Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Alle Kommentare zu 'Ecce Homo'

von Andy43

Filtern nach:
  • 4 Kommentare
KillozapKillozapvor fast 11 Jahren
Hoffentlich schaffe es diesmal ...

den Kommentar auch wirklich abzusetzen ...

Die Geschichte ist wirklich gut geschrieben, sie vermittelt recht gut die Gefühle des Protagonisten, am Ende bleibt alles offen da noch nicht alles gesagt ist, es könnte also ein Happy End geben...

Ich habe nur eine Frage: Für mich sind in der Geschichte zu viele Semikolons. Der größte Teil der Semikolons könnte durch Kommas ersetzt werden, bei einem würde ich persönlich einen Doppelpunkt machen.

Nun setze ich Zeichen immer aus dem Bauch und nutze Semikolons gar nicht, außer ich schreibe PHP- oder C- Code :)

Welchen Sinn haben die Semikolons hier und besteht die Chance, dass viele andere Leser sie korrekt deuten?

Grüße

Killozap

Andy43Andy43vor fast 11 JahrenAutor
@ Killozap

Es freut mich, dass du zu dem Ergebnis gelangst, die Story sei 'gut geschrieben'; stecken doch mehrere Monate Arbeit in dem Text.

Der Text ist von der Überschrift, bis zum letzten Satzzeichen nicht nur in seiner inhaltlichen Aussage 'formal' durchkonstruiert. ('Ecce homo' - der Ausspruch des Pontius Pilatus vor dem Volk nach der Geißelung - wird in der nachfolgenden Historie immer wieder aufgegriffen: Nietzsche verwendet den Ausspruch für ein Gedicht, die Homosexuellenbewegung verwendet den Auspruch ebenso.)

Dass es in diesem Text um das Verhältnis zwischen formalisierter Tradition (u. a. Codex iuris Canonici) und Moderne (gesellschaftlichen Wandel) geht, dürfte klar sein.

Ebenso ist der Text in seinem strukturellen Aufbau (Syntax) formalisiert. Du bist also mit dem, was dir an dem Text aufgefallen ist und in deiner Frage mündet, sehr nahe dran. Die Schrift kommt ohne eine Syntax nicht aus, ebenso ist es bei einer Maschinensprache, Assembler, C, PHP. Ich möchte dir ans Herz legen, beim Schreiben von Texten, Satzzeichen nicht mehr aus dem Bauch heraus zu setzen, sondern ebenso zwingend logisch vorzugehen, wie du es bei PHP machst.

Satzzeichen, wie Punkt, Kommata oder Semikolon, übernehmen allerdings eine andere Funktion, wie es bei einer Maschinensprache der Fall ist. Schau mal bei Wiki unter derm Stichwort 'Semikolon' nach.

Nun konkret zu deiner Frage in Bezug auf den vorliegenden Text:

Der Prota befindet sich morgens im Chorgestühl bei der Laudes (dem morgendlichen Stundengebet, mit dem der Tag eröffent wird.) Es werden Psalmen rezitiert. An einer Stelle heißt es: "Ich rezitiere 'Verse' wie automatisch". Verse werden in ein 'Versmaß' eingebunden. Das Semikolon fungiert (in seiner Funktion) als eine 'Zäsur' - von dort (rezitierter Psalm) - auf den vorliegenden Text übertragen. Zum anderen stellt das Smikolon an einigen Textstellen (mindestens) zwei gleichwertige Wortgruppen (und damit den Kern einer Aussage) als gleichwertig gegenüber. Ein Kommata wäre zu schwach, ein Punkt zu stark. Auf einen Doppelpunkt müsste ein zusammenfassendes 'Ergebnis', ein Faktum erfolgen. Genau das will ich (dem Leser) nicht anbieten. Genauso wie ein konkretes Ende der Geschichte. (Wie sich Tradition und Moderne zukünftig annähern, kann niemand wissen, oder vielleicht doch? Was müssen wir glauben; was können wir wissen? - das ist der 'Konflikt' in all seinen gesellschaftlichen Auswirkungen, der hier durchklingt.)

Ein Textbeispiel für die o. g. Verwendung (dem Sinn) des Semikolon:

"Es ist unser drittes Jahr. Noch braucht die Sonne eine Weile bis sie aufgeht; dem Glas der gothischen Fenster allerlei Farben entlockt und die blässlich müden, entrückten Gesichter erleuchtet; sie ins Leben zurück holt, sie erweckt, wie mich. Am Ende dieser halben Stunde wird es sich zeigen, jenes Licht der Erkenntnis mich anrühren, während wir den Chorraum verlassen. Endgültig.

Hier will jemand eine 'endgültige' Entscheidung treffen, die er jedoch, egal, wie die Entscheidung ausfallen wird, relativiert, relativieren muss. "Drei Jahre": 3x365 Tage Chorgesang: Formalisierter Tagesablauf, der mit der Laudes am Morgen, während des Sonnenaufganges beginnt, aber in jenem Moment noch nicht begonnen hat. Nun kommt seine Erwartungshaltung: Licht aufgehen, Farben entlockt, goth-tische Fenster (das ist kein Schreibfehler. Richtig müsste es ja heißen: Gotische Fenster. Zum einen ist das ein Hinweis auf das 'dunkle' Mittelalter, zum anderen..., na, ich denke, du kommst selbst darauf..., mit 'h' geschrieben; dunkler Habitus, blasse, entrückte Gesichter - Tod und Vergänglichkeit als 'Thema'.) Und dann folgt der durch ein Semikolon getrennte, als 'gleichwertig' gegenüber gestellte Satz: "sie ins Leben zurück holt, erweckt, wie mich."

Tod - Vergänglichkeit ( was im dunklen liegt) und Leben - Licht der Erkenntnis, stehen sich hier zwar gegenüber, korrespondieren aber (inhaltlich) gleichwertig miteinander.

Ein dort gesetzes Kommata würde dieses Verhältnis abschwächen. Ein Punkt sie voneinander trennen. Ein Smlikolon beschreibt dieses Verhältnis gleich einer Waage, die nach keiner Seite ausschlägt und somit die 'Ausweglosigkeit' des Protagonisten darstellt, eine 'endgültige' Entscheidung für sich e r z w i n g e n zu müssen (die Waage ausschlagen zu lassen) und das, innerhalb einer 'halben Stunde' (er hatte doch mehr als 1ooo Tage zeit?) Dieses 'Endgültig' am Schluss des Absatzes (Strophe), wird ein lebenslanger Wunsch bleiben und sich erst mit demTod auflösen.

Hier geht es also um die Entscheidung, für einen weiteren Lebensweg, den es gut abzuwägen gilt. Denn auch die Zukunft liegt mehr oder weniger 'im Dunklen'. Es gibt also in dieser Geschichte kein 'Auflösung'. Damit will ich den Leser zum Nachdenken anregen. Das Semikolon ist hier das Zünglein an der Waage (im übertragenen Sinne).

Ich hoffe, es ist deutlich geworden, was ein Semikolon so alles 'anrichten kann' (*schmunzel*), wenn man es nicht aus dem Bauch heraus setzt, wie alle anderen Satzzeichen auch. (Was würde geschen, wenn du bei PHP das Semikolon aus dem Bauch heraus setzen würdest?)

Danke für deine Frage, zeigt es mir doch, dass du dich - ebenso wie ich - mit Texten beschäftigst, Auffälligkeiten entdeckst und nicht flüchtig darüber liest.

Liebe Grüße.

Andy

AnonymousAnonymvor fast 11 Jahren
Semantik oder Grammatik?

Moinmoin,

lange her, hier einenText hier gelesen zu haben, der der tieferen Betrachtung wert ist.

Glückwunsch!

In vielen Details eine engagierte Leistung, in vielen Details leider auch eine zweifelhafte Leistung. Gerade die Miniaturdiskussion um das Semikolon an sich und in einem ganz bestimmten Fall - wo Du, werter Autor, Deine Handhabung nicht nur verteidigst, sondern sie auch begründest - führt jedoch aus meiner Sicht in die Irre. Schade, an der Stelle hätte ich Dir die Autonomie gewünscht zu sagen: "Mein Ding, akzeptiert es oder lasst es bleiben". Deine Begründung klappt nämlich nicht... Egal, der Glückwunsch oben war ernst gemeint.

Die tiefere Betrachtung will ich aber nicht angehen. Nach verdammt harter Klosterschulzeit werde ich mich nicht mehr mit solchen Themen ohne innere Notwendigkeit auseinandersetzen - zu lesen, was andere Menschen dazu denken, ist etwas machbarer für mich...

Dir den Mut wünschend, weiterhin Texte an Orten zu veröffentlichen, die dafür eher ungeeigent sind verbleibe ich mit Grüßen als unerkannter Leser.

PS - Die lange Bearbeitungszeit hat dem Text vermutlich Struktur und Komposition gebracht - aber ihn wohl auch Spritzigkeit und Verve einbüßen lassen. Verfügst Du über frühere Fassungen zum Vergleich?

rosettenfreakrosettenfreakvor fast 11 Jahren
Konflikt zwischen Weltlichkeit und Askese

Ich kenne diese Story bereits aus einem anderen Forum, aber sie beeindruckt mich auch beim erneuten lesen.

Ein Kommentator hat es schwer, wenn ein Autor selbst seine Story erklärt, wie "Andy43" es hier getan hat. *lach*

Sicher ist es es auch ein Konflikt zwischen Tradition und Moderne, wie "Andy43" hier in nem Eigenkommentar sagt, aber für mich liegt der wirklich interessante Schwerpunkt der Story woanders, und zwar auf der individuellen Ebene: Die männliche HP ist fasziniert von Magdalena (Melanie).

Desweiteren spricht "Andy43" einige existentielle Fragen an: Was kann ich glauben? Was kann ich wissen?

"Selbstaufgabe ist keine Demut. Sie ist Überheblichkeit."

Dieses Zitat mag als Fingerzeig genügen, wohin bei "Ecce Homo" die Reise geht.

Die Story ist exezellent komponiert, und sprachlich virtuos, wie von "Andy43" gewohnt.

lg

LIT-RANICKI "Rosi" (Johannes)

Anonymous
Our Comments Policy is available in the Lit FAQ
Posten als:
Anonym