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Feuer und Wasser

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„Mona, wie kannst du mich so vor Jürgen blamieren? Das kannst du doch nicht machen", meinte sie komplett verlegen.

„Du hast doch gemeint, dass ich alles sagen soll und ich hab noch gar nicht erzählt, dass du gesagt hast, du wärst bei Jürgens Küssen und Berührungen so rattig geworden, dass du beinahe über ihn hergefallen wärst."

Elvira sprang auf und wollte aus der Küche eilen, so sehr schämte sie sich. Ihre Tochter hatte genau das beschrieben, was sie empfunden hatte. Sie war so nass geworden, dass sie sich gewünscht hatte, er würde sein Versprechen vergessen. Aber dazu war er zu sehr Ehrenmann.

Jürgen konnte sie gerade noch an der Hand erwischen, er stand auf und nahm sie in seine Arme.

„Mein Schatz, denkst du vielleicht, mir ist es besser ergangen. Glaubst du es lässt mich kalt, wenn ich deinen wundervollen Körper vor mir sehe und deine zarte Haut unter meinen tastenden Fingen spüre. Denkst du, da rührt sich bei mir nichts?"

Elvira lehnte sich an ihn und lächelte.

„Oh doch, das habe ich gemerkt. Und wie! Deshalb bin ich doch so kribbelig geworden. Ich habe doch gehofft, du würdest . . ."

„Bist du jetzt enttäuscht, Vira? Was hättest du von mir gedacht, wenn ich mein Versprechen gebrochen hätte?"

„Dann wärst du jetzt nicht hier, mein Schatz, denn dann hätte ich dir nicht vertrauen können. Ich liebe dich, schon viel länger, als ich mir eingestehen wollte. Ja, ich liebe dich und genau so wichtig ist mir, dass ich dir vertrauen kann. Und da bin ich mir absolut sicher nach gestern."

Sie küsste ihn so intensiv, dass fast die Luft brannte.

Ramona schaute mit großen Augen zu, was sich vor ihren Augen abspielte. Sie freute sich für ihre Mutter so sehr, dass sie aufsprang und beide umarmte.

„Toll, toll, toll, bekomme ich jetzt vielleicht doch noch einen Vater?"

Elvira schnappte überrascht nach Luft, schaute Jürgen an und sah große Zustimmung in dessen Augen. Wieder flossen ihre Tränen, aber diesmal nicht vor Scham oder Zorn, sondern vor unsagbarer Freude.

„Ja, ich will", sagte sie und ihr Blick machte, dass auch bei Jürgen Tränen kamen.

„Äääh, was willst du, Mutti?", fragte Mona ratlos und sah zwischen Ihrer Mutter und Jürgen hin und her. „Jürgen hat dich doch gar nichts gefragt."

Elvira nahm die Hände ihrer Tochter.

„Das lernst du noch mein Schatz. Es gibt Dinge, die kann man auch ohne Worte sagen. Mit Gesten, mir Berührungen oder nur durch den Ausdruck in den Augen des anderen. Und in seinen Augen habe ich ein großes Ja gesehen, oder?"

Nicht ganz sicher schaute sie zu Jürgen auf, der sie zärtlich anlächelte.

„Ja, mein Liebling, in meinen Augen ist ein ´Ich will`und ich will es wirklich und ohne Einschränkungen für euch beide."

Den letzten Teil des Satzes betonte er ganz besonders, damit auch Ramona begriff, dass sich etwas geändert hatte. Die stand aber noch ein wenig auf der Leitung.

Lange Zeit standen die Drei noch da und hielten sich umschlungen, als wenn sie das Band zwischen ihnen besonders fest knüpfen wollten.

*

„Darf ich euch zur Feier des Tages zu Arne auf ein großes Eis einladen? Und am Abend gehen wir zu Jen´Anh vietnamesisch essen? Was meint ihr?", fragte Jürgen, als er wieder einigermaßen die Fassung gewonnen hatte.

„Seid ihr noch nicht angezogen?", wollte Mona wissen. „Los geht´s, ich habe Hunger."

„Das gibt ein Problem, Ramona. Du wirst alt genug sein, um es zu verstehen. Wann wirst du Achtzehn?"

„In drei Wochen, wieso?"

„Nun gut, dann sollst du es erfahren. Weil, bevor wir uns anziehen können, muss ich deine Mutter erst ausziehen, damit ich sie wieder anziehen kann. Vorher können wir nicht los."

„Mama??? Warum wirst du denn so rot?" Mona kicherte, als sie sah, wie verlegen ihre Mutter wurde. „Jürgen, an was mag sie wohl denken?"

„Frag sie, dann sagt sie es dir vielleicht."

Elviras Reaktion war ein heftiges Kopfschütteln.

„Noch nicht, meine Kleine, das erfährst du vielleicht bald selber. Und du mein Lieber, das kommt gar nicht in Frage, dass du mich hier vor dem Kind ausziehst."

„Oh schade", brummte Jürgen enttäuscht. „Schon Enthaltsamkeit, bevor es richtig losgeht."

Jetzt machte es „Klick" bei Ramona.

„Wieso bevor es losg . . . Mama, hat er dir wirklich einen Antrag gemacht? Er hat doch gar nichts gesagt."

Jürgen und Vira nickten.

„Ja, Mona, das hat er und ich habe Ja gesagt. Ohne Worte, nur mit Blicken."

Jürgen ging vor Ramona in die Knie.

„Aber dich, Mona, muss ich fragen, ob du mit mir als Vater einverstanden wärst. Ich will für dich sorgen, dich liebhaben und beschützen, so dass dir nie ein Leid geschehen kann."

Ramona fiel ihm um den Hals und jetzt flossen bei ihr dir Tränen. Jürgen schaute sie lange an und wischte mit seinen Daumen ihre Tränen fort.

„Genug geregnet für heute", meinte er. „Heute ist ein Freudentag und die Sonne scheint. Ein angemessenes Wetter für diesen besonderen Tag. Und ich gehe jetzt mit meinen Frauen aus. Los geht´s, meine Damen, das Eis wartet und nicht nur das."

*

Und er sollte Recht behalten.

Sie liefen los, Mona hakte sich an seinem linken Arm ein und Elvira hielt seine rechte Hand umklammert, als könnte sie immer noch nicht glauben, was in den letzten 20 Stunden passiert war. Ihr ganzes Leben hatte sich in dieser kurzen Zeit umgekrempelt und sie fühlte sich sehr gut dabei. Stolz schaute sie zu Jürgen, der sie verliebt anhimmelte.

Ramona strahlte beide an wie ein leuchtender Stern und fragte sich, was gleich alles bei Arne auf sie einstürmen würde.

Sie war unheimlich stolz, dass sie wieder einen Vater hatte, einen der sie mochte und beschützen würde.

Es war Sonntag, schönes Wetter nach dem Gewitter und der Eisiglu war voll.

Als die drei sich näherten, verstummten die Gespräche und alle Blicke wandten sich ihnen zu.

Sogar Arne, den sonst nichts so leicht aus der Spur brachte, stand mit offenem Mund und ungläubigem Blick da. Das kam sogar für ihn überraschend. Was für einen wundervollen Effekt hatte das von Jürgen angekündigte Gespräch gehabt.

Elvira riss sich von Jürgens Hand los und umarmte, so impulsiv, wie sie nun mal war, Arne und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.

„Danke, tausend Dank", flüsterte sie ihm ins Ohr.

Er schob sie leicht von sich, sah ihr strahlendes Gesicht und zwinkerte ihr zu.

„Macht was draus, Mädchen", flüsterte er genau so leise zurück.

Dann drückte er Jürgen die Hand.

„Du Teufelskerl, wie hast du das nur so flott hingekriegt?"

Jürgen lächelte und meinte: „Du wirst es vielleicht lesen können, aber jetzt zum Eis."

Er ging mit Elvira, um sich einen Platz suchen. Aber wo war Mona?

Die stand noch fast im Eingang, hatte den Mund offen stehen und die Augen ungläubig aufgerissen.

Jürgen folgte ihrem Blick. Ja, da hinten am letzten Tisch saßen Marie-Claire und ihre drei Mädchen und Patrick stand daneben und redete mit einem jungen Mann. Der war bestimmt nicht klein, aber neben Patrick wurde jeder zu einem Kümmerling. Der junge Kerl hatte etwa seine Größe und Statur und drehte sich gerade um. Himmel, er sah fast aus wie ein Zwillingsbruder von Patrick.

Deshalb der Blick von Ramona.

Patrick sah sie und winkte heftig, weil an ihrem Tisch noch Plätze frei waren. Elvira umarmte ihn und Marie und knuddelte die Kinder.

Patrick stellte ihnen den jungen Mann als seinen kleinen Bruder Boris vor. Inzwischen war auch Mona an den Tisch gekommen und wandte ihren Blick nicht von Boris. Der wollte sie begrüßen, brachte aber kein Wort heraus. Und Mona ging es genau so.

Die beiden sahen sich nur an, standen sich gegenüber und hatten die Welt um sich vergessen.

`Oh, oh, da hat es noch wo gefunkt`, dachte sich Jürgen. Er schob Mona zu einem Stuhl und drückte sie runter. Boris war wie der Blitz bei ihr und beschlagnahmte den Stuhl neben ihr. Da saßen sie nun wie festgewachsen.

Jürgen grinste Elvira an und die verdrehte theatralisch die Augen.

Als das Eis kam entstand doch allmählich eine Unterhaltung. Elvira und Jürgen mussten den anderen erklären, was zur Änderung des Zustandes zwischen ihnen geführt hatte und erhielten Zustimmung von allen Seiten. Sogar Mona und Boris beteiligten sich jetzt an der Unterhaltung, aber nur um offensichtlich davon abzulenken, dass sie sich unter dem Tisch an den Händen gefasst hatten.

Dieses Ablenkungsmanöver ging aber gründlich in die Hose, da die Tischplatte aus Glas war und jeder sehen konnte, was sich darunter abspielte. Patrick grinste seinen kleinen Bruder so breit an, dass der verlegen wurde und rote Ohren bekam. Er entschuldigte sich, stand hastig auf und eilte nach draußen. Mona schaute sich erst verwirrt um, dann sprang sie auch auf und mit einem wütenden „Ihr seid ja alle soooo gemein" folgte sie ihm.

Dieses Manöver wurde natürlich von den anderen Gästen, meist Mitbewohner aus dem Dorf, beobachtet und schon setzte ein leises Getuschel ein.

„Da brauchen wir am Montag keine Zeitung zu kaufen, pass auf, das wird das Thema des Tages", meinte Jürgen.

„Ist mir aber noch zu wenig für die Schlagzeile auf der ersten Seite", erwiderte Vira, beugte sich zu ihm und küsste ihn, dass die Gläser klirrten.

Jetzt hatten sie die ungeteilte Aufmerksamkeit.

Die Exfrau des Motorradrockers und der Schriftsteller. Wenn das mal keine Neuigkeit war. Das würde heute noch wie ein Lauffeuer durchs Dorf gehen.

Elvira war ja für ihre Einstellung Männern gegenüber bekannt und berüchtigt und jetzt kam dieser Schreiberling von auswärts daher und schnappte sich so einfach die wohl schönste „Mittelalterliche" vom Dorf und begann mit ihr ein Techtelmechtel. Und die Tochter schien damit auch noch einverstanden zu sein. So hatte es jedenfalls ausgeschaut, als die Drei ins Eislokal marschiert kamen.

So was hätte es früher in der guten alten Zeit nicht gegeben!

Da gab es noch Moral und Anstand.

*

Elvira schaute sich unruhig um, als sie ihre Tochter nicht mehr sehen konnte.

Patrick legte ihr die Hand auf den Arm.

„Keine Sorge Vira, Boris ist vernünftig und alt genug, um zu wissen, was er macht. Da schau!"

Er deutete aus dem seitlichen Fenster, von dem man bis in den Park, der etwas tiefer lag, hinunter blicken konnte. Dort gingen Ramona und Boris Hand in Hand spazieren und redeten miteinander.

„Außerdem muss er heute Abend wieder nach Stuttgart zum arbeiten", erklärte er. Auf ihren fragenden Blick sagte er, dass Boris trotz seiner jungen Jahre Industriemeister für Elektrotechnik und Elektronik sei und in der Landeshauptstadt auf einer großen Baustelle als Verantwortlicher für diese Bereiche eingesetzt wäre.

Auf die verständlich neugierige Frage von Elvira nach einer eventuellen Freundin schüttelte Patrick den Kopf.

„Keine Zeit für solche Dinge Vira, sein großes Hobby ist zwar Tanzen und da gibt es reihenweise schöne junge Dinger, aber die sind meinem Bruder zu eingebildet und kapriziös. Außerdem tanzt Boris fast schon professionell in der Goldklasse und hat da eine Partnerin, die etwa so alt ist wie du. Und die passt auf den „Kleinen" auf wie auf ihr eigenes Kind."

Jetzt war auch Jürgen neugierig geworden.

„Wie alt ist denn der Kleine?", fragte er.

„Die Hormonstörung ist inzwischen 25 Jahre alt", und als er die fragenden Blicke der anderen bemerkte fügte er hinzu. „Unsere Mutter meinte nach dem dritten Kind, es wäre jetzt genug. Wie es dann passiert ist weiß ich nicht mehr, auf jeden Fall fühlte sie sich seit einiger Zeit unwohl und ging zum Arzt. Sie meinte sie wäre schwanger, aber der Doktor verneinte das und meinte, es wäre wohl nur eine Hormonstörung. Und diese Störung geht jetzt mit eurer Tochter Hand in Hand im Park wie ein verliebtes Pärchen spazieren."

Er stutzte, als ihm auffiel, was er eben gesagt hatte. „Eurer Tochter".

Jürgen schaute Elvira an und die nickte.

„Kann man so sagen, Patrick. Unser Kind wird in drei Wochen Achtzehn, da wird es langsam Zeit, dass ich die Zügel ein wenig lockerer lasse und sie ein wenig mehr Freiheiten bekommt. Und da gehört ein Freund wohl dazu. War bei mir auch nicht anders."

Sie warf Jürgen einen verliebten Blick zu.

„Wie die Mutter, so die Tochter. Ich hoffe dass wir beide den Richtigen gefunden haben."

Es wurde noch ein lustiger Nachmittag. Das Publikum wechselte, die verwunderten Blicke blieben und am Montagmorgen würden die Neuigkeiten im Blätterwald rauschen. Mona und Boris waren wieder gekommen, nachdem sie alles Wissenswerte vom anderen erfahren hatten und wichen keinen Zentimeter voneinander. Als Patricks Familie aufbrach bekam Boris von Mona noch ein kleines Küsschen und er drückte sie fest an sich, was bei Elvira einen skeptischen Blick und eine hochgezogene Augenbraue hervor rief.

Als Jürgen fragte, wohin es nun gehen sollte, da meinte Elvira: „Zu dir, deinen Schlafanzug holen. Du bleibst heute Nacht bei uns. Wir haben gestern etwas angefangen und ich mag es nicht besonders, wenn Dinge unerledigt bleiben."

Mona schnappte überrascht nach Luft und Jürgen fragte sich, ob sie heute noch einmal aus dem Staunen und Wundern herauskommen würde.

In seiner Wohnung packte er eine kleine Tasche mit Dingen die er mitnehmen wollte. Elvira lehnte einen Kaffee ab (zu viel und zu spät) und holte sich ein Mineralwasser aus dem Kühlschrank. Mona ging in der Wohnung umher und begutachtete alles, was sie für interessant hielt.

Dann wurden ihre Augen groß. Sie hatte Jürgens stahlblaue Querflöte entdeckt und eilte zu ihm hin.

„Du spielst Flöte? Ein Cantabile Modell. Toll! Ich spiele Klarinette, eine Yamaha 650."

„Zwei- oder Vierzylinder?", fragte er.

Auf ihren verständnislosen Blick mischte sich Elvira ein.

„Yamaha ist auch eine Motorradfabrik, Schatz."

Mona setzte ein schiefes Grinsen auf.

„Scherzkeks!"

„Wahrscheinlich spielst du die Klarinette besser als ich meine Tröte. Ich habe viel zu viele Jahre ausgesetzt und bin ziemlich aus der Übung."

„Das macht doch nichts. Spielst du mir ein klein wenig vor, nur ein bisschen", bettelte Mona.

Jürgen nahm die Flöte vom Ständer, kontrollierte den Zusammenbau und setzte das Mundstück an die Lippen. Die ersten Töne kamen erst ein wenig zögerlich, aber dann wurde er sicherer und spielte den beiden Damen eine freie Improvisation von Jethro Tull´s „We Five Kings".

Als er geendet hatte, nickte Elvira anerkennend und Mona klatschte begeistert Applaus.

Er wehrte verlegen ab.

„War doch nicht so toll", meinte er.

„Doch", widersprach Mona, „und die Flöte klingt echt gut. Wenn wir nachher zuhause sind, spiele ich auch etwas für dich. Vielleicht spielen wir ja einmal zusammen."

Jürgen freute sich schon darauf, vor allem als ihm Elvira mitteilte, dass Mona schon seit zehn Jahren Klarinette spielte und im Orchester des Dorfes eingebunden war.

Mona hatte auch die große Truhe entdeckt, in der er je eine Ausgabe seiner selbst geschriebenen Romanheftchen aufbewahrte, als Archiv sozusagen.

„Uih, da hat Mama auch einige zuhause. Und die sind wirklich alle von dir?"

„Ja, seit wann liest Mama denn so was?" fragte er arglistig und schaute gespannt zu Elvira hin, die sich verlegen auf ihrem Stuhl wand und heftig mit dem Kopf schüttelte.

„Ich glaube, seit du im Dorf bist", sagte Mona, die es nicht gesehen hatte.

„Mmmmh und du hast nichts darin gefunden, womit du mich hast aus dem Dorf vertreiben können, Elvira?"

„Nein, denn als du die zwei Monate weg warst, habe ich gemerkt, wie sehr du mir gefehlt hast. Du warst fort und ich bin in ein Loch gefallen. Und Arne hat mir lange auch nicht gesagt, dass du wiederkommst. Und als du wieder da warst, da konnte ich dir doch nicht zeigen, wie schlimm es ohne dich war. Ich konnte doch nicht so einfach von meiner vorgefassten Meinung abfallen. Nur durch meine Sturheit hat es so lange gedauert, bis wir zusammen gekommen sind."

Elvira schluchzte und Jürgen ging zu ihr, nahm sie in den Arm und hielt sie fest.

„Das mag sein", sagte er, „aber ich hatte auch die Zeit, mir ganz sicher zu sein, dass ich dich liebe. Deine Art mich abzulehnen, war mir Ansporn genug, um durchzuhalten. Ich wollte einfach wissen, wer von uns eher aufgab."

„Und?", fragte Elvira.

„Unentschieden. Wärst du nicht zu mir gekommen, dann wäre ich nach eurem Urlaub bei dir aufgekreuzt, um ein klärendes Gespräch zu suchen. Ich habe es nicht mehr ausgehalten und mir gesagt, entweder sie akzeptiert dich oder sie schickt dich in die Wüste. Elvira, ich war fertig, am Ende, ich war dabei aufzugeben. Aber dann kamst du und ich hatte die Möglichkeit unter den Umständen dir zu zeigen, was du mir bedeutest. Ich kann dir gar nicht sagen, was mir durch den Kopf gegangen ist, als du klatschnass vor mir gestanden bist. Ich habe ganz instinktiv gehandelt. Rein mit ihr, duschen, egal was sie will, lass sie nur nicht reden bevor sie trocken und aufgewärmt ist. Vielleicht wird es dann nicht so schlimm, was sie dir zu sagen hat. Den Rest kennst du, Schatz."

Elvira hatte ihren Kopf an seine Brust gelegt und Ramona war hinzu gekommen und schmiegte sich an die beiden.

*

Dann hatte er seine Sachen beieinander und verließen seine Wohnung, um zu Jen´Anh zum Essen zu gehen.

Auch hier waren wie jeden Sonntagabend viele Gäste anwesend, darunter Bekannte von Elvira und Jürgen. Auch Carina aus der Marktbäckerei war mit einem männlichen Begleiter anwesend, in dem Jürgen einen der morgentlichen Brotzeitholer vom Installationsbetrieb erkannte. Carina wurde blass, als sie die beiden Frauen erkannte, die da bei „ihrem" Schriftsteller am Arm hingen. Und dann küsste „ihr" Jürgen diese arrogante Elvira auch noch ganz ungeniert und ihrer Meinung nach viel zu unanständig, schob ihr und ihrer Tochter den Stuhl zurecht und nickte ihr kühl zu. Dieser Abend war für sie gelaufen und sie verabschiedete sich viel früher als geplant von ihren Freunden.

Nach einem reichhaltigen und ausgezeichneten Essen machten sie sich auf, um die 600 Meter zu Elvira zu gehen. Sie kamen an einigen Bekannten von ihr vorbei und wurden neugierig begutachtet und es wurden einige vorsichtige Fragen gestellt. Ohne sich genau zu outen, das würde schon öffentlich werden, was passieren würde, erreichten sie ihr Haus.

Jürgen blieb nachdenklich an der Gartentür stehen und schaute sich genau um.

„Was ist, Schatz?"

„Weißt du, Vira, ich habe das Gefühl, als würde ich nach Hause kommen."

Elvira seufzte.

„Ich würde mich freuen und du würdest mich sehr glücklich machen, wenn du es als dein Zuhause ansehen würdest und dich hier wohlfühlen würdest."

„Mit euch beiden kann ich doch gar nicht anders, als mich hier heimisch zu fühlen. Ich freue mich jetzt schon auf die nächste Zeit, wenn ich euch näher kennen lernen kann, eure Eigenschaften und Eigenheiten und eure Macken . . .", er hob beschwichtigend die Hände, als er leichte Spuren des Widerspruchs entdeckte „ . . . die ihr zweifellos als Frauenwirtschaft habt, genau so wie ich als alteingesessener Junggeselle meine Macken habe, an die ihr euch vielleicht gewöhnen müsstet, oder ich muss sie mir abgewöhnen. Es wird bestimmt nicht leicht und es wird sicher Karambolagen geben, aber ich bin mehr als bereit es zu versuchen. Ich möchte euch glücklich und zufrieden sehen."

„Auf in den Kampf, stürmen wir die Festung, bevor wir es uns noch einmal überlegen."

*

Statt dem Abendessen, sie waren pappsatt von Jen´Anh heim gekommen, spielte ihm Mona einige Stücke auf ihrer Klarinette vor, und zwar nicht nur Klassik und Volksmusik, sondern auch einige Rocksongs, darunter auch eine Variation von Metallica´s „Nothing else matters". Jürgen musste neidlos anerkennen, dass sie um einige Klassen besser spielte als er und sie freute sich ungemein über sein Lob.

Dann verschwand Mona in ihrem Zimmer, um mit Boris zu telefonieren, der inzwischen in Stuttgart angekommen sein müsste. Das würde mit Sicherheit länger dauern.

Elvira blickte Jürgen mit diesem ganz speziellen Blick an, der Frauen so eigen war, wenn sie etwas ganz Bestimmtes vorhatten.

Sie trat ganz nah zu ihm, schaute zu ihm auf und legte ihre Hände auf seine Brust.