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Vormundschaft 01

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„Cathérine, wie soll ich dir helfen?"

„Catherina, du gibst mir den Ring, dann kann ich in deine Welt wechseln und nach dem Paris in deiner Welt reisen. Dort bin ich vor dem Herzog und dem Bischof sicher. Danach schicke ich dir nach meinem Wechsel in meine Welt den Ring mit einem verlässlichen Boten hierher und du kannst zurück."

Ich war platt vor Verblüffung. Mein Traum wurde immer abgefahrener! Das war mehr als blühende Fantasie. Ein magischer Ring bereicherte meinen Traum! Allerdings war es auch kein logischer Traum. Wie sollte denn dieser Tausch vor sich gehen, wenn Cathérine in Paris war und ich hier? Welcher Bote würde einen solchen Schatz übergeben und nicht für sich behalten? Und warum würde Cathérine überhaupt wieder zurück wechseln wollen in diese Welt? Natürlich, im Traum war alles immer einfach. Ich knurrte etwas in der Art vor mich her.

„Catherina, sei doch kein Dummerle! Natürlich will ich wieder in meine Welt zurück. Hier lebt doch mein Sohn, der mich dann in Paris besuchen kommen kann! Und natürlich kannst du auch zum Tauschen nach Paris, denn du bist ja keine Bürgerin von Katalonien. Du kannst also ausreisen, wenn du mit dem Händler als männlicher Begleitung reist, den ich bereits angesprochen habe. Alternativ kannst du auch mit meinem Sohn in militärischer Begleitung, also ganz auf sichere Weise reisen. Ihm kann ich heute noch einen Brief schreiben, na ja vielleicht erst von Paris aus."

Ich verstand jetzt gar nichts mehr von meinem Traum. Das war auch ein Novum. Sonst war mir immer alles sofort einleuchtend in meinen Träumen erschienen, auch wenn manche Ideen nach dem Aufwachen einfach hirnrissig waren. „Cathérine, das ist doch alles schwachsinnig! Ich kann doch schlecht als Catherina Mueller hier auftauchen und so tun, als ob ich deine Reinkarnation bin oder sowas in der Art. Und wie willst du überhaupt nach Paris kommen und wovon willst du dort leben?"

Mein Gegenüber lächelte schlau und siegesgewiss. Sie schien genau diese Einwände erwartet zu haben. Ihr elegantes Kostüm aus reiner Seide in einem Taubenton unterstrich noch den Eindruck der Selbstzufriedenheit. Ich konnte mich nicht erinnern, dieses Kleidungsstück schon einmal im Traum an ihr gesehen zu haben. Aber ich hatte mich schon immer gewundert, welche Mode dies war.

„Schätzchen, für die Menschen hier wirst du meine fünf Jahre jüngere Schwester Cathleen sein, die im Herzogtum Lorraine als Gesellschaftsdame und Erzieherin der jungen Comtesse von Metz lebt. Ich habe auch noch ihre vom Herzog ausgestellte Aufenthaltserlaubnis für Katalonien. Auch mein Kostüm stammt von ihr. Dein Laptop wird den Ruf der reichen Dame nur festigen."

Natürlich, ich hatte ja auch meine um fünf Jahre jüngere Schwester Kathleen. Das war nicht ganz unlogisch. Allerdings war meine Kathleen weder Gesellschaftsdame noch kannte sie irgendeinen Adligen, sondern studierte noch. Jetzt begriff ich allmählich. Ich übertrug meine Verhältnisse auf meine Träume. Auch die elegante aber leicht im Retrolook aussehende Kleidung von Cathérine war vermutlich ein Abglanz meiner geschichtlichen Studien mit den zahlreichen Fotos aus dieser Epoche.

„Catherina, das ist doch alles ganz einfach. Du gibst mir alle deine Bankkarten und dein Elektromobil, während du als meine ‚jüngere Schwester' hier alle Annehmlichkeiten des gräflichen Besitzes genießt. Siehe es einfach als ungefähr zweiwöchigen Urlaub an. Ich bin zuversichtlich, dass meine kleine Schwester in Metz einen vertrauenswürdigen Boten finden kann. Und sobald du den Ring hast, kannst du wieder in deine Welt zurück. Denke daran, es geht nur durch das Aufsetzen des Ringes zwischen Mitternacht und ein Uhr nach Mitternacht! Oder du reist nach Paris mit dem Händler oder meinem Sohn. Du wartest solange, bis du meine neue Adresse in Paris kennst, wo ich dir den Ring übergeben kann."

Langsam begann ich zu zweifeln, ob das alles wirklich ein Traum war. Aber es konnte ja nur ein Traum sein. Ich wusste nicht, was ich tun sollte. Und das nahm Cathérine wahr.

„Catherina, du willst doch auch nicht, dass ich diesen grässlichen, alten Herzog heiraten muss, nicht wahr? Also los, dann mach schon!"

Zögernd überreichte ich ihr das Portemonnaie aus meiner Jeans und die Autoschlüssel. Cathérine begann zu strahlen.

„So, jetzt schnell noch die Kleidung tauschen -- und dann brauche ich noch eine Einführung ins Autofahren. Du nimmst nachher den Gang zur Rechten. Er wird dich zum Sommerpalazzo der Familie führen. Dort wartet meine Zofe Floria auf dich. Sie ist eingeweiht."

Ich handelte wie im Traum. Natürlich, ich war ja auch in einem. Es war sehr surreal. Ich gab Cathérine mein Sweatshirt und öffnete meine Jeans. Cathérine hatte natürlich eine ähnliche Figur wie ich selber, nur etwas breitere Hüften. Na ja, sie hatte ja auch ein Kind geboren.

„Catherina, auch an die Unterwäsche denken. Es darf keinen einzigen Hinweis darauf geben, dass du nicht aus dem Lothringen meiner Welt stammst!"

Ich starrte sie für einen Moment an, dann zuckte ich mit den Schultern. Ich zog auch mein weißes Unterwäscheset aus und sie zog sich auch aus.

Ich war für einen Moment perplex, als ich das Muttermal an der linken Hüfte von der nun nackten Cathérine sah. Genau dasselbe, was ich auch an dieser Stelle hatte. Dann fragte ich mich, warum das anders sein sollte. Ich war ja auch im Traum Cathérine gewesen. Aber eigentlich hatte ich noch nie einer Schizophrenen gehört, die sich selber gegenüber stand. Vielleicht würde ich in die Annalen der Medizin eingehen.

Dann zog ich mechanisch die zartblaue, spitzenbesetzte Seidenwäsche von Cathérine an. Das mechanische Agieren machte schnell einem Gefühl von Luxus Platz, als ich den seidig verwöhnenden Eindruck dieser exquisiten Lingerie auf meiner Haut genoss. Eigenartig, wie detailliert dieser spezielle Traum war. Langsam streifte ich mir die feine Bluse über und schlüpfte in den knielangen Rock des Kostüms. Ich stieg in die Söckchen und die relativ flachen, dunkelblauen Pumps. Dann hängte ich mir das Jackett des Kostüms um die Schultern.

„Na gut, Cathérine. Lass' uns zum Elektromobil gehen. Das Navigationssystem wird dich zu meinem Freund führen. Ich schreibe ihm eine kleine Notiz, dass ich dir als meiner Cousine das Auto geliehen habe. Du musst nur wissen, wo du den Schlüssel reinsteckst. Den Rest macht das Auto..."

In der Zwischenzeit hatte Cathérine sich schon längst umgezogen. Die Jeans spannten bei ihr sichtlich über Hüften und Po. Wir gingen beide hinaus durch die Tür und die Treppen hinaus ins Freie. Ich leuchtete dorthin, wo das Auto stand. Nur stand dort keins!

„Meine Güte, das Elektromobil ist gestohlen!", ich war in Panik.

„Catherina, ganz ruhig. Das ist völlig normal. Du bist in meiner Welt, weil du den Ring aufgesetzt hast. In meiner Welt gibt es keine Elektromobile und nur wenige gasbetriebene Autos. Wenn ich den Ring aufsetze, dann wirst du vor meinen Augen verschwinden und stattdessen das Auto für mich auftauchen. Gib mir bitte deine Taschenlampe und ich gebe dir meine Laterne. Und schreibe bitte deine Notiz über deinen zweiwöchigen Urlaub bei einer lieben Freundin an deinen Freund, bevor du mir den Ring gibst."

Cathérine wirkte ganz entspannt. Ich schrieb die Notiz wie in Trance. Es war alles so unwirklich. Schließlich überreichte ich Cathérine den Ring. Ich kam mir ein bisschen wie im Herrn der Ringe vor. Ein unsichtbar machender Ring! Meine Fantasie ging wirklich mit mir durch.

„Catherina, mach' dir keine Sorgen. Du wirst bald wieder in deiner Welt sein. Ich danke dir jedenfalls, weil du mir so unendlich geholfen hast! Vergiss deinen Laptop nicht!"

Cathérine umarmte mich herzlich und setzte dann den Ring auf. Es wurde dunkel, als die helle Taschenlampe und sie selber mit einem leisen Plopp verschwanden, als die umgebende Luft das Vakuum auffüllte, wo sie eben noch gestanden hatte. Ich fühlte mich plötzlich unendlich allein als ich mit der relativ dunklen Laterne in der Hand auf dem Feld stand. Jetzt war eigentlich der Moment wo ich aufwachen müsste, aber es tat sich nichts.

Ich drehte mich um und ging zu der Eingangstür in den Gang. Ich wandte mich wie geheißen nach rechts, dann hielt ich inne und holte erst meinen Laptop. Ich folgte dem Gang wohl mehrere hundert Meter, bis eine angelehnte Tür zu Stufen führte. Ich ging hinauf. Am Ende der Stufen befand sich eine weitere angelehnte Tür. Ich trat hindurch. Neben der Tür saß Floria, die Frau die ich schon so häufig in meinen Träumen gesehen hatte, auf einem Stuhl und war offensichtlich eingeschlafen. Bei dem Anblick wurde auch ich extrem müde. So spät war ich nur sehr selten aufgeblieben.

Floria schreckte auf, erhob sich und lächelte: „Willkommen in Perpignan, Lady Cathleen."

Sie betonte ‚Lady Cathleen' so ausdrücklich, dass mir klar wurde, dass Floria dies ganz bewusst betonen wollte.

„Darf ich Sie in ihr Zimmer führen, Lady Cathleen?"

Ich folgte ihr einfach und ließ mich dann wie üblich von ihr ausziehen und in ein weißes Nachthemd kleiden. Ich hatte diese Szene schon so häufig in meinen Träumen als Cathérine erlebt, dass es mir ganz vertraut vorkam. Kaum war ich im Bett, da schlief ich schon ein.

Der nächste Morgen

Ich wachte am Sonntag desorientiert auf. Das war nichts Neues für mich. Neu war es dagegen, mich plötzlich daran zu erinnern, wie ich mich selber mit den Augen von Cathérine gesehen hatte. Das war mir noch nie passiert. Mich überkam ein Schwindelgefühl. Es musste der Punkt um Mitternacht gewesen sein, als wir uns beide getroffen hatten, denn danach hatte ich nicht mehr als Cathérine geträumt, ich jedoch hatte noch meine Erinnerungen als Catherina. Was das hieß, war mir noch nicht klar. Es gab eine Grenze um Mitternacht. Ja, aber war das ein klares Zeichen für fortschreitende Schizophrenie oder nicht?

Ich erschauderte, als ich mich umsah. Das war weder mein Zimmer in Saarbrücken noch die Wohnung meines Freundes in Montpellier!

Langsam begann ich mich mit der Möglichkeit vertraut zu machen, dass es gestern kein Traum gewesen war. Es gab vielleicht tatsächlich einen magischen Ring, so unwahrscheinlich das auch klingen mochte.

Floria, die Zofe von Cathérine, kam ins Zimmer und legte lächelnd Kleidung bereit. Wie eine Komplizin blinzelte sie mir zu:

„Lady Catherina, ich meine natürlich Lady Cathleen, hier haben Sie ein einfaches aber elegantes Kleid für den ersten Tag nach Ihrer Ankunft. Das Frühstück wird in einer halben Stunde bereit sein im kleinen Esszimmer." Ich machte mich im Bad fertig und zog das blaue, gut geschnittene und wadenlange Kleid an, das nur mit spitzenverzierten Ärmeln glänzte. Gedankenverloren machte ich mich auf den Weg zum Frühstück.

„Mama??", der junge, schlanke Mann am Tisch schaute verwirrt drein und stand unvermittelt auf. Ich erkannte ohne Zweifel den Sohn von Cathérine, Jean. Es war absolut eigenartig. Der Widerhall der Empfindungen von Cathérine beim Anblick ihres Sohnes drängte sich abrupt in mein Gedächtnis. Es war doch anders ihn als Catherina zu sehen oder ihn durch die Augen von Cathérine wahrzunehmen. Er sah muskulöser aus als in den Träumen und gleichzeitig kleiner als gedacht. Ich fühlte mich unerwartet gehemmt - vielleicht auch durch die Ansprache als Mutter oder durch die Erinnerungen von Cathérine über ihren Sohn. War der junge Mann eigentlich mit mir verwandt? War ich mit seiner Mutter verwandt? Waren ihre Eltern meine Eltern? Es war verwirrend.

„Nein, Graf Jean-Marie, ich bin -- also, ich bin ihre Schwester Cathleen, ich meine deine Tante Cathleen. Du hast mich zuletzt, glaube ich, vor vier Jahren gesehen -- und du bist selber ganz schön verändert. Ein richtiger Graf..."

„Verzeih' mir, aber ich hatte dich anders in Erinnerung. Jetzt hast du eine sehr frappierende Ähnlichkeit mit meiner bewundernswert fraulichen Mama."

Ich biss mir leicht nervös auf die Lippen. Wenn Cathleen hier ähnlich aussah wie meine Schwester Kathleen, dann war sie einige Zentimeter kleiner als ich selber und das fiel natürlich auf. Aber vier Jahre waren eine lange Zeit und Menschen veränderten sich. Ich wusste nicht so recht, was ich antworten sollte und versuchte scherzhaft die Frage der Ähnlichkeit zu umgehen:

„Ich hoffe doch, dass diese Bemerkung als Kompliment gemeint war und nicht deine Art mir verblümt zu sagen, dass ich sichtlich älter geworden bin, Jean?"

Ich musste lächeln, als es ihm für ein paar Momente die Sprache verschlug. Er war es weder gewohnt diplomatisch mit Frauen umzugehen, die keine Bediensteten waren, noch einfach mit der Kurzform seines Namens angeredet zu werden. Er war ein schüchterner Bücherwurm und versteckte sich auf dem Thron hinter formaler Höflichkeit und zurechtgelegten Phrasen, wie ich sehr wohl aus den Erinnerungen von Cathérine wusste.

„Ähh, nein, nein - natürlich nicht. Ich meine, meine Mutter sieht genauso jung aus." Er schien schnell zu merken, wie das ‚genauso jung' für eine wesentlich jüngere Schwester ein zweifelhaftes Kompliment darstellte und fügte schnell hinzu: „Sie ist eine hübsche und sehr attraktive Dame, genau wie du in ihrem Kleid, Cathleen."

Jetzt war es an mir, leicht rot zu werden und verlegen zu wirken. Ich hatte nur von der Ähnlichkeitsfrage ablenken und nicht nach Komplimenten fischen oder gar flirten wollen -- und doch erschien es so, als ob ich genau das hatte provozieren wollen.

Ich hatte natürlich seit einem Jahr viele Dinge über ihn durch die Augen von Cathérine quasi mitbekommen, aber dieser direkte Kontakt war doch anders. Seine Naivität war durchaus süß. Seine Unerfahrenheit mit dem schöneren Geschlecht war bei zehn Jahren Altersunterschied nicht unerwartet.

„Jean, darf ich nachträglich zu deinem Geburtstag gratulieren? Alles Gute für dich!"

Er war sichtlich erfreut und nickte zufrieden. Dann stutzte er plötzlich. Er sah mich etwas zweifelnd an, so als ob ich ihm einen Streich spielen wollte:

„Nur meine Mutter nennt mich eigentlich Jean. Wenn mich meine Erinnerung nicht trügt, dann hast du mich sonst ‚Kleiner' oder, wenn du ärgerlich warst, Jean-Marie genannt. Du bist auch genauso groß wie meine Mutter und deine Stimme ist so ähnlich."

Ups, natürlich hatte ich im letzten Jahr Cathérine ihren Sohn jeweils Jean hören nennen. Und für meine Stimme konnte ich nichts. Ich war nun mal nicht seine Tante Cathleen.

„Also Jean-Marie, wenn du lieber so genannt werden möchtest, kein Problem. Klein bist du ja jetzt nicht mehr. Du hast mich vier Jahre lang nicht mehr gesehen, vielleicht ist deine Erinnerung nicht ganz so frisch."

„Herr Graf, ihre Mutter lässt ihnen noch schöne Grüße bestellen und einen herzlichen Glückwunsch ausrichten."

Dann runzelte er seine Stirn, als er Floria's Einwurf hörte. Er sah sich suchend im Raume um und musterte dann die Zofe:

„Floria, wo ist meine Mutter heute? Sie war gestern nervös, obwohl sie ein hervorragendes Geburtstags-Menu zum festlichen Abendessen für mich zusammengestellt hat."

Die Zofe räusperte sich und blickte zu hin, als ob sie sich von mir Hilfe holen wollte. Dann räusperte sie sich und erklärte etwas zögernd:

„Herr Graf, Ihre Mutter hat sich wegen der geplanten Ankunft des Herzogs für Ihre heutigen Krönungsfeierlichkeiten auf eine Reise begeben, um sich beraten zu lassen. Ihr Aufenthaltsort soll geheim bleiben. Die Schwester von der Gräfin ist eingeweiht und hat einen Laptop mitgebracht, um die Reise zu ermöglichen."

Das mit dem Laptop war zwar sachlich richtig, aber ich würde das nur ungern erklären. Ich wünschte mir, dass Floria dieses Detail ausgelassen hätte, als sowohl Jean als auch die gerade hereingekommene Bedienung aus der Küche die Ohren sichtbar spitzten.

„Ein Laptop!? Kann ich den mir anschauen? Ich habe noch nie einen in den Händen gehalten. Das ist ja unglaublich."

Der Laptop hatte die ganzen Fragen bezüglich meiner mangelnden Ähnlichkeit mit seiner Tante vom Tisch gefegt. Vielleicht hatte Floria deswegen diesen Punkt erwähnt. Aber jetzt erst sickerte bei mir ein, was der Besuch des Herzogs bedeuten konnte. Er würde sicherlich nicht erfreut sein, dass Cathérine nicht anwesend war. Ich musste unbedingt mit Floria bereden, wie ich mich verhalten sollte.

„Jean, ich kann dir gerne einmal zeigen, wie er funktioniert. Aber gleich muss ich erst einmal wissen, was für die Feierlichkeiten geplant ist und wann der Herzog ankommt. Wir müssen ihn doch gebührend empfangen."

Der Jüngling zuckte nur mit den Schultern, als ob das nur eine Nebensächlichkeit sei. Vielleicht war er das auch gewohnt, aber ich war es nicht.

„Das hat doch alles schon der Haushofmeister Claude erledigt. Es ist doch nur die formelle Bestätigung. Mama hat mir gestern das Zeremonienschwert und die Grafenkrone offiziell übergeben. Das ist das was zählt! Mama hat dafür gesorgt, dass ich einen guten Hauptmann und eine treue Garde habe. Die Zeremonie in der Kirche mit dem Herzog und dem Bischof ist doch nur Schauspiel fürs Volk."

‚Schauspiel fürs Volk' klang in meinen Augenziemlich herablassend. Das hatte ich so von ihm nicht erwartet. Aber er sah auch so aus, als wollte er etwas angeben, wie gut er alles im Griff hatte. Wollte er mich beeindrucken oder nur den Macho spielen? Und eine weitere Warnlampe blinkte in meinem Gehirn auf, als ich das Wort Bischof hörte.

Cathérine war immer sehr vorsichtig mit dem Bischof gewesen. Er war nämlich der Grund, weshalb Cathérine in den neun Jahren nie Anstalten gemacht hatte, einen Flirt oder gar eine Beziehung anzufangen. In den Augen der Kirche war sie immer noch verheiratet gewesen -- und die Kirche war mächtig in Katalonien. Mächtig genug um sie vor den Machtspielen des Herzogs zu schützen, der nur zu gerne ihre gut geschulte Militärtruppe übernommen hätte. Auf der anderen Seite auch mächtig genug, um irgendwelche Verfehlungen sofort auszunutzen. Eine Anklage von Ehebruch hätte sie mit sofortiger Wirkung um ihre Vormundschaft gebracht und noch mehr. Ehebrecherinnen wurden unabhängig von Status und Stellung grundsätzlich kahl geschoren und im Büßergewand durch die Straßen aus der Stadt getrieben in das außerhalb der Stadtgrenzen liegende Freudenhaus. Danach blieb es ihnen nur noch übrig als Hure für alle Männer zu dienen, falls sie nicht verhungern wollten. Es war keiner Seele erlaubt, sie wieder aufzunehmen. Der Eigentümer vom Freudenhaus musste den Zehnten als Bußgeld an den Bischof zahlen.

Nein, ich würde auch sehr vorsichtig sein mit den Mächtigen hier vor Ort. So langsam begann ich es zu bedauern, auf was ich mich da eingelassen hatte. Ich hatte eigentlich bis zu dem Moment an einen Traum geglaubt, wo das Elektromobil nicht mehr aufzufinden war und Cathérine plötzlich vor meinen Augen verschwand.

„Floria kann dich über den Ablauf informieren, werte Tante."

Ich fasste das als Signal für die Beendigung der Frühstückstafel auf und steuerte auf mein Zimmer zu. Floria folgte mir auf dem Fuße. Sie schloss die Tür hinter mir ab.

„Lady Catherina, meine Herrin hat mich gebeten Ihnen so gut wie nur irgend möglich zu helfen. Dazu gehören auch Warnungen. Der Herzog ist skrupellos, nehmen Sie sich vor ihm in Acht. Er ist der Hauptgrund, weswegen meine Herrin unbedingt hier weg wollte. Der junge Herr ist seit gestern volljährig. Der Bischof wird nun nicht mehr darauf bestehen, dass die Gräfin als verheiratet anzusehen ist. Sie wird nicht mehr als Vormund benötigt und meine Herrin konnte nicht mehr an den Bischof spenden, da seit der Volljährigkeit die Vermögensverwaltung an den jungen Herrn übergeht. Der Herzog hätte gerne mehr Einfluss in der Grafschaft von Perpignan und wird den Bischof mit großzügigen Spenden verwöhnen. Der Herzog wird den jungen Herren mit seiner Tochter verheiraten wollen, nun da er nicht mehr direkt Einfluss durch eine Heirat mit der Gräfin nehmen kann. Wenn sie es verzögern können, bis meine Herrin schreibt, dann tun Sie es bitte."

Ich nickte kurz. Die Zofe war ganz offensichtlich noch mehr die Vertraute von Cathérine, als ich schon angenommen hatte. Die Erinnerungen an meine Träume waren wohl lückenhafter als geglaubt. Es gab hier mehr Ränkespiele, als mir jemals durch die Träume von Cathérine bewusst geworden waren.