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Der Olivenhain

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Nach dem Frühstück spaziere ich zum Olivenhain. Ich habe sonst nichts zu tun und ich mag den Ort. Ich setze mich auf die Bank und beginne schon wieder zu grübeln. Soll ich das Erbe annehmen oder soll ich es ausschlagen. Was mache ich mit einem Weingut?

„Greta, meine Tochter", höre ich plötzlich eine Stimme.

Oder habe ich mir das nur eingebildet? Keine Ahnung, es war auf jeden Fall, als würde jemand mit mir sprechen. Ohne wirklich nachzudenken antworte ich.

„Ja, was ist?"

„Ich hätte gerne mit dir persönlich gesprochen und dich gebeten, das Erbe anzunehmen. Doch leider ist mir das verwehrt geblieben."

„Ich weiß nicht."

„Mach nicht denselben Fehler wie ich", meldet sich plötzlich eine zweite Stimme.

Das muss meine Mutter sein. Anders kann ich es mir nicht erklären. Oder bin ich etwa verrückt geworden?

„Ich habe keine Ahnung vom Weinbau. Ich muss, wenn ich durch die Weinberge gehe, aufpassen, dass ich mir nicht die Beine breche. Wie soll ich dann ein Weingut leiten?"

„Das wird schon."

Dabei habe ich den Eindruck, als würde jemand lachen. Meine Mutter hätte über meinen Witz mit den Beinen lachen. Ich glaube, ich habe wirklich Halluzinationen oder es sind Selbstgespräche. Keine Ahnung!

„Mit Filippo hast du einen guten Mann an deiner Seite. Glaube mir!"

„Das habe ich von allein erkannt", gebe ich zurück.

„Es ist der einzige Weg, das Weingut zu erhalten", sagt die Stimme. „Du hast doch gehört, wie wichtig es mir ist."

Ich denke nach. Ob Selbstgespräch oder echte Geister, eines ist sicher, ich muss zu einer Entscheidung kommen. Am Nachmittag wird das Testament geöffnet und verlesen. Spätestens da muss ich wissen, was ich will. Wenn ich mein Erbe antrete, wird es sicher nicht einfach für mich werden. Die Familie wird es nicht akzeptieren und alles unternehmen, um mich loszuwerden. Habe ich wirklich Lust auf diesen Kampf?

„Sei mir bitte nicht böse, wenn ich mich anders entscheide. Ich weiß noch nicht, was ich tun soll. In erster Linie muss ich an mich denken. Doch ich verspreche dir, mir die Sache gut zu überlegen. Ich werde mir die Entscheidung nicht leicht machen."

Das Versprechen gebe ich nicht nur dem wirklichen oder dem eingebildeten Geist meines Vaters, dieses Versprechen gebe ich vor allem mir selbst.

Ich bleibe nach dem Mittagessen noch etwas auf der Terrasse sitzen. Auch dabei hat mich Filippo allein gelassen. Allerdings war mir das nicht unrecht, so hatte ich zumindest Zeit zum Nachdenken. Während ich noch am Grübeln bin, kommt der Notar auf mich zu.

„Es ist soweit", meint er. „Die Geier warten."

Ich schaue ihn mit großen Augen an. Müsste er als Notar nicht unparteiisch sein? Bisher habe ich ihn als einen sehr korrekten Mann kennen gelernt. Dieser kurze Satz bringt dieses Bild ein wenig ins Wanken. Allerdings nur ganz kurz. Mir wird bewusst, dass auch er nur ein Mensch ist.

„Gehen wir!", mache ich mir selbst Mut.

Wir gehen auch, zunächst ins Haus und betreten dann einen Raum, den ich bisher nicht bemerkt hatte. Man gelangt von der großen Halle aus hinein. Der Eingang befindet ist unter der Treppe und ist nicht sofort zu erkennen. Es handelt sich um eine Art Jagdzimmer.

Bei unserem Eintreten erheben sich vier Personen. Vermutlich nicht wegen mir. Der Notar stellt mir die Frau meines Vaters, dessen leiblichen Kinder Isabella und Renzo sowie den Stiefsohn Marco vor. Mich hingegen stellt er lediglich als Signorina Greta Hertig aus Berlin vor.

Alle vier sind fein herausgeputzt. Marco wirkt gepflegt aber nicht übertrieben gekleidet. Die anderen dagegen tragen teure Designer-Kleidung. Alles sieht kostspielig aber nicht wirklich schön aus. Sogar ich habe noch ein besseres Gefühl für Mode. Bereits auf den ersten Blick wird klar, dass es nur darum geht, zu zeigen, wer man ist und was man hat. Bei Marco kann ich mir kein klares Bild machen. Die anderen dagegen finde ich vom ersten Moment an unsympathisch.

Ich bin schlicht gekleidet. Eine Jeans und ein T-Shirt, mehr trage ich nicht und kann mit dem Angeber-Outfit der Familie natürlich nicht mithalten. Dementsprechend behandeln sie mich von oben herab.

„Was macht eine junge Göre aus Berlin hier? Wer hat die denn eingeladen?", will Isabella wissen.

„Ich habe sie eingeladen", stellt der Notar klar. „Weil es der Wille Ihres Vaters war."

„Mein Vater, mein Vater, der ist tot. Muss immer alles nach seinem Willen laufen? Damit ist jetzt endlich Schluss", braust Isabella auf.

Der Notar schaut mich an und wirft mir einen entschuldigenden Blick zu. Er will mich damit wohl beruhigen. Auch ohne Worte ist mir klar, dass er auf meiner Seite ist und mir beistehen wird. Ihn auf meiner Seite zu haben empfinde ich durchaus beruhigend, allerdings fühle ich mich stark genug, mich diesem Kampf zu stellen. Mir kommt sein Satz in Erinnerung, in dem er die Verwandtschaft als Geier bezeichnet hat. Wenn das so weitergeht, war das die Untertreibung des Jahres.

Ich lächle Isabell an, als sei nichts gewesen. Ich lasse sie bewusst im Glauben, dass ich sie nicht verstehe. Es ist ein bittersüßes Lächeln. Bitter, weil ich bedaure, dass mein Vater so eine Brut hervorgebracht hat. So wie ich ihn inzwischen einschätze, muss es ihm großen Kummer bereitet haben. Möglicherweise hat er sich deshalb auf den Landsitz zurückgezogen. Hier hatte er seien Ruhe und schöne Erinnerungen.

Süß ist mein Lächeln, da ich viel mehr weiß, als meine ach so eingebildete Halbschwester. Mir ist inzwischen klar, dass es in wenigen Minuten ein bitteres Erwachen für sie geben wird. Genauso ist mir auch klar, dass ich ordentlich Gegenwind bekommen werde, sollte ich das Erbe annehmen.

„Brauchen die Herrschaften noch etwas?", erkundigt sich Filippo.

Er muss von mir unbemerkt den Raum betreten haben. Er versucht trotz allem freundlich zu sein. Schließlich kenne ich seine Einstellung der Familie gegenüber und seine Sorge um das Weingut. Renzo jedoch scheint seine Höflichkeit in den falschen Hals zu bekommt.

„Wie kommst du dazu, dich hier so aufzuspielen? Du bist doch nur ein dahergelaufener Bauerntölpel. Dieser Besitz gehört nicht dir. Warum spielst du den Hausherren? Wenn es nach mir geht, kannst du jetzt schon deine Koffer packen und verschwinden. Egal wer von uns den Hof erbt, er sollte dich davonjagen. Deine verrückten Ideen haben und viel, zu viel Geld gekostet", fährt Renzo ihn an. Ich finde sein Verhalten unmöglich.

„Wer soll dann dein Weingut führen? So schnell wirst du keinen guten Kellermeister finden", gibt Marco zu bedenken. Er scheint noch der vernünftigste von allen zu sein.

„Einen guten Kellermeister, dass ich nicht lache. So einen, finde ich an jeder Straßenecke. Er mit seinem Bioquatsch. Hast du eine Ahnung, was uns der Totalausfall 2015 gekostet hat? Hätte er ordentlich Spritzmittel verwendet, wäre das nicht passiert", schimpft Renzo.

„Das wäre auch mit Spritzmittel so gekommen", wirft Filippo ein.

„Halts Maul!", fährt ihn Renzo an. „Pack deine Sachen und geh! Hier will dich keiner mehr sehen."

Ich sehe deutlich, wie hart Filippo diese Worte treffen. Er steht direkt neben mir. Wie ein geschlagener Hund kommt er mir vor. Er traut sich nichts mehr zu antworten. Ich kann wie kein anderer nachvollziehen, wie es in ihm drinnen aussehen muss. Von einem Tag auf den anderen ist seine Welt untergegangen. Bei mir war es nicht anders.

Deshalb nehme ich ihn am Arm und hauche ihm einen Kuss auf die Wange. Dabei nutze ich die Gelegenheit, ihm still ins Ohr zu flüstern.

„Bleib ruhig, Pisolo war ein Mann, der den Acker gut bestellt zurücklässt. Mach dir keine Sorgen", beruhige ich ihn.

Filippo dreht sich zu mir um und schaut mich überrascht an. Er wird sich sicher fragen, wie ich das sagen kann. Außerdem war das Verhalten von Renzo der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Ich werde das Erbe annehmen. Solche Leute dürfen nicht dieses Fleckchen in die Finger bekommen. Mein Vater würde sich im Grab umdrehen.

Mein Kuss auf Filippos Wange bleibt natürlich nicht unbemerkt. Alle schauen uns mit großen Augen an.

„Hast du die deutsche Schlampe schon gefickt? Brauchst du Unterstützung, oder was soll das jetzt?", tobt Renzo.

„Greta ist keine Schlampe. Sie ist ein anständiges Mädchen", braust Filippo auf.

Es ist echt lieb von ihm, dass er mich verteidigen will. Doch das kann ich selbst. Da die anderen noch nicht gecheckt haben, dass ich leidlich Italienisch spreche, möchte ich es vorerst auch dabei belassen. Die Bombe soll zum richtigen Zeitpunkt platzen. Deshalb lege ich erneut beschwichtigend die Hand auf Filippos Arm.

„Pssst!", sage ich nur.

„Hast du nicht gehört, wie die über dich reden?", wirft er ein. Die Empörung ist ihm deutlich anzuhören.

„Pssst!", mache ich noch einmal.

Der Notar verfolgt die Szene aufmerksam. Er wirft mir einen Blick zu und nickt. Er will mir damit wohl zeigen, dass er meinen Plan durchschaut hat.

„Meine Damen und Herren, ich würde vorschlagen, wir mäßigen uns ein wenig. Das sind doch keine Umgangsformen", tadelt er. „Ich würde Sie bitten, sich an den Tisch zu setzen."

Mit Murren kommen die Anwesenden seiner Aufforderung nach. Geschickt hat er zuvor seine Unterlagen so platziert, dass sein Platz reserviert ist. Rechtzeitig schiebt er mich zum Platz daneben, bevor sich dort ein anderer hinsetzen kann. Ich bin froh, ihn an meiner Seite zu haben.

Die übrigen suchen sich selbst einen Platz am Tisch. Direkt neben mir will sich offenbar niemand niederlassen, dieser Platz bleibt frei. Während des Hinsetzens muss ich noch einige unschöne Kommentare über mich ergehen lassen, die sie untereinander austauschen. Sie nehmen sich dabei kein Blatt vor den Mund. Sicher auch, weil sie immer noch annehmen, dass ich sie nicht verstehe. Filippo begibt sich neben die Tür.

„Guten Tag, meine Damen und Herren! Wir haben uns heute hier versammelt, um den letzten Willen unseres lieben Ehemannes und Vaters, Giuseppe Pisolo zu vernehmen. Er hat es sich nicht leicht gemacht, seinen Besitz gerecht unter Euch aufzuteilen", beginnt er.

Dabei holt er zwei Fernbedienungen aus seiner, mir bereits von Berlin her, bekannten Aktentasche hervor und legt sie vor sich auf den Tisch. Ich beobachte die Szene mit wachsendem Interesse. Seit ich meine neugewonnene Verwandtschaft kennengelernt habe, erwarte ich die Verlesung des Testamentes mit noch mehr Interesse. Es geht dabei einerseits um das Andenken meines Vaters und seine Liebe zu diesem Land, andererseits aber auch um die Menschen, die hier arbeiten. Allen voran Filippo, der keine Zukunft auf diesem Weingut hätte, würde ´L´uliveto´ einem von ihnen zufallen.

„Herr Giuseppe Pisolo hat seinen letzten Willen vor mehr als fünf Jahren handschriftlich bei mir in der Kanzlei aufgesetzt. Das Testament war bis heute früh sicher in meinem Safe verwahrt", berichtet der Notar. „Darüber hinaus hat er es sich nicht nehmen lassen, selbst ein Video aufzunehmen. Er wird Euch also selbst seinen letzten Willen kundtun. Rechtliche Gültigkeit hat natürlich der handschriftliche Text."

Der Notar drückt auf einen Knopf auf einer der beiden Fernsteuerungen und der Fernseher schaltet sich ein. Es erscheint das Bild eines Mannes, ich schätze ihn auf fünfundsechzig Jahre. Er sieht älter aus, als auf dem Bild in der Eingangshalle. Das also ist mein Vater. Ich hätte nie gedacht, dass ich ihn noch einmal zu Gesicht bekomme, wenn auch nur aufgezeichnet. Er beginnt zu sprechen und wirkt beinahe fröhlich. Es ist eine ganz eigenartige Stimmung.

„Meine Lieben,

Ihr habt Euch also hier versammelt, um mein Erbe unter Euch aufzuteilen. Ich kann mir schon vorstellen, dass einige von Euch hart darauf warten."

„Wie kann er so etwas sagen", wirft seine Frau ein.

Sie hat sich bisher auffallend ruhig verhalten. Der Zwischenruf und ihre Gehässigkeit in diesen wenigen Worten zeigen mir, dass sie keinen Deut besser ist. Vermutlich haben es die Kinder von ihr gelernt. Mir fällt unwillkürlich das Sprichwort ein, dass der Apfel nicht weit vom Stamm fällt.

„Unterbrich mich nicht, Eleonora", sagt mein Vater. Mir kommt fast das Lachen, denn er scheint seine Frau wirklich gut zu kennen. „Unsere Ehe besteht doch seit langem nur noch auf dem Papier. Wenn wir -- dieses letzte Mal, dass wir uns sehen -- endlich ehrlich zueinander sind, müssen wir zugeben, dass unsere Ehe ein großer Bluff war. Schon lange ist klar, dass du nur mein Geld und meinen Besitz geheiratet hast. Ich war dir von Anfang an egal."

Eleonora sagt nichts. Sie wirkt jedoch weder reumütig noch einsichtig. Vielmehr macht sie auf mich den Eindruck eines trotzigen Kindes.

„Also kommen wir zu dem, weshalb ihr auf mein Landgut gekommen seid. Ich habe ganz bewusst diesen Ort gewählt, an dem ich mich so wohl gefühlt habe, den ihr aber gemieden habt, wie der Teufel das Weihwasser.

Also gehen wir es an:

Du Eleonora sollst das Haus am Marktplatz bekommen, mit allem was sich darin befindet. In diesem Palazzo, wie du ihn hochtrabend nennst, hast du dein halbes Leben verbracht und sollst auch weiterhin darin wohnen können. Du wirst allerdings keine weiteren finanziellen Zuwendungen für den Erhalt des Gebäudes und auch nicht für deinen ausschweifenden Lebensstiel bekommen", erklärt mein Vater.

„Das kannst du nicht machen!", protestiert Eleonora. „Wovon soll ich leben."

„Du könnest zur Abwechslung auch arbeiten gehen. Das hätte sogar zwei Vorteile. Einerseits verdienst du Geld und andererseits hast du weniger Zeit, um es auszugeben.

Damit zu dir Renzo. Du bekommst den Weingroßhandel samt aller dazugehörenden Gebäude. Sie sind vom Wert her in etwa gleich wie das Haus, das deine Mutter erbt. Ich muss dir allerdings sagen, dass der Exklusivvertrag zur Vermarkung der Weine unseres Gutes schon seit einigen Jahren ausgelaufen ist. Ich habe ihn nicht mehr erneuert, weil ich die beiden Bereiche trennen will und trennen muss.

Weiter geht es mit dir Isabella. Du erbst das Hotel in Florenz. Ich gehe davon aus, dass auch du dich aufraffen und arbeiten musst, wenn das Hotel endlich Gewinn abwerfen soll. Bisher war es nur ein teures Hobby. Auch dieses ist im Wert in etwa gleich, wie das Stadthaus oder der Weinhandel. Ihr seht, ich habe mich sehr bemüht, meinen Besitz gerecht aufzuteilen."

Marco, du warst der einzige, der mich in den letzten Jahren ab und zu besucht hat. Meistens hast du mich dabei um Geld angebettelt, aber zumindest hast du den Weg auf dich genommen und es persönlich gemacht. Deine Mutter und deine Geschwister haben nur angerufen.

Dir ist sicher klar, dass du keinen Erbanspruch hast, da du nicht mein leiblicher Sohn bist. Dennoch will ich auch dir etwas hinterlassen. Ich besitze ein kleines Mietshaus in schöner Lage in Siena. Das sollst du bekommen. Allerdings ist das Erbe mit der Auflage verbunden, dass du keinem Mieter kündigen oder die Miete erhöhen darfst. Erst, wenn sie freiwillig ausziehen, darfst du neue Mieter suchen und dabei selbst bestimmen, wieviel sie zahlen. Dann ist es ihre Entscheidung."

Alle schauen wie gebannt auf das Bild, denn mein Vater macht eine längere Pause. Er nimmt einen Schluck aus einem Weinglas. Dabei zeigt er deutlich, wie sehr er es genießt. Der Mann gefällt mir. Ich hätte ihn nur zu gern kennengelernt.

„Mein lieber Filippo. Du bist der beste Kellermeister und Verwalter, den ich mir wünschen konnte. Ich hoffe, du wirst auch weiterhin auf diesem von Gott gesegneten Fleckchen Erde bleiben, dich um die Reben kümmern und auch in Zukunft einen so wunderbaren Wein zaubern", sagt mein Vater.

Filippo, der immer noch an der Tür steht, schaut starr auf den Bildschirm. Ich glaube, er hat nicht damit gerechnet, erwähnt zu werden. Wenn ich mich nicht irre, hat er Tränen in den Augen. Er scheint der einzige im Raum zu sein, dem der Tod dieses Mannes zu Herzen geht.

„Wird doch nicht dieser Tölpel das Weingut erben! Das kann der alte Trottel doch nicht machen", braust Renzo auf.

„Ein wenig Respekt vor den Toten", fährt ihn der Notar an.

Diesem ist deutlich anzusehen, wie angewidert er von dieser Bande ist. Ich kann ihn nur zu gut verstehen und rechne es ihm hoch an, dass er trotz allem so professionell den letzten Willen meines Vaters verwaltet.

Mir fällt erst jetzt auf, dass der Notar sich so hingesetzt hat, dass ich neben ihm den besten Blick auf den Bildschirm habe. Ich sitze meinem Vater exakt gegenüber, der mich nun direkt anschaut.

„Und nun zu dir, meine liebe Greta! Da staunst du, ich kenne deinen Namen. Mein lieber Freund und Notar Domodossola hat erst vor wenigen Tagen deinen Namen mit Hilfe eines Privatdetektivs in Erfahrung bringen können und ich hoffe nun innständig, dass er bald auch dich ausfindig macht. Wenn du dieses Video sieht, hat er es leider nicht mehr rechtzeitig geschafft und wir haben uns nicht mehr kennengelernt.

Nur zu gerne hätte ich dich im Arm gehalten, dich aufwachsen sehen und erlebt, wie du eine bildhübsche junge Frau wirst. Das Wissen, dass es dich gibt, allerdings nicht zu wissen, wo du bist und dich nicht zu sehen, hat mir unzählige Male beinahe das Herz zerrissen. Wie oft bin ich auf der Bank im Olivenhain gesessen und habe mit meinem Schicksal gehadert. Manchmal habe ich den Brief verflucht, in dem mir deine Mutter mitgeteilt hat, dass sie ein Kind von mir erwartet. Ich bin aber doch froh gewesen, dass ich zumindest wusste, dass es dich gibt.

Du hast bisher nicht viel Zeit auf meinem über alles geliebten Weingut verbringen können. Ich hoffe, du hast die Schönheit und die Klugheit deiner wunderbaren Mutter geerbt. Denn dann hast du dir sicher schon ein Bild machen können und wirst meine Entscheidung verstehen. Ich weiß, ich verlange viel von dir, wenn ich dich darum bitte, dein Leben in Berlin aufzugeben. Deine Mutter konnte ich leider nicht dazu überreden. Es verging seitdem kein einziger Tag, an dem ich mir das nicht den Vorwurf gemacht habe. Deshalb hoffe ich nun, dass du dich anders entscheidest als sie.

Meine liebe Tochter, dir vermache ich das Weingut ´L´uliveto´ weil ich es nur bei dir in guten Händen weiß. Hier war ich glücklich und hier habe ich die wenigen wirklich glücklichen Tage meines Lebens verbracht, die Tage, die ich mit deiner Mutter zusammen sein durfte. Hüte und bewahre dieses Land, das ich von meinen Vätern geerbt habe und das seit Jahrhunderten von Generation zu Generation weitergegeben wird."

Erneu macht er eine Pause. Nun habe auch ich Tränen in den Augen. Mein Vater muss ein wunderbarer Mann gewesen sein. Die anderen am Tisch hingegen schauen mich an, als sei ich der Teufel selbst. Doch bevor sie etwas sagen können, fährt er fort.

„Ich weiß, dass niemand von Euch mit dem, was ich ihm zugedacht habe, zufrieden oder glücklich ist. Greta, dich kann ich verstehen, hoffe aber trotzdem, dass du mir vertraust. Du wirst es schaffen, denn du bist mein Fleisch und Blut. Den andern muss ich ehrlich sagen, dass es mir egal ist, was sie denken und gebe ihnen zur Antwort, dass man einem geschenkten Gaul nicht ins Maul schaut."

Damit Endet der Film. Der Mann imponiert mir. Schade, dass ich ihn nie kennengelernt habe. Er kennt seine Brut offenbar wirklich gut und ich hoffe, er hat sich auch zu Lebzeiten so durchsetzen können, wie gerade eben. Allerdings spricht der Umstand, dass er sich auf das Landgut zurückgezogen hat eher dafür, dass er dem Streit aus dem Weg gegangen ist.

Im Raum herrscht zunächst Totenstille. Ich blicke fast ausnahmslos in schockierte Gesichter. Alle schauen mich an. Mein Blick schweift zu Filippo ab. Auch er schaut mich mit großen Augen an. Er ist als einziger nicht schockiert. Trotzdem ist ihm die Anspannung ins Gesicht geschrieben.

„Der alte Depp hatte noch eine Tochter", meldet sich Isabella zu Wort. Sie hat offenbar als erste ihre Sprache wiedergefunden.

„Wie blöd kann man sein und nicht verhüten, wenn man eine Touristin vögelt", pflichtet ihr Renzo bei.

„Wie konnte er es nur wagen, mich zu betrügen. Und dann auch noch mit einer deutschen Nutte, die nur darauf wartet für irgendeinen Papagallo die Beine breit zu machen", mischt sich auch Eleonora ein.