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Krieg und Liebe - Tanganjikabahn

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JoeMo1619
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Direktor Huber erschien mit einem Tag Verspätung in Kigoma, da seine kleine Reisegruppe Probleme bei zwei Flussüberquerungen hatte und deshalb zweimal einen größeren Umweg in Kauf nehmen musste. „Das wird erst einfacher, wenn die Bahn tatsächlich Kigoma erreicht hat", war sein aufstöhnender Kommentar bei unserem ersten Treffen. „Immerhin hat es trotz der teilweise starken Regenfälle keine Überschwemmungen des Gleiskörpers unterwegs gegeben. Das beweist, dass unsere Trassenführung sauber geplant worden ist."

Seine Inspektion der Bauvorhaben fiel für ihn befriedigend aus. Insbesondere die Qualität der ersten Bauholz- und Schwellen-Anlieferungen fand seine Zustimmung. „Was mir am meisten gefällt", kommentierte er mit breitem Grinsen, „dass wir diese Qualität zum niedrigeren Preis einkaufen. Wir müssen umgehend prüfen, wie weit wir diese Schwellen ohne Bahn Richtung Tabora transportieren können. Die Einhaltung des bewilligten Budgets und des neuen Zeitplans steht über allem."

Dann berichtete er mir im 4-Augen-Gespräch zwei Neuigkeiten, die in der Tat den Zeitdruck zur Fertigstellung der Mittellandbahn zum Anfang 1914 erklärte. „Das Büro des Gouverneurs hat mich in einem Gespräch informiert, dass Ihre Kaiserliche Hoheit Kaiser Wilhelm persönlich zur Eröffnung der Allgemeinen Deutsch-Ostafrikanischen Landes-Ausstellung im August 1914 nach Daressalam kommen will. Anlässlich dieses Besuchs will der Kaiser die Mittellandbahn auf ihrer gesamten Länge fahren und persönlich nach Kigoma kommen, um die Überlegenheit deutscher Technik beim Zivilisationsfortschritt Afrikas zu demonstrieren." Direktor Huber lächelte mich verlegen an und zuckte mit den Schultern. „Sie werden verstehen, Herr Henschel, dass die Mittellandbahn bin dahin nicht nur fertiggestellt, sondern bereits in vollem Betrieb sein muss."

Ich konnte nur zustimmend nicken. „Das wird dann aber ein hartes Stück Arbeit."

„Genau deshalb bin ich jetzt mit den beiden Herren hier. Wir müssen Möglichkeiten finden und beschließen, wie wir dem Streckenbau in vernünftiger Form entgegen arbeiten können, damit anschließend nur noch die Schienen gelegt werden müssen. Oberbauleiter Hübener, den Sie vorhin schon kennengelernt haben, wird deshalb Anfang Januar dauerhaft nach Kigoma zurückkehren und die Verantwortung für den Trassenbau übernehmen. Dafür braucht er ihre volle Unterstützung."

Ich sagte Herrn Huber meine volle Unterstützung durch mich und mein mittlerweile funktionierendes Beziehungsgeflecht in der Region zu.

„Es gibt noch eine zweite, ziemlich sensationelle Nachricht, die diesen Zeitplan für die Fertigstellung erzwingt", ergänzt der Eisenbahndirektor, der mein unmittelbarer Vorgesetzter war. „Das Reichskolonialamt hat die OAEG vor die Aufgabe gestellt, ein Dampfschiff für den Personen- und Frachtverkehr auf dem Tanganjikasee zum Einsatz zu bringen. Dies Dampfschiff soll über siebzig Meter lang werden und über 1.500 Bruttoregistertonnen aufweisen."

Ich schaute Direktor Huber mehr als erstaunt an. „Wie soll das denn gehen? Am ganzen See gibt es keine anständige Werft."

„Das ist ganz raffiniert geplant. Es gibt mittlerweile eingehende Gespräche, dies Schiff auf einer kompetenten deutschen Werft zu bauen, aber alle Verbindungen nur zu verschrauben. Nach dem Probebetrieb soll das Schiff wieder in Einzelteile zerlegt, in Kisten verpackt und dann über den Hafen in Daressalam mit der Mittellandbahn nach Kigoma gebracht werden. Hier will die beauftragte Werft die Einzelteile dauerhaft zusammenfügen und dann zu Wasser lassen."

„Puh." Ich atmete tief durch und laut vernehmlich aus. „Was für ein wagemutiges Vorhaben! Ich nehme an, dass wir unseren neuen Pierbahnhof und die Lagerhallen dort gleich für diese Aufgabe herrichten müssen?"

„Ja und nein. Sie müssen einfach genügend Platz zur Verfügung haben. Ich habe gehört, dass die Werft mit dem Schiff auch gleich eine Slipanlage mitliefern soll, auf dem das Dampfschiff wieder zusammengesetzt wird."

„Ich gehe davon aus, dass diese Informationen bis auf weiteres streng vertraulich ist."

„Jawohl. Unbedingt."

„Muss für den kaiserlichen Besuch bereits heute irgendetwas in unsere Planungen einfließen?"

„Oh ja", grinste Direktor Huber etwas verlegen. „Das hätte ich beinahe vergessen." Er griff nach einer Dokumentenrolle, die er bei seiner Ankunft in meinem Büro auf einem Schrank abgelegt hatte und entnahm ihr eine Bauzeichnung. „Die OAEG ist beauftragt, für den geplanten kaiserlichen Besuch ein Jagdschloss zu errichten." Er rollte die Bauzeichnung zwischen uns auf dem Tisch aus. „Ich habe dafür einen ersten Entwurf mitgebracht, der natürlich an das noch auszuwählende Grundstück angepasst werden muss. Sie entnehmen diesem Entwurf aber die beabsichtigte Größe des kaiserlichen Jagdschlosses und den damit verbundenen Grundstücksbedarf. Die Kriterien, die mir von politischer Seite vorgegeben worden sind, sind einfach: freier, unverbauter Blick auf den Tanganjikasee und gute Bauumgebung. Das heißt, keine Eingeborenenhäuser in der Nachbarschaft." Er schaute mich fragend an. „Gibt es ein solches Grundstück, dass Ihnen sofort einfällt?"

Ich dachte kurz nach und nickte dann. „Möglicherweise sogar zwei. Aber dazu muss ich mit Muhammad Ali reden, das ist dieser arabische Händler, der mit seiner Familie hier in Kigoma das gesamte Bau- und Grundstücksgeschäft beherrscht."

„Gut. Reden sie mit ihm, solange ich selbst im Kigoma bin. Wenn er einen Vorschlag hat, sollten wir uns kurzfristig zusammensetzen. Von behördlicher Seite ist volle Unterstützung gewährleistet, wie Sie sich denken können."

Muhammad Ali führte uns mit seinem Bruder tatsächlich zwei Tage später zu einem möglichen Bauplatz, der bereits auf dem ersten Blick alle Kriterien erfüllte.

„Wem gehört dieser Grund und Boden?" fragte Direktor Huber nach einer sehr regennassen Grundstücksbesichtigung.

Muhammad Ali und Faruk lächelten zuvorkommend. „Uns. Und es wäre uns eine Ehre, wenn wir hier das gewünschte Gebäude errichten könnten." Ich sollte erst ein halbes Jahr später von meinem arabischen Freund erfahren, dass diese Aussage zu diesem Zeitpunkt eine glatte Lüge gewesen war. Als aber die OAEG den Grundstückskauf- und Bauvertrag mit den arabischen Brüdern abschloss, gehörte ihnen das Grundstück tatsächlich.

Direktor Huber und seine Begleiter machten sich zwei Tage später auf den beschwerlichen Rückweg. Oberbauleiter Hübener kam tatsächlich Anfang Januar wieder nach Kigoma und wurde in den darauffolgenden Jahren einer meiner engsten Kollegen und Freunde.

Die Begegnung mit dem Grafen von Cleve, dessen merkwürdige Schroffheit bewirkte, dass ich direkt nach dem Lunch noch am selben Tag nach Kigoma zurückkehrte, sollte die Einzige bleiben. Sechs Wochen später, in der Adventszeit, eilte die Mund-zu-Mund-Nachricht durch Kigoma, dass der Graf bei einer Großwildsafari am Ugalla Fluss nach einem wolkenbruchartigen Starkregen vom schnell ansteigenden Fluss erfasste und mitgerissen worden sei. Der Leichnam des vermutlich ertrunkenen Grafen wurde nie gefunden. Wahrscheinlich war er durch Krokodile oder andere Wildtiere vollständig entsorgt worden. Gräfin Gerhild von Cleve war somit wie ich verwitwet. Aber da der Leichnam des Grafen nicht gefunden wurde, galt dieser zunächst nur als vermisst, ein Umstand, über den Gerhild überhaupt nicht böse war.

„Ich muss gestehen", erklärte sie mir bei meinem Kondolenzbesuch, bei dem ich auch aus geschäftlichen Gründen mehr über die Erbschaftsregelungen und die Zukunft der Plantage in Erfahrung bringen wollte, „mein Vater ist ein sehr kluger und vorsichtiger Mann."

Ich schaute sie erstaunt an. Was hatte der vermutlich Tod ihres Ehemannes mit ihrem Vater zu tun?

„Als wir heirateten hat mein Vater mir „nur" eine angemessene Mitgift und Aussteuer mit in die Ehe gegeben. Die reichte natürlich hinten und vorne nicht für dies Plantagenprojekt. Und mein Göttergatte war faktisch mittellos." Sie grinste mich hintergründig an. „Mein Vater hat uns dann einen beachtlichen Kredit gegeben. Praktisch zinslos und mit gestundeten Tilgungen, aber grundbuchrechtlich an rangerster Stelle abgesichert. Sollte es jetzt irgendwelche Erbauseinandersetzungen geben, stellt er den Kredit fällig und zieht die Sicherheit. Dann gehört die Plantage ihm. Was für mich nur gut ist, denn irgendwelche Ansprüche von Verwandten meines Mannes laufen damit ins Leere." Sie klatschte vor Freude in ihre Hände. „Ich habe mich damals über meinen Vater massiv geärgert. Und heute bin ich glücklich über sein Verhalten. Das sichert das Erbe dieser Plantage für meine Kinder."

„Kinder?" Ich dachte im ersten Moment, dass ich mich verhört hatte.

„Ja, ich habe zwölfjährige Zwillinge. Zweieiig, einen Sohn und eine Tochter. Gehen beide in der Schweiz auf ein deutschsprachiges Internat und haben als familiären Anlaufpunkt meine älteste Schwester. Privatunterricht hier auf der Plantage hat sich nicht bewährt. Und da habe ich mir gedacht, dass die Schweiz für beide sicher besser ist als Daressalam." Ihr Gesicht bekam zum ersten Mal seit Beginn meines Besuchs traurige Züge. „Manchmal vermisse ich die beiden sehr."

„Einen Vorteil haben mir die beiden jedoch für den Rest meines Lebens hinterlassen." Sie lehnte sich zu mir vor und erfasste meine beiden Hände. „Seit ihrer Geburt bin ich anscheinend unfruchtbar. Hat schon erhebliche Vorteile für mein Liebesleben, dass ich nicht mehr schwanger werden kann."

Ich kehrte bereits nachmittags nach Kigoma zurück, so dass Gerhild nicht in Versuchung kam, mit mir sofort die lustige Witwe zu spielen. Aber ich lernte in den kommenden Monaten, dass sie genau dies tat. Sie nahm sich, was sie wollte und benötigte. Nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Besuchern ihrer Plantage. Aber Sie war eine perfekte Geschäftspartnerin. Ihre Lieferungen, aber auch ihre Rechnungslegungen, liefen mit einer unglaublichen Perfektion.

Das ganze Jahr 1912 war von einer unendlichen Menge an Arbeit und Entscheidungen gekennzeichnet. Oberbauleiter Hübener startete mit einer Bautruppe, die er durch Vermittlung von Muhammad Ali hatte anstellen können, mit den Trassenarbeiten, rodete die zukünftige Fahrspur, beseitigte Felshindernisse und begann, mit unendlicher Handarbeit das Trassenniveau zu nivellieren. Dabei tat ihm das sehr feuchte Frühlingswetter keinen Gefallen, weil es durch Sturzregenfälle immer wieder zu Abrutschungen an aufgeschütteten Trassenteilen kam.

Immerhin gingen meine Bauprojekte unter arabischer Bauleitung planmäßig voran. Am Ende des dann erfreulich trockenen Sommers war als erstes die Villa Henschel einzugsklar. Una hatte sich von meiner persönlichen Dienerin mit viel Zuwendung, Liebreiz, aber auch Fleiß, Einsatzfreude und Wissbegierde zu meiner heimlichen, eheähnlichen Partnerin entwickelt. Ich wollte sie in meinem Haus so viel wie möglich um mich haben, sowohl tagsüber als auch nachts. Offiziell gab es in meinem neuen Haus ein Dienerzimmer direkt neben meinem Schlafzimmer, aber in der Realität lebten wir zwei wie ein Ehepaar zusammen. Ich hatte ihr zudem neben meinem Haus-Büro, dass zugleich meine noch spärlich bestückte Bibliothek war, ein eigenes Büro eingerichtet, in dem sie mehr und mehr wie meine afrikanische Vorzimmerdame agierte. Wir waren gerade einmal vier Wochen in meinem neuen Haus, als Una mit einem überraschenden und ungewöhnlichen Wunsch auf mich zukam.

„Ich habe im Farmhaus der Plantage einige Male in der Bibliothek des Grafen, der sie eigentlich nie richtig genutzt hat, aufgeräumt und sauber gemacht. Dabei habe ich ein paarmal die Gelegenheit genutzt, in diverse Bücher hineinzuschauen, habe aber damals noch nicht so gut Deutsch lesen können. Das ist in den Monaten, in denen ich bei Dir bin, bereits deutlich besser geworden. Der Graf hatte ein vielbändiges Lexikon in seiner Bibliothek, auf dem ‚Brockhaus' stand. Ist es möglich, dass Du Dir die aktuelle Ausgabe für Deine Bibliothek anschaffst? Ich glaube, ich könnte daraus sehr viel lernen."

Ich nickte anerkennend. Natürlich kannte ich das Brockhaus-Konversations-Lexikon aus meinem Elternhaus, ich selbst hatte nie ein Exemplar besessen. „Das muss ich prüfen", antwortete ich ihr. „Ich weiß im Moment nicht, wie ich ein Exemplar hier in Kigoma erwerben kann." Ich zuckte mit meinen Schultern. „Möglicherweise muss mir meine Familie im Reich helfen und sie dann herschicken. Aber ich kümmere mich darum."

Mein Brief an die einzige mir bekannte Buchhandlung in Daressalam wurde erfreulicherweise zügig beantwortet. „Wir sind gern bereit, Ihnen die zuletzt erschienene 14. Auflage, die in 16+1 Bänden aufgelegt worden ist, zu beschaffen und nach Kigoma zu liefern. Wir brauchen dafür etwa vier Monate Lieferzeit ab Bestellung und Anzahlung von 50% des Kaufpreises." Der genannte Preis ließ mich zunächst schlucken und tief durchatmen, aber da ich von meinem Monatsgehalt einen beträchtlichen Teil hatte sparen können, war es mir das Investment in den Wissensdurst meiner afrikanischen Geliebten wert.

Überhaupt war das Zusammenleben mit Una in fast schizophrener Form zweigeteilt. Innerhalb der Villa Henschel waren wir fast wie Mann und Frau. Una holte zwar die Mahlzeiten aus unserer Küche und servierte sie, aber bei Tisch saßen wir uns gegenüber und aßen zusammen. Unserem Koch hatte ich anfangs etwas mühsam beigebracht, dass er die Mahlzeiten für uns beide gleichzeitig zuzubereiten hatte. Schließlich hatte eine kleine Gehaltserhöhung seine Verwunderung und seinen anfänglichen Widerstand überwunden. Nach außen hin waren wir beide darauf bedacht, das in der Kolonie verbreitete Verhaltensmuster von Herr und Dienerin aufrecht zu erhalten. Una war dies nun im doppelten Sinn, sie war offiziell meine persönliche Dienerin und zugleich meine afrikanische Vorzimmerdame.

In einem weiteren, wichtigen Punkt kam mir Unas Liebeserziehung durch Gräfin Gerhild zu nutze. Una wusste, wie sie vermeiden konnte, schwanger zu werden. An den von ihr so bezeichneten ‚fruchtbaren Tagen' beschränkten wir uns auf Oral- und Analverkehr, ihre Pussy wurde dann höchstens mit Mund und Fingern behandelt. Aber wir kamen beide zu unseren Orgasmusfreuden, mit zunehmender Vertrautheit wussten wir immer besser, was unser Partner im Bett wünschte. Mir fiel ein englischsprachiger Spruch ein, den ich von einem etwas angeheiterten Landsmann im Zusammenhang mit den Presseberichten über eine angeblich homosexuelle Beziehung zwischen Gouverneur von Rechenbach und einem afrikanischen Diener gehört hatte. „If they go black, they never come back." Ich hatte nun nicht im Geringsten homosexuelle Neigungen, aber wenn man diesen Spruch auf afrikanische Frauen ausdehnte, konnte er stimmen. Mein ursprünglicher Wunsch, mir in Deutsch-Ostafrika eine neue, weiße Ehefrau zu suchen, war erloschen. Una bot mir signifikant mehr. Dabei war mir die immer lauter werdende politische Diskussion sowohl in Ostafrika als auch durch die Zeitungsberichte aus der Heimat über Mischehen und deren Mischlingskinder durchaus bewusst. Als ich nach Deutsch-Ostafrika ausschiffte, war ich innerlich eher ein konservativer Kolonialist, der von der Überlegenheit des weißen Europäers und seiner Aufgabe, den Afrikanern die richtige Zivilisation zu bringen, überzeugt war. Una hatte nun in dem guten Jahr unseres Zusammenlebens ganz einfach durch ihre Persönlichkeit und ihre Liebe langsam, aber stetig mein Weltbild verändert. Allerdings musste ich mir auch eingestehen, dass sie wahrhaftig nicht der Durchschnitts-Afrikanerin entsprach. Zusätzlich hatte sich in mir auch die Meinung verfestigt, dass die afrikanischen Frauen wesentlich härter und belastbarer waren als ihre Männer. Es gab einen zweiten, extrem wichtigen Unterschied: afrikanische Frauen tranken so gut wie nie Bier oder Alkohol.

In einem ruhigen Vieraugengespräch mit Oberbauleiter Hübener, in dem er mir ein wenig von seinen Problemen mit Arbeitsdisziplin und Alkoholkonsum unter seinen afrikanischen Arbeitern klagte, machte ich scherzhaft den Vorschlag, doch die Männer durch Frauen zu ersetzen. Er war im ersten Moment schockiert, aber nach einer halben Stunde und einem Bier mehr kam er auf das Thema zurück. „Man sollte tatsächlich einmal darüber diskutieren. Zumindest für die Arbeiten, bei denen es nicht auf die unmittelbare Kraftanstrengung ankommt." Ich hatte ihm einen Floh ins Ohr gesetzt.

Mit der Fertigstellung der Villa Henschel hatten Faruk und Muhammad Ali diese Baukolonne sofort zur Baustelle des kaiserlichen Jagdschlosses geschickt. „Wenn Deine Eisenbahn Anfang 1914 hier ankommt, wollen wir das Jagdschloss fertiggestellt haben. Dann können Eure Beamten alles für den Besuch vorbereiten", lautete ihre Ankündigung. In der Tat hatte die Bauabteilung in Daressalam zusammen mit dem Hofarchitekten in Berlin den ursprüngliche Entwurf an die leichte Hanglage des Grundstücks angepasst. Von dort hatte man in der Tat einen wunderschönen Blick über die Kigoma-Bucht und den mittleren Teil des Tanganjikasees.

Die Mittellandbahn hatte mittlerweile tatsächlich den Bahnhof von Tabora erreicht. Die Philipp Holzmann AG arbeitete nun von beiden Richtungen aufeinander zu, wobei die endgültige Schotterschicht, in denen die Schwellen ruhten, und der Schienenstahl nur von Osten nach Westen verlegt wurde.

Eine Personalie, die ich nur aus der Deutsch-Ostafrikanischen-Zeitung erfahren hatte, aber für viele Diskussionen in der kleinen deutschen Gemeinschaft am Tanganjikasee führte, war der erzwungene Wechsel im Amt des Gouverneurs. Freiherr von Rechenbach hatte zwar die angeblichen homosexuellen Skandalanschuldigungen der Zeitung im Amt und mit gerichtlicher Hilfe durchgestanden, aber sich in seinen sechs Amtsjahren insbesondere bei der ländlichen Siedlerbevölkerung der Kolonie viele Feinde gemacht. Im Mai 1912 wurde er nach Berlin zurückberufen und durch Dr. Heinrich Schnee ersetzt, einen erfahrenen Diplomaten, der in seiner Laufbahn sowohl Erfahrungen in den deutschen Südsee-Kolonien als auch in Missionen in Europa und in Berlin gesammelt hatte. Deutsch-Ostafrika war die größte Kolonie des Deutschen Reiches und sollte nach Wunsch des Reichskolonialamtes als auch des Gouverneurs die ertragsreichste Kolonie werden. Dazu musste die Infrastruktur von Eisenbahn, See- und Binnenhäfen mit der dazu gehörenden Handelsschifffahrt und die an die neue Infrastruktur besser angebundenen Plantagen massiv und schneller ausgebaut werden. Ein strategisches Ziel, dass sowohl unter den Plantagenbesitzern und Farmern als auch von der technischen Führungsschicht des Landes massiv unterstützt wurde.

Hier in Kigoma war ich schon Kraft meines Amtes der stärkste Vorreiter für die Umsetzung dieser Strategie. Der als dreistöckiges Gebäude mit flacheren Nebengebäuden konzipierte Bahnhof wuchs mittlerweile zügig in die Höhe, jetzt in der sommerlichen Trockenzeit wurden die Holzbalkendecken zwischen Erd- und erstem Obergeschoss eingezogen, während die Außenwände bereits weiter in die Höhe wuchsen. Hunderte von Arbeitern wuselten über die Baustelle und transportierten das Baumaterial mit hergebrachten Hebezeugen und über Leitern in die Höhe. Die täglichen Ziegelanlieferungen aus Faruks Ziegelei kamen überraschend regelmäßig, man musste der arabischen Bauleitung tatsächlich das Kompliment machen, dass sie fast mit deutscher Gründlichkeit und Präzision arbeitete. Allerdings trieben sie dabei ihre indischen wie afrikanischen Arbeiter mit teilweise brutaler Härte an. Bautechnisch richtig problematisch war der Pierbahnhof, der teilweise auf sumpfigem Untergrund stehen musste. Die tropischen Hartholzpfähle mussten in sehr mühseliger Arbeit in den Boden gehämmert werden, insbesondere im zukünftigen Gleisbereich war das eine zeitraubende Arbeit, denn das Gleis durfte später unter der Last der langsam fahrenden beziehungsweise stehenden Lokomotive und voller Güterwaggons nicht einsacken.

Ich persönlich war jeden zweiten Tag auf den Baustellen, nicht um mich in den Fortgang der Bauarbeiten einzumischen, sondern ‚um Flagge zu zeigen'. Zudem fielen mir oft genug Kleinigkeiten auf, die genügend Anlass zu Diskussionen mit Faruk und seinen Bauleitern gaben.

JoeMo1619
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