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Rehabilitationsmaßnahmen 02

Geschichte Info
Knapp daneben ist auch vorbei
23.8k Wörter
4.65
5.6k
4

Teil 2 der 2 teiligen Serie

Aktualisiert 07/19/2023
Erstellt 10/30/2017
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Rehabilitationsmaßnahmen_2

oder knapp daneben ist auch vorbei.

Eigentlich wollte ich nichts mehr von Arne schreiben, aber es ist etwas passiert, was meine Meinung grundlegend geändert hat.

Nachdem er einen leichten Schlaganfall so einigermaßen überstanden und auskuriert hatte, war er der Meinung, er sei so ziemlich unsterblich und gegen alles gefeit, was da noch kommen möge. Ein Irrtum der größer nicht hätte sein können.

Aber lassen wir ihn selber berichten.

* * *

Arne ( ein Rückblick )

Montag, 15. Mai 2023

Ich hatte die letzten Tage nicht besonders gut geschlafen. Zweimal war ich mitten in der Nacht wach geworden, weil ein massiver Schweißausbruch mit heftigem Luftmangel und Atembeschwerden mir zu schaffen machte. Ich saß dann länger als eine Stunde am offenen Fenster und schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen.

Melanie machte sich schwere Sorgen und drängte mich, endlich mal zum Arzt zu gehen. Da ich sowieso noch einen Termin bei Johannes wegen meiner Rentenneuberechnung hatte, konnte ich beides bequem miteinander verbinden. Die Ärztepraxis liegt ja genau über dem Rathaus im ersten Stock.

Also stand ich Punkt Acht Uhr bei Johannes auf der Matte, um die Anträge und Fragebögen auszufüllen. Der aber schüttelte den Kopf.

"Da bist du zu früh dran, Arne. Vor 8 Uhr 30 fangen die beim Landratsamt erst gar nicht an zu arbeiten und jetzt geht noch keiner ans Telefon. Geh zum Doc hoch und hol dir in aller Ruhe deine Rezepte ab. Da kannst du noch ein wenig mit Andrea und Annika plaudern und danach kommst du wieder zu mir."

Der Gedanke an Annika machte mir Beine und ich freute mich, sie wieder zu sehen. Sie war einmal meine Mieterin in der Zweizimmerwohnung gewesen, bis sie festgestellt hatte, dass für sie und ihre beiden Mädels einfach der Platz zu knapp wurde. Sie ist dann in den Nachbarort gezogen, wo sie sich ein kleines Häuschen mieten konnte.

Trotzdem reden wir oft miteinander und auch mit Mel verbindet sie eine innige Freundschaft. Bayern halten auch in der Fremde zusammen.

Als ich bei Annika meine Medikamente bestellte, schaute sie mich kritisch an.

"Was ist mit dir los, Arne. Du siehst, entschuldige bitte, recht beschissen aus. Stimmt etwas nicht mit dir?"

"Ich schlafe zur Zeit nicht besonders gut und habe manchmal Probleme mit der Luft. Aber sonst fehlt mir nichts."

Annika schüttelte den Kopf.

"Du hättest sowieso die nächste Woche deine vierteljährliche Diabetikeruntersuchung und Blutabnahme. Die ziehen wir jetzt einfach vor. Geh ins Labor, gib eine Urinprobe ab und lass dir den Blutdruck messen. Und danach "Oktoberfest. O´zapft is." Wir wollen dein Blut und wir wollen es gleich. Ich schick dir Vampirella, weil sie die Einzige ist, die deinen Rollvenen noch etwas Lebenssaft entlocken kann."

Ich trollte mich wie verlangt auf die Toilette, presste etwas Urin in den Becher und ließ mir dann von Laura Blut abzapfen. Beim Blutdruckmessen pumpte das Gerät viermal auf, dann ließ es mit lautem Zischen die Luft ab und auf dem Display erschien das Wort ˋErrorˋ. Andrea eilte aus dem Labor und erschien gleich darauf mit der Ärztin, Frau Dr. Karin W.

Die nahm mich mit in den Nebenraum, ließ mich rücklings auf eine Liege legen und machte ein EKG. Ich kam mir vor wie ein Pkw in Vorbereitung auf den TÜV, so wurde ich verkabelt.

Als das Ergebnis ausgedruckt war, griff sie zum Telefon und rief einen Rettungswagen. Was sollte denn das?

"Mensch, Karin, lass mich wenigstens schnell noch mal nach Hause gehen, meinen Koffer für das Krankenhaus holen. Es sind doch nur 400m bis zu mir heim."

"Kommt nicht in die Tüte, mein Lieber", gab sie mir zur Antwort. "Wenn ich dich jetzt gehen lasse, dann bin ich mir nicht sicher, ob du lebend wieder kommst. Du bleibst jetzt liegen, denn das ist kein Spaß. Wir sagen deiner Frau Bescheid, dass sie dir deinen Koffer ins Krankenhaus bringen soll. Also wenn deine Familie dich noch länger haben soll, dann bleib gefälligst liegen."

Du meine Güte, in dem Ton hatte sie mit mir noch nie geredet und wieso sagte sie etwas von "Krankenhaus"?

Keine 10 Minuten später kamen zwei Sanitäter mit einer Trage, kurz danach ein Notarzt und nochmals zwei Sanis. Also den Aufwand fand ich jetzt doch schon ein wenig übertrieben.

Ein Rettungssanitäter maß meinen Blutdruck, sagte 240 zu 124 zu 108 zum Notarzt, dann hoben sie mich zu viert an und legten mich auf die Trage.

An einer blassen Andrea und Annika vorbei (denen ich noch zurufen konnte, sie sollten bitte meiner Frau und Johannes Bescheid geben), vorbei ging es schnellen Schrittes zum Rettungswagen und etwas unsanft und mit heftigem Ruckeln wurde ich hineingeschoben und festgegurtet. Und dann ging die Fahrt ab nach W. ins Krankenhaus.

Ein Arzt stellte mir ein paar Fragen, ob ich Schmerzen hätte oder Allergien, was ich beides verneinte, dann ging er und ich lag eine halbe Stunde tatenlos herum. Zwei Pfleger zogen mich aus, zwängten mich in ein hinten offenes!!! Krankenhaushemdchen und drehten mich auf die Seite. Und erneut ging die Fahrt durch die Krankenhausflure bis in den OP.

Ab da ist alles etwas verschwommen und unklar. Wie ich im Nachhinein erfahren habe, wurden mir durch den Arm zum Herzen hindurch zwei Stents gesetzt und dann kam ich in die Intensivstation. Hier döste ich so vor mich hin.

Plötzlich rasselten die Alarmglocken und einige Lampen blinkten hektisch auf. Ein heftiger Schweißausbruch schüttelte mich und ich bekam keine Luft mehr. Schwester Gerlinde löste scheinbar einen Alarm aus, denn mehrere Ärzte und Schwestern kümmerten sich um mich und nach zwei Stunden hatten sie mich soweit stabilisiert, dass die größte Gefahr abgewandt war.

Ich bekam einen Blasenkatheter gelegt, der die nächsten 4 Tage mein ständiger Begleiter war. Sie wollten mich trocken legen hatten die Ärzte gemeint, da ich zu viel Wasser in Herz und Lunge hatte und mir das beim Atmen die Probleme bereiten würde. Außerdem musste das Kontrastmittel aus dem Körper, sonst wäre eine Dialyse angesagt und sowas konnte ich gar nicht gebrauchen.

Ich habe die nächsten Tage die meiste Zeit geschlafen und nicht besonders viel mitbekommen.

Melanie kam ins Krankenhaus, brachte mir meinen "Notfallkoffer", durfte mich aber noch nicht besuchen, da ich noch auf Intensiv lag und noch nicht über den Berg war.

* * *

Samstag, 20. Mai 2023

Am 6. Tag wurde ich auf die Normalstation verlegt, da sich meine Werte in einem akzeptablen Rahmen bewegte und ich nicht mehr unter ständiger Aufsicht sein musste. Melanie durfte endlich zu mir und war ziemlich verzweifelt. Nachdem ich sie etwas beruhigen konnte, nahm ich ihre Hand und versprach ihr dass ich mich in Zukunft mehr um meine Gesundheit kümmern und ordentlich abnehmen würde. Federica meinte: "Papa und dünn? Das geht doch gar nicht. Dafür kocht und isst er doch viel zu gerne."

"Ich werde dafür sorgen, dass er das Richtige kocht und isst", meinte Melanie. "Mehr Salat, mehr Gemüse und weniger Soßen, die mit viel Sahne gemacht werden, viel Fisch gedünstet und mehr Obst, also keine zuckerfreien Fruchtbonbons."

Sie lachte und die Kinder stimmten mit ein, als sie mein entsetztes Gesicht sahen. Himmel hilf, ich sah üble Zeiten auf mich zukommen.

Die Schwestern und Pfleger haben sich rührend um mich gekümmert und ich hatte auch sehr intensive Gespräche mit den Ärzten. Besonders Schwester Gerlinde besuchte mich sehr oft auf dem Zimmer. Obwohl sie die Oberschwester auf der Intensivstation war, war sie zu der Ansicht gekommen, es wäre nicht gut für mich, wenn ich alleine in einem Dreibettzimmer untergebracht wäre. Sie sagte immer sie wolle verhindern, dass ich vereinsame unter all den anderen Patienten. Obwohl ich sagen muss, dass ich eigentlich immer Gesellschaft hatte, was ihr manchmal gar nicht so passte. Neben Melanie und den Kindern, die sie nicht unsympathisch fand, waren das vor allem wenn die Stationsärztin, eine junge Iranerin und deren Assistentin, eine hübsche Libanesin. Wenn die bei mir aufkreuzten, dann sank ihre Laune gleich in den Keller. Ich konnte sie aber beruhigen, indem ich ihr versicherte, dass mir die Person wichtig wäre und es mir nicht auf den Titel ankäme, denn Titel sind Schall und Rauch. Ein toter Minister ist nicht anders tot als ein verstorbener Gemeindearbeiter.

Leider war diese schöne Zeit schon nach 4 Tagen vorbei, als mir die Ärztin mitteilte, dass ich am nächsten Tag nach Hause gehen könnte. Was heißt hier gehen, ich erhielt einen Transportschein und ein Taxi wurde für mich bestellt.

Schwester Gerlinde war sehr traurig, dass ich sie schon so schnell verlassen würde und meinte, dass ich sie sicher bald vergessen würde. Dem widersprach ich vehement, zog sie an mich und sagte ihr sehr eindringlich: "Wie könnte ich die Frau vergessen, der ich mit Sicherheit mein Leben verdanke. Wenn du auf der Intensivstation nicht sofort lebensrettende Maßnahmen eingeleitet und die Ärzte alarmiert hättest, dann könnte ich heute nicht vor dir stehen und mit dir reden. Es kann eine Weile dauern, bis wir uns wiedersehen, aber das wird nach der Reha sicher passieren. Bitte gib mir deine Telefonnummer, damit ich dich anrufen und informieren kann, was weiter mit mir gemacht wird."

Bevor ich mich auf die Heimreise begeben konnte, kam aber noch eine Frau von der Pflege- und Sozialstation zu mir und redete mit mir über eine Anschlußheilbehandlung. Eine Reha in der Herzklinik in Bad Krozingen. Sie hätte auch schon alles in die Wege geleitet und ich würde in den nächsten Tagen einen Brief von der Klinik erhalten, in der ich dann die nächsten Wochen verbringen durfte. Heißa, in Krozingen war ich schon viermal, also nicht in der Herzklinik, aber in zwei anderen Häusern. Es würde zwar kein Urlaub werden, aber es würde mir gut tun. Und ich wusste, was mich erwarten würde.

Zuerst aber galt es, den Betrieb im Eisiglu zu organisieren. Ich konnte es Mel unmöglich zumuten, den Laden den ganzen Tag alleine zu managen. Schon wegen der Kinder war das nicht möglich. Heike erklärte sich bereit, ganztägig da zu sein, als Rentnerin hatte sie ihrer Meinung genug Zeit für so etwas und konnte auch noch ein klein wenig zu ihrer Rente hinzuverdienen. Meine Pflegetochter Louise nahm sich vier Wochen Urlaub und in den 9 Tagen, an denen ich zwischen Krankenhaus und Reha zuhause war, hatte ich genug Zeit, sie in die Abläufe der Arbeit einzuweisen. Nur Eis durfte sie keines machen, das war Melanie vorbehalten, die es schließlich gelernt hatte.

Meine Frau war nicht begeistert, als ich ihr sagte, dass ich drei Wochen nicht zu Hause wäre, eher sogar vier, denn ich sah unweigerlich eine Verlängerung auf mich zukommen. Ich war schon öfter auf Reha.

* * *

Freitag, 09.Juni 2023

Nach viel zu wenigen Tagen im Kreis meiner Familie hieß es wieder Abschied nehmen. Ein Kleinbus vom Taxiunternehmen kam vorbei, um mich abzuholen, denn ich sollte es vermeiden, selbst zu fahren.

"Zu gefährlich", meinte meine Ärztin und Mel wollte ich es nicht zumuten, für einigen Stunden die Mädchen, die am Mittag aus der Schule und dem Kindergarten kamen und etwas essen wollten, alleine zu lassen.

* * *

Nun stand ich in Bad Krozingen in der Reha-Klink an der Rezeption, mein Gepäck hinter mir auf einem Wägelchen gestapelt und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Zuerst wurde mir mein Zimmerschlüssel ausgehändigt und eine Menge anderer nützliche Papiere. Lageplan, Speiseplan, wie ich zu meiner Station kommen konnte und eine Broschüre von Bad Krozingen. Ich nahm alles in Empfang, meldete Telefon und Internet an, schnappte mir mein Gepäck und fuhr mit dem Lift in den ersten Stock. Als ich ausstieg sah ich gleich das Stationszimmer, wo ich mich anmelden sollte. Die Stationsschwester, eine hübsche zierliche Asiatin mittleren Alters nahm meine Personalien auf, wies mich in die Station ein und zeigte mir, wo ich was finden konnte. Ab 12 Uhr gäbe es Mittagessen, bis dahin hätte ich genug Zeit um meine Sachen im Zimmer einzuräumen. Ich sandte Melanie eine Mail, dass ich gut angekommen wäre und versprach, sie und die Kinder am Abend, wenn der Eisiglu geschlossen war, anzurufen.

Das Mittagessen war ganz ok, es hätte zwar etwas heißer sein können und etwas mehr Pep von den Gewürzen her hätte auch nicht geschadet.

Um 14:15 Uhr hätte ich die Eingangsuntersuchung bei der Stationsärztin. Man würde mich auf meinem Zimmer anrufen, wenn es soweit wäre.

Gegen 14 Uhr machte ich mich auf den Weg in Richtung der Ärztezimmer, aber da ich den Namen der Stationsärztin nicht kannte suchte ich mir einen Stuhl, an dem jeder irgendwann vorbeikommen würde.

Ich beobachtete den regen Verkehr auf den Gängen, wobei ich feststellte, dass ich mit meinen fast 70 Jahren doch noch der jüngeren Generation zuzurechnen war, die hier die Betten belegte. Sehr viele waren mit Rollstuhl, Rollator und zwei Krücken unterwegs, wo ich mit meinem einzelnen Gehstock schwer ins Hintertreffen kommen würde.

Eine junge, attraktive Frau mit langem blonden Haar und einer modischen goldenen Brille sprach mich plötzlich an.

"Sind Sie der Herr Arne N.?"

Als ich nickte, meinte sie: "Kommen Sie bitte mit. Ich bin Dr. Julia L., ihre Stationsärztin."

Als sie das sagte, erkannte ich sofort, dass sie bestimmt nicht aus unserer Gegend kam. Wie sie mir später erzählte, stammte sie auch ursprünglich nicht aus der Rheingegend, was ich schon wegen ihres Akzentes vermutet hatte.

In der nächsten Stunde führten wir ein interessantes Gespräch. Sie wollte alles über meine Vorerkrankungen wissen und hatte scheinbar eine ganze Liste meiner Unfälle und Operationen vor sich auf dem Tisch liegen.

"Das wird ein hartes Stück Arbeit mit Ihnen und auch für Sie werden. Wir müssen Ihren Blutdruck noch einmal senken und vor allen Dingen müssen Sie abnehmen. Massiv abnehmen, mindestens 30 kg in den nächsten 2 Jahren. Und das Gewicht darf nicht wieder zugelegt werden. Um die Idealgröße bei ihrem jetzigen Gewicht zu erreichen, müssten sie 35 cm wachsen und das schaffen nicht einmal wir."

Sie ließ ein glockenhelles Lachen hören und ich stimmte darin ein. Sie hatte natürlich recht, aber als ehemaliger Restaurantfachmann und Koch hatte ich das Essen und Kochen als letztes Laster behalten. Ich rauchte seit 31 Jahren nicht mehr, hielt mich weitgehend von meinem geliebten spanischen Rotwein fern und als Diabetiker durfte ich mich nicht einmal voll Genuss am eigenen selbst hergestellten Eis laben.

Als Frau Doktor mein betrübtes Gesicht sah, lies sie noch einmal ihr bezauberndes Lachen hören und meinte dann: "Wir werden Sie schon auf den rechten Pfad bringen. Wenn sie wirklich alt werden wollen, dann müssen Sie jetzt damit anfangen. Abnehmen, mehr bewegen und zwar nicht nur hier in der Reha, sondern auch später zuhause. Sie haben Familie und diese Familie braucht sie und wird Ihnen sicher zur Seite stehen. Es hört sich jetzt alles schlimmer an, als es dann sein wird. Sie haben Menschen, die sie brauchen und die sie unterstützen, aber sie müssen ihren Teil beitragen und es braucht eine Menge Selbstüberwindung und Beharrlichkeit."

Langsam hatte ich begriffen, dass das was sie sagte, ernst gemeint war und dass es diesmal Spitz auf Knopf gestanden hatte. Sie hielt 2 Finger dicht beieinander und meinte: "Es war diesmal so knapp, wirklich. Also fordern sie ihr Glück nicht noch einmal heraus. Diesmal könnte es das letzte Mal gewesen sein."

Ich nickte, als sie mir diese Wahrheit unterbreitete. Ich lies das Ganze sacken und erkannte, dass ich nicht unsterblich war, wie ich bisher scheinbar gemeint hatte. Es war wirklich an der Zeit, dass ich mein Leben noch einmal umkrempelte. Schon wegen meiner Familie. Egoismus war da nicht mehr angesagt.

* * *

Jetzt ging es ans Eingemachte. Meine Medikation wurde umgestellt und zum ersten Mal erklärte mir eine Ärztin ganz genau, warum sie es genau so machte und was sie damit beabsichtigte. Bisher hatten meine Ärzte immer so getan, als wäre alles ein großes Geheimnis und der Patient hätte es so zu akzeptieren. Nun konnte ich mitreden, konnte Einwürfe machen und ihr Fragen stellen. Zum Schluss der Untersuchung hörte sie mich ab, und meinte schließlich: "Was ich nicht verstehe ist, warum das Krankenhaus ihre Diabetestabletten ersatzlos gestrichen hat. Ihr Blutzuckerwert ist nahezu wieder normal, aber der Langzeitwert ist immer noch leicht erhöht. Mit Ihrer Einverständnis verschreibe ich ihnen eine leichte Diabetestablette, nur eine am Tag und die ist im Gegensatz zu ihren bisherigen Medikamenten nierenverträglich, so dass sie keine weiteren Zusatzmedikamente nehmen müssen."

Selbstverständlich war ich damit einverstanden und auch damit, dreimal täglich meinen Blutdruck zu messen und zu notieren. Auch war wiegen einmal vor dem Frühstück angesagt, vor allem um festzustellen, ob sich wieder Wasser in Herz und Lunge bildete. Deshalb in den nächsten 3 Wochen immer die gleiche Zeit, die gleiche Waage und die gleiche Bekleidung. Das konnte ich hinkriegen.

Das Gespräch war nun zu Ende und sie sagte mir noch dass ich am Sonntag den ersten Therapieplan für die nächsten drei Tage erhalten würde. Dann würde ich mich auf das Kommende einstellen können.

Frau Doktor Julia ging vor mir in Richtung Schwesternzimmer und ich konnte von hinten das sanfte Schwingen ihrer entzückenden Kehrseite bewundern.

Vor dem Schwesternzimmer drehte sie sich zu mir, grinste mich an und meinte: "Na, was sagen Sie jetzt? Hat es ihnen gefallen? So wie Sie aussehen, denke ich schon. Also sind Sie doch noch recht lebendig. Ts, ts, ts und das in Ihrem Alter und Zustand. Aber wenn es bei ihrer Therapie hilft, dann habe ich nichts dagegen, wenn Sie weiter hinschauen. Ihnen gefällt das?" und als sie mein Lächeln und Nicken sah, sagte sie etwas, was mich sehr überraschte. "Me too!"

In der Bedeutung hatte ich das noch nie gehört. Nichts Negatives, keine Vorwürfe und Anspielungen, nur Zustimmung. Ich war wirklich verblüfft. Wenn das schon der erste Tag war, wie würde es wohl weiter gehen?

Der nächste Spaß geschah dann beim Mittagessen. Mein Tischnachbar begrüßte mich lachend, hielt sein Namensschild neben meines und da wusste ich warum. Er hieß auch Arne, hatte aber einen anderen Nachnamen wie ich, nämlich Leicht, das Gegenteil von Schwer. Also wir waren weder verwandt noch verschwägert. Es wurde Usus, dass wir uns zu jeder Tages- und Nachtzeit und überall mit "Moin, Arne" begrüßten und da hatten dann auch die anderen etwas zu lachen. Von Beruf war er Rechtsanwalt, so hatte ich jemanden an den ich mich wenden konnte, wenn es daran ging, die Klinik vielleicht zu verklagen.

Das Essen mussten wir uns selbst nehmen, auch wir Diabetiker und da hieß es schon Disziplin und Selbstbeherrschung zu üben. Zuviel auf den Teller geladen war schnell und dieses "Zuviel" würde die Waage unerbittlich aufdecken. Also Vorsicht und immer schön langsam.

* * *

Samstag, 10. Juni 2023

Vor dem Frühstück waren Wiegen und Blutdruckmessen angesagt. Dabei stellte ich fest, dass der Blutdruck mit 178 - 92 - 61 immer noch zu hoch war (wieder etwas höher als in der Zeit im Krankenhaus) und als ich es Frau Doktor wie vereinbart mitteilte, änderte sie noch einmal leicht meine Tablettendosis. Es würde ihrer Meinung ein bis zwei Tage dauern, bis sich eine Veränderung ergäbe, aber am Montag nach der Blutabnahme könnte sie mir genau sagen, wie es weitergehen würde.

Die Waage zeigte trotz Baucheinziehens und tiefem Ausatmen satte 120,6 kg an und lies sich nicht zu einer anderen Aussage überreden. Es half nichts, da musste ich jetzt durch. Allerdings hatte ich Ende März schon mit dem Intervallfasten begonnen, denn damals hatte meine eigene Waage "bitte nur eine Person" gesagt und stattliche 131 kg verkündet. Ein leichter Fortschritt hatte sich also schon eingestellt, auch durch das Entwässern auf der Intensivstation im Krankenhaus. Wenn ich es schaffen sollte, jeden Monat ein Kilogramm abzunehmen, dann wäre ich in 2 Jahren an dem Punkt, den ich erreichen wollte und wo mich meine Ärzte sehen wollten.

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