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Gegen alle Widerstände

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Die nächsten zwei Wochen saß er immer am Vormittag im Café, gelegentlich zeichnete er, aber die meiste Zeit sinnierte er nur entspannt vor sich hin und bereitete sich geistig und moralisch auf seine bevorstehende Arbeit in Genf und Langenthal vor. Er hoffte, dass Silke vorbeikommen würde und er sie noch einmal sehen konnte, aber in dieser Beziehung wurde er enttäuscht. Sie ließ sich nicht blicken, stattdessen schickte sie die Kinder zum Einkaufen, so als würde sie sich davor fürchten, ihm wieder zu begegnen.

Alex und Dani saßen dann eine Zeitlang bei ihm, schauten ihm beim Malen zu und befragten zu den Maltechniken und den verwendeten Stiften. Gregor zeigte ihnen wie man Schattierungen anfertigte, wie man gewisse Konturen hervorhob und betonte und wie man einer Zeichnung eine räumliche Dreidimensionalität verleihen konnte.

Wenn Silke sie fragte, warum das Einkaufen denn so lange gedauert hatte, war ihre Ausrede, dass sie ein paar Freundinnen getroffen hatten und vor lauter Tratschen die Zeit vergessen hatten.

Sie wussten ja nicht was zwischen ihrer Mutter und Gregor vorgefallen war, hatten aber mitbekommen, dass sie nicht gut auf ihn zu sprechen war. Sie dagegen mochten den Schweizer Maler, weil er sehr zuvorkommend und höflich zu ihnen war und sich die Zeit nahm, auf ihre Fragen zu antworten.

Dann verabschiedete sich Gregor von ihnen, weil die Arbeit in Genf, Langenthal und Winterthur auf ihn wartete.

* * *

Das Opernhaus in Genf hatte für ihn ein Zimmer im Génève Centre Lac reserviert. Sehr nobel, dachte sich Gregor und war froh, dass er den Weg zur Oper zu Fuß zurücklegen konnte.

Am nächsten Morgen machte er sich an die Arbeit, erklärte den Schreinern, wie er die Rahmen gebaut haben wollte, bespannte sie mit Leinwand, grundierte sie weiß und begann konzentriert zu zeichnen und zu malen.

So vergingen die nächsten drei Wochen ohne dass er eine größere Pause machte, sogar am Wochenende arbeitete er durch. Ein je 7-teiliges Bühnenbild entstand für jeden der drei Akte in enger Zusammenarbeit mit dem Regisseur, dem Bühnenmeister und den Technikern. Schließlich sollte der Wechsel des Bühnenbildes zwischen den Akten schnell und leise vor sich gehen und diese sieben Teile sollten homogen zusammen passen und ein harmonisches Ganzes ergeben.

Nach 20 Tagen hatte er es geschafft, die Theaterleitung war hochzufrieden und zeigte sich bei der Gage für ihn wahrlich nicht kleinlich. Schließlich hatte er einen gewissen Namen und tat mit seiner Kunst alles dafür, ihn zu untermauern und noch bekannter zu machen.

Gregor packte seine Pinsel, Stifte und Farben zusammen und fuhr zu seiner Familie nach Langenthal ins Oberaargau. Dort stellte er die Bilder für die Ausstellung in einem Nebenraum des Gemeindezentrums ab und faulenzte die nächsten beiden Tage. Er lag im Garten seiner Stiefmutter auf einer Liege und döste die meiste Zeit vor sich hin.

Und immer wieder, so wie in Genf, wenn er etwas Zeit hatte, schweiften seine Gedanken ab und Silke geisterte durch seinen Kopf.

Ließ diese Frau ihn denn nie in Ruhe?

Scheinbar nicht, denn er konnte machen was er wollte, immer wieder kam er auf sie zurück.

Seine Stiefmutter, zu der er ein besseres und innigeres Verhältnis als zu seiner leiblichen Mutter hatte, bemerkte natürlich, dass irgendetwas Gregor bedrückte.

Behutsam, aber nachdrücklich versuchte sie zu erfahren, was ihren Stiefsohn belastete. Und schließlich schüttete er ihr sein Herz aus.

Ihr Gregor war verliebt!

Er, der sich nach seiner ersten gescheiterten Ehe geschworen hatte, seine Finger von den Frauen zu lassen, war bis über beide Ohren verliebt. Und das in eine Frau, die ihn scheinbar nicht leiden konnte.

Iris erinnerte sich daran wie sie Urs auf einer Studienreise in Sri Lanka kennen gelernt hatte, wo er damals lebte und arbeitete und welche Schwierigkeiten und Verwicklungen es gab, bis sie endlich zusammenfanden. Sie konnte Gregor nur den Rat geben, zurückhaltend aber beharrlich zu sein, den Rest würde vielleicht die Zeit bringen.

* * *

Mittlerweile im Schwarzwald, in dem kleinen Dorf, das den Lesern nicht ganz unbekannt ist.

Silke warf hastig die Sachen, die sie brauchte, in ihren Einkaufswagen und eilte durch die Regalreihen, bis sich ihre Töchter ob ihrer Hektik beschwerten. Sie wollten durch den Markt bummeln, sich alles genau und gründlich anschauen und ihre Mutter hetzte durch die Gänge, als müsste sie gleich zur Arbeit und hätte keinen Urlaub.

Silke wurde nur langsamer wenn sie an einem der großen Fenster des Marktes vorbeikam. Sie versuchte zu erkennen, wer in der Galerie des Cafés saß, aber sie hatte ihre Brille im Auto liegen lassen und alles was mehr als 10 Meter entfernt war, das sah sie wie durch einen leichten Schleier. Ohne ihre Brille hatte sie ein Sehvermögen wie ein Falke, oder eher wie sein am Boden lebender Verwandter, der Maulwurf.

Als sie an der Kasse stand und ihre Sachen einpackte, macht sie einen langen Hals, um zu sehen, wer an besagtem Tisch saß, wo sonst immer der Schweizer Pinselschwinger hockte und die affigen Dorfschönheiten abbildete. Obwohl sie diesen eingebildeten Maler nicht ausstehen konnte, wie sie sich immer häufiger einredete, versetzte es ihr doch jedes Mal einen Stich, wenn er die Dorfgrazien zeichnete und dabei mit ihnen scherzte und flirtete.

Aber am Tisch waren nur Manfred und Helmut und die konnte sie doch unmöglich fragen, wo ihr Gregor abgeblieben war.

Erschrocken hielt sie inne und erstarrte förmlich zur Salzsäule, wie Lots Frau auf der Flucht aus Sodom und Gomorrha.

Hatte sie eben "ihr Gregor" gedacht?

Das durfte doch nicht wahr sein. Kaum war der Kerl vier Wochen fort, da fehlte er ihr! Sie sollte doch wohl froh sein, dass der Seuchenvogel weg war. Aber nein, auch diese Woche hatte sie ihn nicht einmal gesehen und dachte ständig an ihn.

* * *

Tanja und Sabine standen hinter ihr an der Kasse und unterhielten sich in lockerem Plauderton. Silke spitzte die Ohren, als sie den Namen "Gregor" vernahm.

"Wie hat deinem Mann das Bild von Gregor gefallen?" wollte Tanja wissen.

"Ganz toll, er hat es gleich gerahmt und in seinem Arbeitszimmer aufgehängt. Er hat gemeint, da hätte er immer einen hübschen Anblick bei der Arbeit vor Augen", erwiderte Sabine und dachte schmunzelnd daran, was ihr Roland danach noch alles mit ihr angestellt hatte.

"Ja, Gregor hat schon einiges auf dem Kasten", meinte Tanja, "und wenn er mit seinem "Pinsel" genau so virtuos umgehen kann, wie mit seinen Malstiften, dann wäre ich gerne mal seine Leinwand. Er bräuchte mich nicht einmal grundieren, sondern könnte gleich mit dem Spachteln anfangen."

Silke wurde blass.

ˋDiese kleine Schlampe. Die würde doch glatt ihrem Ehemann mit "ihrem Gregor" Hörner aufsetzen.

Moment mal, hatte sie eben vielleicht schon wieder "mit ihrem Gregor" gedacht?ˋ

Sie stützte sich auf dem Einkaufswagen ab und blickte nachdenklich auf den Tisch an dem sonst immer Gregor saß.

Alexandra stieß ihre Mutter an.

"Was ist los, Mami? Erst rennst du wie eine Gestörte durch den Laden und jetzt stehst du rum und kommst nicht in die Gänge. Ist was?"

"Nein, nein, Kinder, ich habe nur an was gedacht." Ja verdammt noch mal, sie hatte an Gregor gedacht. An den Mann, den sie am liebsten aus ihren Gedächtnis streichen würde.

Jetzt war sie schon zum dritten Mal in dieser Woche beim Einkaufen und hatte ihn noch nicht einmal gesehen.

Mist. Mist, Mist!

Warum konnte er jetzt nicht da sein?

"Auf das nächste Bild werden wir wohl noch eine Zeitlang warten müssen", meinte Sabine.

Silke wurde wieder hellhörig.

"Wieso denn das?" wollte Tanja wissen.

"Na, Gregor ist doch für ein paar Wochen in der Schweiz zum Arbeiten", sagte Sabine schwermütig. "Schade eigentlich."

"Ja", erwiderte Tanja, "er wird mir schon fehlen."

´Verdammtes Luder´, dachte Silke erbost. ´Dir wird er fehlen, wo du verheiratet bist und Kinder hast. Was soll ich denn sagen? Mir fehlt er doch auch schon.´

Erschrocken hielt sie inne, als sie zu dieser Erkenntnis kam.

* * *

In Gedanken versunken machte sich Silke mit ihren Töchtern auf den Heimweg.

"Mama, wo fährst du denn hin? Pass doch auf! Da geht´s doch gar nicht nach Hause!"

Silke zuckte erschrocken zusammen und bremste am Straßenrand ab. Wo war sie denn lang gefahren?

Sie stand fast in der Einfahrt vor Gregors Haus aber sein Auto war nicht da. Langsam wurde sie wohl verrückt.

Ihre Töchter schauten sich an und schüttelten den Kopf. Was war nur mit ihrer Mutter los? Die ganze Zeit war sie schon irgendwie abwesend und durcheinander. Sie halfen ihr die Sachen ins Haus zu tragen und kamen dann in die Küche. Gregors Bilder hatte Alex vorsichtshalber in ihrem Kleiderschrank unter der Bettwäsche versteckt und hoffte, dass sie dort unentdeckt bleiben würden.

Ihre Mutter saß am Küchentisch, hatte den Kopf auf die Arme gelegt und weinte.

"Mama, willst du uns nicht endlich sagen, was mit dir los ist? Hat dir jemand weh getan? Ist es wegen uns? Bist du vielleicht krank?"

Silke schüttelte den Kopf und wischte sich die Tränen aus den Augen.

"Nein, keine Sorge Kinder, es ist nichts dergleichen."

Alexandra blickte ihrer Mutter fest in die Augen.

"Dann kann es nur ein Mann sein! Wer? Wer ist es, Mama?"

Silke erschrak. War es so offensichtlich?

Sie seufzte und beschloss ihren Töchtern reinen Wein einzuschenken, egal was die beiden dann von ihr denken würden. Sie waren schließlich alt genug.

"Ja, Alex, du hast Recht. Es ist ein Mann, der mich vollkommen durcheinander gebracht hat. Es ist Herr Gerber."

"Wie?", platzte es aus Daniela heraus. "Greg, der Schwyzer? Wirklich? Toll, ich finde ihn echt nett und er kann so schön zeichnen."

"Woher willst du das wissen", fragte Silke misstrauisch.

"Wir haben ihn im Café malen sehen und es war sehr schön was er zu Papier gebracht hat", warf Alexandra schnell ein, bevor sich ihre Schwester vielleicht noch verplapperte.

"So, so", meinte Silke, fragte aber nicht weiter. Sie würde schon herausfinden, was sie wissen wollte.

Die Mädchen waren am nächsten Vormittag mit ihren Freundinnen auf einer Radtour, als Silke wie üblich ihre Zimmer sauber machte. Neugierig wie sie nun einmal war, schaute sie in Alexandras Kleiderschrank nach, ob alles in Ordnung war. Dabei entdeckte sie einen großen Briefumschlag unter der Bettwäsche.

"Erst am Geburtstag öffnen" stand in einer ihr unbekannten Schrift darauf.

Aber, . . . Alex hatte doch erst in fünf Monaten Geburtstag. Wer hatte ihr denn schon jetzt ihr Geschenk gegeben? Oder war das gar nicht für ihre Tochter? Vielleicht sogar für sie???

Mist, er war zugeklebt und so konnte sie ihre große Neugier nicht befriedigen. Sie drückte und tastete und fühlte, konnte aber nicht herausfinden, was darin war. Nur dass es dünn und biegsam war, das bemerkte sie.

Nun, in ein paar Tagen hatte sie ihren 36. Geburtstag und so lange konnte sie es gerade noch aushalten. Sie wollte ihren beiden ja nicht die Freude verderben.

* * *

Die nächsten Tage wurde Silke immer launischer und unausgeglichener, saß oft nur geistesabwesend herum und ihre Töchter machten sich langsam Sorgen um sie. Es war Ferienzeit, aber mit ihrer Mutter war absolut nichts anzufangen. Nachdem sie von ihren Mädchen Gregors Bilder und seine "Karte" und einen wunderschönen Blumenstrauß von ihm zum Geburtstag bekommen hatte, war sie vollkommen von der Rolle.

Alex erinnerte sich daran, dass an der Anschlagtafel im Supermarkt ein Flyer von Gregor hing, auf dem wie sie glaubte, eine Telefonnummer angegeben war. Sie besorgte sich heimlich das Papier und nahm es mit nach Hause. Als ihre Mutter kurz beim Einkaufen war, wählte sie diese Schweizer Handynummer und war gespannt, wer sich melden würde.

"Grüezi, hier isch Gregor Gerber."

"Herr Gerber, ääh, hier ist Alexandra Hallmeier. Ich wollte Sie fragen, wann Sie . . . "

"Alex, leg bitte auf, ich rufe sofort zurück. Das Gespräch wird viel zu teuer auf diese Art. Deine Nummer habe ich ja jetzt, also lege bitte auf."

Verwirrt tat Alex, was ihr Gregor geraten hatte und kaum hatte sie den Telefonhörer aufgelegt, klingelte es schon. Sie riss den Hörer hoch und presste ihn an ihr Ohr.

"Hallmeier, ja?"

"Ich bin es Alex. Gregor. Da bin ich wieder. Was glaubst du, was deine Mutter sagen würde, wenn sie die Telefonrechnung bekommt und sie die Nummer sieht, die du angerufen hast. Da kostet jede Minute fast einen Euro und der Schlag würde sie treffen. Und du würdest ordentlich Ärger bekommen. Also, was kann ich für dich tun? Du kannst übrigens Gregor zu mir sagen, der Herr Gerber ist momentan nicht da."

"Äh, ja, also Herr Gregor, nein, Gregor, wann kommst du wieder zurück?"

"Das weiß ich noch nicht so genau. Warum? Ist etwas passiert?"

"Nein, ja doch, schon. Seit du weg bist ist Mami ganz komisch geworden. Sie ist ständig am Heulen, isst fast nichts mehr und wir können mit ihr nichts mehr unternehmen. Dabei haben wir doch Ferien und wollten so viele Sachen machen, aber Mutti redet, wenn überhaupt, nur noch von dir und dann heult sie wieder. Daniela und ich wissen nicht mehr, was wir noch tun sollen. Die meiste Zeit hockte sie stumm da und starrt deinen Blumenstrauß an."

Gregor hatte ungläubig zugehört und dachte angestrengt nach. Silke, an die er voller Sehnsucht jede Nacht dachte, war wegen ihm verzweifelt? Sollte sie wirklich etwas anderes als Abneigung für ihn empfinden. Das wollte er jetzt wissen.

"Alexandra, hör mir mal zu. Heute muss ich noch hier bleiben und Morgen Vormittag habe ich noch einen Termin in Winterthur. Aber ich verspreche dir, dass ich spätestens am Samstag wieder da bin. Sage es auch Dani, aber bitte sage noch nichts deiner Mutter davon. Das kannst du am Samstag machen. Vielleicht treffen wir uns ja dann im Café, okay?"

"In Ordnung, Gregor. Danke, dass du zurückgerufen hast. Wir machen uns wirklich Sorgen um Mutti. Ich hoffe, dass am Samstag die Dinge dann wieder ins Lot kommen. Ich freue mich auch, wenn du wieder da bist, Gregor."

"Und ich erst, Alex, das glaubst du gar nicht. Also mach dir keine Sorgen, am Samstag bin ich wieder zu Hause. Und bitte passt auf eure Mutter auf, ja?"

Gregor legte auf und dachte darüber nach, wie er seine Termine so regeln konnte, damit er schnellstens heim fahren konnte. Er sprach mit seiner Stiefmutter und verschob einige Dinge, die nicht so wichtig waren. Wenn überhaupt, dann wollte er die nächsten Wochen zuhause im Atelier sein und einige Dinge, die in seinem Kopf herumgeisterten, auf die Leinwand bringen. Iris hatte natürlich Verständnis für ihn und hoffte, dass er endlich die Frau finden würde, die ihn aus seinem rastlosen Junggesellenleben heraus holte.

Am Freitag spät in der Nacht stellte Gregor sein Auto nach seiner Rückkehr in die Einfahrt und packte die ausgetauschten Bilder aus der Ausstellung, die Farben, seine Pinsel und Spachteln in seinen Lagerraum. Er hatte einige Bilder verkaufen können und war rundherum zufrieden. Dann gönnte er sich noch ein Glas Wein und dachte sehnsüchtig an "seine" Silke. Müde legte er sich in sein Bett und war auch sofort eingeschlafen.

* * *

Am frühen Samstagmorgen, nach einem ausgedehnten Frühstück und viel zu wenig Schlaf, räumte er noch ein wenig in seinem Atelier und Lagerraum auf. Außerdem öffnete er die Tür zur Terrasse in seinem Atelier, um frische Luft herein zu lassen. Dann versuchte er vergeblich ein wenig Staub zu wischen. Nach ein paar Wochen der Abwesenheit war das dringend nötig, aber nachdem er sein Weinglas vom Tisch und seine Kaffeetasse von der Anrichte gewischt hatte und fluchend die Scherben zusammenkehrte, gab er es auf. Er tigerte ruhelos umher und wartete was der Tag noch bringen würde. Was würde wohl Alex zu ihrer Mutter sagen und wie würde Silkes Reaktion daraufhin ausfallen? Fragen über Fragen und keine Antwort.

Er setzte sich an seinen Zeichentisch und versuchte sich an ein paar Skizzen, aber immer wieder kam nur das bezaubernde Antlitz von Silke dabei heraus. Missmutig knüllte er das Papier zusammen und feuerte es zu den anderen, die da schon in der Ecke lagen.

Gregor stützte seinen Kopf auf seine Hände und seufzte.

* * *

"Mami, stell dir vor, was ich gesehen habe!"

Alexandra stürmte in die Küche und legte die Brötchen, die sie gerade im Markt für das Frühstück geholt hatte, auf die Anrichte.

"Du, ich glaube der Gregor ist wieder da. Jedenfalls steht sein Auto bei ihm in der Einfahrt."

Silke zuckte zusammen und ein verwegener Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Sie packte Alex an den Schultern und sagte eindringlich: "Ich muss noch mal weg. Du frühstückst mit deiner Schwester und dann räumt ihr eure Zimmer auf und macht ein wenig sauber. Es kann etwas dauern bis ich wiederkomme. Seid brav und stellt keinen Unsinn an. Versprochen?"

Alex nickte und schaute zu, wie ihre Mutter hastig Geldbeutel, Führerschein und Autoschlüssel zusammen raffte und zur Haustür eilte.

"Mami, deine Maske!" rief Alex.

"Brauch ich nicht!", kam es zurück und Alexandra grinste, als sie hörte, wie ihre Mutter mit quietschenden Reifen aus ihrer Ausfahrt schoss.

Sie kniff beide Augen zusammen und drückte die Daumen.

"Viel Glück, Mutti, ich wünsche euch das Allerbeste."

"Was´ n los?" wollte Daniela wissen, die mit verschlafenen Augen aus ihrem Zimmer kam. "Warum ist denn Mutti mit so ´nem Affenzahn davon gebraust?"

"Gregor ist wieder da," grinste Alex.

"Uiiih, ach deshalb. Und was glaubst du?"

"Wir sollen frühstücken und dann unsere Zimmer aufräumen, hat Mami gesagt. Ich glaube aber, dass wir nachher unsere Fahrräder nehmen und ganz zufällig mal bei Greg vorbeischauen. Nachgucken ob beide noch leben. Ich weiß wie man ungesehen auf sein Grundstück kommt."

"Boah ey, das machen wir. Los, schnell was essen und dann nicht wie ab!"

* * *

Gregor saß immer noch nachdenklich am Zeichentisch, als es plötzlich an seiner Haustüre Sturm läutete. Wer konnte das wohl sein? Es wusste doch niemand, dass er wieder im Land war.

Niemand? Doch. Alexandra!

Voller Vorahnung eilte er an die Wohnungstür, öffnete. . . .

. . . . und wurde wie von einem Wirbelsturm nach hinten gefegt! Er prallte mit dem Rücken gegen die Flurwand, schlug sich zu allem Überfluss auch noch den Schädel an und rutschte stöhnend nach unten, bis er mit seinem Hintern auf dem Boden saß.

Und dann hatte er alle Hände voll zu tun, um sich einer temperamentvollen, ungestümen Frau zu erwehren, die breitbeinig über seinen Oberschenkeln saß und die ihn scheinbar erwürgen wollte. Nein, nicht erwürgen, er empfand es doch lieber als Umarmung, die ihm aber trotzdem die Luft nahm. Feuchte Lippen fuhren über sein Gesicht und küssten ihn dorthin, wo sie gerade ein Ziel fanden und die spitzen Kanten eines Brillengestells kratzen ihm über Stirn und Wangen.

Nach dem ersten Moment der Überrumpelung griff Gregor zu und zog die sich windende Frau zu sich heran. So nahe, bis es nicht mehr näher ging. Er nahm ihr Gesicht in beide Hände, zog ihr die Brille ab und blickte ihr tief in die Augen, als wollte er bis auf den Grund ihrer Seele schauen.

"Endlich, Silke, endlich bist du da."

Und dann küsste er sie sanft und zärtlich auf ihre Lippen.

Silke versteifte sich kurz, dann warf sie sich gegen Gregor und erwiderte seinen Kuss.

Und diesmal war der Kuss von beiden zärtlich. Silke lehnte sich an Gregor und umklammerte in mit beiden Armen, als wenn sie ihn nie wieder loslassen wollte. Dann wurde ihr die Luft knapp und sie legte schwer atmend ihre Stirn an die seine.

„Mach das bitte nie wieder, Gregor, niemals, nie, nie! Tu mir das nicht noch einmal an, ich bitte dich."

„Was soll ich dir nie wieder antun, Silke? Ich weiß nicht, was du meinst", sagte er verblüfft.

Sie schaute ihn eindringlich an und hatte auf einmal zwei kleine Tränen in ihren Augenwinkeln.

"Bitte geh nie wieder weg, ohne mir etwas zu sagen. Die Zeit wo du nicht da warst, war einfach nur schlimm für mich."