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Feuer und Wasser

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Jürgen musste lachen, als ihm dieser alte Songtext von Insterburg & Co. einfiel, der schon antik war, als er noch ein kleiner Junge war.

Die Gärtnerin???, er nahm einmal an, dass sie eine war, schaute ihn neugierig an und schenkte ihm dann ein Lächeln, das sein Herz dahinschmelzen lies, wie ein Eisbecher, der zu lange in der Sonne gestanden war.

Jürgen lächelte genau so herzlich zurück, aber sein Lächeln gefror ihm im Gesicht, als er die bösen Blicke von Elvira wahrnahm, die hinter der hübschen Gärtnerin aus dem Kassenbereich kam.

Er fing sich schnell wieder und lächelte auch Vira an ( so nannte er sie nur in seinen Gedanken ), was ihm aber scheinbar keine Sympathiepunkte auf seiner Elvira-Card einbrachte. Eher gewann er eine wertlose, grüne Gummivase mit den Bonuspunkten der Deutschland-Card, als eine freundliche Bemerkung von Elvira. Das nahm er an, als er sah wie sich ihre Lippen lautlos bewegten und sich dann verächtlich verzogen.

Wieder mal in ein Fettnäpfchen gehüpft und bis zu den Achselhöhlen darin versunken, dachte er bei sich, um sich gleich darauf zu fragen, was zum Teufel das eigentlich Elvira anging, wem er zulächelte. Und warum machte er sich darum Gedanken?

Weil ihm Elvira ganz und gar nicht egal war!

Diese erschütternde Erkenntnis lies ihn innehalten, als er gerade einen Schluck von seinem Kaffee nehmen wollte.

Was zum Teufel sollte denn das?

Die Frau, die ihm nichts als Verachtung und Abneigung entgegen brachte, diese Frau sollte in ihm freundschaftliche Gefühle oder vielleicht sogar mehr auslösen?

Fassungslos lehnte sich Jürgen auf seiner Bank zurück und ging in sich. Warum um alles in der Welt sollte Elvira in ihm irgendwelche positiven Gedanken hervorrufen?

Er kam zu keinem Ergebnis.

Frustriert stand er auf, gab seine halbvolle Tasse Kaffee und sein Wasser am Tresen bei Carina ab und verlies das Café.

Ihm entging dadurch, dass Carina ihm gedankenvoll nachschaute. Dieser große schlanke Mann gefiel ihr. Was ihr nicht gefiel war, dass er so offensichtlich mit der Juniorchefin von der Gärtnerei geflirtet hatte. Nein, das gefiel ihr gar nicht und noch weniger gefiel ihr die Art und Weise, wie er dieser arroganten Elvira hinterher geglotzt hatte.

Jürgen, so glaubte sie seinen Namen verstanden zu haben, saß auf dem Platz, auf dem früher immer Arne gesessen hatte. Beide schienen sie irgendetwas zu schreiben, denn Jürgen tippte genau so vehement auf seinem Laptop herum, wie es Arne bis zu seiner Hochzeit auch immer getan hatte. Jetzt hatte der seine eigene Eisdiele, Frau und Kinder und kaum noch Zeit, um mal mit ihr in Ruhe einen Kaffee zu trinken.

Obwohl Jürgen groß und drahtig war hatte er ganz schön viel Muskeln, wie Carina festgestellt hatte, als er heute in Jeans und Muskelshirt zum Schreiben kam. Wie gerne würde sie mal von diesen starken Armen gehalten werden. Aber so wie es schien war er nur auf Urlaub hier, das hieß, dass er bald wieder weg war. Schade!

Jürgen hätte gestaunt, wenn er geahnt hätte, was in so manchen Köpfen einiger Dorfgrazien bei seinem Anblick vorgegangen war. Er hatte mit einem Problem zu kämpfen, das immer häufiger durch seinen Kopf geisterte.

Elvira, die Rätselhafte, die ständig schlecht Gelaunte, die ihn anscheinend aus irgend einem Grund nicht ausstehen konnte. Er verstand zwar nicht warum, aber er nahm es zur Kenntnis, obwohl es ihm gar nicht gefiel.

*

Den Rest der Woche, die er noch im Dorf war, nutzte er zum Schreiben und ihm schien, als sei seine Kreativität angewachsen.

Zudem hatte er immer den gleichen Tagesablauf. Vor dem Frühstück mindestens eine Stunde laufen und dann auf dem Mäuerchen sitzen und abwarten. Und er wurde nicht enttäuscht. Pünktlich kurz vor Sieben kam Elvira an ihm vorbei gebraust und würdigte ihn scheinbar mit keinem Blick. Jürgen war zufrieden. Sie würde ihn sehen, ob es ihr passte oder nicht. Außer sie nahm einen anderen Weg zur Arbeit, den es wohl gab, wie er festgestellt hatte. Aber sie tat es nicht.

Von Arne hatte er erfahren, dass sie in einer Kunststofffabrik etwa 15 km entfernt arbeiten würde. Diese Arbeit würde sie aber nur am Vormittag machen, da ab dem Mittag ihre Tochter von der Schule nach Hause kam. Am Abend hatte sie noch eine Putzstelle in der Bank. Das war ihm noch gar nicht aufgefallen, lag doch seine Pension gleich schräg gegenüber, lustigerweise direkt neben seiner neuen Wohnung. Er beschloß mal am Abend aufzupassen, ob er sie noch einmal zu Gesicht bekam.

Nach dem Frühstück ging es an die Arbeit. Er korrigierte das, was er am Abend zuvor verbrochen hatte und brachte es in eine lesbare Weise. Dann schrieb er noch gut zwei Stunden, bevor er in den nahegelegenen Gasthof zum Mittagessen ging. Dort gab es jeden Tag ein anderes Mittagsmenue zu günstigen Preisen und sehr schmackhaft zubereitet. Obwohl er nicht auf jeden Euro schauen musste, lebte er doch sparsam, da er keine großartigen Hobbys hatte.

Am Nachmittag saß er im Café bei seinem obligatorischen Cappuccino mit einem großen Glas Wasser, schrieb und wartete klammheimlich darauf, dass Elvira kommen würde. Und das tat sie genau, wie Arne es vorher gesagt hatte. Montags, Mittwochs und Freitags ging sie zum Einkaufen, schaute ihn mit verschlossener Miene an und reagierte nicht auf sein freundliches Nicken.

Nun ja, dachte sich Jürgen, das würde schon noch kommen.

Am anderen Tag saß er wieder beim Schreiben und wieder tauchte Elvira auf. Das war doch außerhalb ihrer Routine! Sie hatte zwar einen Einkaufswagen dabei, aber auch vier prall gefüllte Plastiktaschen, zwei Getränkekisten, zwei Kartons mit Lebensmittel und anderen brauchbaren Dingen. Das war doch viel zu schwer für sie und sie brachte die Kartons kaum in den Wagen.

Jürgen dachte an seine gute Erziehung, stand auf, nahm ihr das schwere Zeug ab und schob die vollgeladene Karre in Richtung Parkplatz. Er sah ihr Auto und steuerte darauf zu. Wortlos öffnete sie den Kofferraum und er stellte die beiden vollen Kartons und die schweren Getränkekisten hinein. Elvira hatte inzwischen die Taschen auf den Rücksitz gewuchtet.

Während der ganzen Zeit hatten die beiden kein Wort miteinander gewechselt.

Jürgen wünschte ihr einen schönen Nachmittag und schob den Einkaufswagen zu den anderen. Für die Wagen brauchte man bei dieser Supermarktkette keine Chips oder Münzen und so konnte er leider nicht noch einmal zu ihr gehen, um ihr die Münze zu geben.

Er drehte sich noch einmal um und sah sie immer noch reglos neben ihrem Auto stehen und zu ihm herüber starren.

Mochte sie sich über sein Verhalten ruhig ihre Gedanken machen.

*

Die nächsten zwei Monate würde er weg sein, seinen Umzug vorbereiten und alles andere, wie seine Arbeit mit dem Verlag umstellen. Auch die ganzen Behördengänge würden einige Zeit in Anspruch nehmen. Dann würde er seine spärlichen Sachen und seine paar Möbel zusammenpacken und Patrick würde ihn dann mit einem Lieferwagen abholen. Er hatte inzwischen angefangen, die Möbel für ihn zu bauen und es war noch ein Auftrag für ein Bett und einen Schrank hinzu gekommen. Außer einem Schuhschrank, zwei kleinen Kommoden und einer Garderobe würde er außer seinen persönlichen Dingen nichts aus seinem Elternhaus mitnehmen.

Sein Vater drückte ihn herzlich und wünschte ihm alles Gute und bei seiner Mutter flossen die Tränen. Doch waren sie beide froh, dass ihr Junior endlich auf eigenen Füßen stehen würde. Zeit wurde es. Er versprach sich regelmäßig zu melden und lud sie für den nächsten Urlaub zu sich ein.

Bei seinem Verlag hatte er zunächst ein längeres Gespräch mit der Redaktion und dann wurde er direkt zum Chef geleitet. Zu seinem großen Erstaunen wurde ihm mitgeteilt, dass die Auflage von „Will Bannister" erheblich gesteigert werden konnte und zwar auch durch die abgeänderte Rolle der Frauen, die in der Serie vorkamen. Jürgen lachte, als er die Leserbriefe sah, in denen gerade Frauen schrieben, dass sie "zufällig" die eine oder andere Folge gelesen hatten und das neue Frauenbild ihnen sehr zusagte. Dass „Will Bannister" immer noch keine seiner zahlreichen Liebschaften geehelicht hatte, schien die meisten nur beiläufig zu tangieren.

Jürgen bekam vom Verleger noch einen Scheck für die erfolgreiche Auflagensteigerung in die Hand gedrückt und seine monatliche Gage wurde auch ein wenig erhöht. Und der Grund war, wie der Verleger es ausdrückte, dass er nicht mehr einer von vielen Autoren sei, sondern jetzt zur höheren Liga gehören würde. Zudem wurde eine neue Serie speziell für die weibliche Leserschaft geplant ( vielleicht mit einer „Heldin", eine Bannistra, oder Bannisterine? ). Gelächter kam in der Autorenrunde auf, als er diese Namen ins Spiel brachte und er wurde gebeten, ein Konzept auszuarbeiten und vorzulegen. Zu guter Letzt konnte er sich auf Verlagskosten noch einen neuen Computer anschaffen, damit er die meiste Arbeit im Homeoffice erledigen konnte. Sein Büro im Verlag hatte er aufgegeben und würde seine Arbeiten in Zukunft alle von zuhause erledigen.

Er brauchte nur den Rechner, alles andere hatte er schon, aber sein alter Computer lag schon in den letzten Zügen. Wie gesagt, er war in gewisser Weise ein Nerd.

Er hatte keinen Fernseher, kein Radio, bei ihm lief alles über den Computer. Sein Monitor hatte 43" Bildschirmdiagonale und diente auch als Fernsehgerät. Vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wie gesagt, Jürgen halt.

*

Dann kam der Tag des Umzugs. Patrick kam mit dem Sprinter und brachte Max sowie Peter mit, die helfen wollten. Aber bei der Menge an Umzugsgut waren das zwei Leute zu viel.

Bis zum späten Nachmittag hatten sie alles in die neue Wohnung geschafft und einfach irgend wohin gestellt. Jürgen hatte keine Lust jetzt noch mit dem Aufräumen zu beginnen. Die Lebensmittel, die er in seiner alten Heimatstadt noch zu den ihm gewohnten günstigen Preisen eingekauft hatte, räumte er in den Kühlschrank und in den Vorratsschrank, der in der Küche eingebaut war. Das musste vorläufig reichen. Auch Patrick hatte im Discounter kräftig zugeschlagen. Er war ja ursprünglich auch nicht auch nicht von hier und griff bei den Preisen in F. ordentlich zu.

Und obwohl er sich eigentlich nicht noch einmal groß bewegen wollte, raffte Jürgen sich auf und schlenderte noch kurz beim Eisiglu vorbei, um Bescheid zu sagen, dass er wieder im Lande sei.

Bei einem Cappuccino lies er sich die Neuigkeiten, die sich in der Zwischenzeit im Dorf ereignet hatten, berichten und erfuhr allerhand Interessantes.

*

"Und wie geht es Elvira?" Jürgen konnte es nicht mehr abwarten, denn diese Frage brannte schon die ganze Zeit auf seinen Lippen.

Arne grinste ihn an.

"Na, auf diese Frage habe ich doch schon gewartet", meinte er gut gelaunt. "Hast du sie etwa vermisst?"

"Ja natürlich", meinte er etwas verbiestert. "Mir hat ihre Anraunzerei die letzten zwei Monate doch schon gefehlt. Meine Tage waren einfach zu friedlich. Mir hat das Adrenalin gefehlt, das mir bei ihrem Anblick immer ins Blut geschossen ist. Es war alles so richtig harmonisch und langweilig."

Arne lachte lauthals.

"Da ist es dir nicht anders ergangen als ihr. Jeden zweiten Tag kam sie und hat mich gefragt, wo du denn bist. Sie hätte dich in der Früh nicht gesehen, als sie auf dem Weg zur Arbeit war, im Café seist du nicht gewesen und bei uns warst du auch nicht. Ich habe ihr gesagt, dass dein Urlaub zu Ende war und dass du wieder bei dir zuhause bist. Und dann hat sie sich furchtbar aufgeregt, dass du gegangen bist, ohne dich von ihr zu verabschieden. Ich habe dann zu ihr gesagt, sie solle doch froh sein, dass der "Arsch", entschuldige den Ausdruck, endlich wieder fort ist und sie ihre Ruhe wieder habe. Denn so hat sie dich nach eurer ersten Begegnung genannt und sie hatte auch noch einige andere Kosenamen für dich. Aber was sie dann zu mir gesagt hat, will ich hier gar nicht wiedergeben.

Auf jeden Fall ist sie die letzten zwei Monate immer unleidiger ( sagt man so bei uns dahoam ) geworden, bis Melanie ein Einsehen hatte und ihr gesagt hat, dass du deinen Umzug vorbereitest und wieder kommst. Ab da war dann Ruhe und das gibt mir schon etwas zu denken.

Jürgen, du hast etwas ausgelöst, was ich bei ihr die letzten Jahre nicht kannte. Sie hat sich auf einmal wieder für jemand anderen interessiert, wenn auch negativ, der nicht zu ihrer Familie oder zu ihren wenigen Freunden gehört. Und scheinbar hat sie dir auch gefehlt. Jetzt weißt du Bescheid. Macht etwas daraus oder lasst es bleiben. Ich mische mich da nicht ein."

Arne klopfte ihm auf die Schulter und ging hinaus um langsam die Tische zusammen zu stellen. Sie würden bald schließen und auch Jürgen machte sich auf den Heimweg. Er ging langsam durch das Dorf und genoss die klare Abendluft.

In der neuen Wohnung angekommen schaute er sich erst einmal in aller Ruhe um. Seine erste eigene Wohnung. Zwar nur gemietet, aber es bestand eine Kaufoption. Morgen würde er gemütlich auspacken, einräumen und darauf warten, dass sein neuer Computer geliefert und eingerichtet wurde. Er hätte das zwar selber machen können, aber der Verlag hatte den Aufbau, seine Einweisung und das Aufspielen der neuen Software mit der Herstellerfirma vereinbart.

Morgen würden auch seine neuen Möbel von Patrick angeliefert und aufgebaut werden und dann würde er sich erst richtig wohlfühlen. Für eine Nacht würde es die Luftmatratze tun.

Jürgen machte eine Flasche Wein auf, füllte sein Glas und setzte sich auf den Balkon. Dort stand noch ein alter Plastikstuhl von einem Vormieter, der verdächtige Geräusche von sich gab, als Jürgen sich hinein lümmelte. Im Westen ging langsam die Sonne unter und es wurde ruhiger auf der Dorfstraße.

Gegenüber in der Bank brannte noch Licht und ihm fiel ein, dass Elvira abends dort putzte. Er richtete sich ein wenig auf und spähte über die Brüstung. Er sah einen Schatten, der sich im Eingangsbereich der Bank hin und her bewegte.

Allmählich wurde er ganz kribbelig. Wann würde sie endlich heraus kommen? Sollte er sich bemerkbar machen?

Nein, besser nicht, denn er wusste nicht, wie sie reagieren würde.

Dann verließ Vira das Gebäude, sperrte die Tür ab und ging zu ihrem Auto. Jürgen lehnte sich zurück und schloss die Augen.

Er hatte sie gesehen und würde bestimmt von ihr träumen. Er gestand sich ein, dass sie ihm schon sehr gefehlt hatte.

*

Elvira setzte sich in ihr Auto und seufzte. Endlich Feierabend. Sie warf einen kurzen Blick zu der Wohnung im ersten Stock, die nach Arnes Aussagen von dem unmöglichen Kerl gemietet worden war, der ihr so entsetzlich auf die Nerven ging. Aber an ihm konnte sie sich so schön abreagieren, wenn sie mal wieder ´Scheiße drauf` war. Und trotzdem fehlte er ihr irgendwie.

Am Morgen, wenn sie zur Arbeit fuhr, im Supermarkt, wenn sie einkaufte und er im Café saß und bei Arne im Eisiglu, wenn er sie anstarrte und sie ihn daraufhin anbellen konnte. Sie konnte ihn nicht ausstehen, so redete sie es sich jedenfalls immer häufiger ein und wollte ihn auch gar nicht sehen, aber er war ein Reibungspunkt und ohne ihn war ihr Tag unvollständig. Jürgen war ganz unbemerkt zu einem Fixpunkt in ihrem Alltag geworden.

Was war nur mit ihr los? Sie war in der letzten Zeit so unausgeglichen, dass es sogar schon ihrer Tochter aufgefallen war, aber sie konnte doch Ramona nicht sagen, was der Grund für ihre Sprunghaftigkeit war. Was sollte das Kind denn von ihr denken?

Sie warf noch einen letzten Blick zu der dunklen Wohnung hinauf, dann startete sie den Motor und fuhr nach Hause.

Jürgen blickte ihr hinterher, sah wie sie Dorfstraße hinauf fuhr und in die Straße zur Schule abbog. Er hatte von Arne erfahren, wo sie wohnte und wußte, dass es gar nicht so weit von ihm entfernt war.

*

Am nächsten Morgen wurde er schon um 5 Uhr wach. Nach einer kurzen Dusche zog er sich rasch an und verließ das Haus, um seinen gewohnten und so lange vermissten Morgenspaziergang zu machen. Bis Patrick und die anderen mit den Möbeln kommen würden, wäre er längst wieder daheim.

Und dann saß er wieder auf seinem Mäuerchen und wartete ungeduldig, ob der silberne Suzuki die Dorfstraße heraufkommen würde. Jede Minute schaute er auf seine Uhr; die Zeit schien still zu stehen. Die Sonne war bereits aufgegangen und warf erste Schatten in die Landschaft.

Gleich Sieben. Wo blieb sie nur? War sie die andere Straße gefahren, hatte sie frei oder war sie krank geworden?

Und dann sah er ihr Auto.

*

Sie kam wie immer recht flott herangefahren, aber plötzlich wurde das Fahrzeug langsamer. Elvira reckte sich im Sitz, hatte die Augen weit aufgerissen und starrte ihn ungläubig an.

"Oh Gott, er ist da, er ist tatsächlich wieder da", sagte sie laut und erschrak. Hatte sie das wirklich gesagt?

Er saß auf seinem üblichen Platz und schaute sie an. Dann lächelte er und hob die Hand zum Gruß.

Wie aus einem Reflex heraus grüßte Elvira zurück, dann gab sie Gas und brauste davon.

Was war denn das, was hatte sie denn da gemacht?, fragte sie sich.

Den Rest des Vormittages stand sie leicht neben sich und war froh, als die Arbeit endlich vorbei war.

*

Nach einem kleinen Frühstück stand Jürgen auf dem Balkon und wartete, bis der Transporter mit den Möbeln kam. Zu viert schleppten sie die ganzen Einzelteile nach oben in den ersten Stock, dann ging Max wieder in den Wald, um mit dem Förster Bäume für den Möbelbau und als Brennholz aussuchen und Peter fuhr zu seiner Arbeit als Zimmermann.

Patrick zeigte ihm, wie der Zusammenbau der Möbel zu bewerkstelligen war. Alles wurde nur gesteckt und verschraubt und nach zwei Stunden waren sie fertig.

Dann saßen sie an dem neuen Tisch und tranken zusammen einen Kaffee. Patrick hatte die Rechnung schon vorbereitet und Jürgen hatte das Geld parat. Er zahlte in bar, so wie er es gewohnt war und Patrick bekam für sich und seine Mitarbeiter noch ein ordentliches Trinkgeld.

Die Möbel waren nicht billig, aber aus massivem Holz und würden ihn für den Rest seines Lebens begleiten.

Noch ein Anliegen hatte Jürgen an Patrick. Er brauchte einen anderen Schreibtisch. Mit den modernen Möbeln hatte er schon schlechte Erfahrungen gemacht, sie waren alle zu wackelig und zu fragil.

Patrick dachte kurz nach und sagte dann, dass er in irgend einem Lagerraum noch einen alten Bundeswehrschreibtisch aus den 60ger Jahren hätte. Schön verstaubt, massiv mit 4 Schubladen und einer großen Tischfläche. Er müsste nur abgeschliffen und neu lackiert werde. Sie einigten sich auf einen Preis und einen Liefertermin. So hatte er eine Sorge weniger.

Patrick schaute Jürgen neugierig an.

"Und hast du Elvira heute schon gesehen?", wollte er wissen. Er kannte natürlich von Arne das angespannte Verhältnis zwischen Elvira und Jürgen.

Jürgen nickte und meinte, dass es ein komisches Gefühl gewesen war. Einerseits hatte er sich vor dieser ersten Begegnung nach langer Zeit gefürchtet, auf der anderen Seite hatte er es kaum erwarten können, Elvira wiederzusehen.

"Mmmmh, kann ich verstehen", meinte Patrick, "was glaubst du was das bei mir für ein Chaos war, bis ich endlich meine Frau in die Arme schließen konnte, ohne Angst haben zu müssen, es könnte gleich wieder vorbei sein."

"Oh je, ich und Elvira. Wir uns in die Arme schließen? Von was träumst du denn nachts? Ehe es dazu kommt, gehen zwei Eiszeiten übers Land."

"Mensch Jürgen, DU bist doch der Schriftsteller. DU schreibst doch die ganzen Geschichten. DU hast doch die Phantasie, also lass dir was einfallen. Es kann ja sein, dass es bei Vira etwas länger dauert, aber glaube mir, es lohnt sich. Sie ist ein Vollblutweib, das seine wahren Gefühle viel zu lange versteckt und verborgen hat. Es muss nur der richtige Mann kommen, der dieses Dornröschen wieder wach küsst."

"Du sagst es, mein Freund", meinte Jürgen trocken. "ihre Stacheln habe ich ja schon zu spüren bekommen. Aber ich möchte gerne mehr als das von ihr kennen lernen."

"Dann lass nicht locker, sei standhaft und behandle sie als eigenständigen Menschen und als die Frau, die sie ist. Dann kommst du zum Ziel."