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Krieg und Liebe - Swinging Nyhavn

Geschichte Info
WW2: Ein dänisches Jazzlokal voll Drama, Liebe und Sex
15.9k Wörter
4.75
8.9k
9

Teil 8 der 9 teiligen Serie

Aktualisiert 11/23/2023
Erstellt 06/22/2023
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JoeMo1619
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231 Anhänger

© JoeMo1619 -- August 2023

Vorwort:

Die ersten vier ‚Krieg und Liebe'-Geschichten hatten deutsche und englische Protagonisten und spielten in Irland, Finnland, den Falklands und in Schottland beziehungsweise über dem Nordatlantik. Das überaus liebe, positive Feedback motiviert mich zu einer kontinuierlichen Fortsetzung dieser Geschichtenidee. ‚Swinging Nyhavn' spielt im Vergnügungsstadtteil Nyhavn der dänischen Hauptstadt Kopenhagen, der bis heute mit seiner großen Zahl von Restaurants, Kneipen, Musikclubs, Galerien, Kleinkunst-Theater, usw. ein hochattraktiver Anziehungspunkt für Einheimische wie Touristen ist.

Diese Geschichte greift gleich zwei historisch schwierige Themen auf: die rassistisch motivierte Judenverfolgung durch die Nationalsozialisten und der Umgang der dänischen Öffentlichkeit mit ihrem Verhalten während der deutschen Besatzungszeit. Hier nur ein kleiner, aber provokativer Zahlenvergleich, der dies illustriert: rund 1.750 im Krieg gefallenen Dänen in SS-Uniform standen rund 500 direkt oder indirekt getötete dänische Widerstandkämpfer gegenüber.

Kopenhagen, April 1940

Für das kleinbürgerliche Dänemark der Zwischenkriegsjahre war ich eher ungewöhnlich. Geboren und getauft als Oscar Nyrup Olsen war ich der jüngste von drei Söhnen des Regierungsdirektors Rasmus Nyrup Olsen. Mein Vater hatte nach dem ersten Weltkrieg als Verwaltungsjurist die im Versailler Vertrag an Dänemark zurückgegebenen Landesteile von Sønderjylland (Nord-Schleswig), die 1864 im Krieg gegen Preußen verloren worden waren, ins Königsreich integriert und hatte im dänischen Innenministerium bis zu seiner Pensionierung 1925 eine herausragende Stellung. Meine beiden älteren Brüder waren nach dem Jurastudium ebenfalls in den Staatsdienst eingetreten und in achtbarer Stellung im Innen- beziehungsweise Finanzministerium tätig. Nur ich war aus der Art geschlagen, hatte mein Jura-Studium nach dem ersten Universitätsjahr abgebrochen und war Musiker geworden. Immerhin hatte mir mein Vater aufgrund meines Talentes ab 1909 eine Pianistenausbildung am Kopenhagener Konservatorium bezahlt, die ich sogar mit dem Konzertexamen abgeschlossen hatte. Dann aber schlug ich endgültig aus der Art. Mein Heimatland war bei Ausbruch des Großen Krieges, der später als 1. Weltkrieg in die Geschichtsbücher eingehen sollte, neutral geblieben. Dieser glückliche Umstand ermöglichte mir, als fünfundzwanzigjähriger Pianist in die ebenfalls neutralen USA zu reisen, wo ich mich sehr schnell von der klassischen Klaviermusik verabschiedete und dem Jazz verfiel. Immerhin war ich gut genug, um mir meinen eher bescheidenen Lebensunterhalt als Solist, als Bandmitglied und in verschiedenen Jazzorchestern zu verdienen.

Mit meinem vierzigsten Geburtstag hatte die Weltwirtschaftskrise auch die Unterhaltungsindustrie nachhaltig getroffen. Jobs und Auftritte wurden knapper und schlechter bezahlt, die Aussichten waren von Monat zu Monat trüber geworden. Mein Brief an meinen mittlerweile pensionierten Vater, mir mit Geld für eine Rückkehr nach Dänemark auszuhelfen, wurde erfreulicherweise positiv aufgenommen. Er bestellte und bezahlte ein Zweite-Klasse-Ticket auf dem einzigen dänischen Transatlantikdampfer, welches für mich in New York hinterlegt wurde. So kam ich 1930 in mein Heimatland zurück.

Die Weltwirtschaftskrise, die die USA, aber auch unser Nachbarland Deutschland so brutal getroffen hatte, war in Dänemark mit deutlich geringeren Auswirkungen verlaufen. Insbesondere in Kopenhagen verlief das Leben der normalen Bürger und der jungen Menschen fast ohne Beeinträchtigung. Kopenhagens Vergnügungsviertel Nyhavn war unverändert lebendig und ich fand mit meiner langjährigen amerikanischen Jazzerfahrung schnell Auftrittsmöglichkeiten und ein neues Publikum.

Drei Jahre später, in Deutschland hatte es gerade einen durchgreifenden politischen Wechsel gegeben, der einen in Dänemark weitestgehend unbekannten, aus Bayern stammenden Adolf Hitler zum Reichskanzler gemacht hatte, ermöglichte mir die finanzielle Unterstützung meiner Familie die Übernahme eines angesehenen Jazzlokals in Nyhavn.

In den sieben Jahren bis zu meinem fünfzigsten Geburtstag am 7. April 1940 etablierte ich mein Lokal und Restaurant als attraktive Adresse für Jazzfreunde aller Altersklassen und Gesellschaftsschichten. Dabei profitierte ich von der dynamischen und kreativen Kunstszene Kopenhagens, die sich mein Jazzlokal -- „Swinging Oscar" -- als eines ihrer Szenelokale ausgeguckt hatte. Ich feierte meinen Geburtstag an diesem Sonntag mit einem zwölfstündigen Fest, das nach offizieller Schließung zur Sperrstunde im privaten Rahmen noch bis morgens um 5 Uhr weiterging. Als die letzten Geburtstagsgäste heimgingen und ich im Obergeschoss meines Hauses oberhalb des Lokals todmüde ins Bett fiel, schien meine Welt in Ordnung zu sein. Einen Tag später marschierte die deutsche Wehrmacht in Dänemark ein.

Der Angriff der Wehrmacht auf Dänemark war eigentlich nur ein Durchmarsch, um möglichst schnell das eigentliche Ziel, die Eroberung Norwegens, zu erreichen. Die ersten Wehrmachtseinheiten überschritten die erst zwanzig Jahre alte Grenze nördlich von Flensburg um 4.15 Uhr am Morgen. Gegen Mittag akzeptierte die dänische Regierung nach nur minimalem militärischen Widerstand die Waffenstillstandsbedingungen.

Nach diesem turbulenten Tag, der nur wenige hundert Meter vom ‚Swinging Oscar' am königlichen Schloss von Amalienborg auch Feuergefechte zwischen der Garde und Wehrmachtseinheiten mit Toten und Verwundeten gesehen hatte, blieben die Restaurants und Clubs des Vergnügungsviertels am Nyhavn geschlossen. Trotzdem hatte ich meine gesamte Belegschaft einschließlich der für diese Woche engagierten Jazz-Band ins Lokal kommen lassen, um mit ihnen hinter verschlossenen Türen über die eingetretene Lageänderung zu reden.

„Der heutige Tag hat vieles nachhaltig verändert", begann ich mein Eingangsstatement. Ich schaute in viele, ernsthafte und besorgte Gesichter. Neben mir saß meine langjährige Freundin und Geliebte Helle Schmidt, eine zwei Jahre jüngere Professorin an der Kopenhagener Kunsthochschule. Dazu Helles 22 beziehungsweise 20 Jahre alten Töchter Friederike und Christiane, die ebenfalls Kunst studierten und sich als Bedienung gutes Geld dazu verdienten, um einen Teil ihres Studiums zu finanzieren. Hans Rudolf Mortensen, mein langjähriger Barchef und ein echter Entertainer hinterm Tresen, machte ein untypisch bekümmertes Gesicht. Ich wusste, dass Hans Jude war, auch wenn seine Religion im Alltag weit entfernt von ihm war. Victor Christensen, mein Küchenchef, und seine Küchenhelfer waren bereits umgezogen und hatten sich auf die abendliche Arbeit vorbereitet, als ich meine Entscheidung verkündet hatte, das Jazzlokal an diesem Abend nicht zu öffnen. Dazu kamen die fünf Musiker unserer Hausband, die mit ihrer schwungvollen Musik, manchmal später am Abend verstärkt durch mein eigenes Klavierspiel, stets für gute Laune im Lokal sorgten. Auf gute Laune war an diesem Abend aber niemand gestimmt.

„Soweit ich erfahren habe, sind König Christian und die gesamte königliche Familie unverändert im Land, die Regierung unter Staatsminister Thorvald Stauning ist unverändert im Amt", begann ich meine Informationen zusammenzufassen. „Der deutsche Botschafter hier soll als Reichsbevollmächtigter die deutschen Interessen vertreten. Ob sich unser Leben und unsere Arbeit hier im Lokal dadurch verändert, kann heute Abend mit Sicherheit niemand sagen." Ich lehnte mich zurück, griff zu meinem Bierglas und trank es in einem Schluck halbleer. „Ich gehe im positiven Fall davon aus, dass wir wie alle Kopenhagener Lokale für einige Tage, vielleicht auch für eine oder zwei Wochen geschlossen bleiben."

„Und im negativen Fall?" Hans Mortensen warf die Frage, die alle bewegte, als erster auf.

„Keine Ahnung." Ich zuckte mit meinen Schultern. „Aber ich habe im Moment den Eindruck, dass die Deutschen sich herzlich wenig für uns interessieren. Und unser König und unsere Politiker möglichst viel dänisch selbstbestimmte Normalität sichern wollen. Ich habe sogar gehört, dass König Christian morgen auf seiner ganz normalen Route durch die Stadt reiten wird, um diese Normalität zu repräsentieren."

„Bleibt mein Judenproblem", setzte Hans nach. „Ich weiß nicht, ob die Nazis uns in Ruhe lassen, nachdem sie im Reich und später in Österreich, in der Tschechoslowakei und Polen sehr schnell Jagd auf uns Juden gemacht haben."

„Halte Dich erst einmal zurück, Hans. Und wenn Du plötzlich Schutz brauchst, komm her."

„Du bist nicht der Einzige mit diesem Problem", schaltete sich plötzlich Helle ein. Ich schaute meine Freundin mit totaler Überraschung an, was Helle mit einem verlegenen Lächeln quittierte. „Ich bin als Helle Rosenborg im deutschen Apenrade als Tochter zweier jüdischer Eltern geboren. Zur evangelischen Kirche bin ich erst mit meiner Heirat übergetreten. Deshalb sind Friederike und Christiane auch als Babys bereits getauft worden. Aber wenn ich das richtig weiß, gelte ich im Sinne der deutschen Rassengesetze als Volljüdin und meine Töchter als Halbjüdinnen."

„Wie bitte?" Ich war total verwirrt. Obwohl ich seit mehr als fünf Jahren ein mehr oder weniger offenes Verhältnis mit der Kunstprofessorin hatte, hörte ich diesen Teil ihrer Vergangenheit zum ersten Mal. Ich atmete tief durch und hörbar aus. „Also haben wir dies so genannte Judenproblem jetzt viermal." Ich blickte in die Runde. „Sonst noch jemand von dieser Gefahr betroffen?" Erfreulicherweise erntete vollständiges Kopfschütteln.

Ich leerte mit einem zweiten Schluck mein Bierglas nun vollständig. „Dann setzen wir uns nachher mal in der betroffenen Gruppe separat zusammen und diskutieren unsere Vorsichtmaßnahmen." Ich schaute wieder in die Runde. „Ich hoffe, dass ich am kommenden Dienstag das Lokal wieder öffnen kann. Bis dahin bleibt so viel wie möglich zu Hause und wartet ab. Lohn zahle ich für diese Woche, so als ob ihr wie normal gearbeitet hättet. Da müsst ihr Euch keine Sorgen machen." Man konnte die Erleichterung der Anwesenden spüren und hören.

„Du hast mich heute Abend aber wahrhaftig geschockt", kam ich auf das abendliche Meeting zurück, nachdem ich mit Helle die Treppen in meine Wohnung im Obergeschoss emporgestiegen war.

„Wieso?"

„Helle! Auch wenn ich ein unpolitischer Musiker und Gastronom bin. Zeitung lesen kann ich noch. Und was die Nazis in dieser von ihnen so genannten Reichskristallnacht und danach in den eroberten Ländern mit den Juden gemacht haben, konnte jeder halbwegs intelligente Mensch in der Berlingske oder anderen Zeitungen lesen. Und ich höre heute zu ersten Mal, dass die Frau, mit der ich seit vielen Jahren zusammen bin und die ich inständig liebe, eine geborene Volljüdin ist. Warum hast Du das nie erzählt?"

„Weil ich das bis heute für unwichtig gehalten habe. Dänemark war im letzten Krieg neutral. Und ich habe erwartet, dass man auch in diesem Krieg diese Neutralität akzeptiert. Von allen Seiten."

Helle stand vor mir wie ein begossener Pudel. Sie tat mir unendlich leid. Ich machte ein paar Schritte auf sie zu, und schloss sie in meine kräftigen Arme. „Wir werden das schon irgendwie lösen, meine Liebe. Aber wir müssen jetzt erst einmal ein wenig vorsichtig sein und beobachten, wie sich die Lage entwickelt."

Mein Zweckoptimismus war ein wenig wie das Pfeifen im Walde. Denn ich hatte natürlich meiner täglichen Zeitungslektüre auch entnommen, dass es jetzt ernst zu nehmende politische Kreise in Nazi-Deutschland gab, die den von mir so geliebten Jazz als „Negergedudel" diffamierten.

Helle zitterte richtig in meinen Armen. „Ich habe Angst, Oscar."

„Wovor hast Du heute Abend Angst? Der Krieg ist für unser Dänemark seit heute Mittag vorbei, keine Gewehrsalven, keine Bomben."

„Das ist es nicht. Aber die Nazis hassen Juden, wie wir beide wissen. Und ich bin vor 48 Jahren im kaiserlich-deutschen Apenrade, das seit 1920 wieder Aabenraa heißt, geboren und besitze eine deutsche Geburtsurkunde, auf der die Religionszugehörigkeit meiner Eltern mit ‚jüdisch' angegeben ist. Das ist das Problem, dass auch meine Taufe anlässlich meiner Eheschließung mit meinem verstorbenen Mann nicht aus der Welt schaffen kann."

„Hm." Ich dachte lange nach, während ich Helle weiter in meinen Armen hielt und über den Rücken streichelte. Es tat ihr gut, denn sie hörte auf, zu zittern. „Ich werde mal mit meinem Vater und meinem Bruder sprechen. Mal sehen, ob die im Innenministerium eine Möglichkeit sehen, Dir eine dänische Ersatz-Geburtsurkunde auszustellen, aus der die Religionszugehörigkeit Deiner Eltern nicht hervorgeht." Ich nahm mir tatsächlich vor, diese Frage zunächst in der Familie zu klären, sobald es die Verhältnisse auf Kopenhagens Straßen wieder zuließen.

Obwohl es für unseren normalen Tagesrhythmus noch vergleichsweise früh am Abend war, gingen wir zu Bett. Unter den bedrückenden Erlebnissen des Tages hatte keiner von uns beiden Lust auf irgendwelche Liebesaktionen. Aber es tat uns beiden gut, in enger Umarmung beieinander zu liegen und so gemeinsam einzuschlafen.

Schon die nächsten Tage fühlten sich fast bizarr an. Das Leben ging nahezu unverändert weiter. König Christian begann bereits am folgenden Tag seinen täglichen Ausritt durch die Straßen Kopenhagens, um sich auf diesem Weg regelmäßig der Bevölkerung zu zeigen. Er machte dies ausdrücklich ohne sicherheitsmilitärische Begleitung und hielt sein Pferd an, wenn ihn ein Bürger direkt ansprach.

Helle war in den Tagen nach dem deutschen Einmarsch bewusst in meiner Wohnung geblieben und nicht nach Hause gegangen. Die Kunsthochschule hatte aufgrund der unübersichtlichen Lage die Osterferien um eine Woche verlängert und war geschlossen, so dass sie auch nicht ihren Lehrverpflichtungen nachgehen musste.

Ich hatte mittlerweile von den städtischen Behörden erfahren, dass alle Restaurants und andere Lokale bereits am Wochenende wieder öffnen durften, es bestand jedoch eine auf 21.30 Uhr vorgezogene Sperrstunde, damit die Bürger spätestens um 22.00 Uhr zuhause sein konnten. Besonders genau beobachteten Helle und ich wie alle Dänen, ob die bis dahin nahezu bedeutungslosen dänischen Nationalsozialisten nun eine bedeutende beziehungsweise dominierende Rolle in der dänischen Regierungspolitik spielen würden. Immerhin war Dänemarks Ministerpräsident Thorvald Stauning Sozialdemokrat und jeder halbwegs gebildete Däne wusste genau, welches politische Schicksal die deutsche Sozialdemokratie unter den Nazis erlitten hatte. Aber der Führer der dänischen Nationalsozialisten, Fritz Clausen, wurde auch eine Woche nach der Kapitulation des Landes selbst von den deutschen Diplomaten wie dem vom Botschafter zum Reichsbevollmächtigten aufgestiegenen Cécil von Renthe-Fink und den wenigen Generälen und Offizieren links liegen gelassen. Die Wehrmacht konzentrierte sich auf die Besetzung des strategisch wichtigen Norwegens und sah in Dänemark keinen weiteren Handlungsbedarf.

„Ich mache unser Lokal am Samstagabend wieder auf", verkündete ich am Vorabend und schickte Boten los, um meine Belegschaft für den kommenden Tag zum Dienst zu holen. Diese trat tatsächlich am Samstagnachmittag vollständig ihre Arbeit an, Helle sah dabei auch zum ersten Mal ihre beiden Töchter wieder, die sich die Woche über sicherheitshalber mit anderen Studenten im Atelier eines der Kunstprofessoren aufgehalten hatten.

„Wir hatten echt viel Spaß", berichtete Friederike. „Die Außenwelt war von uns irgendwie total abgeschottet."

„Und wie habt ihr im Atelier geschlafen?" Helles Frage war eine Mischung aus Besorgtheit und Neugierde.

„Wie in einem Zeltlager, nur ohne Zelt. Woher Professor Knudsen all die Matratzen und das Bettzeug her organisiert hat, wissen wir nicht. Aber es reichte aus."

„Wenn einige sich die Decken teilten, ging das ganz gut", ergänzte ihre jüngere Schwester grinsend.

Helle fragte nicht weiter, denn sie war sich sicher, dass die Gruppe der Kunststudenten garantiert nicht nur weiblich gewesen war. Aber ihre Töchter waren alt genug zu wissen, was sie zu tun hatten, um das Leben zu genießen, ohne schwanger zu werden. Dafür hatte sie rechtzeitig gesorgt.

Meine Mannschaft war spürbar glücklich, wieder arbeiten zu dürfen. Ich selbst verstärkte meine Hauskapelle sowohl am Samstag als auch am Sonntag für mehrere Stunden. Die Gäste meines Jazzlokals bestanden fast ausschließlich aus Stammgästen, die per Mund-zu-Mund-Propaganda von der Wiedereröffnung erfahren hatten.

„Das ist heute wie eine Familienfeier", witzelte ich zwischen zwei Solonummern. „Am letzten Wochenende mein fünfzigster Geburtstag. Und an diesem Wochenende feiern wir, dass wir vorerst davongekommen sind." Ich war so aufgekratzt, dass ich zwei Lokalrunden auf Rechnung des Hauses ausgab. „Weiß der Teufel, was die Zukunft bringt", verkündete ich laut als Toastspruch. „Also feiern wir einfach den heutigen Abend."

Meine Freundin und Lebenspartnerin Helle wie meine ganze Belegschaft ließ sich von der positiven Stimmung ihres Chefs mitreißen. Zur vorgezogenen Sperrstunde machten sie sich für diese ungewissen Zeiten ungewöhnlich fröhlich auf ihren Heimweg. Wir würden die Zukunft schon meistern.

„Hauptsache, der Krieg kommt mit seinen Schrecklichkeiten nicht nach Dänemark", war die allgemeine Stimmungslage. „Wir wollen nur friedlich leben."

„Wie machst Du das nur?" fragte Helle mich später am Abend, als wir wieder in meiner Wohnung waren.

„Ganz einfach, meine Liebe", war meine Antwort. „Das macht die Musik. In ihr kannst Du Deine Sorgen abladen, Deine Gefühle ausdrücken, alle Hoffnung hineinlegen. Der Rhythmus des Jazz und seiner Stilrichtungen, wie dem Swing oder dem Boogie-Woogie, ist positiv und spricht die Seele an. Er befreit!"

Diesmal hatte ich keine vor Angst zitternde Helle in seinen Armen. Im Gegenteil, an diesem Sonntagabend war sie aufgekratzt und liebesbedürftig. Eine Viertelstunde später lagen wir beide nackt auf meinem großen Doppelbett und Helle ritt sich den ganzen Frust und die ganze Bedrücktheit der letzten Tage mit besinnungsloser Lust aus dem Leib. Sie turnte geradezu auf meinem prall aufragenden Penis, bis wir uns beide ziemlich laut zum gegenseitigen Orgasmus trieben.

„Ach wie gut, dass ich nicht mehr schwanger werden kann", freute sie sich hinterher schelmisch. „Ich liebe es, wenn Du Dein Sperma tief in mich hineinpumpst. Ich kann es richtig spüren, wenn Du kommst. Und das treibt auch mich zum Höhepunkt."

Ich grunzte eine zufriedene, aber unverständliche Antwort. Ich liebte dies stressfreie Liebesspiel mit Helle gleichermaßen.

Nach dem routinemäßigen montäglichen Ruhetag, den ich wie immer für Bestellungen und Einkäufe nutzte, öffnete mein Jazzlokal am Dienstag, den 16. April 1940 mit besonders schwungvoller Fröhlichkeit. Eine Woche nach dem Beginn der deutschen Besatzung hatte die Kopenhagener Öffentlichkeit wieder zu ihrem normalen Lebensrhythmus gefunden. Die wenigen deutschen Soldaten fielen im Kopenhagener Straßenbild nahezu nicht auf, die Zeitungen von der bürgerlichen Berlingske Tidende bis zur sozialdemokratischen Politikken erschienen zusammen mit den Boulvardblättern ohne erkennbare Zensurauflagen und berichteten relativ neutral über den Fortgang der deutschen und britischen Militäroperationen in Norwegen. Den Hauptteil der Zeitungen machten aber ganz gewöhnliche Nachrichten und Sportberichte aus.

Aber gegen Mittag rannten die Zeitungsjungen durch die Kopenhagener Straßen und riefen lautstark durcheinander. „Das Kronprinzenpaar meldet die Geburt einer Prinzessin." In der Tat hatte Kronprinzessin Ingrid sieben Tage nach dem deutschen Einmarsch ein Mädchen zur Welt gebracht. Margarethe war das erste Enkelkind von König Christian.

Ich nahm dies freudige Ereignis zum Anlass, zunächst mit meiner gesamten Mannschaft mit einem ordentlichen Glas Champagner einen Toast auf die neugeborene Prinzessin auszubringen. Ein Toast, den ich vor fast voll besetztem Lokal einige Stunden später wiederholen sollte.

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