Swipe, um zu sehen, wer jetzt online ist!

Krieg und Liebe - Swinging Nyhavn

ÖFFENTLICHE BETA

Hinweis: Sie können die Schriftgröße und das Schriftbild ändern und den Dunkelmodus aktivieren, indem Sie im Story-Infofeld auf die Registerkarte "A" klicken.

Sie können während unseres laufenden öffentlichen Betatests vorübergehend zu einem Classic Literotica® Erlebnis zurückkehren. Bitte erwägen Sie, Feedback zu Problemen zu hinterlassen oder Verbesserungsvorschläge zu machen.

Klicke hier

Ich versprach Helle, dies zu tun. Dann wurde es in meinem Haus plötzlich unglaublich leer und still. Das Jazz-Lokal war unverändert geschlossen, die beiden Wohnungen in den beiden obersten Geschossen verwaist. Ich saß allein an meiner Bar, ich hatte meine Lebenspartnerin, meinen Barchef und meine hochgeliebte Jazzsängerin verloren. „Und das alles nur wegen dieses Judenwahns dieser Nazis", brüllte ich plötzlich durch das leere Lokal. Dann öffnete ich eine Flasche meines besten Whiskys und betrank mich so besinnungslos, dass ich nicht mehr den Weg in mein Bett fand. Es war ohnehin leer.

Kopenhagen, Sommer 1945

Mehr als eineinhalb Jahre waren seit der Flucht von Helle, ihren Töchtern und Birte mit ihren Kindern nach Schweden vergangen. Über Sven-Olof Bengtsson erhielt ich im November zwei Briefe, in denen sie mir ihren Fluchterfolg berichteten und dass sie sich an ihren neuen Orten hatten einrichten können. Helle und ihre beiden Töchter hatten als Kunstlehrerinnen schnell Anstellung finden können und somit ein eigenes Auskommen gesichert. Birte hingegen hatte in Göteborg wie ein Meteor eingeschlagen. Innerhalb weniger Monate hatte sie sich unter Lasses Agentenpatronatschaft in Schwedens Jazzszene etabliert und hatte im Winter 1943/44 sogar schon eine eigene Tournee durch Jazzclubs im gesamten Land geplant. Ihr Brief wirkte richtig glücklich, auch nach dem zweiten und dritten Lesen.

Das ‚Swinging Oscar' hatte mit Ende des Ausnahmezustandes im Oktober 1943 wieder geöffnet, aber man konnte spüren, dass die Leichtigkeit und Fröhlichkeit des Lebens auch durch unsere Musik nicht wieder herstellbar war. Die Kriegsberichterstattung des Sommers 1944 insbesondere über die Landung der Alliierten in der Normandie und den Vormarsch der Roten Armee im Osten ließ bei uns die Hoffnung aufkommen, dass dieser Krieg mit einer Niederlage Deutschlands enden und Dänemark damit wieder frei sein würde.

Auf der anderen Seite wurde die deutsche Verwaltung Dänemarks immer ruppiger und unangenehmer. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens wurde ab Sommer 1944 immer stärker. Heftige Streiks und repressive Gegenmaßnahmen erschütterten das dänische Hauptstadtleben. Teilweise kappten die deutschen Besatzer unsere Strom- und Wasserversorgung. Mein ‚Oscar' hatte zunächst deutlich eingeschränkte Öffnungszeiten, dann im Winter 44/45 wechselten sich Öffnungs- und Schließungsperioden im raschen Wechsel ab. Ab März 1945 blieb mein Lokal dauerhaft geschlossen. Die Versorgungslage wurde mit Einführung der Rationierung deutlich schwieriger, das Einzige, was für das ‚Swinging Oscar' absolut unproblematisch funktionierte, war die Bierversorgung aus der Carlsberg-Brauerei. So ernährten wir uns ausgangs des Winters auch primär von unserem Bier.

Eigentlich seit der Flucht meiner Frauen fungierten mein Lokal und ich als heimliche Bank zweier dänischer Widerstandgruppen. Diese hatten sich mit anderen Gruppen zum Dänischen Freiheitsrat zusammengeschlossen, um durch gemeinsame Nutzung ihrer Netzwerke ihre Effektivität zu erhöhen. Ich hatte Hans Mortensen als Barchef aufgrund einer Empfehlung von Sven-Olof Bengtsson durch einen Gustav Hinrichsson ersetzt, der sowohl ein exzellenter Barchef als auch ein Vertrauter bei der Kassenwirtschaft der Widerstandsgruppen war. Insofern verteilte sich jetzt unser ‚Bankgeschäft' auf vier Schultern.

Auch wenn ich nicht aktiv an Widerstandsaktionen beteiligt war, war uns wie auch unseren Kunden unsere Bedeutung als ihre ‚Bank' sehr bewusst. Unser Geldumschlag, den man nun nicht unbedingt als Umsatz bezeichnen konnte, wuchs kontinuierlich, so dass ich mehr als einmal nachts wach im Bett lag und darüber nachdachte, warum die deutsche Geheimpolizei uns bisher nicht auf die Spur gekommen war. Andererseits hatten wir sehr wohl registriert, dass die früher so reibungslose Zusammenarbeit zwischen dänischen und deutschen Polizisten überhaupt nicht mehr funktionierte. Dies eskalierte im September 1944, als die deutsche Verwaltung die dänische Polizei entmachtete und eine große Zahl dänischer Polizisten in diversen Lagern internierte. Lediglich die Kriminalpolizei und die Polizeischutztruppe der königlichen Schlösser war von dieser Aktion ausgenommen.

Magnus Nyrup Olsen, der nach Ausrufung des Kriegsrechtes im September 1943 von seinem überflüssig gewordenen Posten als Kontaktpolizeioffizier beim Reichsbevollmächtigten abberufen worden war, war seinerzeit zu seinem ursprünglichen Kommissariat der Kopenhagener Kriminalpolizei zurückgekehrt. Wie viele andere Polizeioffiziere schloss er sich im Spätsommer 1944 der von Freiheitsrat im Untergrund gebildeten Untergrundpolizei an, um auf diesem Weg der ansonsten landesweit zunehmenden chaotischen Ordnungslosigkeit entgegen zu treten.

Anfang Mai 1945 kapituliert die jetzt in Flensburg ansässige Reichregierung unter dem neuen Reichskanzler Admiral Dönitz gegenüber den rasch vordringenden britischen Truppen in einem separaten Waffenstillstand. Mir war es bereits am 4. Mai gelungen, einige Fässer Carlsberg-Bier zu organisieren und öffnete das ‚Swinging Oscar' auf eigene Gefahr mit durchgehender Musik und Freibier für alle. Die Straßen von Kopenhagen waren prall gefüllt mit Menschen, die unsere Befreiung feierten. Meine Hauskapelle und ich wechselten uns für mehrere Stunden ab und spielten bis spät in die Nacht. Am 5. Mai landete dann der britische Generalmajor Dewing in Kopenhagen und wurde mit einer nahezu orgiastische Willkommens- und Befreiungsfeier willkommen geheißen.

Am selben Tag setzten die ersten paramilitärischen dänischen Exileinheiten aus Schweden kommend über den Öresund und begannen mit der jetzt öffentlich sichtbaren Untergrundarmee mit systematischen Verhaftungen deutscher Polizisten und Geheimdienstler als auch der Gefangennahme der in Dänemark stationierten Wehrmachtsoldaten. Letztere marschierten nach einer Vereinbarung mit der neuen dänischen Regierung unter Staatsminister Buhl in geordneten Marschkolonnen zu Fuß ohne Waffen zurück nach Schleswig-Holstein, um dort von den vorrückenden britischen Einheiten in Empfang genommen und interniert zu werden.

Ich interessierte mich für die große Politik bei aller persönlichen Freude über die Befreiung nur am Rande. Ich hatte genau zwei persönliche Prioritäten: erstens die Wiederaufnahme eines geordneten Geschäftsbetriebes des ‚Swinging Oscar', schließlich wollte ich meinen Lebensunterhalt wieder als Musiker und Gastwirt verdienen und zweitens die Zurückgewinnung meines Privatlebens. Ich hatte in der Tat die zwanzigmonatige Abwesenheit von Helle (und Birte) mit einer flüchtigen Ausnahme wie ein Mönch verbracht und sehnte mich nach einer liebenden Frau.

Nach den beiden wunderbar chaotischen Öffnungstagen am 4. und 5. Mai öffnete das ‚Swinging Oscar' offiziell am Samstag, den 12. Mai, nachdem wir auf trickreichen Wegen unsere Getränkevorräte wieder aufgefüllt hatten. Das Restaurant blieb aufgrund der schwierigen Rationierungslage noch zwei Wochen länger geschlossen, aber wir konnten ein über vier Stunden gehendes Musikprogramm mit zwei abwechselnden Jazzkapellen und mir als Überbrückungsentertainer am Klavier aufbieten. Zu meiner wirklich großen Freude tauchten an diesem Samstagabend zwei lieb gewordene Gäste in meinem Lokal auf.

Zunächst stand mein Neffe, Kriminalhauptkommissar Magnus Nyrup Olsen plötzlich an meinem Klavier und stellte mir ein frisch gezapftes Glas Bier oben drauf. „Wenn ich Dich und Dein Lokal so sehe, fühle ich mich gleich um viele Jahre jünger", scherzte er mit einem breiten Grinsen. Ich stoppte mein Stück augenblicklich mit einem improvisierten Schluss, stand auf und nahm ihn in meine Arme.

„Mensch, Magnus. Schön, dass Du wieder da bist!" Ich setzte mich wieder ans Klavier, grinste meinen Neffen an und spielte sein Lieblingsstück, einen alten Ragtime-Hit, den er ‚als unser Lied' bezeichnet hatte und damit sich und Friederike meinte.

„Wo warst Du so lange?"

„Da, wo ein guter dänischer Polizist hin gehörte. In der Untergrundpolizei. Deshalb bin ich seit gestern ganz offiziell zum Kriminalhauptkommissar ernannt und führe hier in Kopenhagen das Kommissariat über Kriegsverbrechen. Du wirst lachen, mein Dienstsitz ist wieder im alten Kommissariat. Das Dagmarhaus, des alte Hauptquartier von Dr. Best und seinen Helfer, wird jetzt zum Sitz der alliierten Militärmission."

„Ist dieser Dr. Best eigentlich noch da?"

„In der Tat. Aber ich vermute, der wird wie alle anderen deutschen Polizeioffiziere in den nächsten Tagen festgenommen. Wir sind schon mit vollem Einsatz dabei, die Unterlagen für kommende Anklagen auf Kriegsverbrechen zu sammeln und gerichtsverwertbar zusammenzustellen. Wird in den kommenden Jahren meine Hauptaufgabe werden."

„Dann viel Glück. Ist dieser Klaus Norden auch noch da?"

„Weiß ich nicht so genau. Ich weiß nur, dass der Stab von Dr. Best vollständig in Dänemark geblieben ist. Normalerweise müsste Klaus dann dazugehören. Der war aber Zivilist und gehörte weder der Sicherheitspolizei noch der SS an. Klaus gehörte zum persönlichen Stab von Dr. Best."

Ich schaute meinen Neffen jetzt ganz direkt an. „Du weißt, dass er Helle, ihre Töchtern und auch Birte rechtzeitig gewarnt hat und für ihre rechtzeitige Flucht nach Schweden verantwortlich war?"

„Nein, das wusste ich nicht. Ich habe ihn seit der Verhängung des Ausnahmezustandes vor zwanzig Monaten nicht mehr gesehen oder gesprochen."

„Da bin ich mal gespannt, wo der wieder auftaucht." Ich verabschiedete mich beim Publikum zur Pause, nahm mein Bierglas und ging mit Magnus zur Bar. „Der Herr Kriminalhauptkommissar hat heute freie Getränkewahl. Auf Rechnung des Hauses", instruierte ich Gustav, der mit einem unglaublichen Elan seinen Platz hinter der Bar wieder eingenommen hatte.

Es war schon spät am Abend, als ein zweiter Gast mir seine Aufwartung machte: Sven-Olof Bengtsson.

„Sehen Sie, Herr Olsen. Wir haben den Krieg letztendlich gewonnen", begrüßte er mich in aller Freundlichkeit. „Und die Gestapo hat bis zum letzten Tag nicht herausbekommen, wo unsere Bank installiert war. Sie haben so vielen Menschen durch ihren Dienst geholfen. Ich hoffe, wir finden Wege, um Ihnen unsere Dankbarkeit in angemessener Form zeigen zu können."

Ich freute mich über sein Lob, entgegnete aber: „Sie haben mir bei der Organisation der Flucht meiner mir liebsten Menschen bereits unendlich geholfen. Das ist eigentlich schon Dankbarkeit genug."

„Eine Hand wäscht die andere, wie der Volksmund sagt." Er nahm das gerade servierte Glas Bier und toastete mir zu. „Auf den glücklichen Moment der Schließung unserer Bank. Wir brauchen sie nicht mehr."

Wir stießen mit unseren Gläsern an und nahmen einen tiefen Schluck.

„Ich werde Kopenhagen vermissen", sagte mein Gast, als er das Glas abgestellt hatte.

„Oh, wo zieht es Sie hin?"

„Meine Mission ist mit diesem glücklichen Kriegsende beendet. Und ich möchte wieder ein ruhigeres Leben als in den letzten fünf Jahren führen. Waren immerhin gefährliche Zeiten hier." Er schaute mich eindringlich an. „Ich bin Finne, Herr Olsen, auch wenn ich in den letzten Jahren einen schwedischen Namen geführt habe. War ganz einfach, denn ich bin aus Turku und schwedischer Muttersprachler. Ich habe, wie sie sich denken können, vorzügliche Beziehungen zur früheren Komintern und heute nach Moskau. Meine Auftrag war ganz einfach beschrieben worden: ‚Sorgen sie sich um unsere dänischen Genossen und ihre Familien. Wir brauchen sie in der Zukunft für die Schaffung eines fortschrittlichen und gerechten Europas'. Und diese Aufgabe habe ich auch dank Ihrer Unterstützung erfüllt."

„Dann gehen Sie jetzt nach Moskau?"

„Um Himmels willen", lachte Sven-Olof Bengtsson. „Ich möchte gern noch ein wenig leben. Nein, ich gehe heim nach Turku. Unsere kommunistische Bewegung wird in den kommenden Jahrzehnten viel Einfluss in Finnland haben. Da werde ich dabei sein."

Er trank sein Bier aus und verabschiedete sich. „Leben Sie wohl, Herr Olsen. Es hat mir gefallen, mit Ihnen zusammengearbeitet zu haben."

Jahre später sollte ich ein Bild von Sven-Olof Bengtsson in der Berlingske Tidende sehen, als er bei König Frederik IX. seine Akkreditierung als Botschafter Finnlands übergab. Wenig später erhielt ich eine Einladung in die Botschaft anlässlich des finnischen Nationalfeiertags am 6. Dezember, wo wir uns in aller Freundlichkeit wiedersahen. Spät am Abend bat mich Herr Botschafter dann in kleiner Freundesrunde ans Klavier, ‚um die Gesellschaft ein wenig aufzumuntern'. Ich folgte seiner Einladung mit größter Freude.

Zwei Tage nach dem ‚Swinging Oscar' nahm auch die dänische Post mit je einer Morgen- und Abendzustellung ihren Normalbetrieb wieder auf. In den Zeitungen wurde berichtet, dass alle Post zwischen den nordischen Ländern wieder unzensiert transportiert werden würde und man innerhalb eines Monats das Ziel hatte, die Postzustellgeschwindigkeit der Vorkriegsjahre zu erreichen.

In meinem eigenen Fall sollte sich das sehr schnell auszahlen. Innerhalb der ersten Woche erhielt ich zwei Briefe aus Lund und Göteborg, die ich zugegebenermaßen mit etwas zittrigen Händen öffnete.

Helles Brief aus Lund war lieb, kurz und knapp. „Wir haben alle drei die letzten zwanzig Monate als Kunstlehrerinnen unser täglich Brot verdienen können", berichtete sie. „Auch wenn wir ungeheure Sehnsucht nach Kopenhagen und ich selbst nach Dir habe, müssen und wollen wir unsere Lehrerpflichten hier ordnungsgemäß bis zum Ende des Schuljahres wahrnehmen. Ich selbst kann Dir bereits versprechen, am 1. Juli zu Dir zu reisen. So lieb und hilfsbereit die Schweden im Allgemeinen und meine Freundin im Besonderen sind und waren, möchte ich in meine Heimat zurück und hoffe, dass Du mich mit Deinen kräftigen und offenen Armen empfängst, wie ich mir das in den einsamen Monaten hier erträumt habe. Zudem bin ich wirklich neugierig, ob meine Wohnung noch existiert und was aus meinem und unserem Besitz geworden ist, nachdem wir so Hals und Kopf flüchten mussten."

Zwei Erkenntnisse brachte dieser Brief für mich: erstens, Helle wollte gerne zu mir zurückkehren. Und ich wollte sie mehr als gerne wieder in meinen Armen halten. Zweitens, ich würde noch sechs Wochen warten müssen. Mein Antwortbrief verließ Kopenhagen am kommenden Morgen und über sechs Wochen entstand ein fast täglicher Briefwechsel, dessen Liebe und Intimität nicht zu überbieten war.

Der zweite Brief war auf der Rückseite mit dem eingepressten, goldfarbenen Absender ‚BB Bird' sofort erkennbar. Hatte ich von Helle auf Umwegen während der letzten Kriegsjahre ein paar Mal kurze Nachrichten erhalten, hatte ich von Birte/Lone außer einer Ankunftsmeldung nach ihrer Flucht nichts mehr gehört. Um so mehr freute mich der Inhalt Ihres Briefes:

„Lieber Oscar, Du hast mir zweimal das Leben gerettet und mir und meinen Kindern eine gesicherte als auch eine extrem reizvolle und wunderbare Zukunft eröffnet. Wir haben uns mit Lasses Hilfe und Patronatschaft in Schweden etabliert und sind in Göteborg heimisch geworden. Carl und Grete gehen hier zur Schule und sind richtig kleine Schweden geworden. Ich selbst habe mit meiner Stimme, die Du entdeckt und entwickelt hast, Schweden erobert. Im letzten Winter und im Frühjahr bin ich mit meiner eigenen Band zweimal auf großer Tournee gewesen, von Luleå im Norden bis nach Karlskrona und Malmö im Süden. In Stockholm und hier in Göteborg bin ich nun mehrfach mit echten Big-Bands aufgetreten. Ein ungeheuer positives Gefühl, wenn man über zwanzig erstklassige Musiker im Rücken hat. Im März habe ich die ersten beiden Plattenaufnahmen gemacht, der Musikverlag ist mit den Verkaufszahlen anscheinend zufrieden, so dass wir in diesem Jahr noch einmal ins Studio gehen. Ich möchte gern mit Deiner Hilfe das befreite Dänemark für mich erobern und schlage vor, im Oktober für drei oder vier Wochen nach Dänemark zu kommen. Ich überlasse Dir, wie und wo Du an welchen Orten auch immer Konzerte mit mir veranstalten willst, vermutlich am besten mit Deiner Hausband und/oder mit Dir am Piano. Ich würde dabei gern wieder in unserer ehemaligen Wohnung unter dem Dach und nicht im Hotel wohnen. Dann bin ich Euch ganz nah. In Liebe, Birte aka Lone"

Ich war von Birtes Brief so gerührt, dass ich ihn am Ankunftstag gleich mehrfach gelesen hatte. Dann machte ich mich an die Arbeit, eine Konzertplanung für vier Wochen aufzustellen und ging am darauffolgenden Tag zu dem führenden Jazz-Konzertagenten in Kopenhagen, um mit ihm ein gemeinsames Programm aufzustellen. Hans Reinsch Hansen kannte Birte alias BB Bird von mehreren Besuchen im ‚Swinging Oscar' und hatte mir vor Verhängung des deutschen Kriegsrechtes viele Künstler für Gastauftritte in meinem Lokal vermittelt. Wir einigten uns innerhalb einer halben Stunde, für BB Bird gemeinsam als kooperierende Konzertagenten zu agieren. Die Rohplanung sah neben je einer Woche im ‚Swinging Oscar' auch Reisen und Auftritte in Odense und Aarhus vor.

Helle kam, wie versprochen, am 1. Juli am Kopenhagener Hauptbahnhof an. Ich hatte es nicht ausgehalten und war zum Bahnhof gelaufen, um sie persönlich zu begrüßen. Es war vermutlich die stürmischste und emotionalste Begrüßung meines Lebens. Wir hingen sicherlich eine Viertelstunde wie die Kletten aneinander, herzten und küssten uns, beide in Glückstränen aufgelöst. Helle hatte genauso wenig Gepäck dabei wie bei ihrer überstürzten Abreise, einen Koffer und einen Rucksack.

„Ich hoffe, Du hast noch alle meine Sachen im Schrank", lachte sie. „Sonst muss ich mir ganz schnell eine neue Garderobe machen lassen."

Ich grinste sie an. „Nicht ein Stück fehlt, meine Liebe. Manchmal, wenn mich die Sehnsucht nach Dir zu sehr übermannt hat, habe ich Deine Seite vom Schrank geöffnet und mir einfach vorgestellt, dass Du Dir ein neues Kleid herausholst."

„Dann ist es gut!" Wir hatten es eilig, zurück zu meinem Lokal und in mein Zuhause zu kommen. Deshalb nahmen wir ein Taxi für den Rückweg, auch diese Normalität war wieder selbstverständlich geworden.

Keine Stunde später lagen wir nackt auf meinem Bett und liebten uns mit einer Intensität und einer Hemmungslosigkeit, die den ganzen Frust der fast zweijährigen Trennung abbaute. Wir ließen keine unserer Lieblingspositionen aus. Von einem ersten, bis zum beiderseitigen Orgasmus getriebenen 69er über einen dann lang andauernden und uns beide in der sommerlichen Nachmittagshitze schweißnass werdenden Doggystyle-Cowgirl-Ritt-Wechsel war alles dabei. Ich glaube, wir haben uns zwei Stunden auf- und miteinander ausgetobt, bis wir beide vor Erschöpfung nicht mehr konnten. Dann rief die Pflicht im ‚Swinging Oscar', es entstand ein Abend, den wir beide absolut genossen.

Am darauffolgenden Tag machten wir beide uns auf den Weg zu Helles früherer Wohnung, die sie bei ihrer Flucht mit wenigen Worten in die Obhut von Claus Norden gegeben hatte. „Ich bin wirklich aufgeregt, was mich erwartet", gestand sie mir, als wir den kurzen Spaziergang machten. „Eigentlich habe ich keine große Hoffnung, aber ich hatte so viele schöne Bilder und Kunstwerke, jedes davon hatte seine eigene Geschichte. Es wäre sehr schade, wenn das für immer verloren wäre."

Am Klingelschild und am Briefkasten hing ein neuer Name: „Claus Mogens Nørmark", der auch auf einem Messingschild neben der Wohnungstür stand. „Soll ich läuten oder gleich die Tür mit meinem Schlüssel aufschließen?" Helle schaute mich fragend an.

„Lass uns zuerst mal läuten. Wir wissen nicht, was und wer uns erwartet. Wenn überhaupt." Ich drückte auf den Klingelknopf, im Inneren hörte man einen relativ schrillen Klingelton, sehr schnell gefolgt von hörbaren Schritten auf dem Holzfußboden. Wir registrierten, dass der optische Sucher in der Tür von der Innenseite genutzt wurde, um zu sehen, wer vor der Tür stand. Dann hörten wir, wie im Inneren ein Riegel zurückgezogen und anscheinend eine Sicherungskette weggenommen wurde. Dann öffnete sich die massive Wohnungstür vollständig, ein Mann verbeugte sich mit einer einladenden Geste und sagte einfach: „Willkommen zuhause:" Der Mann war unzweideutig Klaus Norden.