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Krieg und Liebe - Atlantikwetter

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„Im Ort ist ein amerikanisches Kriegsschiff eingelaufen und hat einen Suchtrupp aus amerikanischen und frei-französischen Soldaten an Land geschickt, die hier einen deutschen U-Boot-Standort ausfindig machen sollen." Sie holte tief Luft. „Ich brauche eine ehrliche Antwort von Dir, damit ich weiß, wie ich Dich gegebenenfalls schützen kann." Sie ging einen Schritt auf Thomas zu und ergriff seine rechte Hand. „Ich liebe Dich und werde alles für Dich tun."

Thomas dachte ein paar Sekunden nach, dann antwortete er leise. „Ja. Auch wenn Georg und ich wirklich im Dienst des Wetterdienstes des französischen Staates stehen."

„Haben wir hier am Leuchtturm irgendetwas Verräterisches, dass Euch gegebenenfalls entlarven könnte?"

„Der Kurzwellensender. Ist ein deutsches Fabrikat."

„Dann sofort weg damit. Im Leuchtturm ist auf halber Höhe eine Stauraumkammer. Die findet niemand, der sie nicht kennt. Bring den Sender sofort dorthin."

Thomas gehorchte umgehend. Und das keinen Augenblick zu früh. Direkt nach Mittag stand ein Suchtrupp aus zwei amerikanischen und zwei frei-französischen Soldaten vor dem Leuchtturmhaus und stellten Fragen, ob das Leuchtturmwärterehepaar in den letzten Monaten irgendeine verdächtige Bewegung eines Seefahrzeugs oder von unbekannten Uniformträgern registriert hätten. Madeleines und Thomas Antworten kamen im flüssigen Französisch, was einen der beiden Franzosen dazu brachte, Thomas direkt anzusprechen. „Sind Sie Lothringer?"

Thomas schüttelte sich kurz und schaute ihn verblüfft an. „Hört man das immer noch?"

„Ja", grinste der Soldat. „Wenn man selbst von dort kommt, hört man diesen vertrauten Tonfall. Ich komme aus Amnéville, auf halbem Weg zwischen Metz und Thionville. Und Sie?"

„Direkt aus Metz. Mitten in der Stadt."

„Und was hat Sie ausgerechnet auf diese gottverlassene Insel am Ende der Welt geführt?"

Thomas blieb einen Augenblick stumm und überlegte.

„Ich", antwortete Madeleine an seiner Stelle. „Wir haben uns in Paris kennengelernt und ich habe ihn so verführt, dass er mir in meine Heimat gefolgt ist. Gottseidank bevor die Deutschen einmarschiert sind." Dabei lachte sie herzhaft, so dass der französische Soldat und Thomas in ihr Lachen mit einfielen.

„Der beste Grund, den ich mir vorstellen kann", freute sich der Soldat und reichte Thomas die Hand. „Es ist schön, an diesem hinteren Ende der Welt einen Lothringer zu treffen. Ich hoffe, wir befreien irgendwann unsere Heimat und ich kann nach Hause zurückkehren."

Damit war der Besuch der Soldaten am Leuchtturm beendet. Aufgrund des diesig-nebligen Wetters verspürte niemand das Verlangen, den Leuchtturm über die enge Wendeltreppe zu besteigen. Die Soldaten marschierten Richtung Südosten entlang der Küstenlinie weiter.

Als sie außer Sichtweitewaren, nahm Thomas seine Geliebte in den Arm und gab ihr den längsten Kuss seines und ihres Lebens. Sie brauchten sich nichts zu sagen, sie liebten sich. Das reichte Madeleine vorläufig aus.

Mitte März steigerte sich die Nervosität des Obergefreiten Thomas Langlois und des Unteroffiziers Georg Planter fast ins Unermessliche. „Hat das OKM unsere Meldung über die fehlende Notwendigkeit, eine Ablösung für uns zu schicken, erhalten? Und haben die unseren Vorschlag angenommen?" Diesen Punkt hatten die beiden Wettersoldaten bei ihren sonntäglichen Begegnungen wochenlang diskutiert und waren übereingekommen, dass sie ihre täglich zweimaligen Wettermeldungen weiterhin diszipliniert absetzen würden, um keinen Verdacht zu erregen. Thomas hatte Madeleine mittlerweile die volle Wahrheit erzählt, die diese noch nicht einmal mit ihrer Mutter geteilt hatte. Dafür hatte sie seit Ende Februar fast täglich mit Thomas das sehr ernste Frage- und Antwortspiel „Was wäre, wenn?" gespielt. Sie hatten eigentlich keine richtige Lösung gefunden, nur dass sie sich beide bei rechtzeitiger Entdeckung eines aufgetauchten U-Bootes am Fuße des Leuchtturms in Richtung Ortschaft absetzen würden.

Aber der Stichtag der ursprünglich vereinbarten Ablösung verstrich ereignislos und auch in den darauffolgenden Tagen ließ sich kein U-Boot am ‚Pointe au Cheval' blicken. Dem OKM reichten anscheinend die Wettermeldung vollkommen aus, die Versorgungslage und Lebensumstände der beiden vor dem amerikanischen Kontinent abgesetzten Wettersoldaten interessierte augenscheinlich nicht besonders. Thomas Langlois und Georg Planter sollten erst in den fünfziger Jahren durch entsprechende Dokumentar-Veröffentlichungen über das Schicksal der deutschen U-Boot-Flotte erfahren, dass in der Tat im März 1942 unweit von St. Pierre ein deutsches U-Boot von amerikanischen Zerstörern gerammt und versenkt worden war. Ob dieses U-Boot auf dem Weg zu ihrem Standort gewesen war, konnten sie nie klären.

Frühjahr und Sommer 1942 vergingen in ruhiger und ungetrübter Atmosphäre auf Miquelon. Zwar hatte die Inselbevölkerung bei einer Volksbefragung mit mehr als 98% entschieden, zu Charles de Gaulles Freiem Frankreich gehören zu wollen. Die Frei-Französischen Truppen unter General de Gaulle rekrutierten aber in den zu ihrem Einflussbereich gehörenden Kolonien in diesen Jahren ausschließlich Freiwillige für ihre Einheiten. Weder Georg noch Thomas sahen irgendeinen Grund, dies zu tun.

Die Frage der Loyalität zum Deutschen Reich als Handlungsrichtschnur für Ihren Wetterdienst beantwortete sich im September 1942 originellerweise durch ein Wetterereignis. Mitte September nahm der sechste Wirbelsturm der atlantischen Hurrikan-Saison einen wirklich ungewöhnlichen Kurs. Der Wirbelsturm zog aus dem Mittelatlantik über die Bermudainseln, hielt aber dann einen mehr oder weniger konstanten Abstand zur nordamerikanischen Ostküste und nahm direkten Kurs auf Neufundland. Dabei überquerte sein Zentrum auch St. Pierre und Miquelon. Dieser ehemalige Hurrikan brachte zwar beachtliche Windgeschwindigkeiten mit sich, aber dies Phänomen war wahrhaftig keine Seltenheit auf den französischen Inseln. Was selten war, war das dramatische Gewitter, das sich entlud, als die warme und feuchte Luft des Ex-Hurrikan auf das Wetter des kalten Labradorstrom traf. Dabei traf ein direkter Blitzschlag die Antenne des Kurzwellensenders, die direkt am Leuchtturm montiert war, und zerstörte zugleich den gegen Blitzeinschlag ungesicherten Kurzwellensender vollständig.

„Da ist nichts zu machen", beschied Georg zwei Tage später seinem Kameraden, nachdem er den Kurzwellensender und die Antenne inspiziert hatte. „Das gute Stück ist total durchgeschmort, das kann kein Elektriker der Welt mehr instandsetzen."

„Und nun?" Thomas schaute seinen Mitstreiter ratlos an.

„Ganz einfach", lachte ihn der Unteroffizier an. „Unsere Mission ist hiermit beendet. Die Wetterstation auf Miquelon ist tot. Lang lebe unser beider Leben auf Miquelon." Er schlug mit einer Hand auf Thomas Schulter. „Freue Dich, mein Freund. Besser als hier kann es uns beiden in diesem Krieg garantiert nicht gehen."

Madeleine stimmte abends der Einschätzung Georgs zu und lud ihren Liebhaber und Lebensgefährten zu einem Abend voller französischer Liebe ein. Sie hatten mittlerweile gut geübt und alle Schwierigkeiten überwunden.

Nachwort:

Der Verlust der täglichen Wettermeldungen von der amerikanischen Ostküste schmerzte das deutsche Oberkommando der Marine sehr. Man ging beim OKM davon aus, dass ihre für eineinhalb Jahre zuverlässig funktionierende Station und ihre beiden Wettersoldaten auf Miquelon entdeckt und enttarnt worden waren und deshalb schlagartig verstummte. Als Konsequenz hieraus entwickelt man unter Hochdruck eine voll automatisierte Wetterstation, die im Rahmen der so genannten Operation Kurt an der einsamen Küste Labradors nördlich von Neufundland platziert wurde. U 537 unter Kapitänleutnant Peter Schrewe steuerte im Oktober 1943, ein Jahr nach dem Verstummen der Wettermeldungen aus Miquelon, einen einsamen Küstenstreifen von Labrador an und montierte dort unter der ständigen Gefahr der Entdeckung die neuartige automatische Wetterstation, die durch winterfeste Batterien mit elektrischem Strom versorgt wurde. Die Messwerte wurden durch einen 150 W-Lorenz Kurzwellensender an den Wetterdienst des OKM übersandt und dort für die atlantische Wetterprognose verarbeitet. Einsam und automatisch, aber zuverlässig unter den harschen Wetterbedingungen des arktischen Winters arbeitend, versorgte die Wetterstation Kurt die deutsche Kriegsmarine und die deutsche Luftwaffe bis tief ins Jahr 1944 mit den ermittelten Wetterdaten. Dann stellte sie aus unbekannten Gründen ihren Betrieb ein und wurde vergessen.

Es dauerte dreiunddreißig Jahre, bis 1977 per Zufall die Historikerin Selma Barkham im Rahmen von Recherchearbeiten im wahrsten Sinne des Wortes über die unberührte Wetterstation des Deutschen Reiches im Norden Kanadas stolperte. Die im Prinzip unzerstörte Station wurde sorgfältig geborgen und ist heute im kanadischen Kriegsmuseum ausgestellt.

Die beiden deutschen Wettersoldaten, die für eineinhalb Jahre die erste deutsche Wetterstation auf nordamerikanischem Boden betrieben hatten, assimilierten sich endgültig in der französischen Dorfbevölkerung von Miquelon. Thomas Langlois und Madeleine Montabon, geborene Safrane, heirateten im Frühjahr 1943, nachdem Madeleine festgestellt hatte, dass sie endlich schwanger geworden war. Sie sollten im Laufe der Jahre noch drei weitere Kinder bekommen.

Das Angebot des in Paris examinierten Diplom-Meteorologen Langlois an den von General de Gaulle eingesetzten neuen Gouverneur, einen eigenen Wetterdienst für die Inseln von St. Pierre & Miquelon aufzubauen, war sehr positiv aufgenommen worden. Thomas errichtete daraufhin drei Wetterstationen auf den drei bewohnten Inseln und baute einen ständigen Austausch von Wetterdaten mit kanadischen Stationen auf Neufundland und Neu-Braunschweig sowie im Nordosten der USA auf. Sein über Kurzwelle und telegraphische Systeme verbreiteter Wetterbericht erfreute sich aufgrund hoher Zuverlässigkeit der Vorhersagen großer Beliebtheit. Diese kriegswichtige Funktion befreite Thomas auch von der Notwendigkeit, ab 1944 Kriegsdienst in den Truppen des Freien Frankreichs zu leisten und an der Befreiung Frankreichs nach der Landung in der Normandie als Soldat mitzuwirken.

Georg Planter blieb in der Versenkung, er galt im Dorf offiziell als Dauergast von Geraldine Safrane, obwohl ihn jedermann wie ihren Ehemann behandelte. Von einer Einberufung zum Kriegsdienst der Freien Franzosen wurde er aus einem ganz einfachen Grund verschont: er war in keinem amtlichen Register namentlich aufgeführt und erhielt deshalb keinen Einberufungsbefehl. Georg blieb Geraldine bis ins hohe Alter treu ergeben und führte die Destillerie bis in die achtziger Jahre als Betriebsleiter und später als Mitinhaber.

Persönliches Nachwort:

In den Archiven der deutschen Kriegsmarine gibt es einzelne Hinweise, dass eine derartige, bemannte Wetterstation irgendwo auf nordamerikanischem Boden existiert haben könnte. Aber nichts Genaues weiß man nicht. Die im Nachwort erwähnte automatische Wetterstation aus dem Jahr 1943 als Ersatz ist hingegen verbürgt und kann heute im Museum besichtigt werden.

Ich freue mich auf zahlreiche Bewertungen und Kommentare meiner Leser und Leserinnen. Sie sind der Lohn für meine Arbeit. Viel Vergnügen.

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24 Kommentare
trissmerigoldtrissmerigoldvor 3 Monaten

Wieder HERVORRAGEND !

Vielen Dank

Flar1958Flar1958vor 3 Monaten

Ich hoffe Dir fallen noch viele Geschichten für dise Serie ein

Bill_HaymanBill_Haymanvor 4 Monaten

Eine wunderschöne Geschichte in einer unglaublich faszinierenden Zeit. Es war das reinste Vergnügen.

Besten Dank und liebe Grüsse, Bill

AnonymousAnonymvor 4 Monaten

Wieder tolle Geschichte, auch im Krieg zeigt es sich, friedlich geht es besser

AnonymousAnonymvor 4 Monaten

da bleibt nur ein einziger Kommentar: weiter so!

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