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Neglect Ch. 02

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Grollig beugte Zane sich über die Schüssel mit Stockbrotteig, um auf die zähe Masse einzukloppen, für die Alexas und seine Arbeitsgruppe an diesem Abend zuständig war.

Die Gruppeneinteilung hatten ihre Lehrer völlig willkürlich beschlossen, und so kam es, dass Alexa und Zane in derselben Gruppe gelandet waren. Am Vortag waren sie für Geschirrspülen und Einkaufen zuständig gewesen, an diesem Abend kümmerten sie sich um die Verpflegung der Rasselbande.

Doch Alexa schien nicht so recht bei der Sache, starrte ständig abwesend in den Brotteig, statt ihn zu kneten, und warf hin und wieder auf sehr indiskrete Art hibbelige Blicke in die Richtung eines gewissen Footballspielers. Irgendwann hatte Zane ihr Verhalten eben genervt... und er hatte wider besseren Wissens nachgefragt...

Es war ein Schlag ins Gesicht für ihn, als Alexa ihm ihre Entjungferung gestanden hatte. Sie war nie eins der Mädchen gewesen, die leicht zu haben waren.

Für Zane war Alexa immer so etwas wie eine Heilige, wurde ihm in dem Augenblick schmerzlich bewusst. Sie war ein reines, unverdorbenes Wesen, erhaben über jegliche Schuld dieser irdenen Welt, aber diese Reinheit hatte Ethan nun beschmutzt. Ethan hatte damit in Zanes Augen etwas Unverzeihliches getan. Etwas, für das Zane ihn abgrundtief verachtete.

Dieser abgrundtiefe Hass, den Zane von da ab an für den ungeliebten Rivalen empfand, nagte fast noch unerträglicher an ihm als die lodernde Eifersucht... und die brennende Scham vor ihm selbst, weil er so verrückt nach seiner kleinen Schwester war. So unnatürlich verrückt nach ihr, so vernarrt in sie, so... ja, fast besessen von ihr.

Den ungestümen Kuss mit ihrem Bruder im Alkoholrausch, der ihrer Nacht mit Ethan vorausgegangen war, erwähnte Alexa nie mehr. Ganz so, als ob sie verdrängt hätte, dass sie Zane für einen Moment der Schwäche genauso sehr gewollt hatte wie er sie seitdem wollte.

Tief in sich wusste Zane auch, dass es das Beste war, und dass er sich daran ein Beispiel nehmen sollte. Dass es vollkommen abartig war, sich seinen kranken Begierden hinzugeben, statt ihnen Einhalt zu gebieten.

Doch statt ihm bewusst werden zu lassen, wie widersinnig es war, von seiner eigenen Schwester zu träumen, hatte dieser eine heimliche Kuss dem Feuer in ihm neue Nahrung geliefert.

In dieser verhängnisvollen Nacht im Zeltlager der zehnten Jahrgangsstufe der Malibu High School hatte Zander Caploe sich unsterblich in seine Zwillingsschwester verliebt.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Schweißgebadet schreckte Zane hoch.

Im ersten Moment fühlte er sich schwindlig. Brennender Durst quälte seine Kehle. Zane atmete tief durch, um Klarheit in seine wirren Gedanken zu bekommen. Wo war er hier eigentlich?

Orientierungslos ließ er seine Hand über das Bett tasten, bis er die Kante erreicht hatte. Ja, dieses Laken kannte er... war es seins? Dann musste das hier auch sein Zimmer sein...

Seltsam, er war überzeugt gewesen, in der freien Natur auf einer zur Hälfte luftleeren Matratze in einem engen Schlafsack im stickigen Zelt zu schlafen, das er vor Jahren einmal günstig im Outdoorshop erstanden hatte...

Grübelnd tastete Zane weiter. Gut, wenn das hier nicht sein Zelt war, sondern sein Bett, dann musste hier irgendwo doch seine Wasserflasche stehen... ah, da! Erleichtert atmete Zane auf, als seine Fingerspitzen gegen den Plastikverschluss der Literflasche stießen. Er schraubte mit zwei Fingern den Verschluss auf, setzte den Flaschenhals an seinen Mund und trank in gierigen Zügen. Wischte sich anschließend mit dem Handrücken über die benetzten Lippen und schwang sich aus dem Bett.

Nächste Feststellung: Er war nackt. Wieso war er nackt?

Benommen legte Zane eine Hand gegen seine dröhnende Stirn. Kopfschmerzen! Welch arges Graus!

Die Welt um ihn herum schwankte entsetzlich, und ihn plagte plötzlich das unwiderstehliche Bedürfnis, sich herzhaft zu übergeben.

Er würgte einmal probeweise und stellte fest, dass sein Hals sich unangenehm rau anfühlte. Ganz so, als hätte er seinen Magen bereits mehr als einmal auf die unangenehme Weise entleert... Wie seltsam, er erinnerte sich nicht im Dunkelsten daran.

Leise stöhnend drehte Zane sich einmal um die eigene Achse. Wenn er sich wenigstens daran erinnern könnte, wohin er seine Zigaretten geklüngelt hatte... Reflexartig griff seine linke Hand zu der Stelle auf dem Nachtisch, wo die Packung für gewöhnlich lag, doch -- nichts.

Irgendetwas ging hier nicht mit rechten Dingen zu...

Und dann nietete ihn die Erinnerung wie ein Blitzeinschlag abrupt um: Alexa in ihrem hauchdünnen Sommerkleid -- die verdammte Party, zu der sie unbedingt gewollt hatte -- ihre Rückkehr nach Hause und die unvermeidliche Kollision in der Eingangshalle -- ihr heftiges Wortgefecht, das in einen handfesten Streit eskaliert war -- die hemmungslose Versöhnung, als sie der viel zu lange unterdrückten Begierde nachgegeben und sich rücksichtslos auf der cremefarbenen Ledergarnitur im Wohnzimmer geliebt hatten -- und der Tequila. Der verfluchte Tequila...

Bei dem Gedanken daran wallte eine Woge der Übelkeit in ihm auf. Wieso hatte er noch gleich herausfinden wollen, was vorgefallen war? Zane wünschte sich gerade nichts sehnlicher herbei als eine spontane Amnesie...

Verzweifelt biss Zane sich auf die Lippen, drehte sich dabei einmal um die eigene Achse und wurde sich des nackten Körpers gewahr, der bäuchlings auf seiner Bettdecke lag. Blonde Locken fluteten über den dunklen Stoff des Bettbezugs.

Alexa.

Nackt.

Oh verdammt.

Fassungslos sank Zane auf die Bettkante, den Oberkörper seiner schlafenden Zwillingsschwester zugewandt.

Eigentlich wollte er sich beherrschen, wollte sie einfach nur ansehen und sich wünschen, das alles wäre niemals geschehen.

Doch der unbezwingbare Drang, sie zu berühren, überkam ihn genauso abrupt und heftig wie vergangene Nacht, als er so unerwartet in sie gestolpert war.

Zane biss sich widerstrebend auf die Lippen. Und dann verlor seine Beherrschung die Überhand über ihn und ehe er sich gewahr werden konnte, was er da tat, hatte er Alexa bereits zärtlich mit den linken Fingerspitzen über ihren rechten Oberarm gestreichelt.

Sanfte Gänsehaut kroch über die warme Haut seiner Schwester und richtete die dünnen hellen Härchen auf ihren schlanken Armen auf. Über Zanes Lippen huschte unwillkürlich ein kleines Lächeln.

Sein Blick schwang über den schmalen Rücken seiner Schwester ihre sanft gerundeten Hüften hinab auf den zarten Po. Die samtige Haut schimmerte im fahlen Mondlicht, das durch das halboffene Fenster zu ihnen hereindrang.

Zane musste sich auf die Lippen beißen, um nicht begehrlich aufzustöhnen. Er wollte Alexa nicht wecken... und er wollte diesen Moment nicht kaputtmachen. Vorsichtig beugte er sich über seine schlafende Schwester, um ihr einen Kuss auf die Wange zu hauchen, ehe er sich wieder an sie schmiegte, mit seinen Fingern ihre Hände ertastete und an sie gekuschelt seine verwirrten Gedanken schweifen ließ.

Es dauerte, bis er wieder in den Schlaf fand.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

Verschlafen stolperte Alexa die letzten beiden Stufen der marmornen Treppe herunter. Ihre nackten Füße tapsten leise auf dem kühlen Fliesenboden. Gähnend fuhr Alexa sich mit der Linken durch die blonden Locken, während sie die Eingangshalle durchquerte. Ihr auserkorenes Ziel war der Kühlschrank: Nach einer viel zu kurzen Nacht mit viel zu wenig Schlaf brauchte sie dringend Abkühlung in flüssiger Form.

Die Ernüchterung folgte allerdings auf dem Fuße: Kaum, dass die Kühlschranktür mit vernehmlichem Quietschen aufgeschwungen war und Alexas Blick erwartungsvoll in den gekühlten Raum glitt, wurde sie sich des fatalen Fehlers in ihrem Denken bewusst: Zane war übers Wochenende hier. Ergo war der Kühlschrank ein klein wenig... geplündert. Sage und schreibe drei abgelaufene Yoghurts, zwei übriggebliebene Stück Käse vom Vorabend und eine halbe Zitrone glotzten hämisch zurück. Das war doch wohl nicht...

Entrüstet schlug Alexa die Kühlschranktür wieder zu, marschierte zum Küchendurchgang in die Eingangshalle und wollte tief Luft holen, um nach ihrem Bruder zu brüllen.

Dieser verdammte, egoistische... Kerl hatte sich einfach frevellos an ihrem, IHREM!, Orangensaft gütig getan! Anders konnte Alexa sich den kläglichen Rest in der Plastikflasche nicht erklären.

Doch noch ehe sie nach Luft schnappen konnte, schlangen sich von hinten zwei liebevolle Arme um ihre Hüften und schon lag Zanes Kopf auf ihrer linken Schulter. Sein Kinn drückte gnadenlos auf ihren Muskel.

„Autsch", beschwerte Alexa sich halbherzig. „Das tut weh, weißt du?"

„Jap", murmelte Zane in ihre Haare und knabberte dabei ein wenig an ihrem Ohrläppchen herum. Mal probieren, ob es ähnlich schmeckte wie seine erklärte Lieblingsregion von Alexas Körper. Oder ähnliche Reaktionen in seiner Schwester auslöste wie letzte Nacht, als er frivol den Spieß umgedreht hatte, um endlich herauszufinden, was ihn so sehr an ihren niedlichen Brüsten faszinierte.

Entrüstet schob Alexa seine Arme beiseite und verrenkte sich dann interessant in seinen Armen, um ihm ins Gesicht sehen zu können. „Was hast du mit meinem Orangensaft gemacht?"

„Ausgetrunken", gab Zane grinsend zurück. „Du hast ihn so gedankenlos im Kühlschrank untergebracht, da konnte ich halt nicht widerstehen."

„Du..." Alexa schnappte empört nach Luft und wollte handgreiflich werden. Doch Zane, der ihr Verhalten in- und auswendig kannte, zog sie mit Nachdruck an sich, sodass sie für einen Moment das Gleichgewicht verlor und haltlos gegen ihn stolperte.

„Ich", hauchte Zane und legte ihr liebevoll seine rechte Hand an die Wange. Ohne den Augenkontakt zu unterbrechen, schmiegte Alexa sich gegen seine Handfläche.

In Zanes Blick lag etwas unausgesprochen Zärtliches, das schon letzte Nacht darin geglommen hatte. Alexa spürte, wie ihr Innerstes schier aufzublühen schien unter diesem Blick. Sie liebte ihren Bruder, wurde ihr schmerzlich bewusst. Aber es fühlte sich so gut an... so verboten gut. Dabei war es so falsch, meldete sich die schwache Stimme ihrer Vernunft irgendwo in den hintersten Winkeln ihrer Gedanken.

Alexa verdrängte diese Stimme einfach. Verdrängte sie, wie so vieles, das Anderen vermutlich als das Vernünftigste erschien. Sie wollte jetzt einfach nicht vernünftig sein...

Und Zane ebenso wenig, dem leicht lüsternen Lächeln nach zu schließen, das um seine Lippen spielte. Etwas, über das er kaum Kontrolle hatte. Alexa durchrieselte ein warmer Schauder, als ihr Bruder ihr mit fragend-aufforderndem Unterton ein „mh?" zumurmelte. Ihr geheimes Zeichen. Vielleicht gar so etwas wie ein Codewort. Auf jeden Fall reichte es aus, um zwischen Alexas Schenkeln die Lust erwachen zu lassen.

Alexa nahm verspielt die Unterlippe zwischen die Zähne und sah ihren Bruder mit kokettem Augenaufschlag an. Zane verstand dieses Zeichen und zögerte nicht lange, sie mit einem geübten Griff auf seine Arme zu heben. Er trug sie zur Küchenzeile, um sie auf der Anrichte neben dem Herd abzusetzen.

„Ich wollte das schon so lange tun", wisperte er ihr ins Ohr.

„Was?", flüsterte Alexa zurück, obwohl sie die Antwort genau kannte. Zane lachte dunkel auf. „Na, was wohl: Dich in der Küche flachlegen. Auf dieser Arbeitsfläche..."

Und mit diesen Worten sank er über sie.

~ ~ ~ ~ ~ ~ ~ ~

'Genervt' war das Adjektiv, das Ava Caploe am Zutreffendsten beschrieb, und 'Workaholic' war das perfekt passende Substantiv dazu.

Zu ihrer Verteidigung sei allerdings angemerkt: Es war nie Avas Wunsch gewesen, die liebende Hausfrau zu spielen, die für ihre geliebten Kinder ihren gut bezahlten Job aufgab und abends mit dem Essen aufwartete, sobald ihr geliebter Ehemann von der Arbeit nach Hause kam.

Aber sie hatte auch nie gelernt, was es bedeutete, einen Menschen zu lieben.

Ava war die Ältere von zwei Töchtern eines erfolgreichen Unternehmers und einer desinteressierten, psychisch kaputten Alkoholkranken. Aufgezogen von ständig wechselnden Kindermädchen, hatte sie früh gelernt, auf eigenen Beinen zu stehen. Und sie war nie bereit gewesen, sich dem Willen ihres tyrannischen Vaters zu beugen und den Sohn eines seiner wieseligen Geschäftspartner zu heiraten, nur um sich dessen gewinnorientierte Treue zu sichern.

Aber wer war sie schon gewesen, sich gegen einen der mächtigsten Industriechefs in ganz Kalifornien aufzulehnen?

Avas Ehe mit James Caploe war beschlossene Sache, kaum dass die Mitgift ausgehandelt und diverse andere Bedingungen auf beiden Seiten geklärt worden waren.

Mit gerade einmal 22 Jahren war Ava Stokesberry an den zwei Jahre älteren Erben von Caploe Industries verschachert worden.

Auf eine pompöse Vermählung in Weiß, die in den Zeitungen als die Traumhochzeit des Sommers betitelt wurde, folgten Flitterwochen auf Hawaii, die nur zwei hehrenen Zielen dienlich waren: Den guten Ruf der Familie aufrecht zu erhalten -- wofür Ava nichts weiter tun musste, als ihrem Mann brav zu gehorchen und dabei hübsch auszusehen -- und den Fortbestand der Linie zu sichern, sprich: Einen Erben zu zeugen.

Doch dieser Aufgabe war Ava nicht gewachsen.

Als wohlerzogene Tochter, die sie stets gewesen war, ging sie als unberührte Jungfrau in die Ehe ein.

Auf den ganzen Bällen, Soirées und festlichen Anlässen, die zu ihrem Leben dazugehörten, hatte Ava nie die Möglichkeit gehabt, sich etwas von dem Wissen anzueignen, das für die Verführung ihres Mannes nötig gewesen wäre. Nicht einmal ein scheuer Kuss, beschwipst vom ersten, heimlich entwendeten Champagner, hatte sich in all den öden, trockenen Jahren als Debütantin und später als angesehene Dame der oberen Gesellschaft ergeben.

Und James, der Zwangsehe mit dieser verbitterten jungen Frau genauso abgeneigt wie andersherum, hatte seinerseits nie Interesse an sexuellen Zärtlichkeiten mit seiner frisch angetrauten Ehefrau ausgedrückt.

So blieb die Ehe lange unvollzogen.

Bis Ava eines lauen Sommernachts beschloss, dass sie ein Recht auf Selbstbestimmung hatte. Und darüber hinaus würde sie der an sie gestellten Erwartungen gerecht werden. Nur eben auf ihre eigene Art.

Es war ein angenehm warmer Spätsommertag in ihren Flitterwochen in einem hübschen Fünfsternehotel am Strand, der sich dem Ende neigte, und statt wie üblich nach kurzer Abendtoilette in eins ihrer hochgeschlossenen Kostüme zu steigen, um während des Abendessens das konservative Schmuckstück an James Caploes Seite zu mimen, schlüpfte Ava in das einzige Cocktailkleid, das sie noch besaß.

Nach der Verlobung hatte man ihren Kleiderbestand zunächst einmal drastisch reduziert, nur um ihn anschließend aufzufüllen mit den scheußlichsten Klamotten, die Ava je untergekommen waren: Züchtig, schlicht, konservativ. Spießig. Ganz zu schweigen von hässlich. Hochgeschlossene Oberteile, formlose Röcke, schlichte Kleider und gerade geschnittene Hosen.

Figurkaschierende, langweilige, farblose Säcke.

Eben der Stil, den ein seriöser Geschäftsmann für seine Ehefrau bevorzugte.

Doch dieses eine einzige kleine Schwarze, mit tiefem Ausschnitt und verspieltem Schlitz an der linken Seite ihres Oberschenkels, hatte Ava retten können. Denn trotz aller Vorbehalte und Ablehnungen gegen James Caploe glomm irgendwo tief in Ava der schmale Hoffnungsschimmer, dass aus Vernunft doch noch Liebe werden könnte. Eines fernen Tages. Vielleicht.

Es waren die Träume eines jungen Mädchens, das sein Leben noch nicht komplett aufgegeben hatte.

Lächerlich, im Nachhinein betrachtet.

In besagter Nacht setzte Ava Caploe alles auf eine Karte: Sie ließ ihre hüftlangen, dunkelblonden Haare offen, sodass sie ihr in sanften Wellen auf den Rücken flossen, tauchte ihre Lippen in ein sinnliches Dunkelrot und schlug dieses Mal den Rotwein nicht aus, den der charmante Kellner ihr zum Hauptgang des üppigen Abendessens anbot.

Erstaunte James das veränderte Verhalten seiner Frau, so ließ er es sich nicht weiter anmerken.

Er lauschte höflich ihrem belanglosen Geplauder über die Vorzüge eines großen, rosenberankten Gartens, den sie sich so sehr für ihr Eigenheim wünschte, lenkte dann galant das Gespräch beim Hauptgang auf seine eigenen Pläne für den kommenden Tag.

Die Begeisterung für Kulturelles war ihre einzige Gemeinsamkeit. Und James legte großen Wert darauf, seiner jungen Frau davon so viel wie irgend möglich zu bieten.

Ihre Beziehung lief zu dem Zeitpunkt noch auf einer respektvollen, wenn auch nicht unbedingt freundschaftlichen Ebene. Doch die kommende Nacht sollte tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen.

Als Ava an diesem noch jungen Abend zärtlich ihre linke Hand auf James rechten Oberschenkel legte, durchzuckte ihn tatsächlich für den Bruchteil einer Sekunde die Begierde nach dieser Frau an seiner Seite.

Es war nur ein einziger kurzer Moment, doch er reichte aus, um Ava an ihr Ziel zu führen.

In dieser Nacht teilten James und Ava Caploe zum ersten und einzigen Mal ihre Schlafstätte nicht als Fremde, die einander den Rücken kehrten, sobald das Licht erlosch, sondern als frisch verheiratetes Paar, das ungehemmt seiner ungestümen Leidenschaft nachkam.

An den Rest der Flitterwochen hatte Ava nur noch bruchstückhafte Erinnerungen.

Die Morgenübelkeit leistete ihr von Anfang an Gesellschaft -- sie kam noch im selben Augenblick, da der nächste Tag vielleicht gerade einmal süße sechs Stunden alt war und Ava aus unruhigem Schlaf hochschrak. Umgehend wurde sie sich ihrer Benommenheit bewusst und fand nicht einmal genügend Zeit zum Wachwerden. Haltlos stürmte sie ins Badezimmer und stürzte zur Toilette, wo sie sich herzhaft erbrach.

Mit zitternden Fingern betätigte sie die Spülung, wusch sich anschließend die Hände unter dem klaren, kühlen Wasserstrahl des hübsch ziselierten Wasserhahns und spülte sich den Mund gründlich mit Mundwasser aus, ehe sie nach ihrer Zahnbürste tastete und sich ausgiebig die Zähne putzte.

Dabei kreisten ihre Gedanken unablässig um eine einzige Frage: War es wirklich möglich, vom ersten ungeschützten Geschlechtsverkehr schwanger zu werden?

Die deutliche Artwort auf ihren vagen Verdacht erhielt Ava wenige Wochen später bei einer eher routinemäßigen Untersuchung bei ihrem Frauenarzt: Ja, es war in der Tat möglich -- und Ava war wirklich guter Hoffnung.

Am 21. April im darauffolgenden Jahr erblickten die Zwillinge Alexander und Alexandra Caploe das Licht der Welt. Damit hatte Ava ihre wichtigste Aufgabe als Ehefrau erfüllt und ihrem Ehemann den erhofften männlichen Erben geschenkt. Ab dem Zeitpunkt sah James Caploe es nicht mehr als notwendig an, mit der ihm angetrauten Frau ins Bett zu gehen und suchte seine Freizeitbeschäftigung lieber bei ein paar Runden Poker mit Freunden, gutem Wein, teuren Zigarren und in der Gesellschaft junger Frauen, deren Dienste er käuflich erwerben konnte und die ihm keinen seiner ausgefallenen Wünsche ausschlugen.

Ava war mit der Erziehung ihres Nachwuchses sichtlich überfordert, deswegen wurde ihr alsbald ein Kindermädchen zur Seite gestellt, und als die Zwillinge im Kindergartenalter waren, fing Ava an zu arbeiten und konzentrierte sich fortan auf ihre Karriere.

Aufgezogen von verschiedenen Kindermädchen und Tagesmüttern, hatten Alexa und Zane nie genügend Nähe oder gar Vertrauen zu ihren Eltern aufgebaut. Ihre Mutter war ihnen fremd, der Vater ohnehin kaum zuhause, und wenn doch, dann vergrub er sich in seiner Arbeit oder traf wichtige Geschäftspartner.

Aber Ava hatte auch nie gewusst, wie sie ihren Zwillingen begegnen sollte. Sie hatte ja selbst nie gelernt, wie eine liebevolle Mutter sich um ihre Kinder kümmerte. Geschweige denn wusste sie, wie sie ihnen Liebe entgegenbringen sollte - sie, die sie doch selbst von Kindermädchen großgezogen worden war, da ihre Mutter nie Zeit für ihre jüngere Schwester Maddison und sie selbst gefunden hatte.

Also hatte Ava es ihrem Ehegatten gleichgetan und sich um ihre Karriere gekümmert. Und die Mühen hatten sich gelohnt: Nach knapp fünfzehn Jahren harter und nicht selten mühsamer Arbeit nannte Ava ein kleines, erfolgreiches Unternehmen in der Wirtschaft ihr eigen.