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Rehabilitationsmaßnahmen 02

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Mein Frühstück bestand aus 2 Scheiben Vollkornbrot mit Marmelade und 3 Tassen Kaffee. Etwas Gutes braucht der Mensch und ich war der Meinung dass ich für ein paar Tage auf mein Intervallfasten verzichten konnte, bis ich mich akklimatisiert hatte.

Danach lief ich durch das Haus, damit ich am Montag wusste, wo ich hin musste und nicht planlos durch das Gebäude irren würde.

Zum Mittagessen gab es einen Gemüseeintopf mit Huhn, der aber sowas von lau gewürzt war, dass ich beherzt zum Gewürzregal griff und nachbesserte, bis das Ganze meinem Geschmack entsprach. Auch meine Tischnachbarn folgten meinem Beispiel und ab da sah man zufriedene Gesichter an unserem Tisch.

In unserer Klinik gab es kein Bistro oder Café und so zeigte mir Arne den Weg zur Nachbarklinik, wo sich ein Café befand. Der Cappuccino war ein Traum vom Geschmack und vom Aussehen, aber mit 5 Euro hatte er auch einen überaus stolzen Preis. Er war glatte 2 Euro teurer als in unserem Eiscafé und ich schob es auf den Klinikzuschlag. Jeder musste schauen, wo er blieb.

Wir vertrieben uns die Zeit im Bistro bis zum Abendessen, das aus 2 Scheiben Vollkornbrot, Käse und Schinken, sowie etwas Wurst bestand. Also nichts aufregendes.

Nach dem Abendessen wurde es Zeit, mich bei meiner Verwandtschaft zu melden. Mutter, Schwester und Nichte waren in 30 Minuten abgewickelt und Gerlinde war ganz erstaunt, dass ich sie tatsächlich nicht vergessen hatte. Das Gespräch zog sich etwas und dann waren Melanie und die Kinder an der Reihe. Wir hatten uns viel zu erzählen und ich sollte doch tatsächlich Fragen beantworten, auf die ich selbst noch keine Antworten hatte.

Auch Louise berichtete mir von ihrem ersten Tag im Eisiglu und den kleinen Missgeschicken, die ihr unterlaufen waren. Ich tröstete sie damit, dass mir die selben Fehler passiert waren, aber aus solch kleinen Fehlern konnte man lernen.

Ein Blick auf meinen Wecker zeigte mir dass es schon fast 22 Uhr war. Also noch geschwind geduscht und dann nichts wie in die Koje. Der Tag war lang und ereignisreich gewesen.

* * *

Sonntag, 11. Juni 2023

Ich hatte hervorragend geschlafen und wurde um 05:30 Uhr etwas abrupt von der Nachtschwester aus meinen Träumen gerissen. Gerade noch war ich mit Melanie und Frau Doktor Julia L. gemütlich bei einem Eis gesessen, wobei ich als Diabetiker ja gar kein Eis aß und meine Ärztin hatte mir eben den Vorschlag unterbreitet, die Reha in der Eisdiele zu absolvieren. So hätte sie die Gelegenheit täglich die Köstlichkeiten, die wir verkauften, zu genießen. Sie hätte dann die einmalige Chance, ihr Honorar in Eis bezahlt zu bekommen. Sie hatte leicht reden, war sie doch rank und schlank wie Melanie. Wie Mel es schaffte, trotz 4 Kindern immer noch eine Figur wie ein Twen zu haben, war mir ein absolutes Rätsel. Schlank, aber mit den weiblichen Rundungen an den Stellen, die ich an ihr so liebte. Ich musste nur den Lkw vom "Eismann" vorbeifahren sehen, oder die Bremsspur von einem Bierlaster, schon hatte ich ein Kilogramm zugenommen.

Wie gesagt, es war ein schöner Traum und dann kam diese Schwester und holte mich unerbittlich in die Realität zurück.

"Herr N. sind sie wach? Es wird Zeit."

Zeit wofür? Ein kurzer Blick auf meinen Wecker zeigte mir, dass es gerade halb Sechs war. Also noch mitten in der Nacht, mochte es draußen auch schon ein wenig hell sein.

"Frau Dr. L. hat mich anwiesen, ihnen die Beine zu wickeln. Das soll verhindern, dass sich Wasser dort einlagert. Gegen das Wasser in Herz und Lunge haben sie ihre Tabletten. Auf geht´s, jetzt werden sie von mir eingewickelt."

Eigentlich hatte ich ja nichts dagegen, aber die Ärztin wäre mir doch lieber gewesen. Von ihr hätte ich mich gerne um den Finger wickeln lassen. Aber das Leben ist halt kein Wunschkonzert.

Und dann packte sie 6 Elastikbinden ( in Worten: Sechs ) aus einem Karton aus, zog mir meine Schlafanzughose, wohlgemerkt es war eine kurze Schlafanzughose, nach unten und aus und begann jedes Bein mit je 3 dieser Binden zu bandagieren. Knapp über den Zehen fing sie an und hörte kurz unterhalb der Knie auf. Und deswegen hatte sie mir die Hose ausgezogen????

Ich blickte an mir herunter und was konnte ich sehen?

Genau so musste sich ein Pharao gefühlt haben, wenn die Priester nach seinem Ableben damit begannen ihn zu mumifizieren. Wenigsten hatte sie mir nicht Herz, Hirn und andere Eingeweide herausgenommen und in separate Kanopen verstaut, wie es im alten Ägypten die Regel war.

Als ob sie wusste, was mir durch den Kopf ging, grinste mich die Schwester dann an und sagte: " Sie dürfen jetzt weiterschlafen. Ich wünsche noch eine gute Nacht."

Ich brummelte noch eine unverständliche Äußerung in meinen kurzgeschorenen Vollbart und sie verließ lachend mein Zimmer.

An Schlaf war natürlich nicht zu denken, ich musste ein Paar Schuhe finden, in die ich jetzt mit meinen Klumpfüßen hineinkam. Meine Turnschuhe waren ziemlich weit und nachdem ich die Einlegesohlen entfernt hatte, gab es auch keine Probleme. Allerdings lief ich jetzt etwas krumm, weil mein linkes Bein nach meiner Hüftoperation 2010 fast 2cm länger war und das rechte mit einer Einlegesohle im Schuh ausgeglichen wurde. "Quasimodo in der Herzklink" wäre vielleicht auch ein Titel für diese Geschichte gewesen.

* * *

Das Frühstück war eine freudige Überraschung. Zu den Semmeln und dem Vollkornbrot, gab es neben den üblichen Zutaten ( Marmelade, Honig, Nutella, Käse und Wurst) zur Feier des Tages Rührei (mit Laktose), was meine Laune in schwindelnde Höhen katapultierte. Ich habe eine schwere Vegetarier- und Veganer-Intoleranz, aber gegen Gluten und Laktose habe ich nichts. Schließlich bin ich als Kind mit normaler und abwechslungsreicher Ernährung großgezogen worden. Nach dem Motto "Was dich nicht umbringt, macht dich nur noch härter."

Nach dem Frühstück noch einmal Blutdruckmessen und siehe da, die Medikamente schienen allmählich ihre Wirkung zu zeigen. 171 - 79 - 66, da hatte ich wahrlich keinen Grund zum Meckern. Nur der obere Wert musste noch ordentlich gesenkt werden

Mittags gab es Hähnchenroulade gefüllt mit Spinat und Chinakartoffeln (also Reis), und die war nach dem Nachwürzen ziemlich gut und schmackhaft.

Jetzt lernte ich auch Selim, den türkischen Professor und Arzt kennen und dann setzte sich noch eine Patientin vom Nebentisch, der bereits abgeräumt war zu uns und es begann eine angeregte Unterhaltung, bis uns das Küchenpersonal zu verstehen gab, dass sie auch langsam Feierabend machen wollten.

Zu Prof. Selim noch eine kleine Anmerkung. Als ich ihn kennenlernte, dachte ich doch allen Ernstes "noch ein türkischer Kebabverkäufer", denn er hatte eine Art und ein Gebaren, dass ich ihn mir auf einem orientalischen Basar vorstellen konnte. Aber der erste Eindruck kann gewaltig täuschen. Selim war ein weltweit gefragter Chirurg und Internist, hatte ein überragendes Wissen und war trotz seines Rufes ein umgänglicher und patenter Mensch.

Wir verzogen uns dann in den Eingangsbereich, holten uns trotz aller Bedenken einen Kaffee aus dem Automaten (Bääh!!) und redeten, bis es Zeit wurde für die Kiste.

Denn der nächste Tag würde früh beginnen, spät enden und bestimmt nicht leicht werden.

Als ich dann endlich am Abend die Binden entfernen und zusammen rollen konnte, war ich richtig erleichtert. Ich hatte zwar kein Wasser in meinen Beinen, aber Abdrücke von den Bandagen, von denen ich glaubte, man würde sie mir für den Rest meines Lebens ansehen. Es war eine Wohltat, dass endlich wieder Luft an meine Beine durfte.

Und ich habe richtig gut und fest geschlafen.

* * *

Montag, 12. Juni 2023

Als hätte ich es geahnt und war deswegen vielleicht schon wach, kam pünktlich 05:30 Uhr die Stationsschwester in mein Zimmer, zog die Vorhänge auf und nach einem "Huch, sie sind ja schon wach!", wollte sie mir die Beine wickeln.

"Nein, heute bitte nicht", wehrte ich ab, "ich habe nachher noch Ergometertraining und Koronar-Basisgruppe und da kann ich es nicht gebrauchen, wenn mir 6m Binden im Fahrtwind hinterher wehen."

Fast schien es, als ob sie ein wenig beleidigt war, dann hellte sich ihre Miene wieder auf. "Aber ein Fußbad darf ich Ihnen doch wenigstens bringen, ich meine es doch nur gut."

Da hatte ich nichts dagegen, obwohl ich meine Füße zur Entspannung eigentlich erst am Abend in warmes Wasser tunkte. Aber ich genoss diese Viertelstunde, dann zog ich mich an und machte mich auf die Socken, denn ich musste vor dem Frühstück noch einiges erledigen.

Das tägliche Wiegen (vor dem Frühstück) und Melken (Blutabnahme fürs Labor), das erste Blutdruckmessen und den Blutzucker bestimmen.

"128, wohl ein bisschen viel auf nüchternen Magen", meinte Stationsschwester Nr.2 und schnalzte abschätzig mit der Zunge. "Haben sie ihre Tabletten schon genommen?"

"Hab ich," bestätigte ich, "aber das Krankenhaus in W. hat mir aus unerklärlichen Gründen meine Zuckertabletten ersatzlos gestrichen und erst gestern ist das Frau Dr. L. aufgefallen und sie hat mir neue verschrieben. Also wird es wohl noch ein, zwei Tage dauern, bis die Wirkung wieder voll einsetzt."

"Okay", meinte sie, "aber kommen Sie vor dem Mittagessen noch einmal für eine Nachprobe bei mir vorbei."

Eine kleine lustige Episode ist noch mit meiner Wickelschwester passiert. Laut maulend stand sie vor den Schränken bei dem Stationszimmer, als ich auf die Blutabnahme wartete und räumte Binden, Salben und Klammern neu ein. Dabei schimpfte sie wie ein Rohrspatz: " Ich möchte es einmal erleben, dass ich pünktlich Feierabend machen kann und rechtzeitig aus diesem Haus komme. Aber nein, ich muss ja mindestens 15 Patienten die Beine wickeln oder die Stützstrümpfe anziehen!"

Innerlich bedauerte ich sie ein wenig, weil ich wusste, wie lange es bei mir gedauert hatte, aber ich hatte große Mühe mir ein Grinsen zu verbeißen.

Jetzt machte ich aber, dass ich zum Frühstück kam, denn ich wollte meine erste Nahrungsaufnahme des Tages genussvoll gestalten und nicht alles eilig in mich hineinschlingen. Das soll ungesund sein, habe ich gehört.

Außer mir war nur Prof. Dr. Selim, der türkische Arzt mit Herzinsuffiziens am Tisch. Wir schwatzen kurz über das Motoradfahren und dann schauten wir, dass wir zu unseren Anwendungen kamen.

Zuerst bekam ich ein 24Stunden-Blutdruckmessgerät verpasst und war erstaunt, wie klein diese Dinger geworden waren. Vor 15 Jahren waren das noch Stromgeneratoren in der Größe eines kleinen AKW gewesen, jetzt waren sie auf Walkmanformat geschrumpft. Aber das Brummen alle Viertelstunde, das Armabquetschen und das dazugehörende Schnarren des Kastens waren immer noch so nervig wie damals. Ich fragte mich allen Ernstes, wie ich die Nacht überstehen sollte.

Kaum war ich bestückt, ging es auch schon zum Ergometertraining. Was war ich froh, dass ich die Binden abgelehnt hatte, denn bei einigen anderen hatten sie sich beim Strampeln gelockert und das sah genau so lächerlich aus, wie ich es mir in meiner Phantasie vorgestellt hatte. Ich hatte mit einem Ruhepuls von 62 begonnen und nach 20 Minuten Belastung, in denen ich ganz schön ins Schwitzen gekommen war, lag mein Höchstwert bei 75, was bei dem Therapeuten ein leichtes Stirnrunzeln und ungläubige Blicke hervorrief. Die anderen hatte alle Werte zischen 85 und 110, aber mir war das Ganze gar nicht so anstrengend vorgekommen und so gab ich als Bewertung eine Zwei ab. Eine Eins akzeptierte die Therapeutin nicht, so etwas gäbe es nur wenn man auf der Couch liegt und faulenzt. Außerdem schob ich meinen niedrigen Ruhepuls auf die Tatsache, dass ich nicht ausgeschlafen und daher noch müde war.

Dann ging es zur Koronar-Basis, wo wir mit Bällen spielten und jonglierten. Die 30 Minuten waren auch schnell vorbei und ich hatte nur 10 Minuten Zeit um zur Hydrojetmassage zu kommen. Unter diesen Begriff konnte ich mir nichts vorstellen. Überwassermassagen kannte ich doch einige, aber Hydro bedeutete doch Wasser. Also Augen zu und durch.

Der Therapeut nahm mich in Empfang und meinte zweideutig: "So, jetzt werden sie endlich mal verwöhnt."

Er führte mich in einen voll verglasten Nebenraum in dem eine riesige Luftmatratze in einem massiven Rahmen stand.

"Sie können alles anlassen und brauchen auch den Oberkörper nicht freimachen. Setzen sie sich auf die Umrandung, rutschen sie etwas nach hinten und dann legen sie sich auf den Rücken. Das ist alles."

Jetzt hatte ich begriffen, das Ganze war wie ein Wasserbett.

Ich lag sehr bequem und streckte mich wohlig. Ich bekam eine elektronische Klingel in die Hand gedrückt.

"Damit können sie mich rufen, wenn etwas nicht in Ordnung ist und wenn das Programm abgelaufen ist. Ich wünsche wohl und entspannt zu ruhen."

Er rückte einige Male auf eine Tastatur über meinem Kopf und verließ den Raum. Und was dann geschah, war sogar mir neu.

Ein leichtes Vibrieren setzte ein, es begann bei meinen Fersen und wurde mit der Zeit immer stärker. Ein Gebläse wurde aktiviert und Blasen wie in einem Whirlpool begannen immer stärker zu pulsieren. Und dann marschierte diese ganze verrückte Aktion von meinen Fersen die Beine hinauf, stimulierte auf nicht unangenehme Art und Weise meinen Hintern um bis zu meinen Schulterblättern zu gelangen. Das Schauspiel dauerte etwas über 5 Minuten, die Maschine stoppte dann ganz kurz und wiederholte alles noch dreimal. Ich war hin und weg und wäre so den ganzen Tag gerne liegen geblieben.

Aber ich drückte die Klingel und der Ton der daraufhin erklang, hörte sich an, als wäre man mit einem Pkw in einen Hühnerschwarm gefahren. Das war eine Art Humor, die auf meiner Wellenlänge lag. Und seit diesem Tag hieß die Hydrojet-Massage bei mir „ABM" (Arschbackenmassage).

* * *

So, jetzt vor dem Mittagessen, noch schnell die verschwitzten Klamotten gewechselt und dann vor auf Station, um die Blutzuckerwerte zu bestimmen.

" 91", meinte die Schwester, " das gibt es doch gar nicht. Sagen sie mir, was haben Sie genommen?"

"Gar nichts", gab ich zurück, "vielleicht ist es nur eine Kopfsache. Auf die Art und Weise habe ich mir vor 31 Jahren auch das Rauchen abgewöhnt. Einfach nicht daran denken."

"Witzbold", meinte sie etwas eingeschnappt, "ich will sie noch einmal vor dem Abendessen sehen und dann messen wir noch einmal."

Ich schenkte ihr ein charmantes Lächeln und begab mich zum Aufzug um in den Speisesaal zu gelangen.

Ein kurzer Blick auf die Karte und mir war klar, was ich essen würde. Badische Käsespätzle mit Röstzwiebeln und einem gemischten Salat würden mir wohl zu Gesicht stehen.

Ich ließ mir gegen meinen eigenen Willen eine Seniorenportion geben und als ich sah, was der Koch in der Schöpfkelle hatte, ließ ich alles um die Hälfte reduzieren mit der Bemerkung: "Bitte nur für eine Person, auch wenn ich nach mehr ausschaue."

Der Koch verschluckte sich fast vor Lachen, kam aber meinen Forderungen nach.

Ich nahm mein Tablett, holte mir als Nachtisch eine Banane und eine Tasse Schwarztee und wackelte zu meinem Tisch.

Leer, noch keiner da, ich war mal wieder der erste. Ein kurzer Blick zum Eingang und ich sah Prof. Selim hereinkommen und zur Speisenausgabe gehen.

Und dann saß ich wie erstarrt da. Eine junge Frau kam in den Raum, die ich noch nie gesehen hatte.

Ich starrte auf meine Spätzle. Das muss ein Traum sein, dachte ich. Eine Ärztin, vielleicht eine Schwester, die für einen Patienten das Essen holte.

Und dann bemerkte ich, wie dieser Traum zu unserem Tisch kam.

Das ist nicht real, das träumst du nur, sagte ich mir.

Das tat ich nicht. Sie zog sich den Stuhl neben mir vom Tisch weg, nahm Platz und lächelte mich freundlich an.

"Hallo, ich bin ihre neue Tischnachbarin Elena H. und für die nächsten Wochen an ihrer Seite."

Ich verschluckte mich fast, gab aber gleich die meiner Meinung nach passende Antwort.

"Wenn es meinem Heilungsprozess förderlich ist, dann hätte ich ganz und gar nichts dagegen."

Und dann unterhielten wir uns angeregt während des Essen und ich erfuhr doch so einiges von ihr und gab von mir auch mehr preis, als ich eigentlich wollte. Denn eine schöne Frau entlockte einem Mann mehr, als er eigentlich sagen wollte und lockerte seine Zunge.

Wäre ich jung, fit, gesund und ungebunden, dann wäre Elena sicher meine Kragenweite gewesen. Gertenschlank, mit langen dunklen Haaren und einem Gesicht wie eine Elfe, war sie ein Blickfang, der unseren Speisesaal ungemein aufhellte. Eine Lehrerin und ich konnte mir vorstellen, dass sie von ihren männlichen Schülern angehimmelt wurde, obwohl sie verheiratet war. Aber ich war nicht mehr der Mann wie in alten Zeiten. Gott sei Dank, muss ich heute sagen.

Ich hatte einen leichten Schlaganfall, sowie einen Herzinfarkt haarscharf überstanden und konnte froh sein, noch am Leben zu sein. Außerdem hatte ich auch Melanie und die Kinder und da verboten sich solche Gedanken von alleine. Ich konnte und durfte meine Familie auf keinen Fall im Stich lassen. Also egal wie viele hübsche und attraktive Frauen herumliefen, meine Gesundheit hatte Vorrang vor allem und mit Mel konnte es sowieso keine aufnehmen.

Aber träumen durfte ich ja noch und solange es Träume blieben, war nichts dagegen einzuwenden.

Nach dem Abendessen machte ich meinen üblichen täglichen Familienrundruf mit meiner Mutter, Schwester und Tochter. Auch meine Nichte, sowie Louise und ihre Mutter kamen nicht ungeschoren davon.

Danach war es schon so spät, dass ich meine Absicht, noch einmal im Aufenthaltsraum vorbei zu schauen, fallen ließ und mich in meine Koje verkroch, wo ich die ganze Nacht tief und traumlos durchschlief.

* * *

Mittwoch, 14.Juni 2023

Ich wachte auf und es war schon ziemlich hell in meinem Zimmer. Was war denn mit meiner Wickelschwester los? Keine Mumifizierung heute?

Pech gehabt, die Tür ging auf und ein Pfleger betrat meine heiligen Hallen. Ich konnte ihn überzeugen, auf die Bandagen heute zu verzichten, indem ich ihm meine Beine zeigte. Rank und schlank und keine Spur von Wassereinlagerungen, aber dafür waren die Wickelspuren vom Vortag noch zu sehen.

"Ne, ne, da verzichten wir heute auf die Bandagen. Sie werden wohl auch so durch den Tag kommen, Herr N.?"

Ich stimmte ihm voll zu, er ging und ich konnte mich nach dem Wiegen und Blutdruckmessen ( 118,0 kg, wieder 1l Wasser weniger und 148 - 68 - 64 ) auf den Weg zum Frühstück machen. Meine neuen Tabletten begannen offentsichtlich Wirkung zu zeigen, was ja nur gut für mich war. Und das Ergometertraining und die MTT ( med. Trainingstherapie ) schwitzten mir das Fett von den Rippen.

Nach einem frugalen und üppigen Frühstück ( 2 Tassen Kaffee ohne Milch und einem Glas Wasser ) machte ich mich etwas hungrig auf den Weg zur Ergo. Seit ich mit dem Intervallfasten vor 10 Wochen angefangen hatte, es gab feste Nahrung nur von 10 Uhr morgens bis 18 Uhr abends und dann war wieder Ruhe für 16 Stunden. So hatte ich in den letzten 2 1/2 Monaten doch 13 kg abgenommen, meiner Meinung nach etwas zu schnell, aber es war ja erst der Anfang gemacht und es würden auch noch andere Zeiten auf mich zukommen. Diese bittere Erfahrung hatte ich auch schon nach meiner letzten Reha 2017 gemacht. Damals hatte auch das Scheitern der Beziehung zwischen Oberschwester Regina und mir eine große Rolle gespielt, als dann anschließend Frustfressen angesagt war. Ich war mir sicher, dass mir diesmal eine solche Situation erspart bleiben würde. Ich hatte Melanie kurz nach dem Fiasko mit Regina als Frau und Mutter richtig kennen und lieben gelernt und Nägel mit Köpfen gemacht ( siehe: Final Fantasy ). Jetzt hatte ich Frau und Kinder, war emotionell ausgeglichen, weil ich wusste, dass jemand auf mich wartete und auf mich zählte. Die Ausgangslage war also eine ganz andere als vor 6 Jahren.

* * *

Das erste "Ergometrieren" machte mir keine Schwierigkeiten. 20 Minuten mit wechselnden Belastungen, ein lockeres Eintreten ohne dass ich ins Schnaufen oder Schwitzen kam. Aber beim MTT merkte ich schnell, wo meine Grenzen waren. Der gestrige Tag kam mir schmerzhaft in Erinnerung und auch das Eingeständnis, dass ich die letzten Jahre nach dem Motto "Jede Bewegung, die nicht unmittelbar zur Nahrungsaufnahme oder Fortpflanzung führt, ist in sich pervers und daher zu vermeiden" gelebt hatte, rächte sich jetzt. Die Übungen fielen mir von Gerät zu Gerät immer schwerer, als hätte ich es geahnt, hatte ich schon mit den schwierigsten begonnen, aber die letzten 20 Minuten auf dem Ergometer kamen mir vor wie eine Bergetappe bei der Tour de France. Immer steil bergauf und nur Gegenwind. Nun fühlte ich mich so alt, wie ich wirklich war. Aber Zeit zum Hinlegen und Ausruhen hatte ich keine, musste ich doch diese Zeilen zu Papier bringen, bevor mir die Ereignisse durch mein als Nudelsieb bekanntes Gehirn hindurch geronnen waren.

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