Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Geschichten aus einer anderen Welt

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Von den Sekundenbruchteilen des Schusses hing damit eine Menge ab, jedoch hatten ihn gelegentliches Training und die Zeit mittlerweile zu einem einigermaßen erfahrenen Bogenschützen werden lassen.

Als die Sehne zurückschnellte, horchte das Reh kurz auf, es hatte ihn bemerkt, doch zu spät. Bevor es die Möglichkeit hatte zu fliehen bohrte sich der Pfeil zielgerichtet zwischen zwei Rippen hindurch zum Herzen. Die letzten beiden Sekunden seines Lebens waren schmerzhaft gewesen, aber der Tod war rasch und ohne längere Qualen eingetreten. Noven entspannte sich und ging zu seiner Beute hin. Normalerweise würde er das Reh an Ort und Stelle häuten und nur die essbaren Fleischstücke mitnehmen. Doch er hatte Leyla schon nicht auf die Jagd mitgenommen, es wäre sicherlich eine kleine Entschuldigung, wenn er diesen Teil bei ihr machte. Der Heimweg würde zwar umso beschwerlicher werden, aber er lag gut im Zeitplan.

Mit zunehmender Wegstrecke, immer mehr unter der Last des Rehs schwitzend, kam ihm der Rückweg deutlich länger vor als angenommen. Mittlerweile achtete er nur noch darauf, nicht über Äste oder Steine zu stolpern, das knacken der Zweige unter seinen Füßen war ihm egal. Schließlich, nach über zwei Stunden des Rückwegs kam das Lager in Sicht.

Eine leichter Windhauch trug den Geruch des Waldes und von einem kleinen Feuer in seine Nase, es würde also recht bald ein anständiges Essen geben. Er hatte genug Kräuter gesammelt um eine ganze Herde Rehe zu verfeinern, er würde also hoffentlich nicht allzu schlecht dastehen. Mit neuem Mut machte er sich daran, die letzten Meter zurückzulegen.

Der sonore Basston einer fremden Männerstimme drang auf einmal in sein Ohr. Fast hätte er das Reh fallengelassen, schaffte es jedoch noch geradeso es abzufangen und langsam zu Boden gleiten zu lassen. Was war passiert, sollten sie heute Morgen doch zu unvorsichtig gewesen sein? Die Angst um Leyla pumpte eine nie gekannte Kraft in seine Adern, der beschwerliche Rückweg war mit einem Mal aus seinen Gedanken gelöscht. Mehr aus Gewohnheit denn als aus praktischen Überlegungen heraus hatte er seine beiden Säbel in den Gürtel gesteckt, nun hielt er sie so fest umklammert, dass man seine Hände mit Schnee hätte verwechseln können. Wie eine Raubkatze auf der Jagd schlich er sich an seinen Lagerplatz heran, die Sinne bis aufs äußerste geschärft.

Er konnte die gesprochenen Worte nicht verstehen, jedoch klangen sie alles andere als freundlich. Angespannt horchte er nach seiner Begleiterin, ohne etwas zu hören spürte er jedoch, dass sie sich hier befand. Er sah sie nicht, doch er spürte ihre Angst in seinen Gedanken, oder war es seine eigene? Er wusste es nicht, er wusste nur, dass er etwas tun musste, und zwar möglichst schnell. Vorsichtig blickte er durch die Äste eines Busches hindurch auf ihr Lager. In seinem Blickfeld erschienen drei kräftige Rücken von Männern, wahrscheinlich Räuber. Alle hatten ihre Waffen gezogen, zwei waren so wie er mit Säbeln bewaffnet, einer vertraute auf eine mächtige Zweihandaxt. Dieser jemand war ganz offensichtlich der Anführer, denn er war derjenige der redete und den andern beiden Männern bei jeder Bewegung böse Blicke zuwarf. Sie standen in einem angedeuteten Kreis um eine Person herum, die Sicht auf sie war verdeckt, jedoch wusste er, dass es sich um Leyla handelte.

Er hatte versagt. Er hatte sie alleine gelassen, und war einfach alleine zum Jagen aufgebrochen, der festen Überzeugung sie müsse hier in Sicherheit sein. Er hatte nicht nur seine Pflicht als Beschützer außer Acht gelassen, sondern sie quasi gezielt dem Verderben in die Arme gelegt. Ein Angriff wäre Selbstmord. Wenn er Glück hatte, würde er den ersten töten können, bevor dieser ihn bemerkte, falls er den Anführer traf, würde eventuell noch einer seiner Kumpane fallen. Doch dann hatte er den zweiten im Rücken und dieser würde nicht noch länger zögern ihn endlich umzubringen.

Seinen Bogen konnte er auch nicht benutzen, seine beiden Pfeile waren für die Jagd ausgelegt, mit einer eher dünnen Spitze, um das Wild sofort auszuschalten. Einen Menschen würde er damit nicht töten können, jedenfalls nicht von hinten. Er hatte auch erst zweimal auf einen anderen Menschen geschossen, doch diese Geschichte war zu alt, um ihm noch etwas zu bedeuten. Sein Leben hatte sich in der letzten Woche so sehr verändert, dass ihm die meisten früheren Ereignisse vorkamen, als wären sie Jahrzehnte her, obwohl die Erinnerung nicht länger als ein oder zwei Monate zurücklag.

Aus der Verzweiflung heraus versuchte er die Verbindung zu Leyla herzustellen, die es ihnen auf beinahe magische Weise erlaubt hatte ohne Worte zu kommunizieren. Er wusste, wie hilflos es erscheinen musste nach den Gedanken eines anderen zu suchen, dies war etwas was man spätestens mit 5 lernte, was man da für einen Unsinn tat, aber eine andere Möglichkeit sah er in seiner Verzweiflung nicht. Zum ersten Mal in seit einem ganzen Jahrzehnt spürte er eine Träne über seine Wange laufen. Zum ersten Mal, seit er von zu Hause weggegangen war, weinte er. Langsam gesellte sich ein weiterer Tropfen dazu, der salzige Geruch von Angst trat ihm in die Nase, seiner eigenen Angst. Diese drei Männer würden wahrscheinlich nicht mehr lange brauchen, um das Leben seine Gefährtin nun endgültig auszulöschen, nachdem der erste Versuch ihres Todes gescheitert war. Seine Seele würde mit sterben. Ein Teil von ihm würde für immer wie tot in seinem Körper verweilen, die Schrecken des eigenen Versagens immer bei sich. Heute Morgen noch hatte er sich geschworen sie für immer und ewig zu beschützen. Nun war der Zeitpunkt dafür gekommen und er konnte es nicht.

Bilder von ihr schossen ihm durch den Kopf, schmerzhaft wie Peitschenhiebe. Gefühle und Eindrücke ihrer Liebe legten sich über sein Herz, deckten es ab und erdrückten es beinahe, schwer wie Blei. Der Mantel der zuvor so wunderbaren Liebe schien ich zu ersticken, als würde man tauchen mit der Gewissheit, nicht wieder aufzutauchen. Dazu verdammt seinem quasi seinem eigenen Tod zuzusehen, begann er langsam sich aufzugeben. Zum ersten Mal im Leben wusste er, dass es keinen Ausweg mehr geben würde. Nichts in der Welt würde Leyla noch retten können, er war allein, sie war allein. Niemand würde kommen um zu helfen. Er begann sich zu wünschen, selbst dort zu liegen, zu wissen dass die Qual bald enden würde. Woher er den Willen nahm, seiner Situation kein Ende zu machen, wusste er nicht.

Irgendwann hatte man ihm mal erzählt, das Leben würde wie ein Film vor dem inneren Auge vorbeilaufen, wenn der Tod kurz bevorstand. Vielleicht lag es daran, dass sein bisheriges Leben schlicht und einfach bedeutungslos gewesen war, aber er sah einfach nur Leyla immer und immer wieder, sah sie wie er sie gefunden hatte, er ihren bewusstlosen Körper hierher getragen und sie versorgt hatte, ihre ersten Gehversuche, ihr Lächeln. Mehr nicht, nur sie stets vor einem rot-schwarzen Hintergrund.

Man hatte ihm jedoch auch noch andere Dinge erzählt: Die Götter würden stets für Gerechtigkeit sorgen, die Menschen beschützen und ihr Leben leiten. Er selbst hatte nie wirklich daran geglaubt, war stets der Meinung gewesen, dass jeder auf sich selbst achten müsste. Er hatte einige heftige Auseinandersetzung zu diesem Thema gehabt, manchmal abends in der Taverne wenn sich die Zunge lockerte. Nun war der Moment gekommen, an dem er seine Reden bereute. Dennoch fing er an, die Götter um Hilfe zu bitten. Mit ihm sollten sie tun können was immer ihnen beliebte, nur ihr sollten sie helfen, sie konnte nichts für seine Fehler. Ihn sollten sie bestrafen, das war Gerechtigkeit.

Doch wie erwartet antworteten die Götter nicht, warum sollten sie auch? Nie hatte er auf sie gehört, es gab keinen Grund, warum sie sich jetzt mit ihm beschäftigen sollten. Man bezahlte immer für seine Vergangenheit.

Ein dunkles Lachen wehte zu ihm herüber. Als er wieder in Richtung der Männer sah, erkannte er die dunkle Stimme des Anführers, die anderen fielen mit ein, wie Hunde, die stets ihrem Herrchen folgten. Der Anführer drehte sich auf einmal leicht und ging zu dem Feuer, um einen an einem Ende glühenden Stock herauszuholen.

Das verschaffte Noven die Möglichkeit, endlich einen bestätigenden Blick auf Leyla zu werfen. Sie saß in der Hocke auf ihren Fersen nackt auf dem Boden, nur Zentimeter von den Säbeln der Räuber entfernt. Ihre Nacktheit registrierte er jedoch nur am Rand, für ihn zählte nur eins: die schier unmenschliche Methode, Leyla am Boden zu fesseln. Im Boden steckte das Ende eines Pfeils, jedoch nicht mit der Spitze nach unten, sondern so, dass das Ende, an dem normalerweise die Federn befestigt waren im Boden mit einigen Steinen befestigt war, in den Öffnungen für die Pfeile waren längere, zur Seite abstehende Holzstücke befestig, auf denen jeweils ein großer Stein lag, so dass man diesen nicht aus der Position Leylas hochheben konnte.

Leyla war auf diesem Pfeil so aufgespießt worden, dass der Pfeil genau in ihre Spalte hineinreichte. Auch wenn er die Fortführung nicht sehen konnte, er wusste durch ihren schmerzverzerrten Gesichtsausdruck, dass die Männer nicht so nett gewesen waren, die Pfeilspitze zu entfernen. Sollte sie versuchen aufzustehen, würde der Pfeil ihr unendlich wehtun, sollte sie sich versuchen zu entspannen, würde der Pfeil weiter in sie eindringen und ihr für immer die Möglichkeit auf Kinder nehmen, falls sie dadurch nicht so wie so starb. Ihre Hände waren so auf dem Rücken gefesselt, dass sie diese Apparatur nicht berühren konnte, nur eine zweite Person würde ihr den Pfeil so entfernen können, dass sie nicht noch weiter verletzt würde. Noven hatte bereits davon gehört, dass viele Menschenjäger ihre Opfer folterten, bevor sie sie töteten, aber so etwas hatte er noch nie gesehen. Es schien beinahe zu unmenschlich, um in den Gedanken eines Wesens seiner Art entstanden zu sein, nur das Ziel sein Opfer zu quälen war wichtig.

Sie blickte ihrem Peiniger angsterfüllt hinterher, dabei streifte ihr Blick den seinen, Sekundenbruchteile blieb sie an der Stelle, an der er saß, hängen. Nun wusste sie dass er hier war, dennoch war ihre Reaktion ablehnend. Sie bewegte ihren Kopf einen Finger breit hin und her, sie wusste genau so gut wie er selbst, dass er sie nicht würde retten können gegen drei Männer. Er sah eine schmerzerfüllte Anstrengung in ihrem Blick, wenn sie ihre unbequeme Sitzposition nur ein paar Millimeter veränderte, würde dies extreme Schmerzen zur Folge haben. Ihre Augen sprachen von Hoffnungslosigkeit, sie war kurz davor einfach aufzugeben und den Schmerz zu beenden.

Ihr Anblick brachte ihm ein Gefühl, als wäre nicht sie, sondern er es, der dort saß, spürte ihren Schmerz an seinem Körper. Wie vor ein paar Tagen, als er Leyla gefunden hatte, spürte er, wie nah er dem Tod war, sollte er es auf einen Kampf ankommen lassen. Jedoch war eines anders: Beim letzten Mal hatte er im nur im Unterbewusstsein gespürt, wie nah er dem Lebensende gekommen war. Nun wusste er es sicher.

Seine Entscheidung trotz seines sicheren Todes anzugreifen war in dem Moment gefallen, als er in Leylas Augen ihren Schmerz gesehen hatte. Sie waren nicht mehr tiefblau und unergründlich gewesen, so wie er sie kannte und liebte. Sie waren grau und trüb, wie die eines bereits mit der Verwesung beginnenden Toten gewesen. In dem Moment hatte er gewusst, dass er nicht mehr würde weiter leben können, wenn er sie hier im Stich ließ, ihr Anblick würde für immer seine Seele überschatten.

Die Energie, die er sonst dazu verwendete sich ein klares Bild von der Situation zu machen und überlegt einen Plan zu entwickeln fügte er einfach der beinahe übermenschlichen Wut hinzu, die in ihm entstand. Unfähig einen weiteren klaren Gedanken zu fassen stürzte er ohne weiter zu überlegen mit einem lauten Schrei der Verzweiflung aus seinem Versteck heraus auf den immer noch am Feuer stehenden Anführer der Gruppe zu. Wenn er jetzt sterben würde, konnte er ihr wenigstens nach dem Tod nahe sein.

Mit einer schnellen Reaktion hielt dieser jedoch einfach seine Axt in seinen Schlag und spaltete damit beinahe ihm seinen Kopf. Die Kraft seine Wut war jedoch schier übermenschlich. Er schaffte es mit einem Säbel seinen folgenden Schlag mit der Axt zu blocken und schlug getrieben durch die Kraft der Verzweiflung beinahe blind in seine Richtung. Er spürte einen Wiederstand, spürte wie Knochen brachen und einen Schmerzschrei. Sein Angreifer fiel scheinbar tot zu Boden, doch das reicht ihm nicht. Wie ein Henker beugte sich Noven zu ihm herunter und trennte mit seinem Säbel den Kopf der vor ihm liegenden Leiche von seinen Schultern.

Ohne zu wissen, was er da tat warf er diesen den anderen Beiden vor die Füße, als Zeichen wie gefährlich es war sich mit ihm anzulegen.

Diese dachten jedoch nicht daran, eingeschüchtert davon zu laufen, sie waren zu zweit ihm gegenüber deutlich im Vorteil, und das wussten sie. Beinahe ruhig gingen sie zum Angriff über, Noven spürte den Atem des Todes in seinem Nacken, doch er ignorierte ihn einfach. Der herannahende Tod brachte ihm nur eine Botschaft, die er bereits kannte, aber jedes Leben endete einmal.

„Herzlich willkommen in der Hölle, wenn ich dort hingehe, kommt ihr mit.", knurrte er ohne seinen Mund zum Reden zu öffnen. Für sie war es wahrscheinlich nur ein unverständliches Murmeln gewesen, doch das war in seiner Raserei nicht wichtig. Für ihn zählte nur noch der Tod seiner Feinde, falls er dabei sterben sollte war dies ein akzeptabler Preis.

Noven blendete den Raum um sich herum aus, sah nur noch seine Feinde vor einem schwarzen Feld der Leere. Ein kurzes aufblitzen von dem Säbel eines seiner Gegner, mehr wie eine Maschine blockte er diesen ersten Schlag. Ohne jede Emotion außer endloser Wut. Tief in seinem inneren sah seine hilflose Begleiterin, ihr Erscheinungsbild machte ihn nur noch wütender. Er wurde zum Henker der Versuchung, der allen Feinden seiner Herrin den Tod bringen würde, selbst über seinen eigenen hinaus. Er lud den Tod in seine Seele ein, ihm Gesellschaft zu leisten, eine nie gekannte Dunkelheit legte sich in seine Züge.

Er kämpfe nicht mehr darum, seine Gefährtin zu beschützen, sondern um ihren Schmerz tausendfach zu rächen. Jeglicher Rest von Menschlichkeit verschwand, nun begann der Tanz des Todes erst vollständig. Ein an tiefen Wahnsinn erinnerndes Lächeln verwischte jede andere Regung seines Gesichtes, heute Abend würde der Herrscher der Hölle gute Gesellschaft bekommen.

Das nächste, was er von seinem Tun noch mitbekam war, das er über den völlig verstümmelten Leichen der beiden anderen Räuber stand. Sie waren beinahe unmenschlich in mehrere Teile getrennt worden, der Waldboden wurde von dem Rot des alles umschließenden Blutes verdeckt.

Er spürte, dass sein Brustkorb gebrochen war, gewärmt durch den unaufhörlichen Strom des eigenen Blutes, wusste, dass sein linkes Bein beinahe abgetrennt worden wäre und fühlte die sich überlagernden Schnitte von Säbeln in seinen Seiten. Trotzdem spürte er keinen Schmerz. Beinahe klar denkend ging er zu Leyla hinüber, sie hatte den Kopf abgewendet und die Augen geschlossen, ein unaufhörlicher Strom der Tränen quoll daraus hervor. Beinahe ohne eine Regung in seinem Gesicht befreite er sie, wie ein Arzt dies tun würde, ihre Schreie ohne Reaktion darauf ignorierend. Als er fertig war, kam mit der Beendigung seiner Aufgabe der Schmerz zurück. Der Tod rief seinen Diener nun nach Beendigung des Auftrags wieder zu sich. Schwärze umfing ihn, er spürte nun sein endgültiges Ende.

Mit den letzten Augenblicken, sah er, wie sich Leyla über ihn beugte. Sie berührte ihn mit nichts, obwohl dies für ihn als Bestätigung sie gerettet zu haben nun so wichtig gewesen wäre, nur ihre Tränen tropften auf seine Brust und vermischten sich mit seinem Blut. Als sein Augenlicht bereits erloschen war, hörte er, wie sie einen unendlich langen Schrei ausstieß, das Leid welches er gebracht hatte war zu viel für ihre Seele gewesen. Wie ein teilnahmsloser Beobachter sah er das Leben aus seinem Körper weichen, spürte wie seine Seele aus seinem Körper herausgezogen wurde, hinein in die allumfassende Dunkelheit.

Noven lief auf einem gepflasterten Weg, mit Schmutz und Erde überdeckt, wie man es in einer Stadt erwarten würde, doch er sah keine Häuser. Eigentlich sah er nichts außer der Straße mit der Gewissheit ihr folgen zu müssen. Seine Schritte verursachten keinerlei Geräusche, alles um ihn war stumm. Es gab niemand anderen, obwohl dieser Weg offensichtlich oft benutz wurde. Immer weiter ging er in die Dunkelheit hinein, ohne wissen zu wollen, was hinter ihm lag oder dass er näher kam. Wie selbstverständlich ging er weiter und weiter, ohne jemals irgendwo anzukommen. Wo er war und wie er hierhergekommen war, interessierte ihn nicht, das einzige, was wichtig schien, war dass er seinen Weg fortsetzte.

Nach einer unbestimmbaren Zeitspanne schien eine Person vor ihm aufzutauchen, die ihm entgegenkam. Unbeirrt lief er weiter, dennoch er kam nicht näher. Sie blieb stets so weit entfernt, dass er sie gerade am Horizont der immer weiter geradeausgehenden Straße erkennen konnte. Bilder tauchten auf einmal in seiner Welt auf, Abbildungen von Personen aus seiner Kindheit. Sie waren kalt und emotionslos, dennoch schienen sie alle ihn mit einem durchdringenden Blick anzustarren. Er sah seine Eltern vor sich auftauchen, doch er setzte seinen Weg unaufhörlich fort, bis die Bilder wieder verblassten, sie bedeuteten ihm nichts.

Der Duft des Waldes schien nun die Umgebung auszufüllen, wenngleich sich an der Situation der endlosen Straße und der sie umgebenden Dunkelheit nichts geändert hatte. Er registrierte den Geruch nur passiv, wenngleich es etwas merkwürdig erschien auf einer Straße wie dieser den Wald zu riechen.

Es begann leicht zu regen und es bildeten sich mit der Zeit immer größere Pfützen auf dem Boden aus, bis er ihnen nicht mehr ausweichen konnte. Schließlich hörte der Regen auf, es erschien jedoch keine Sonne sondern die Schwärze nahm wieder seinen Platz ein.

Je weiter er ging, desto mehr nahmen die Pfützen am Boden einen leicht bräunlichen Ton an, der Dreck der Straße war so stark, dass der Regen es nicht geschafft hatte diesen zu entfernen. Er Gestank einer Stadt umfing ihn und begleitete ihn auf seinem weiteren Weg, der so endlos schien wie die alles umfassende Dunkelheit selbst.

Mit dem Verblassen des Geruchs der Stadt nahm das Wasser am Boden eine leicht rötliche Färbung an, immer stärker bis es sich schließlich zu Blut gewandelt hatte. Das Gefühl von Leid und Verderbnis lag in der Luft, doch auch dieses registrierte er kaum.

Bis hierhin waren seit den Kindheitsbildern keine weiteren Personen aufgetaucht, außer der immer auf gleicher Entfernung bleibenden Person am Horizont und seinen Eltern mit ein paar anderen am Anfang. Bar jedes Gefühls setzte Noven seinen Weg fort, nichts war wichtig außer dem Weg selbst. Wie lange er gelaufen war, vermochte er nicht zu sagen.

Plötzlich erschien ein weiteres Bild, jedoch nicht platt und emotionslos wie die anderen, sondern es bildete eine wie die Wirklichkeit erscheinende Szene ab. Eine wunderschöne Frau saß neben einem Feuer, emsig damit beschäftigt ein Stück Kleidung in einem Topf voll mit blutigem Wasser zu waschen. Im Gegensatz zu den anderen Bildern betrachtete er dieses genauer, es schien beinahe als würde die Frau im Bild sich bewegen. Je weiter er ging, desto mehr wandelte sich das Bild in eine real vor seinen Augen erscheinende Szene. Nun erkannte man, dass hinter der Frau eine weitere Person lag, ein Mann, scheinbar schlafend, wäre er nicht völlig entkleidet und durch unzählige blutige Schnitte über den gesamten Körper entstellt. Der Frau liefen trockene Tränen über die Wangen, und sah immer wieder zu dem neben ihr liegenden Mann, was ihr nur weitere, längst ausgetrocknete, Tränen entlockte.

Immer mehr Details wurden ihm gewahr, die Frau war scheinbar durchaus kräftig, jedoch dabei von unglaublicher Anmut. Trainierte Muskeln zeichneten sich an Oberschenkeln und Schultern ab, bei jeder ihrer Bewegung wurde er Teil eines wundervollen Schauspiels der Kombination von Stärke und Schönheit. Ihr Gesicht unterstrich diesen Eindruck: Obwohl es mit vielen kleinen Narben übersät war, hatte es nichts von seiner Ausstrahlung verloren. Statt ihrem nun leeren und ausdruckslosen Blick hatte dieser wahrscheinlich einmal Willenskraft und Intelligenz gezeigt.