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Auf der guten Seite der Grenze

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„Vielen Dank. Das war eine tolle Runde mit dir", meinte er und blieb stehen. Kathrin blinzelte. Er ging zum Du über? Hm -- störte sie das. Nein. Eindeutig nicht. Im Gegenteil.

„Das finde ich auch. Ich danke dir." Sie wandte sich ihm zu. Das Lächeln kam automatisch, sobald sie sich in die Augen sahen. Sie holte tief Luft und genoss das hauchzarte Prickeln, das an ihrem Rücken hinab lief. Der Augenblick dehnte sich, schwoll an. Wurde zu etwas Anderem, etwas Wichtigem.

Sie trat einen Schritt vor. Genau wie Alex. Sah zu ihm auf. Seine Wolfsaugen leuchteten in der Dämmerung. Die Umarmung entstand ohne weiteres Zutun, aus sich selbst heraus. Plötzlich lag ihre Wange an seiner Brust, sie spürte die Feuchtigkeit seines durchgeschwitzten Shirts. Ihre Hände hatten sich um seine Mitte geschlungen, ebenso wie er sie umfasst hielt. Sie holten tief Luft, ein gemeinsamer Atemzug in perfekter Synchronität, und die Umarmung mutierte zu einer engeren Verbindung, zu einem gegenseitigen Klammern.

Kathrin schluckte und schauderte innerlich, als sie ihre volle Vorderseite gegen den Mann rieb. Ganz anders als bei Detlef. Nicht sanft, verständnisvoll, umsorgend. Herrlich, die Brüste an seine Rippen zu pressen, seinen harten Griff zu spüren, seine Schenkel an ihrem...

Wie verabredet ließen sie los, wiewohl zögernd, und lösten sich voneinander. Fast, zumindest. Er hielt ihre Hände umfasst und sah sie an. In seinen Augen las sie dieselbe Erschütterung, deren Wucht sie selbst in sich vibrieren spürte.

„Puh." Er lächelte, unsicher. „Das ist... schön."

„Mja", nickte sie und atmete bewusst durch. „Aber... es kann ja nichts passieren. Wir sind... klar miteinander, oder?"

„Ja. Wir sind klar", wiederholte er tonlos, ohne den Blick von ihr zu lösen. „Es wird nichts passieren."

„Gut." Sie drückte seine Hände los. „Gut."

„Es wird nichts passieren." Seine Stimme war zu einem Flüstern abgesunken. Er beugte sich vor und küsste sie auf den Mund.

***

Alex knallte die Tür seines Zimmers ins Schloss und fuhr sich durch die verschwitzten Haare. Er setzte sich auf die Bettkante, nur um im nächsten Moment aufzuspringen und in dem Raum hin und her zu tigern. Drei Schritte bis zum Fenster, drei Schritte zurück zur Wand.

„Du verdammter Idiot!", knirscht er. „Was denkst du dir eigentlich, sie einfach zu küssen? Hast du ihren Blick gesehen? Morgen wird sie kein Wort mit dir reden, verlass dich drauf. Und überhaupt -- was ist mit Jette? Deine Verlobte, schon vergessen?"

Er blieb stehen, schloss die Augen, und spürte dem feinen Prickeln nach, das auf seinen Lippen saß. Fast konnte er sie noch spüren. Ihre warme Haut. Ihren Körper in seinen Armen. Ihren Geruch, frisch wie neu gefallener Schnee.

„Idiot", seufzte er. Dann musste er grinsen. Wenn er schon keine neuen Erkenntnisse im Marketing mit nach Hause nehmen würde, dann wenigstens die kleine, süße, verbotene Erinnerung an einen geraubten Kuss. Eine letzte, lässliche Sünde, bevor er in den heiligen Stand der Ehe eintrat. Ab diesem Zeitpunkt würden solche Ausrutscher endgültig ein Ding der Vergangenheit sein.

Diese Kathrin war schon ein Feger. Wie sie sich an ihn geschmiegt hatte! Ob sie sich im Bett wohl ebenso an ihn klammern würde, wenn sie unter ihm lag und er sie stieß?

Das Bild führte sofort zu Wärme und Enge in seiner Sporthose. Sein Grinsen verbreiterte sich. Er warf sich auf das noch makellose Bett und rieb träge über die Beule in seinem Schritt.

Na gut, dann hatte er es mit Kathrin eben versaut. Das spielte keine Rolle. Er würde sie übermorgen zum letzten Mal sehen und danach nie wieder. Die Gedanken zumindest waren frei. Was sprach dagegen, wenn er jetzt von ihr träumte und sich dabei in aller Ruhe befriedigte? Er musste ohnehin noch duschen. Nachher.

Mit diesem Entschluss schob er die Hose tiefer und schloss die Augen. Er stellte sich vor, wie die dunkelhaarige Frau ins Zimmer trat, neben sein Bett. Wie sie die Lippen öffnete und den Morgenmantel über die Schultern gleiten ließ. Ihr einziges Kleidungsstück. Wie sie auf ihn nieder sah und näherkam.

Sein Riemen ragte steinhart hoch. Er umfasste ihn und schob die Haut vor und zurück. Sehr langsam. Der Traum hatte gerade erst begonnen und sollte noch lange anhalten. Das Zeitlupentempo entspannte und erregte ihn gleichzeitig. Lust sickerte durch seinen Unterkörper, zähflüssig und schwer.

Kathrin kniete sich neben ihn, mit einer anmutigen Bewegung. Sie strich die Haare zurück und schloss ihre Finger um die seinen. Jetzt massierte sie seinen Schwanz mit ihm, spürte die Härte, die Hitze darin. Sie beugte sich vor, leckte sich über die Lippen, warf ihm einen lockenden Blick zu. Dann legte sich ihr Mund um seine Eichel...

Alex stöhnte und spannte den Po an. Ein forderndes Prickeln breitete sich in ihm aus, floss um die Bilder in seinem Kopf, warf den Schatten der Explosion voraus...

Und dennoch!

Unruhe erfüllte ihn. Unzufriedenheit. Etwas stimmte nicht. Etwas sollte nicht so sein.

Mit einem missmutigen Brummen schob er diese Gefühle beiseite. Er wollte sehen, wie es weiter ging mit seiner Fantasie. Er wollte das Mädchen haben! Wenn schon nicht in der Realität, dann wenigstens in seinen Träumen.

Seine Faust fuhr schneller auf und ab, drängte voran. Doch die seltsame Störung ließ sich nicht verdrängen. Die kleine Masturbationsorgie fühlte sich hohl an und leer. Eine Sehnsucht ohne jede Chance auf wirkliche Erfüllung. Eine Geschenkverpackung, aber kein Inhalt.

„Scheiße!"

Er rappelte sich auf und stopfte das harte Rohr zurück in seine Hose. Nein! Das stimmte nicht, er konnte es nicht ignorieren. Wenn er sich jetzt einen runterholte, dann würde er es später bereuen. Warum, das war ihm nicht ganz klar. Nur das vage Gefühl, dass diese Weggabelung in die falsche Richtung führte.

Gut. Keine Ersatzbefriedigung. Was dann? Alex nahm seine Wanderung zwischen Fenster und Wand wieder auf und achtete nicht auf den Protest des eingezwängten Ständers.

Die meisten der Gruppe wollten essen gehen, zu einem Italiener im Dorf. Denen konnte er sich natürlich anschließen. Doch der Gedanke an oberflächliche Gespräche und den Öldunst einer Pizzabäckerei schreckten ihn, darauf verspürte er nicht die geringste Lust. Außerdem war er noch satt vom Mittagessen. Abends aß er nie besonders viel.

Lesen? Er hatte einen Roman dabei. Und drei Bücher über Marketing. Ääh -- nur das nicht!

Fernsehen? Auf der Kommode stand ein altes Röhrengerät mit der Diagonalen eines Kochtopfs. Nein.

Runter gehen ins Erdgeschoss? Bei Kathrin anklopfen? Warten, bis sie aufmachte? Eintreten...

„Lass es sein, du Riesenblödmann", schnaubte er und rieb sich die Augen. „Lass es einfach, ja?"

Er stürzte zur Tür und die Treppe hinunter. Nach draußen. Die Sonne war bereits hinter den Horizont der Hügel im Westen gerutscht, das Gezwitscher der Vögel beinahe verstummt. Die friedvolle Stimmung kratzte an dem Aufruhr in seinem Inneren wie eine Kreide über die Schiefertafel.

Ohne nachzudenken rannte er los. Nicht auf den Pfad von vorhin. Nach rechts, der Straße entlang. Und geradeaus. Im steten Takt prallten seine Füße gegen den Asphalt und sandten Schockwellen durch seine Beine. Ja, das war gut. Weiter, schneller! Mit angespannten Kiefermuskeln beschleunigte er noch mehr.

Den Bildern in seinem Kopf konnte er nicht davonrennen. Doch die schlichte körperliche Anstrengung führte zu einer Betäubung. Einem angenehmen Schleier, der sich über seine überreizte Fantasie breitete.

Drei Stunden später kam er wieder beim Seminarzentrum an, völlig ausgepumpt. Natürlich hatte er sich in der hereinbrechenden Dunkelheit verlaufen und musste drei Mal nach dem richtigen Weg fragen. Selbst das war ihm nicht unrecht. Die zusätzlichen Kilometer würden ihn umso besser schlafen lassen.

Das Haus lag im tiefen Schatten. Nur an der Rezeption zeigte sich ein Licht. Alle anderen Fenster reflektierten das Nachtgrau des Himmels, nirgends die Lichtzuckungen eines laufenden Fernsehers oder das Blau eines Notebooks. Die Gruppe schien noch im Dorf zu feiern.

Ob sie wohl mitgegangen war?

Alex stellte sich vor, wie Kathrin zwischen den anderen in der Kneipe saß und sich unterhielt, mit blitzenden Augen und rosig angehauchten Wangen... Nein, unmöglich! Das stimmte ebenso wenig wie die Masturbation, vor der er weggerannt war. Dieser irrwitzige Kuss hatte sie genauso erschüttert wie ihn selbst, das hatte er gesehen.

Wie unter Zwang wandte er sich nach rechts und huschte mit lautlosen Schritten um das Gebäude herum. Sie hatte Zimmer Nummer vier, das hatte er in der Pause vom Messinganhänger ihres Schlüssels abgelesen. Also das vierte Fenster.

Er duckte sich und schlich unter den ersten drei Fensterbrettern vorbei. Das Gras verschluckte die Geräusche seiner Tritte. Die Rückseite des Hauses lag in tiefem Schatten. Nur der Halbmond spendete ein wenig Licht, das diffus durch ein paar Schleierwolken drang.

„Alex Weller, du bist ein hirnverbrannter Idiot!", warf er sich innerlich vor und nickte dazu, während er auf sein Ziel zu kroch. Das vierte Fenster war gekippt. Er verharrte reglos, atmete mit weit offenem Mund, um jedes Geräusch zu vermeiden, und lauschte.

Stille. Ein Vogel, irgendwo. Dann ein Laut. Von innen.

Mit trockenem Mund und schmerzenden Waden richtete er sich halb auf. Die Kühle der Nacht drang durch das klatschnasse Shirt, doch er achtete ebenso wenig darauf wie auf die zeternde Stimme in seinem Kopf.

Das Geräusch wiederholte sich. Es klang wie ein ... Seufzen?

Er musste es einfach wissen! Und er musste etwas sehen!

In extremer Zeitlupe brachte er seinen Kopf halb über das Fensterbrett. Die Vorhänge waren zugezogen, doch in der Mitte zeigte sich ein Spalt. Seine an die Finsternis gewöhnten Augen erkannten kantige Umrisse im Inneren. Ein Tisch. Ein Schrank. Ein Bett.

Eine Bewegung, im Bett. Sie wiederholte sich. Ebenso wie das Seufzen.

Sofort schoss ihm das Blut in die Lenden, ein Wasserfall aus flüssigem Blei. Er sah praktisch nichts und hörte nicht kaum etwas. Doch seine Fantasie füllte die Lücken augenblicklich mit Bildern im Breitwandformat.

Ja, kein Zweifel! Da drin, keine drei Meter von ihm entfernt, lag Kathrin unter ihrer Decke und tat genau das, was er selbst sich verweigert hatte. Mit jagendem Herzen starrte er durch das Glas, unsicher, was seine Sehnerven wirklich wahrnahmen, und was ihm das eigene Gehirn vorgaukeln mochte.

Sie atmete ein, stockend. Der fast unhörbare Laut transportierte so viel unterdrückte Lust, dass er um ein Haar aufgesprungen wäre. Stattdessen verharrte er regungslos, lauschte mit weit aufgerissenen Augen. Sein Rohr pochte schmerzhaft in der engen Hose, doch die Pein beinhaltete eine eigentümliche Süße. Er genoss sie, ebenso wie das Zittern in den Beinmuskeln nach den Kilometern.

Eine neue Bewegung, und Atmen. Ein Schimmern an der Grenze seiner Wahrnehmungsfähigkeit, das Restlicht des Mondes auf der Bettdecke. Hatte sie ein Knie hochgestellt? Wo waren ihre Hände? Alex biss die Zähne aufeinander und versuchte, die verdammte Dunkelheit durch blanke Willenskraft zu bezwingen. Er hatte eine Hand auf seine rasende Erektion gelegt und tätschelte sie wie ein Tier, das man beruhigen musste. Der Gedanke, wie Kathrin dort im Bett ihre Finger über ihre Vorderseite gleiten ließ, verwandelte sein Hals in ein Trockengebiet.

Sie seufzte laut. Dann das Knarren des Rostes, und Licht flammte auf. Alex´ Herz setzte für einen Schlag aus. Sie hatte die Nachttischlampe angeknipst, und der Schein beleuchtete auch sein Gesicht. Er verharrte als Steinfigur. Wenn er sich jetzt duckte, konnte die Bewegung ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Als unbeweglicher Umriss hinter den fast geschlossenen Gardinen würde sie ihn hoffentlich übersehen.

Kathrin lag im Bett und starrte nach oben. Ihr Blick drohte die Farbe an der Zimmerdecke zu verkohlen, solche Intensität spiegelte sich in ihrer Miene. Sie holte tief Luft und schnaubte. Dann schlug sie das Deckbett zurück und stand auf. Alex blinzelte. Für einen Sekundenbruchteil blitzten lange, nackte Schenkel auf, bevor das Nachthemd darüber fiel. Ein sichtlich teures Teil aus Seide.

Sie ging die zwei Schritt zum Schreibtisch und öffnete die Minibar darunter. Beim Vorbeugen zeichnete sich ihr Po unter dem dünnen Stoff ab. Alex stierte genauso hungrig darauf wie auf die Konturen ihrer Brüste, als sie den Kopf zurücklegte und aus einer Flasche trank. Die Nippel stachen verdächtig groß und hart durch das Hemd. Das sanfte Schaukeln beim Abstellen trieb ihn beinahe in den Wahnsinn.

Sie schlüpfte wieder unter die Decke, das Licht erlosch. Alex sah nichts mehr. Er unterdrückte einen Fluch. Jetzt würde es Minuten dauern, bis sich seine Augen so gut an die Dunkelheit gewöhnt hatten, dass er sich zumindest einbilden konnte, etwas zu erkennen. Die Sekunden tickten dahin. Kein Laut drang an sein Ohr, nicht einmal Atemzüge.

Schließlich wich er zur Seite, richtete sich mit brennenden Schenkeln auf, und schlich sich um die Ecke. Wenige Minuten später lag er in seinem Bett, körperlich erschöpft, im Kopf hellwach. Seine Latte klopfte und pochte unter dem Laken und jammerte um Aufmerksamkeit, doch er hielt die geballten Fäuste weg davon.

Es dauerte sehr lange, bis der Schlaf kam.

***

Die dicke Frau vom Zentrum war schon am Abräumen des Frühstücksbuffets, als Kathrin herein huschte. Die Uhr zeigte fünf nach neun, das Seminar hatte gerade begonnen. Sie hatte nicht verschlafen, sondern absichtlich gewartet. Die letzte halbe Stunde schlug sie in ihrem Zimmer tot und hieß sich dabei eine feige Memme. Doch der Gedanke an eine Begegnung mit Alex erschien ihr einfach zu -- ja, zu was? Zu fürchterlich? Zu anstrengend? Zu gefährlich?

In letzter Sekunde zog sie sich außerdem noch einmal um. Nicht wieder die Hose vom Vortag, sondern ein Kleid. Das grüne. Züchtig hochgeschlossen, und bis über die Knie gehend, brachte es doch ihre schlanke Gestalt hübsch zur Geltung.

Rasch schenkte sie sich einen Kaffee ein. Auf ein Brötchen musste sie heute eben verzichten. So bewaffnet drückte sie die Klinke zum Schulungsraum und warf Dr. Bohnert ein Entschuldigungslächeln zu. Der dozierte bereits wieder über Positionierung und Kundennutzen und hatte ein halbes Blatt am Flipchart vollgekritzelt.

„Ah, guten Morgen, Frau Schützenthaler", rief er aus, als er sie sah. „Schön, dass sie auch den Weg gefunden haben. Dann wären wir ja endlich vollzählig."

Sie biss die Zähne zusammen und reagierte weder auf die höhnischen Worte, noch auf die Kicherlaute oder die Blicke der anderen. Wenigstens Diana warf ihr ein Lächeln zu, als sie sich neben sie setzte und blind in ihrem Block blätterte.

Wie erwartet saßen alle an denselben Plätzen wie am Vortrag, Alex also schräg vor ihr. Er hatte sich bei ihrer Ankunft nicht umgesehen, aber irgendetwas an seiner Haltung verriet ihr, dass ihre Anwesenheit ihn keineswegs gleichgültig ließ. Er trug auch heute die Jeans, dazu ein blau gestreiftes Hemd. Die Farbe harmonierte perfekt mit seinen Haaren.

So ein Mist! Was hatte dieser Typ bloß, dass er sie so aus der Fassung bringen konnte? Nicht nur diese Umarmung gestern nach dem Joggen, deren Nachhall sie immer noch in sich spürte. Dann musste er sie auch noch küssen, und sie damit in ein Chaos aus gegensätzlichen Impulsen und Gefühlen stürzen. Am Vorabend war sie so durcheinander gewesen, dass sie sich nur einmal aus dem Zimmer schlich, um ein belegtes Brot aus dem Automaten im Keller zu ziehen. Ansonsten hielt sie sich verschanzt, hinter der abgeschlossenen Tür, und hinter ihrer Arbeit.

Leider waren ihre Gedanken alle fünf Minuten abgedriftet, bis sie das Notebook zuklappte und ins Bett ging. Doch das stellte sich schnell als falscher Schritt heraus. Die Bilder, die sie verfolgten, nutzten diese neue Umgebung schamlos aus. Erst als sie sich genüsslich über den Bauch strich, da dämmerte ihr, dass sie nicht an die Hände von Detlef dachte, sondern an die von Alex.

Mehrfach hatte sie es sich verboten, doch irgendwann nach Mitternacht, als die weinseligen Stimmen der Pizzeria-Rückkehrer im Treppenhaus schon wieder verstummt waren, da streichelte sie sich unter der Decke zu einem verstohlenen Orgasmus.

Erbittert schob sie die Erinnerung beiseite und konzentrierte sich auf die Ausführungen des Dozenten. Zwecklos. Dr. Bohnert hätte genauso gut über theoretische Quantenphysik sprechen können, sie hätte nicht weniger aufgenommen.

Also gut! Sie seufzte stumm und fixierte die Gestalt vor ihr. Dann eben frontal!

Sie konnte es nicht leugnen: Alex nahm ihr ganzes Denken und Fühlen in Beschlag. Detlef dagegen kreiste irgendwo am Rand. Ein Satellit, der hilflose Notsignale piepte. Ihr Handy hatte sie nach der Schulung gestern nicht wieder eingeschaltet. Vermutlich warteten drei oder vier besorgte Bitten um Rückruf auf der Mailbox. Später! Sie würde ihn später anrufen.

Sie rutschte auf dem Stuhl hin und her und spielte mit dem Bleistift, kritzelte abwesend auf dem Papier herum. Alex bildete einen Umriss am Rande ihres Gesichtsfeldes, doch sie nahm jede Bewegung aus seiner Richtung überdeutlich wahr. Heute schrieb er nichts. Weder Hochzeitsreden, noch Notizen über die Geheimnisse des Online-Marketings, die Dr. Bohnert gerade enthüllte. Er brütete vor sich hin, offenbar voll in einer eigenen Welt gefangen.

Zum eintausendsten Mal stellte sie sich die Frage, was wohl passiert wäre, wenn sie nach diesem markerschütternden Kuss nicht davongelaufen wäre. Was, wenn sie ihn wieder umarmt hätte? Ihn angelächelt, ermutigt, eingeladen? Alex hatte von seiner anstehenden Heirat erzählt. Wie weit wäre er gegangen? Hätte er sie berührt, über den engen Sportdress gestreichelt? Sie vielleicht gegen einen Baum gedrängt?

Und, viel wichtiger: Wie hätte sie selbst dann reagiert? Hätte sie zugelassen, dass sie er bei der Umarmung nicht nur am Rücken streichelte, sondern auch tiefer? Am Hintern? Dass er vielleicht die Hand unter den Bund der Jogginghose geschoben hätte? Ihre nackten Pobacken umfasste? Erst über dem Slip, dann darunter?

Hätten sie sich irgendwann schnaufend und keuchend im Laub gewälzt, die Kleider vom Leib gestrampelt?

Sie schluckte und hob die Schultern, um das Kleid bequemer zurecht zu ziehen. Der BH spannte, und der Stoff rieb über die plötzlich empfindsamen Knospen. Sie zupfte verstohlen an sich herum. Doch das brachte genauso wenig Erleichterung wie ein Übereinanderschlagen der Knie unter dem Tisch. Sie fühlte sich nervös und aufgekratzt. Hungrig, irgendwie.

Sie hielt inne und dachte nach. Die Selbstbefriedigung hatte nicht geholfen wie erhofft. Ärgerlich, einerseits. Doch andererseits war es lange her, dass sie diese bestimmte Form der Aufregung gespürt hatte. Diese prickelnde Unruhe, so als ob jeder Quadratzentimeter ihrer Haut direkt mit dem Glosen im Bauch verbunden wäre. Als ob ihr Körper völlig selbständig auf Signale antwortete, die ihr Kopf überhaupt nicht wahrnehmen konnte.

Wann hatte sie das eigentlich das letzte Mal gehabt? Das musste mehr als vier Jahre her sein. Vor der Krankheit, mit Detlef. Obwohl -- sie konnte sich nicht genau erinnern.

Sehr viel schärfer war ihr dieses Gefühl von Timo gewärtig, ihrer großen Liebe an der Schule. Gott, war das aufregend gewesen, als er zum ersten Mal die Hand auf ihre Brust gelegt hatte. Beim ersten Streicheln wäre sie um ein Haar in Ohnmacht gefallen...

Mist! Sie veränderte ihre Position auf dem Stuhl, spreizte die Beine, so weit es das Kleid zuließ. Es half nicht. Sie fühlte sich heiß und zittrig, und in ihrem Schoß saß ein eigentümlicher Juckreiz. Abwesend spannte sie die Muskeln dort ein paar Mal an, bevor sie sich erschreckt zur Ordnung rief. Das fehlte noch, dass sie sich hier in so schwülstige Fantasien hineinsteigerte, bis ihr Kätzchen sabberte und sich ein verräterischer Fleck auf ihrem Kleid bildete!

„...über die effizienteste Organisation eines Vertriebsprozesses sprechen wir nach der Pause. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit."

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