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Die erotische Geschichte 01

Geschichte Info
Ein erotisches Gedankenexperiment beginnt.
16.6k Wörter
4.65
13.1k
7
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Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser!

Meine Geschichte vom letzten Jahr, ›Der unerwartete Segeltörn‹ hatte ich als abgeschlossene Erzählung angelegt und ich hätte mir nie vorstellen können, eine Fortsetzung zu schreiben. Während der Arbeit an dem nun vorliegenden Text fiel mir bei der Entwicklung des ersten Kapitels auf, dass ich unbewusst für meine Hauptdarstellerin den gleichen Namen gewählt hatte wie den einer Protagonistin aus der oben genannten Geschichte. Nach und nach entwickelte sich die Geschichte zu einem ›Was wäre wenn ...‹, welches inhaltlich an die Handlung vom letzten Jahr anknüpfte. Zum Verständnis der vorliegenden Geschichte ist es nicht unbedingt erforderlich, die Erste gelesen zu haben, schaden würde es jedoch ebenso wenig.

Ein ganz besonderer Dank gilt wiederum Jochen für das Gegenlesen dieses Textes!

Alle handelnden Personen sind über achtzehn Jahre alt.

Wie immer freue ich mich auf konstruktive Kritik!

TiefImWesten, August 2023

Kapitel 1

Erschrocken fuhr Melanie von ihrem Laptop hoch. Das durchdringende Schellen ihrer Türklingel hatte sie aus ihren Gedanken gerissen, während sie einem Text den letzten Schliff gab. Innerlich verfluchte sie die Türklingel zum wiederholten Male wegen ihrer Lautstärke. Vermutlich war die Vorgängerin ihrer Wohnung schwerhörig gewesen. Sie hätte das Marterinstrument für ihre Ohren längst gegen ein leiseres Modell austauschen können, es war aber immer etwas Anderes wichtiger. Sie schaute auf ihre Uhr und fragte sich, wer an einem Freitag nach achtzehn Uhr vor der Tür stehen würde. Sie seufzte schwer, denn ihr blieb nichts anderes übrig, als selbst zur Tür zu gehen, da ihre zwei Mitbewohnerinnen außer Haus waren. Um einem erneuten Lärmen der Klingel zuvorzukommen, beeilte sie sich, den elektrischen Türöffner zu betätigen. Sie hörte, wie die Eingangstür unten geöffnet wurde, wieder ins Schloss fiel und anschließend rasche Schritte die hölzernen Stufen der Altbautreppe hinaufkamen. Sie wartete, bis der Ankömmling auf ihrem Absatz angekommen war und blickte durch den Türspion. Es war keiner der üblichen Paketboten, daher legte sie die Sicherheitskette vor, bevor sie die Tür öffnete.

»Ja, bitte?« Vor ihr stand ein junger Mann, etwas größer als sie selbst. Er hatte seine dunklen Haare nach hinten zurückgekämmt, trug eine schwarz gerahmte Brille und sein Gesicht zierte ein akkurat gestutzter Henriquatre-Bart. Über einer Schulter trug er einen Rucksack und seine Haltung verriet, dass er nicht suchend unterwegs war, sondern genau wusste, dass er hier an der richtigen Stelle war.

»Hallo, Melanie!«, sprach er sie an.

»Hallo!«, antwortete sie zögernd. Seine Stimme kam ihr bekannt vor, doch konnte sie sie nicht auf Anhieb einordnen und fragte: »Kennen wir uns?«

»Ja, das denke ich doch. Wir sind sogar verabredet.«

Sie schaute ihn überrascht an.

»Weißt du es nicht mehr?«, fragte er. »Ich hatte dir vor zwei Monaten eine Mail geschrieben und dich gefragt, ob ich heute bei dir übernachten könnte.«

»Florian?«

»Wer denn sonst?«

Sie entfernte die Kette, öffnete die Tür und bat ihn: »Ja, komm doch herein. Das ist ja eine Überraschung. Ich habe dich gar nicht wiedererkannt mit Brille und Bart.«

Er ging an ihr vorbei und stellte seinen Rucksack auf dem Boden ab, während sie die Tür hinter ihm verschloss.

»Jetzt so langsam ... erinnere ich mich wieder«, sagte sie. »Ich muss gestehen, ich habe vergessen, mir den Termin im Kalender zu notieren.«

»Komme ich ungelegen, hätte ich noch einmal anrufen sollen?«

»Nein, überhaupt nicht. Es ist schön, dass du da bist. Wie lange wolltest du noch einmal bleiben?«

»Wir hatten ausgemacht, dass ich bis Sonntag früh bleiben kann.«

»Stimmt, jetzt wo du es sagst. Heute Abend ist dein Klassentreffen und morgen wollten wir etwas zusammen unternehmen.«

»Du erinnerst dich also doch wieder.«

»Ja, komm! So vertrottelt bin ich auch noch nicht«, beschwerte sie sich.

»Wer weiß? Scheinbar haben die fünf Jahre, in denen wir uns nicht gesehen haben, bei dir ihre Spuren hinterlassen ...«

»Ha! Ha! Ach komm du, lass dich mal drücken!«, sagte sie und herzte ihn fest.

»Häng dich da auf und komm mit rein!«, rief sie ihm zu und verwies auf die Haken an der Garderobe.

Er zog seine Schuhe aus, warf seine Jacke über einen freien Haken und folgt ihr in die Küche.

»Wann musst du dort sein?«, fragte sie.

»Gegen acht im Ratskeller steht in der Einladung.«

»Mit der U-Bahn brauchst du vielleicht zwanzig Minuten. Da bleibt uns noch Zeit für einen Tee oder brauchst du die Zeit, um dich hübsch zu machen?«

Er überging die Spitze und sagte: »Tee ist eine gute Idee!«

»Dann setzt dich doch. Schwarz oder Blümchen?«

»Schwarz, bitte!«

Sie bemerkte, dass ihm, im Gegensatz zu vielen anderen, der Begriff ›Blümchen‹ für die Gruppe der Früchtetees geläufig war, denn er fragte nicht nach. Mit zwei dampfende Becher setzte sie sich kurz danach zu ihm an den Tisch.

»Wo sind deine Mitbewohner?«, fragt er.

»Die eine ist auf einem Geburtstag und die andere ist noch unterwegs. Du lernst sie aber morgen spätestens kennen.«

»Nur Frauen?«

»Ja. Eva und ich, wir sind die, die am längsten hier in der WG wohnen. Es gibt weniger Stress, wenn es nur Frauen sind.«

»Warum das?«

»Zum einen hatten wir bei einem Mitbewohner einmal das Problem, dass er ein anderes Verständnis von Aufräumen und Sauberkeit hatte als wir. Und bei einem anderen gab es einmal unschöne Diskussionen, wer ausziehen sollte, nachdem die Beziehung mit einer anderen Mitbewohnerin in die Brüche gegangen war.«

»Verstehe! Und die Probleme gibt es nicht, wenn zwei Frauen auseinandergehen?«

»Könnte schon sein. Den Fall hatten wir noch nicht. Bei uns sind bisher alle hetero. Außerdem hat es auch noch andere praktische Vorteile?«

»Und die wären?«

»Wir können auch mal unbekleidet durch die Wohnung gehen ...«

»So, so. Dann solltest du aber deine Mitbewohnerinnen vorwarnen, dass heute und morgen ein Mann zu Besuch ist.«

»Keine Angst. Sie werden dich nicht in Verlegenheit bringen. Ich sag's ihnen später, wenn du weg bist.«

»Wer hier wen in Verlegenheit bringen könnte, ist noch die Frage«, bemerkte er lachend.

»Und wie geht es dir?«, fragte sie. »Wie ist es so alleine, weg von zu Hause? Ich will ja auch nicht mehr bei meinem Vater wohnen. Aber ab und zu mal kurz vorbeischauen, möchte ich nicht vermissen.«

»Wenn meine Eltern nach meinem Abi nicht von hier weggezogen wären, würde ich auch zu ihnen gehen. Aber von meiner Familie ist keiner mehr in der Stadt. Und da ist es echt klasse, dass ich zu dir kommen darf!«

»Das ist doch keine Frage! Natürlich kannst du hier übernachten. Wir haben uns immer prima verstanden. Warum sollte sich unser Verhältnis zueinander verändert haben?«, fragte sie und dachte an die Zeit zurück, als sie beide mit siebzehn Jahren mal eine kleine Romanze hatten. Zu mehr als ein paar Küssen war es damals nicht gekommen. Sie waren beide zu unerfahren gewesen und hatten sich nicht getraut, weiter zu gehen.

»Und wie ist es in der neuen Stadt? Hast du schnell neue Leute kennengelernt ... auch ein Mädchen vielleicht?«, fragte sie weiter.

»Ganz schön neugierig bist du. Aber das warst du schon immer. Ja, über mein Handballspiel habe ich schnell Anschluss gefunden und ja, ich habe auch eine Freundin.«

»Erzähl! Wie heißt sie, was macht sie und wie sieht sie aus?«

»Du lässt nicht locker, was?«, fragte er schmunzelnd. »Sie heißt Claudia, ist ein Jahr jünger und studiert Sport und Mathe auf Lehramt.«

»Und? Wie sieht sie aus? Ist sie hübsch?«

»Ja, ich denke schon, dass sie hübsch ist.«

»Hast du ein Bild von ihr dabei?«

Er nickte.

»Komm, zeig schon!«

Er holte sein Smartphone aus der Tasche und zeigte ihr ein Bild seiner Freundin.

»Sie ist wirklich hübsch!«, bestätigte Melanie.

»Und was ist mit dir? Hast du auch einen Freund?«

»Nein.«

»Hmm«

»Was soll das denn heißen? Bin ich so draufgängerisch?«

»Nein, das nicht. Aber du bist auch nicht auf den Mund gefallen. Denk an das gerade! Kaum hast du erfahren, dass ich eine Freundin habe, wolltest du alles von ihr wissen. Ein so forsches Auftreten, schreckt vielleicht den einen oder anderen Mann ab.«

»Ja, das will ich nicht ausschließen«, gab sie ein wenig kleinlaut zu. »Ich erwarte aber von einem Mann auch, dass er keine Angst vor einer intelligenten Frau hat. Außerdem bin ich so nur bei Leuten, die ich gut kenne.«

»Nun ja, wie man's nimmt.«

»Nicht frech werden, Flo!«, ermahnte sie, ihn bei seinem alten Spitznamen nennend. »Schließlich willst du doch heute Abend nicht auf dem Balkon übernachten, oder?«

»Ja, ja, ich bin schon brav! Und wo kann ich sonst schlafen?«

»Ich mache dir in meinem Zimmer ein Bett. Ich vermute, du kommst erst spät nach Hause?«

»Je, nachdem. Wenn die Stimmung gut ist, kann es später werden.«

»Dann gebe ich dir einen Schlüssel mit. Nach Mitternacht bin ich nicht mehr auf.«

»Hier ist der Ersatzschlüssel,« sagte sie und holte einen Schlüsselbund aus der Küchentischschublade heraus. »Mit dem öffnest du die Tür unten und mit den beiden anderen die Tür hier oben. Mein Zimmer liegt gegenüber von der Küche.«

»Gut, vielen Dank. Ich werde ganz leise sein.«

»Das will ich hoffen. Wenn du singend und tanzend hier reinstolperst, weißt du ja, wo du schlafen kannst.«

»Balkon! Ich habe verstanden. Aber keine Sorge, der große Bier- und Weintrinker bin ich nie gewesen.«

Sie sah auf die Küchenuhr und sagte: »Wie die Zeit vergeht. Du solltest dich aufmachen.« Sie beschrieb ihm den Weg zur U-Bahn und an welcher Station er umsteigen musste.

Er verabschiedete sich und begab sich auf den Weg.

Melanie lehnte sich zurück und dachte nach. Das kommende Wochenende würde ganz anders verlaufen, als sie es sich vorgestellt hatte. Warum hatte sie sich nur den Termin mit Florian nicht in den Kalender eingetragen? Was würde jetzt aus ihrem WG-Abend werden? Sollte sie ihn absagen, fragte sie sich. Das wäre schade, denn sie hatte sich sehr auf ihn gefreut und sich viel Mühe mit ihrem Beitrag gegeben. Und was wäre, wenn er an ihm teilnehmen würde ... als stiller Beobachter? Ob die anderen Mitbewohnerinnen Einwände hätten? Das ließe sich nachher leicht klären, indem sie sie fragen würde. Aber was würde er von der ganzen Sache halten? Was würde Flo von ihr denken? Auch darauf würde sich eine Antwort finden lassen, wenn sie ihn am nächsten Morgen beim Frühstück einladen würde.

Florian kam am Abend weit nach Mitternacht zurück. Alle Bewohnerinnen waren inzwischen zu Bett gegangen. Er nahm seinen Rucksack aus dem Flur mit ins Badezimmer. Glücklicherweise hatte jemand die Tür offengelassen, so dass er nicht mutmaßen musste, hinter welcher der Türen es sich befand. Er bereitete sich aufs Zubettgehen vor und ging zu Melanies Zimmer. Leise öffnete er die Tür, trat etwas zur Seite, damit das Licht aus dem Flur ihm den Weg zu seinem Schlafplatz weisen konnte. Er suchte vergebens nach einer weiteren Schlafgelegenheit. Es gab nur das eine Doppelbett, in dem sie auf der ihm abgewandten Seite schlief. Die Seite neben ihr schien frisch bezogen zu sein. Sie wollte, überlegte er leicht überrascht, dass er neben ihr schlief, so wie sie es früher in ihrer Kinderzeit manchmal getan hatten. In diesem Moment war ihm alles recht, denn nach der Bahnfahrt und dem langen Abend war er hundemüde. Er löschte das Licht im Flur, schloss die Tür, legte sich ins Bett und ließ den vergnüglichen Abend mit seinen alten Klassenkameradinnen und Kameraden Revue passieren. Da er die meisten fünf Jahre nicht gesehen hatte, gab es viel Neues zu erzählen und in alten Erinnerungen zu schwelgen.

Neben ihm drehte sich Melanie auf die andere Seite und schlief weiter. Er blickte in die Richtung, in der er ihren Kopf vermutete. Da die Rollläden geschlossen waren, herrschte Dunkelheit im Zimmer. Auf ihrem Nachttisch stand ein Radiowecker mit einem schwach beleuchteten Zifferblatt, welches nicht ausreichte, die Umgebung erkenntlich zu machen. Wenig später schlief er ein.

Am nächsten Morgen saß Melanie am Frühstückstisch, als Florian sich verschlafen zu ihr setzte.

»Ist wohl eine lange Nacht gewesen?«, fragte sie. »Kaffee?«

»Gerne!«

Sie schenkte ihm einen Becher ein und fragte: »Und wie war euer Klassentreffen?«

»Sehr nett! Es hat Spaß gemacht, nach längerer Zeit mit allen zu quatschen, mit denen ich heute kaum noch Kontakt habe. Klasse, du hast sogar Brötchen geholt. Vielen Dank!«

»Ja, ich bin schon etwas länger auf den Beinen.«

Er belegte ein Brötchen und fragte: »Und was machen wir heute? Wozu hast du Lust?«

»Wie wäre es, wenn wir einen Bummel durch die Stadt machen? Wir könnten etwas ansehen und uns später in ein Café setzen.«

»Das klingt gut. Das Wetter scheint ja auch mitzuspielen.«

»Da gibt es noch etwas, was ich mit dir besprechen muss«, sagte sie.

»Was denn?«

»Ich hatte ja vergessen, in meinen Kalender einzutragen, dass du an diesem Wochenende kommen wolltest.«

Er nickte ihr kauend zu.

»Und heute Abend hatte ich schon etwas geplant.«

»Kein Problem. Ich schau mal, was im Kino läuft oder mach was anderes.«

»Nein, warte. Du kannst gerne daran teilnehmen«, sagte sie.

»Gut, wohin gehen wir?«

»Es findet hier statt, mit meinen beiden Mitbewohnerinnen.«

»Okay«, sagte er zögernd. »Was macht ihr denn?«

»Wir ... wir lesen uns gegenseitig Kurzgeschichten vor, die wir selber geschrieben haben.«

»Klingt spannend. Ich wusste nicht, dass du unter die Schriftstellerinnen gegangen bist.«

»Es ist auch keine Weltliteratur, die ich schreibe, lediglich etwas zum Zeitvertreib.«

»'Finde ich gut. Ich bin leider nicht kreativ veranlagt, ich könnte so etwas nicht.«

»Es ist gar nicht schwer. Du solltest es einmal versuchen. Da gibt es aber etwas, was ich noch nicht gesagt habe.«

»Und das wäre?«

»Es sind keine gewöhnlichen Geschichten ...«

Er schaute sie fragend an.

»Es sind ... wie soll ich es sagen? Es sind Geschichten etwas ungewöhnlicherer Natur?«

»Du machst mich neugierig. Würde ich sie nicht verstehen, wenn ich sie höre. Sind sie in klingonisch verfasst?«

»Was? -- Nein! Natürlich kannst du sie verstehen.«

»Also?«

»Sie sind ... nun ja, erotischer Natur«, gestand sie.

»Oh, ha. Wie muss ich mir das vorstellen?«

»Ein Aspekt der Geschichten ist, dass es sich um die erotische Spannung zwischen den Beteiligten dreht. Wie knistert es zwischen zweien, wenn sie sich näher kennenlernen und sich attraktiv finden. Darüber hinaus gehen ... wie soll ich es formulieren ... die Geschichten da weiter, wo in anderen Erzählungen nur geschrieben wird, dass sich ein Paar umarmt und küsst, oder dass sie die Nacht miteinander verbringen.«

»Ich glaube, ich kann mir vorstellen, was du meinst. Und wie kommt ihr dazu, solche Geschichten zu schreiben?«

»Es fing vor einiger Zeit an: Wir hatten hier in der WG die Idee, mal nicht fernzusehen, YouTube zu schauen oder in sozialen Netzwerken unterwegs zu sein. Da keiner von uns auf Gesellschaftsspiele steht, sondern wir alle gerne lesen, fingen wir an, uns gegenseitig Passagen aus Romanen oder Kurzgeschichten vorzulesen. Irgendwann hatte ich einmal eine Geschichte vorgetragen mit einer erotischen Passage.«

Dass sie vor mehr als einem Jahr durch Thomas, einen alten Jugendfreund ihrer Schwester, auf einem gemeinsamen Segeltörn mit den beiden den Reiz erotischer Geschichten kennengelernt hatte, verschwieg sie an dieser Stelle. Sie nahm einen Schluck Kaffee und setzte fort: »Danach haben wir darüber gesprochen und es stellte sich heraus, dass uns allen diese Art gefiel. Es war etwas Neues, Spannendes und zum nächsten Termin brachte jede von uns ebenfalls eine solche Erzählung mit. Schnell ist es in den Texten nicht nur bei Andeutungen geblieben, sondern es wurde explizit beschrieben, worum es ging. Uns gefiel das und eine neue Welt der Literatur tat sich vor uns auf.

Da es solche Bücher in unserer Bücherei nicht gibt, sind wir zu Geschichten aus dem Netz übergegangen. Das meiste dort hat uns abgestoßen. Viele sind äußerst primitiv und stellenweise auch sehr frauenverachtend. Daher sind wir auf die Idee gekommen, ob wir selbst nicht bessere Geschichten schreiben könnten.«

»Und so«, setzte er fort, »bist du dazu gekommen, selber so etwas zu verfassen?«

Sie nickte. »Das war vor vier, fünf Monaten. Die erste Runde eigener Kurzgeschichten hatten wir bereits. Heute wäre die Zweite.«

»Und hattet ihr schon einmal einen Gast?«

»Nein, du wärst unser Erster.«

»Und deine Mitbewohnerinnen haben nichts dagegen einzuwenden, dass ich ebenfalls zuhöre. Sie kennen mich schließlich nicht.«

»Nein, sie fanden den Gedanken ganz reizvoll. Du wärst in gewissem Sinn unser Versuchskaninchen?«

»Wie das?«

»Weil ... weil keiner unserer männlichen Bekannten von unserer Vorliebe etwas weiß. Wenn, hat eine höchstens einmal erwähnt, dass wir uns Geschichten vorlesen. Nie, was es für welche sind. Je nachdem wie deine Reaktion ausfällt, könnten wir uns auch vorstellen, dass später andere Bekannte teilnehmen.«

»An was«, fragte er langsam, »beziehungsweise mit welchen Reaktionen rechnet ihr denn bei mir?«

»Wissen wir auch nicht recht. Deswegen sind wir ja so unsicher.«

»Versprecht euch von meiner Anwesenheit nicht viel. Ich habe mit Literaturkritik bisher wenig am Hut. Ich lese hauptsächlich Science-Fiction Romane.«

»Lass mal gut sein. Wir haben vielleicht zu viel in die Situation hineininterpretiert. Ich denke, du wirst dir beim Zuhören eine Meinung bilden und hinterher kurz darüber sprechen können«, sagte sie und ging nicht auf die anderen Gedanken ein, die ihre Mitbewohner und sie sich gestern Abend gemacht hatten.

»Hast du noch mehr neue interessante Hobbys, von denen ich wissen sollte?«, fragte er mit einem leicht provokanten Unterton.

»Finde es heraus!«, antwortete sie lachend.

»Hier ist ja eine gute Stimmung am Morgen!«, rief plötzlich eine Stimme vom Eingang der Küche.

Sie blickten beide hinüber und Melanie sagte: »Ah, Karin, darf ich dir Florian vorstellen. Florian, das ist Karin, meine eine Mitbewohnerin.«

Eine zierliche Frau in Trainingshose und T-Shirt kam herein. Ihr relativ schmales Gesicht und ihre Kurzhaarfrisur ließ sie ein wenig älter wirken, als Florian sie tatsächlich einschätzte.

»Schön dich kennen zu lernen, Karin«, sagte er. »Und du bist das zweite Drittel des Clubs der lebendigen Dichterinnen?«

»Melanie hat dir demnach schon von unserem Hobby erzählt?«, fragte sie, goss sich ebenfalls einen Becher Kaffee ein und setzte sich zu ihnen an den Tisch.

»Ja, sie hat mich zu eurem heutigen Abend eingeladen«, erwiderte er.

»Erwarte nicht zu viel von uns! Es ist nur eine kleine Spielerei«, sagte Karin.

»Jetzt stell aber mal dein Licht nicht unter den Scheffel!«, widersprach Melanie, »Deine Geschichten sind bisher immer klasse gewesen.«

»Auch wenn es nur eine Spielerei ist«, griff Florian in die Diskussion ein, »ich finde es toll, dass ihr euch so kreativ betätigt. Ich kann so etwas nicht. Ich kann ganz gut Handball spielen, aber zu dieser Art habe ich es nie gebracht. Ich bin auf jeden Fall gespannt.«

»Auf was bist du gespannt?«, fragte eine neue Stimme von der Tür.

Alle drehten sich um und eine großgewachsene Frau mit schulterlangen, blonden Haaren kam herein. Sie trug einen langen, weit geschnittenen Pyjama, dessen Farben durch viele Wäschen verblasst waren.

»Ich habe gesagt, dass ich auf euren Vorleseabend gespannt bin«, antwortete Florian.

»Dann musst du Melanies Freund aus der Schulzeit sein?«, fragte sie. »Guten Morgen, ich bin Eva.«

»Es freut mich, dich kennen zu lernen. Ich bin Florian.«

»Komm, nimm dir einen Kaffee und setz dich zu uns!«, forderte Melanie sie auf.

Eva setzte sich mit ihrem Becher neben Karin. Florian betrachtete die beiden Frauen und fand, sie konnten unterschiedlicher kaum sein. Karin machte auf ihn einen zurückhaltenden, fast schüchternen Eindruck. Von Eva hingegen ging eine Ausstrahlung aus, dass sie vermutlich keine Scheu besaß, auch einmal im Mittelpunkt zu stehen.