ich möchte dich darum bitten, nichts daran zu ändern. Das würde niemand im Betrieb verstehen oder wollen. Du wärst moralisch sofort ausgestoßen, wenn du daran etwas ändern würdest solange der Michl noch nicht im Rentenalter ist."

„Also gut, das kann ich verstehen", gab ich dann zu. „Aber dann muss ich für meine Semesterarbeit eben auch noch beim ‚Feuer Michl' vorbeigehen und prüfen, inwiefern diese Barkasse auch meine Berechnungen und Bilanzierungen tangiert. Gibt es sonst noch Vorschläge, die du für mich hast?"

„Nun ja, ob das etwas für dich ist, kann ich nicht sagen. Aber wenn du Zeit hast, könntest du dem durchaus einmal nachgehen", antwortete Tante Lissy geheimnisvoll.

„Nun hast du mich aber neugierig gemacht." Ich grinste meine Gegenüber an. „Erzähl' schon!"

„Also gut", begann sie. „Zweimal im Jahr kommt im Labor und in der Produktion ein Sondermüllentsorger und fährt den angefallenen Sondermüll und die Laborrückstände nach S-Dorf in die Müllverbrennungsanlage.

Von einer Bürotante habe ich aber erfahren, dass angeblich wöchentlich ein Sondermülltransport mit italienischem Kennzeichen dieses Material nach Italien zur Entsorgung fährt, sie hätte diesbezügliche Rechnungen schon des Öfteren gesehen. Um diese würde sich aber immer Frau Dr. Mars kümmern. Und ich muss auch bestätigen, dass ich in all den Jahren noch nie einen wöchentlichen Sondermülltransport mit einem italienischen Kennzeichen hier bei uns auf dem Firmengelände gesehen habe."

Und nach einer kurzen Pause fuhr sie fort: „So, nun mach' was draus! Ich werde dir aber auf keinen Fall sagen, wer mein Kontakt in die Verwaltung ist. Und ganz davon abgesehen, so viel Ausschuss produzieren wir gar nicht, dass eine wöchentliche Entsorgung erforderlich wäre."

Nachdenklich und schweigend ging ich aus dem Labor, nachdem wir noch verabredet hatten, dass ich zusammen mit Frank am zweiten Weihnachtsfeiertag nachmittags noch bei Tante Lissy zuhause zum Quatschen bei Glühwein und Plätzchen vorbeikommen würde.

--

Mit großem Interesse ließ ich mir bei Michael Fuirer das Kassenbuch der Barkasse zeigen. Doch es waren so viele Einträge, dass ich mir die dieses Jahr betreffenden Seiten kopieren lies.

Anschließend ging ich in die Buchhaltung und fragte nach allen Rechnungen für Müll- und Sondermüllentsorgung für dieses Jahr und ließ mir auch diese kopieren. Tatsächlich waren neben den Rechnungen für die beiden Entsorgungen in der Müllverbrennung in S-Dorf auch eine Vielzahl an Rechnungen für die Sondermüllentsorgung in Italien vorhanden. Ich ging in mein Büro um diese Unterlagen zu sichten und zu bewerten.

So verging der Nachmittag und ich machte zwei erstaunliche Feststellungen. In der Barkasse gab es nur Auszahlungen, die einzigen Einzahlungen - neben den kleineren Beträgen für Essens- und Getränkemarken - waren immer deklariert mit dem Vermerk ‚Bargeldeinlage gemäß Vorgabe von Dr. Mars'. Und die Summe der Einzahlungen in die Barkasse stimmte bis auf den Cent genau mit der Summe aller Rechnungen an die italienische Entsorgungsfirma überein. Was sollte dies bedeuten? War das einfach nur ein Zufall oder steckte hier ein System dahinter?

Ich beschloss, am nächsten Morgen alle Firmenkonten durchzusehen ob es Abbuchungen oder Auszahlungen in Höhe der eingezahlten Beträge in die Barkasse geben würde. Irgendwie musste ich einen in mir aufkommenden Verdacht entweder erhärten oder entkräften. Einfach alles so zu akzeptieren war für mich keine Alternative. Mit allen Kopien des heutigen Tages in meinem Aktenkoffer ging ich beunruhigt und tief in Gedanken versunken nachhause.

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Anscheinend war meine geistige Abwesenheit aber zu auffällig. Frank fragte mich sofort nach meinem Eintreffen, ob mir eine Laus über die Leber gelaufen wäre. Ich bat ihn, bis nach dem Abendessen zu warten, dann würde ich ihm alles erzählen.

Als wir uns etwas später an den Wohnzimmertisch setzten hatte ich meinen Aktenkoffer mitgebracht und legte Frank alle Kopien vor. Langsam und verständlich erklärte ich worauf er achten sollte, danach ließ ich ihn in Ruhe die Unterlagen durchsehen und holte mir ein Glas Wein.

Schließlich holte Frank sich meinen Laptop und startete Google Earth. Dann gab er die auf den Rechnungen der italienischen Entsorgungsfirma aufgedruckte Firmenadresse ein. Als Ergebnis zeigte uns der Bildschirm die Satellitenaufnahme einer wunderschönen Villa in den Bergen nahe Varenna am Lago di Como in Norditalien, eingerahmt von Wiesen und einigen Bäumen. Als ich dies sah flüsterte ich vor Anspannung nur: „Das sieht mir nicht wie ein Entsorgungsbetrieb aus."

„Vielleicht ist das auch nur das Büro der Firma und der Betrieb liegt ganz wo anders", erwiderte Frank.

Nach einiger Zeit stand er jedoch wortlos auf und ging zum Barschrank. Dort schenkte er sich einen Whisky aus der Flasche ein, welche wir in Nürnberg auf dem Weihnachtsmarkt erstanden hatten. „Gehe ich Recht in der Annahme, dass Kassenbuch und Bestand in der Kasse korrekt übereinstimmen", fragte er nachdem er sich wieder gesetzt hatte. Ich nickte nur wortlos mit dem Kopf.

„Dann", so fuhr Frank plötzlich und nachdrücklich fort, „gibt es nur zwei mögliche Erklärungen. Möglichkeit eins ist, du findest morgen in den Kontoauszügen der Firmen-Geschäftskonten die in die Barkasse eingezahlten Beträge als Bar-Auszahlungen bzw. Bar-Abhebungen wieder vor."

„Das würde ich mir sehnlichst wünschen", unterbrach ich mit einem tiefen Seufzer. „Denn Möglichkeit zwei möchte ich mir eigentlich gar nicht vorstellen."

„Möglichkeit zwei", fuhr Frank ungerührt fort, „ist eine Kombination aus Geldwäsche und vielleicht auch Steuerbetrug. Dr. Mars oder jemand in ihrer unmittelbaren Umgebung erhielt von irgendjemandem Geld aus dubiosen Quellen und zahlte dieses in die Barkasse ein. Und mithilfe von getürkten Rechnungen zahlte sie dieses Geld, gewaschen im Vliesstoffwerk, wieder aus. Und wenn dann in dieser Villa in Varenna auch noch eine Anwaltskanzlei residiert, dann schützt das Anwaltsgeheimnis vor allen weiteren Rückfragen durch die Steuerbehörden. Dort endet somit jede Spur."

„Wie könnten wir also erfahren, wer dort wohnt?" stellte ich die rhetorische Frage. „Nachfragen in der Gewerbekammer oder im dortigen Rathaus? Dann gehen sofort alle Alarmglocken los. Da müsste uns etwas Besseres einfallen."

„Über welche Summen sprechen wir eigentlich?", unterbrach Frank plötzlich meinen Gedankengang.

Ich warf rasch einen Blick in die kopierten Unterlagen und zählte im Kopf zusammen: „Überschlägig komme ich auf eine hohe fünfstellige Summe, und das nur für dieses Jahr."

„Genau das ist der Punkt", setzte Frank an. „Wer so einen Aufwand betreibt, der handelt nicht mit Peanuts. Versuche morgen zu klären, wie viele Jahre dieses System bereits zurückreicht. Oder nein", er verbesserte sich. „Mach' das nicht morgen. Besser du suchst erst am ersten oder zweiten Weihnachtsfeiertag danach. Niemandem darf in der Firma etwas auffallen. Könnte sein, dass man uns sonst zum Abschuss freigibt. Denn inzwischen zweifle ich sogar den Selbstmord von deiner Mutter an. Wenn etwas so groß aufgezogen wird, dann stecken da starke Interessen dahinter."

Erschrocken blickte ich ihn an. „Du meinst, jemand hat Mutter umgebracht? Aber weswegen?" Mein Blick wurde nachdenklich. Die Polizei hatte damals erwähnt, dass im Mundraum der Leiche meiner Mutter Splitter einer zerbissenen Giftkapsel gefunden wurden. Wer läuft denn einfach so mal' mit einer Giftkapsel herum? Allmählich verstand ich, worauf Frank hinaus wollte. „Wie können wir am besten da wieder herauskommen?" stellte ich schließlich die entscheidende Frage.

„Als erstes brauchen wir mehr Beweise", fuhr Frank ungerührt fort. „Wie viele Jahre reicht dieses System schon zurück? Und von welchen Beträgen sprechen wir in diesem Zeitraum?"

„Ist das denn so wichtig!" explodierte ich schließlich doch lautstark.

„Beruhige dich, mein Schatz." Frank nahm mich in seine Arme und strich mir zärtlich über meinen Kopf. „Das ist selbstverständlich wichtig. Je mehr die Gegenseite zu verlieren hat, desto höher sitzen diese Herren. Und desto härter können sie gegen etwaige Mitwissende zurückschlagen. Auf gut deutsch: ich will wissen, ob wir es hier nur mit Straßengangstern zu tun haben oder vielleicht doch mit der Mafia. Oder anders ausgedrückt: Wie sicher sind wir, wenn wir mit den Kopien als Lebensversicherung zurück nach Dänemark fliehen?"

„Also gut", langsam beruhigte ich mich wieder. „Ich versuche in den beiden Weihnachtsfeiertagen herauszufinden, wie viele Jahre das bereits so geht. Ich kopiere alle Rechnungen der italienischen Entsorgungsfirma, ebenso das Kassenbuch der Bargeldkasse für die letzten zehn Jahre." Nachdenklich hypnotisierte ich für ein bis zwei Minuten unseren Christbaum. „Vielleicht sollte man einen guten und italienisch sprechenden Privatdetektiv nach Varenna schicken? Und was machen wir mit Frau Dr. Elvira Mars?" Langsam und deutlich betont sprach ich jede Silbe des Namens aus. Wenn Flucht keine sichere Lösung für uns sein würde, dann mussten wir eben noch tiefer graben um noch mehr herauszufinden.

Obwohl, noch hatten wir die Möglichkeit, noch konnten wir die Kopien einfach verbrennen und so tun als wäre nie etwas geschehen. Aber war das eine Lösung?

12

Gleichmäßig dröhnte der Motor als wir am achtundzwanzigsten Dezember über die Autobahn wieder nachhause fuhren. Frank saß am Steuer, ich würde wieder ab Raststätte Wolfslake übernehmen.

Am Tag vor unserer Abreise hatten wir in Nürnberg noch einen Termin in einer renommierten Detektei, mit welcher wir vereinbarten, dass sie einen Ihrer Mitarbeiter nach Varenna schicken würden um weitere Details über die Villa in den Bergen herauszufinden. Dies könnte jedoch bis zu zwei Wochen dauern, da momentan nur Skifahrer als unauffällige Fremde wahrgenommen würden; die Hotels vor Ort wären jedoch alle bis nach Neujahr ausgebucht. Vereinbart wurde, dass sie ihren Bericht postalisch zu uns nach Nysted senden würden. Und bevor wir gingen wurden wir gebeten, eine gewisse Anzahlung zu leisten, was Frank auch umgehend per Online-Überweisung erledigte.

Ich nutzte die Zeit während Frank fuhr um zusammenzufassen, was ich in den letzten Tagen bezüglich der vermutlichen Geldwäsche im Vliesstoffwerk herausgefunden hatte. „Insgesamt läuft dieses System bereits seit acht Jahren", begann ich. „Zusammengezählt wurden in dieser Zeit nahezu fünfhunderttausend Euro in die Bargeldkasse eingezahlt und mittels fingierter Rechnungen aus Italien wieder ausbezahlt. Ich habe alle Kassenbücher sowie alle Rechnungen von dieser ominösen Entsorgungsfirma in Italien kopiert und mitgenommen."

„Und jetzt die Frage aller Fragen", setzte Frank an: „Wer war das?"

„Nach bisherigen Vermutungen Frau Dr. Mars oder eine Person in ihrer unmittelbaren Nähe", erwiderte ich. „Aber was ist mit Mama? Gehörte die auch zu dieser Gruppe? Schließlich hatte sie die Bargeldkasse ins Leben gerufen."

„Nun", begann Frank nach kurzer Denkpause. „Wenn die Bargeldkasse einfach gekapert wurde kann sie auch Opfer sein. Sie hatte alles herausgefunden und musste dafür sterben. Dann wäre ihr Tod aber kein Selbstmord mehr. Und die Giftkapsel wäre die letzte Gnade gewesen, so dass sie ihre Verbrennung nicht lebend über sich ergehen lassen musste."

„Oder sie war Mittäterin", ergänzte ich. „Und hat dem moralischen Druck nicht mehr standgehalten. Dann wäre ihr Tod wiederum Suizid gewesen. Dafür sprächen auch die drei Abschiedsbriefe in ihrem Büro und in unseren beiden Nachttischschubladen."

Und nach einer Denkpause von über fünf Minuten setzte Frank wieder an: „Spielt das letztendlich eine Rolle? Schlussendlich geht es doch darum wie wir jetzt reagieren."

„Dafür gibt es zwei Möglichkeiten", erwiderte ich. „Möglichkeit eins, wir informieren die Steuerfahndung und lassen alles auffliegen. Möglichkeit zwei, wir mieten uns ein Schließfach in einer dänischen Bank, deponieren die Kopien dort als unsere Lebensversicherung und tun so als würden wir von nichts wissen."

„Möglichkeit eins", antwortete Frank nach kurzem Nachdenken, „würde aber bedeuten, dass du - wenn du mit Fünfundzwanzig dein Erbe antrittst - womöglich nichts mehr zum Erben hast. Steuerfahndung, Staatsanwaltschaft und Insolvenzverwaltung hätten bis dahin vielleicht alles liquidiert. Und Möglichkeit zwei hat aufgrund Ausblendens der Fakten nur eine aufschiebende Wirkung. Wenn du mit Fünfundzwanzig dann Mitaktionärin und Miteigentümerin bist, wirst du dich dennoch des Problems annehmen müssen."

Und so diskutierten wir weiter und merkten gar nicht, dass die Raststätte Wolfslake schon lange hinter uns und der Fährhafen von Puttgarden plötzlich vor uns lag. Wir erreichten sogar eine Fähre früher nach Rødbyhavn als von uns geplant. Somit verkürzte sich unsere Reisedauer um nahezu drei Stunden.

--

Als wir zuhause in Nysted ankamen lud Frank die Koffer aus und ich brachte die Kühltasche mit den restlichen Lebensmittels in die Küche um diese in den Kühlschrank zu legen.

Ich betrat die Küche und mir fiel ein großer weißer Umschlag auf dem Küchentisch auf. Als nächstes bemerkte ich einen spiegelnden dunklen Schatten in der Glasscheibe zum Wintergarten hin. Erschrocken drehte ich mich um und sah plötzlich vor mir eine total schwarz vermummte Gestalt. Als ich schreien wollte erhielt ich von dieser einen harten Stoß gegen den Brustkorb und stürzte schwungvoll gegen den Küchentisch. Schmerz zuckte durch meinen Kopf, vor meinen Augen verschwamm alles, ich konnte nicht mehr atmen. Dann wurde alles dunkel um mich herum.

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Helligkeit umgab mich als ich durch ein monotones und gleichmäßiges Piepsen aufwachte. Ich spürte eine Hand, die meine hielt. Vorsichtig wollte ich meinen Kopf anheben um zu sehen wer dies war. Ein schmerzhafter Stich zuckte durch meinen Kopf und ich brach mein Vorhaben leicht stöhnend ab. Da hörte ich die Stimme meines Vaters, nein, ich hörte die Stimme meines Schatzes und Liebhaber Franks: „Hallo meine Kleine, wie geht es dir?"

Vorsichtig fokussierte ich meine Augen auf ihn und begann zu lächeln. „Alles gut, mein Schatz", murmelte ich mit belegter Stimme. „Nur ein bisschen Kopfschmerzen. Was ist passiert?"

„An was kannst du dich erinnern", fragte Frank mit besorgter Stimme nach.

Kurz musste ich nachdenken. „Ich weiss, dass wir zurück nachhause kamen. Ich habe die Lebensmittel in die Küche gebracht. Dort hat mich eine schwarze Gestalt überfallen." Ich brach erschöpft ab und blickte zu den Geräten neben mir, die hektisch zu blinken und zu piepsen begannen. Es dauerte nicht lange und eine Krankenschwester erschien um nach mir zu sehen.

„Es ist alles gut", beruhigte Frank die in mein Zimmer gestürmte Pflegerin. „Meine Frau ist eben aufgewacht und hat mich erkannt. Es ist die Freude, wissen Sie?"

Lächelnd stellte sie die roten Warnlämpchen ab. „Es ist schön, dass du wach bist", sprach sie mich an. „Geht es dir gut? Brauchst du etwas?"

„Etwas zu trinken wäre nicht schlecht", erwiderte ich mit kratziger Stimme. „Und vielleicht eine Kopfschmerztablette." Kurz darauf erhielt ich beides. Lächelnd erklärte die Pflegerin: „Du hast einen ganz lieben Mann. Wir mussten ihn zwingen ab und an nachhause zu fahren um auszuschlafen und auch einmal an sich selbst zu denken. Die meiste Zeit saß er hier, erzählte leise und hielt deine Hand." „Ja, mein Mann ist etwas ganz Besonderes", erwiderte ich lächelnd und zweideutig. Leise verlies die Pflegerin das Zimmer ohne den Sinn meiner Aussage voll zu verstehen.

„Wo wurden wir unterbrochen?" wandte ich mich wieder an Frank. „Ach, ja. Diese schwarze Gestalt stieß mich gegen den Tisch, und dann gingen bei mir die Lichter aus", meinte ich flapsig und lächelte. „Was passierte dann?"

„Als ich die Koffer ins Haus trug wurde ich von dieser schwarzen Gestalt umgerannt", begann Frank. Ich rappelte mich auf und ging in die Küche. Dort sah ich dich liegen, eine kleine Blutlache bildete sich neben deinem Kopf. Ich rief den Notarzt und dieser brachte dich in das Krankenhaus. Seit dem lagst du im Koma und ich machte mir große Sorgen um dich. Ich blieb die meiste Zeit hier bei dir, nur zum Duschen und Umziehen ging ich nachhause. Das ist jetzt vier Tage her. Heute ist übrigens der erste Januar. Wir leben also schon im neuen Jahr."

Diese Informationen musste ich erst einmal verkraften. Still lag ich im Bett und überlegte. Schließlich sprach ich Frank an: „Was denkst du, wann kann ich nachhause? Schließlich geht doch auch nächste Woche mein Studium weiter."

Frank klingelte nach der Schwester. Als diese den Raum betrat fragte er sie, wann ich das Krankenhaus verlassen könnte. Diese meinte, dass dies am Folgetag nach der Visite durch den Stationsarzt festgelegt werden könnte. Damit mussten wir uns erst einmal zufrieden geben.

Als die Schwester hinausgegangen war fiel mir plötzlich wieder etwas ein. „Was ist eigentlich mit diesem weißen Briefumschlag, der auf dem Küchentisch lag? Hast du den auch gesehen?"